Schwaben (Begriff)
Aus Historisches Lexikon Bayerns
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"Schwaben" bezeichnet verschiedene historische Konstrukte. Geographisch werden gegenwärtig Teile des Landes Baden-Württemberg und der bayerische Regierungsbezirk Bayerisch-Schwaben mit dem Begriff assoziiert. Auch für Binnengliederungen wie Oberschwaben oder Niederschwaben wird der Begriff verwendet. Als Bezeichnung eines Raumes und seiner Bewohner ist er jedoch wesentlich älter und geht auf das Mittelalter zurück. Ein geographisch-politischer Raum, der später als Schwaben bezeichnet wurde, ist bereits ab dem 6. Jahrhundert erkennbar. Die dort siedelnden Sueben wurden vom 6. bis 12. Jahrhundert zunehmend mit den Alemannen gleichgesetzt. Der Begriff "Schwaben" bezeichnete ursprünglich deren Siedlungsland (Stammesherzogtum Alemannien), später das daraus hervorgehende Herzogtum Schwaben. Die kirchlichen Grenzen dieses Raumes bildeten bis ca. 1800 die Bistümer Konstanz und Augsburg. Die übrigen Grenzen variierten, und damit auch die Gruppen, die ihm zugehörten bzw. sich ihm zugehörig fühlten. In der Frühen Neuzeit wurde der Schwäbische Reichskreis als "Schwaben" bezeichnet. Bis heute wird der Begriff "Schwaben" aber auch auf eine Gruppe von Menschen angewendet, die den schwäbischen Dialekt sprachen bzw. sprechen, vor allem im Hauptteil Württembergs, in Bayerisch-Schwaben und teilweise im westlichen Oberbayern.
Der Raum – eine Vorbemerkung
Wohl in noch stärkerem Maße als andere Regionen unterlag und unterliegt der Raum Schwaben einem Wandel und wandelnden Einschätzungen. Schwaben im Sinn des Landes Baden-Württemberg geht als Nachfolger dreier Vorgängerländer - Baden, Württemberg-Baden, Württemberg-Hohenzollern - in seiner Ausdehnung auf das Jahr 1952 zurück. Der bayerische Regierungsbezirk Schwaben zwischen Ries und Allgäu, Lech und Iller ist Erbe der Umbenennung der Mittelbehörden durch König Ludwig I. (reg. 1825-1848) 1837. Sind diese territorialen Gebilde historische Konstrukte, gilt dies auch im vergleichbaren Maße für frühere Entwicklungen. Der Versuch einer Kongruenz von Stammes- und Mundartgrenze führte dazu, dass Schwäbisch Hall oder Heilbronn (beide Baden-Württemberg) im fränkischen Stammesgebiet lagen. Mit dem "Stamm" der Alemannen verband sich die Vorstellung eines Siedlungsgebietes, das auch die Nordschweiz umfasste und von den Vogesen bis zum Lech reichte. Doch stellte sich der Forschung die Frage nach der Gleichsetzung von Alemannen und Schwaben. Diese Frage glaubte man lange Zeit pragmatisch mit der Identifikation eines frühmittelalterlichen alemannischen und eines hochmittelalterlichen schwäbischen Herzogtums zu lösen.
Der Lech als Ostgrenze ist bereits in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts durch den Geschichtsschreiber Jordanes (gest. nach 552) sowie durch Venantius Fortunatus (gest. zw. 600 u. 610) bezeugt. Hinzu kommt, dass sich im Laufe der Jahrhunderte die herrschaftlichen Schwerpunkte veränderten. War dies im Frühmittelalter vor allem der Bodenseeraum, lässt sich ab dem 10. Jahrhundert eine zentralörtliche Verlagerung nach Norden feststellen. Im Schwaben- oder Schweizerkrieg (1499) ist bereits eine Abgrenzung zwischen den "Sau-" und den "Kuhschwaben" festzustellen. Heutzutage ist für einen Schweizer "Schwabe" Synonym für den nördlichen Nachbarn, "Alemannien" ist Bezeichnung für das westliche Nachbarland bei den Franzosen. Zudem halten sich verbissen Neckereien zwischen Schwaben, Bayern, Franken, Schweizern ebenso wie die Selbsteinschätzung von Badenern oder Allgäuern, die sich nicht als Schwaben sehen, obgleich sie es jahrhundertelang waren. Ein vermeintlich schwäbisches Bewusstsein im Sinne eines Großschwabens wurde in jüngster Geschichte heraufbeschworen, ob im Ulmer Schwabenkapitel 1918 oder nach 1945 bezüglich einer selbstständigen "schwäbisch-alemannischen Demokratie".
Entgegen zahlreichen territorialen Veränderungen blieben die kirchlichen Grenzen – im Wesentlichen die alten Bistümer Konstanz und Augsburg – rund ein Jahrtausend bis etwa 1800 gleich und wirken im Falle Augsburgs bis heute weiter. Dies gilt auch für frühmittelalterliche Gaunamen (Kraichgau, Breisgau oder Thurgau). Andere Binnengliederungen wie etwa Oberschwaben – im Wesentlichen Nachfolger von Schwäbisch-Österreich als Teil der habsburgischen Vorlande und wiederum binnengegliedert in Ost-, Mittel-, Westschwaben, Allgäu – führen den Schwabenbegriff über territoriale, wirtschaftliche, soziale und politische Veränderungen hinweg fort. Augsburg sah sich – und dies galt auch in der Fremdanschauung – noch im 18. Jahrhundert als Hauptstadt (Ober-)Schwabens. Dabei handelt es sich um einen Prozess, der bereits mit der spätmittelalterlichen Stadtchronistik einsetzte. Ebenso erinnern im Wappen Baden-Württembergs wie des bayerischen Regierungsbezirks Schwaben die drei staufischen Löwen an eine gemeinsame hochmittelalterliche Geschichte. Hingegen hat parallel hierzu der Begriff "Stauferland" eine geographische, touristisch propagierte Verengung auf die Gegend um Schwäbisch Gmünd (Baden-Württemberg) durchlaufen.
Dialektale Grenzen
Das Schwäbische ist neben dem Hoch-/Südalemannischen (Schweiz, Südbaden) und dem Niederalemannischen/Oberrheinischen (Elsass, Vorarlberg, in einem südlichen Teil des heutigen Baden-Württemberg) einer von drei Hauptunterdialekten des Alemannischen, das wiederum ein westoberdeutscher Dialekt ist. Gesprochen wird das Schwäbische in einem geographischen Geviert, das in etwa von den Orten Pforzheim, Rottweil (beide Baden-Württemberg), Reutte (Tirol/Österreich) und Dinkelsbühl (Lkr. Ansbach) markiert wird, im Hauptteil Württembergs, Bayerisch-Schwaben, und sich mit dem Bairischen verbindend im westlichen Oberbayern. Daneben sind noch Sprachinseln in (Süd-)Osteuropa (etwa Sathmargebiet im heutigen Rumänien) sowie in Übersee anzuführen. Als einziger der alemannischen Teillandschaften hat das Schwäbische die neuhochdeutsche Diphthongierung durchgeführt, also den Lautwandel der Langmonophthonge /î/, /iu/, /û/ zu den gemeinsprachlichen offenen Doppellauten /ei/ bzw. /ai/, /eu/ und /äu/ sowie /au/. Das Schwäbische ist vokalreicher als das heutige Hochdeutsch. Mit mehr Mono- und Diphthongen, Nasallauten sowie den sogenannten Schwa-Lauten (mittlerer Zentralvokal) hat es ein deutlich höheres Lautinventar als das Hochdeutsche. Die Eigenarten des schwäbischen Dialekts zeigen sich zudem in der Lexik, der Grammatik sowie der Tempus- und Modusbildung.
Sueben und Alemannen
Die Sueben werden bereits von Caesar (gest. 44 v. Chr.) und Tacitus (gest. um 120) genannt. Die Alemannen indes erscheinen erstmals gegen Ende des dritten nachchristlichen Jahrhunderts in den schriftlichen Quellen. Bis etwa 500 werden Sueben und Alemannen in den Quellen unterschieden. Ab dem 6. Jahrhundert zeichnet sich ein Wandel ab: Die Autoren identifizieren zunehmend die Schwaben mit den Alemannen. Wichtige Quellen hierfür sind abermals Jordanes sowie Gregor von Tours (gest. wohl 594), der schreibt: "Suebi id est Alamanni" (Schwaben, das heißt die Alemannen). Der Reichenauer Benediktiner Walafrid Strabo (gest. 849) setzt dann Alemannien – das er aufgrund seiner erhöhten Lage von Altimania ableitet – und Schwaben gleich und steht damit am Ende eines identifikatorischen Verschmelzungsprozesses.
Die moderne Forschung hat für diese Gleichsetzung vor allem zwei Erklärungsmodelle angeführt: In einer zweiten Ethnogenese seien die Sueben in den stärkeren Verband der Alemannen integriert worden. Allerdings ist die Forschung uneins, ob die Ethnogenese bei Alemannen als auch Schwaben damals schon so abgeschlossen war, das heißt, ob überhaupt von zwei ausgeprägten Ethnien gesprochen werden kann. So führt eine zweite Forschergruppe eine verzögerte Ethnogenese an. Alemannen wie Schwaben seien Kollektivbegriffe für zahlreiche Verbände. Es habe lange Zeit keine einende Führerpersönlichkeit gegeben, wie etwa Chlodwig (reg. 482–511) bei den Franken, der die Gruppen hätte einen können. Erst im Laufe des Frühmittelalters, v. a. im 6. Jahrhundert, seien Landnahme und Sesshaftwerdung im Wesentlichen abgeschlossen gewesen. Dies sei dann wiederum Voraussetzung für eine Gleichsetzung von Alemannen und Schwaben gewesen.
Die Sueben waren West- oder Elbgermanen, deren ursprüngliche Wohnsitze man in der Lausitz um Spree und Havel vermutet. Laut Caesar drängten die Sueben nach Westen und fielen unter Ariovist (gest. um 54 v. Chr.) in Gallien ein. Für Tacitus war Sueben ein Sammelbegriff für mehrere Völker zwischen Rhein und Elbe. Heute werden in der Regel Juthungen, Quaden, Semnonen oder Markomannen zu den Sueben gezählt. Eine wichtige archäologische Quelle hierfür ist der Augsburger Siegesaltar des Jahres 260, der vom römischen Sieg über die Semnonen oder Juthungen berichtet. Die Tabula Peutingeriana bezeichnet mit Suevia den Raum zwischen Mainz und Straßburg. In der Spätantike sind zahlreiche Wanderungsbewegungen der Sueben überliefert, welche sie an der Seite der Vandalen und Alanen etwa bis nach Spanien führen. Die Sueben wurden jedoch auch stets mit dem Gebiet des heutigen "Schwaben" verbunden, so etwa die sogenannten Neckarsueben (Suebi Nicrenses), Ladenburger Sueben oder die Donausueben.
Etymologisch wird von der Forschung der Begriff Alemannen meist als "zugelaufene, gemischte Männer" oder häufiger als "Männer insgesamt, Männer gemeinsam" gedeutet. Oftmals – allerdings nicht zu belegen – nimmt die Forschung auch eine Verbindung zu den Sueben im Sinne eines Unterstamms an. Möglicherweise wie die Sueben West- oder Elbgermanen, überwanden die Alemannen in der Spätantike, von Norden her kommend, den Limes und entwickelten eine gewaltige Expansionskraft. Sie drangen in den Südwesten vor, erreichten den Ober- und den Mittelrhein, setzten ihre Wanderungsbewegungen nach Gallien fort und erlitten Niederlagen gegen die Franken. Die Römer unterschieden beim gentilen Sammelbegriff der Alemannen zwischen Brisigavern bei Freiburg, Lentiensern nördlich des Bodensees, Raetovariern im Ries oder Bucinobanten um Mainz – was sich auch archäologisch belegen lässt. Ammian (gest. um 395) setzte Alemannen mit Juthungen gleich. Eine Zunahme von Fundstellen aus dem 7. Jahrhundert könnte auf einen gewissen Abschluss der Sesshaftwerdung hindeuten innerhalb einer insgesamt relativ späten Ethnogenese der Alemannen. Diese Siedlungsbewegung wird zudem mit den Ortsnamen korreliert (ältere Namenschicht: -ingen, -heim, -dorf; zweite Namenschicht des frühmittelalterlichen Landesausbaus mit den Haupttypen -inghofen, -ighofen, -ikofen, -kon; dritte Namenschicht des zweiten Ausbauraums: -wil, -wiler). Vor allem ab dem Hochmittelalter wird der Raumbegriff Alemannia nahezu vollständig von Suevia verdrängt. Ab dem 13. Jahrhundert setzt hingegen in zunehmendem Maße die Gleichsetzung von Alemannia mit "Deutschland" ein.
Herzogtum Schwaben – Raum im Wandel
746 erlosch nach mehreren vergeblichen Aufständen Herzog Theudebalds (reg. 709–746) gegen die karolingischen Hausmeier im Tag von Cannstatt das alte Herzogtum der Alemannen. Karlmann marschierte in Schwaben ein und schlug Theudebalds Anhänger bei Cannstatt vernichtend. Der alte Dukat, gewachsen im frühen 6. Jahrhundert aus den militärischen Anfängen der beiden Heerführer Leuthari (gest. 554) und Butelinus (gest. 554) und einem fränkischen Amtsherzogtum, wurde aufgelöst, Grafen als Verwalter in Alemannien eingesetzt. Insgesamt wechselten – wie auch in Bayern – zwischen dem 6. und dem 8. Jahrhundert Phasen relativer herzoglicher Selbständigkeit mit solchen des starken Einflusses der Frankenkönige. So beanspruchten etwa Lantfrid (709–730) und Theudebald das Erbe ihres um 709 gestorbenen Vaters Gotfrid. Damit zeigten sie ein Herrschaftsverständnis, in dem Familie und Raum verschmolzen und dukale Herrschaft als Erbfolge unter dem Prinzip der Samtherrschaft begriffen wurde. Ein vergleichbarer Vorgang lässt sich zu dieser Zeit auch in Bayern nachweisen, das mit dem westlichen Nachbarherzogtum auf vielfältige Weise verbunden war, z. B. durch Versippungen.
Das Stammesrecht der Alemannen ist in zwei Fassungen überliefert, welche eine rechtsgeschichtliche Stufentheorie der Entwicklung nahelegen: Erstens dem Pactus Legis Alamannorum, womöglich unter Chlotar II. (reg. 584–629) entstanden und überliefert in einer einzigen Handschrift des 9./10. Jahrhunderts, sowie zweitens der Lex Alamannorum, mit rund 50 Handschriften noch dichter überliefert als ihr bayerisches Pendant, die Lex Baiuvariorum. Einige Codices weisen ausdrücklich auf eine Zusammenstellung der Lex Alamannorum unter Herzog Lantfrid hin. Clausdieter Schott (geb. 1936) hält eine Entstehungszeit zwischen 724 und 730 am wahrscheinlichsten (724: Gründung des Kloster auf der Reichenau als relativ wahrscheinlicher Schreibort, 730: Todesjahr Herzog Lantfrids). Eine andere These bringt die Entstehung mit dem Hausmeier Karl Martell (gest. 741) zu Zeiten Chlotars IV. (reg. 717–719) in Verbindung.
Wie die Lex Baiuvariorum gliedert sich die Lex Alamannorum in Kirchen-, Herzogs-, Volkssachen, wobei die Streitangelegenheiten eine herausragende Rolle einnehmen. Hervorgehobene Positionen haben die Geistlichkeit sowie der Herzog, der an der Spitze des regnum steht, wie das Herzogtum genannt wird. Der Herzog ist Gerichtsherr, Herr über Frieden und Krieg und unterliegt besonderem Schutz. Im Gegensatz zur Lex Baiuvariorum findet sich im schwäbischen Stammesrecht eine weitaus stärkere Hierarchisierung und Klassifizierung der Gesellschaft in die drei Hauptschichten: Freie (liberi), Halbfreie (liti), Unfreie (servi). Im älteren Pactus sind die liberi noch weiter differenziert. Die Unterscheidungsgrenzen spiegeln sich vor allem bei den zu leistenden Sühnen im Straffall, so dem sogenannten Wergeld, das bei Totschlag zu entrichten war.
Im Laufe der folgenden Jahrhunderte lässt sich "Schwaben" als Referenzgröße adligen Selbstverständnisses nachweisen, welches nicht zuletzt aus der Geschichte wie der Geschichtsfiktion legitimierende Aspekte schöpfte. Versuche, nach dem Tod des letzten Staufers Konradin (reg. als Hg. v. Schwaben, Kg. von Sizilien u. Jerusalem 1254–1268) 1268, die ohnedies weitgehend im Reich aufgegangene schwäbische Herzogswürde zu etablieren – so etwa durch Rudolf IV. von Österreich (reg. 1358–1365) im 14. Jahrhundert, im 15. Jahrhundert im Widerstreit zwischen Habsburg und Württemberg – scheiterten bzw. blieben auf der Ebene des Anspruchs oder Titels stehen. Hier spielten vor allen Dingen die Interessen der Zentralgewalt eine Rolle, welche nicht zuletzt eine Entfremdung der finanziell potenten Reichsstädte in der städtereichen Region befürchtete und die schwäbischen Reichslandvogteien als ein relativ flexibles Machtpfand einsetzte.
Im Frankenreich der Karolinger lassen sich gerade der Bodenseeraum und Ostschwaben als vielfach in Anspruch genommene Teile des Reiches bezeichnen. Die Grenzen Schwabens unterlagen einem rechtlichen und politischen Wandel, der nicht zuletzt im Elsass festgestellt werden kann. In einer Phase der schwachen Zentralgewalt wurde nach der Schlacht von Wahlwies 915 Erchanger (gest. 917) von den Großen Schwabens zum Herzog ausgerufen. Darin zeigen sich alte legitimatorische Wurzeln des Herzogtums, welche in der militärischen Potenz und im militärischen Erfolg liegen. Ob man den Ausruf als Ausdruck des "gesamten" Stamms ansehen kann, bleibt fraglich. Stamm meint in diesem Fall die Großen als ethnische Repräsentanten in frühmittelalterlicher Teillegitimation. Ab 917 konnte sich Burchard aus dem weitversippten Geschlecht der Hunfridinger in Schwaben immer mehr durchsetzen, ohne allerdings eine vollständige Selbständigkeit zu erringen.
Zwischen 954 und 1079 sind im schwäbischen Herzogtum zwölf Herzöge aus acht verschiedenen Geschlechtern bei einer durchschnittlichen Amtszeit von 10,14 Jahren nachzuweisen. Eine Kongruenz zwischen Herzogs- und Königsgeschlecht bestand in Schwaben im Zeitraum von 16 Jahren. Insgesamt wurden in salischer und ottonischer Zeit die Herzogtümer Schwaben, Bayern, Franken und Sachsen in unterschiedlicher Weise durch die Zentralgewalt in Anspruch genommen. Bezüglich Schwabens offenbart sich deutlich die Amtsgebundenheit der Herzogswürde, was sich in zu differenzierender Weise auch durch die königliche Präsenz gerade in Ulm und in Augsburg nachweisen lässt. Im sogenannten Investiturstreit zeigt sich dann eine deutliche Aufteilung des schwäbischen Herzogtums je nach Einflussbereich der Welfen. Gerade im Bistum Augsburg entluden sich die territorialpolitischen Konflikte zwischen saliertreuen und welfischen Kräften. So sieht etwa Bernold von Konstanz (gest. 1100) die Lechstadt wechselweise im Einflussbereich der Bayern (salierfeindlich) und der Schwaben (salierfreundlich).
Ab Ende des 11., dann vor allem im Laufe des 12. Jahrhunderts bestimmen die Geschichte des schwäbischen Raums drei Herrschaftsräume: das staufische "Zentralherzogtum", das "Ersatzherzogtum" der Zähringer im Westen und nördlich des Bodensees das welfische Territorialherzogtum. Durch die staufische Königswürde erwuchs der Region eine reichsbedeutsame Position, wobei das Herzogtum wie eine Sekundogenitur besetzt wurde. Ein bemerkenswertes Zeugnis des Selbstverständnisses ist die Berufung auf den "honor ducatus Sueviae", von dem Mitte des 12. Jahrhunderts schwäbische Grafen und freie Herren sprachen.
Der Begriff der Schwäbischen Nation als Kategorie und Bezugsgröße ist ab dem späten Mittelalter etwa im Umfeld des Schwäbischen Bunds nachweisbar und wurde beispielsweise vor allem im 17. und 18. Jahrhundert von einer Wiener Landsmannschaft verwendet, welche sich jeweils am Ulrichstag versammelte. Die Landesbezeichnung Schwaben weist letztlich bis auf das karolingische regnum zurück (Suevia, regio Suevorum, terra Sueviae o. ä.). Vorstellungen eines schwäbischen Rechts – Land- wie Lehnrecht – lassen sich seit dem Hochmittelalter nachweisen und institutionalisierten sich etwa in Landvogteien und Landgerichten.
Obwohl das Herzogtum nach dem Ende der Staufer nicht mehr erneuert wurde, blieb dieses in der Erinnerung des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit erhalten, wofür hier drei Beispiele angeführt werden sollen. Das Drei-Löwen-Wappen, erstmals auf einem Reitersiegel Heinrichs (VII.) 1216/1220 (als Herzog von Schwaben, reg. 1217–1235) belegt, wurde im Spätmittelalter auch auf das vakante Herzogtum bezogen, verband sich mit der Staufermemoria und wurde etwa durch Quaternionenadlerdarstellungen weit verbreitet. Die Bezeichnung des "Kreises zu Schwaben" knüpfte an die Zeiten des Dukats an. 1438 sollten zum kreiß zu Swoben – so die Räte König Albrechts II. (reg. 1438/1439) – in weitem räumlichem Ausgreifen die Bischöfe von Augsburg, Konstanz, Chur, die Markgrafen von Baden, die Grafen von Württemberg, die Ritterschaften von St. Jörgen und im Hegau, weitere Grafen, Freiherren, Ritter und Knechte sowie von den Großkommunen Augsburg, Ulm, Konstanz und die Seestädte nebst Bünden zählen. Zuletzt ist der Minne- und Aventiureroman "Friedrich von Schwaben" (früheste Handschrift 1463/1464) zu nennen, der die Erinnerung an das staufische Herzogtum und das würdige Herkommen des schwäbischen Adels in literarische Formen goss.
"Transkommunalistische" Strukturen am Ende des Mittelalters
Beruhend auf dem Grundkonflikt zwischen Städten und Adel/Fürsten im Laufe des Spätmittelalters wurden Formen des überregionalen Zusammenschlusses gesucht. Der 1376 gegründete Schwäbische Städtebund, an dessen Spitze Ulm stand, reichte mit seinen 39 Mitgliedern bis an den Bodensee und Rottweil (Baden-Württemberg) und griff auch nach Franken aus. Aus dem Verbund der Reichsstädte mit der Adelsgesellschaft St. Jörgenschild in Schwaben erwuchs 1488 das verfassungsgeschichtliche, Adel wie Städte umfassende Novum des Schwäbischen Bunds, der auch über den eigentlich schwäbischen Raum hinausgriff und etwa die Reichsstädte Nürnberg und Straßburg sowie Herzog Albrecht IV. von Bayern-München (reg. 1465-1508) zu seinen Mitgliedern zählte.
Die "Juden im Land zu Schwaben"
Der Kollekivbegriff, im 16. Jahrhundert regional als Selbstbezeichnung von Gläubigen der mosaischen Religion wie als Fremdbezeichnung von Christen verwendet, umfasste die Juden im schwäbischen Teil Vorderösterreichs sowie im Schwäbischen Reichskreis und in den zur Schwäbischen Ritterschaft gehörenden Gebieten. Maßgeblich beeinflusst durch den Aufstieg der mächtigen und über ein weites Netzwerk bis Frankfurt und Prag verfügenden jüdischen Familie Ulma-Günzburg, konnten sich die schwäbischen Juden in Abgrenzung zum Frankfurter und Wormser Rabbiner vor allem ab den 1560er Jahren institutionell organisieren. Dies erfolgte auf judikalischer, religiöser (schwäbischer Landesrabbiner) und fiskalischer Ebene zur Strukturierung der Abgaben ans Reich bzw. an den als "Fürsten von Schwaben" bezeichneten Kaiser und Schutzherr. Der Schwerpunkt lag vor allem in der Markgrafschaft Burgau, da sich dort die wirtschaftlich potentesten und an Gläubigen vielfach auch reichsten jüdischen Gemeinden befanden.
Schwäbischer Reichskreis
Der dem Schwäbischen Bund nachfolgende Schwäbische Reichskreis, gebildet 1521, umfasste ein Gebiet zwischen Rhein, Lech, Wörnitz und der Linie Dinkelsbühl-Wimpfen-Philippsburg. Zu ihm zählten geistliche Fürsten (Konstanz [Baden-Württemberg], Augsburg, Kempten, Ellwangen [Baden-Württemberg]), weltliche Fürsten wie Württemberg, Baden oder Oettingen, Prälaten (z. B. Schussenried, Marchtal, Ochsenhausen, Neresheim), Grafen und Herren wie Fürstenberg, Tettnang oder Königsegg-Rothenfels, Reichsstädte (z. B. Augsburg, Nördlingen [Lkr. Donau-Ries], Memmingen, Lindau, Kaufbeuren). Nach zahlenmäßiger Reduktion im Reichsdeputationshauptschluss 1803 hörte der Verband, dem zahlreiche exekutive, judizielle oder finanzielle Aufgaben oblagen, am 30. April 1808 formal auf zu bestehen.
Schwäbischer Ritterkreis
Der gegen Ende der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts entstandene und bis 1805/1806 bestehende Schwäbische Ritterkreis mit seinen fünf Kantonen Donau, Hegau (-Allgäu-Bodensee), Neckar (-Schwarzwald-Ortenau), Kocher und Kraichgau hatte seinen Sitz in Ehingen (Baden-Württmberg) und umfasste zu Ende des 18. Jahrhunderts über 650 Herrschaftsgebiete, mehr als 150.000 Einwohner und knapp 150 Ritterfamilien. In der Frühen Neuzeit lassen sich gerade die Ritter als Bewahrer eines schwäbischen Bewusstseins in den Quellen fassen.
Schwäbisches Reichsgrafenkollegium
Von etwa 1530 bis 1806 bestehend, mit einer Kuriatstimme im Reichsfürstenrat und zum Corpus Catholicorum des Reichstags zugehörig, setzte das Reichsgrafenkollegium die Tradition der (auch) Grafen- und Herrenvereinigungen des Spätmittelalters (St. Jörgenschild, Schwäbischer Bund oder Grafenverein) fort. Mitglieder waren etwa die oettingischen Linien, die Fürstenberg, Fugger, Altshausen oder die Truchsesse von Waldburg.
Schwäbisches Reichsprälatenkollegium
Auf Basis unstrittiger Reichsunmittelbarkeit und (ab dem frühen 16. Jahrhundert) zum Schwäbischen Reichskreis gehörig, schlossen sich ab Ende des 15. Jahrhunderts die schwäbischen Reichsprälaten zusammen, um auf dem Reichstag mit Kuriatstimme die Interessen zu vertreten. Das Gremium, dem gegen Ende des 18. Jahrhunderts etwa die Prämonstratenserstifte Roggenburg und Ursberg, die Zisterzen Salem und Kaisheim oder die Benediktinerklöster Weingarten, Irsee, Zwiefalten angehörten, löste sich mit der Säkularisation auf.
Schwabendiskurse – Selbst- und Fremdsichten
Als grundsätzlich ist vorauszuschicken, dass der Schwabenbegriff je nach Perspektive (König, Fürst, Ritter, Städte – Selbstverständnis, politisch-administrative Zuordnung, Bildungsgrad etc.) einem Wandel unterlag und auch anders kategorisiert sowie mit anderen Ansprüchen verbunden wurde. Dies wiederum wurde mitbedingt durch eine herrschaftliche Vielräumigkeit. In den mittelalterlichen "Origines gentis" ab dem Annolied (11. Jahrhundert) wurde ein unterschiedliches "wirdig herkomen" propagiert (etwa unspezifisch übers Meer, aus Schweden, makedonischer Abkunft, aus dem Heer Alexanders des Großen), ehe der frühhumanistische Benediktiner Sigismund Meisterlin (gest. n. 1497) – wohl gar in Kenntnis der "Germania" des Tacitus – eine Autochthonentheorie vertrat. Bei den Humanisten erlangte der "Schwabendiskurs" (Klaus Graf) große Bedeutung, ohne allerdings eine räumliche Eindeutigkeit zu erreichen. So trennte Aegidius Tschudi (gest. 1572) die Schweizer scharf von den Schwaben und setzte damit in Korrelation mit dem humanistischen Nationalismus einen wirkmächtigen Schlusspunkt unter ein sich vor allem im 15. Jahrhundert abzeichnendes Wegbewegen der Schweiz. Der aus dem fränkischen Pforzheim (Baden-Württemberg) stammende Johannes Reuchlin (gest. 1522) hingegen sah sich als Schwabe und profilierte Schwaben als Kulturnation. Ein humanistischer Schwabennationalismus spielte nicht zuletzt bei Heinrich Bebel (gest. 1518) eine große Rolle.
Schon früh ist eine schwäbische Ethnie im Bereich der Binnengliederung des Reichsheeres festzustellen. So erwähnen beispielsweise die Quellen zur "Lechfeldschlacht"/Schlacht bei Augsburg 955 ausdrücklich ein schwäbisches Kontingent. Eine integrative, adlige schwäbische Memoria lebte etwa im schwäbischen Vorstreitrecht weiter, welches die hochmittelalterliche Kaiserchronik auf die Zeiten Karls des Großen (reg. als König 768–814, Kaiser 800–814) zurückführte, der als integrierende Rechtsgestalt auch im Schwabenspiegel angerufen wird. Das mit dem Vorstreitrecht verbundene Begriffspaar "fortitudo et fides" spielte nicht zuletzt in der Frühen Neuzeit eine herausragende Rolle. Dies wie etwa auch die genannte Erinnerung an die Schwäbische Herzogswürde entfaltete eine gewisse traditions- und identitätsstiftende Kraft sowie ein Landesbewusstsein.
Doch zeigen sich spätestens ab dem Spätmittelalter Tendenzen zum Regionalismus. So verstanden sich das Elsass, Baden, der Breisgau, die Ortenau und der Kraichgau schon im Spätmittelalter nicht als Schwaben. Hierbei widersprach das Selbstverständnis zum Teil den politischen Vorgaben. Die Markgrafschaften Baden-Baden und Baden-Durlach sahen sich nicht als Schwaben, zählten aber zum Schwäbischen Reichskreis. Gerade in der späteren Frühen Neuzeit – verbunden mit der konfessionellen Teilung des Raums, dann v. a. im 19. und 20. Jahrhundert - zeigen sich weitere zentrifugale, auf das Kleinkammerige hinzielende Tendenzen des Schwabenbegriffs. So wollen etwa Allgäuer oder Hegauer keine Schwaben mehr sein.
Zwar kann der heilige Ulrich (reg. 923–973) als sakral-einigende Figur (oft auch in Verbindung mit Konrad von Konstanz [reg. 934–975]) angesehen werden, doch lässt sich kaum von einem Schwabenpatron sprechen, da die bistumsbezogene Kultkomponente überwiegt. Die Außenwahrnehmung, etwa fassbar in dem seit dem 16. Jahrhundert zu greifenden Schwabenspott, setzte dem Genre entsprechend eine weitgehend diffuse Räumlichkeit und zeitigte ebenfalls verallgemeinernde apologetische Schriften.
Im Laufe der Geschichte gab es immer wieder Bestrebungen, den Schwabenbegriff zu instrumentalisieren. Fürst in Schwaben war einer der Herrschertitel Maximilians I. (reg. 1486-1519, ab 1508 als Kaiser), und das Haus Habsburg suchte auch in der Frühen Neuzeit eine Verbindung zwischen einem Fürstentum Schwaben und der Dynastie als Legitimation für territoriale Ausdehnung zu verwenden. Die Frage, ob Schwaben eine Republik werden solle, beschäftigte die politischen Kreise um 1800. Im bayerischen Schwaben der Weimarer Republik wurde Schwaben in stark bürgerlicher Konnotation im Sinne eines Rückzugsortes verstanden. Obwohl das Königtum als integrierende Klammer angesehen wurde, lässt sich eine gewisse Abgrenzung zu München nachweisen, welche bis in heutige Tage weiterlebt. Diese Vorstellungswelt wurde von den Nationalsozialisten um Gauleiter Karl Wahl (gest. 1981) anfänglich gezielt instrumentalisiert, ehe sie dann von der offiziösen Gaukonstruktion erdrückt wurde.
Raum und Forschungsperspektiven
Insgesamt ist Schwaben in seinem Nebeneinander der historisch-gewachsenen räumlichen Strukturen als Landschaft unterschiedlicher Traditionsdiskurse im Wandel aufzufassen, welche deutlich von anderen "Territorien" zu unterscheiden sind. Frühe Grenzen wie der Lech stehen neben relativ jungen wie der zur Schweiz. Offenbart sich im Laufe der Geschichte der Wandel der sinnstiftenden Konstruktionen, zeigt sich doch auch, wie sehr klassische historische Leitbegriffe wie Staat, Staatlichkeit, Land u. a. zu hinterfragen sind und in ihrem herrschaftsgeschichtlichen Zugriff kaum greifen. So setzte Klaus Graf in seinen Untersuchungen den Begriff des Landesbewusstseins. In diesem Sinne sind gerade Studien zum Selbstverständnis einzelner schwäbischer Regionen ein lohnenswertes Unterfangen, lassen sich doch dort perspektivenreiche wie mikrohistorisch profilierende Aussagen im Wechselspiel der Ansprüche und Verständnisse erarbeiten.
Literatur
- Helmut Binder, Descriptio Sueviae. Die ältesten Landesbeschreibungen Schwabens, in: Zeitschrift für württembergische Landesgeschichte 45 (1986), 179-196.
- Peter Blickle (Hg.), Landschaften und Landstände in Oberschwaben. Bäuerliche und bürgerliche Repräsentation im Rahmen des frühen europäischen Parlamentarismus (Oberschwaben. Geschichte und Kultur 5), Tübingen 2000.
- Horst Carl, Der Schwäbische Bund 1488-1534. Landfrieden und Genossenschaft im Übergang vom Spätmittelalter zur Reformation (Schriften zur südwestdeutschen Landesgeschichte 24), Leinfelden-Echterdingen 2000.
- Hans-Georg Hofacker, Die schwäbische Herzogswürde. Untersuchungen zur landesfürstlichen und kaiserlichen Politik im deutschen Südwesten im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit, in: Zeitschrift für württembergische Landesgeschichte 47 (1988), 71-148.
- Helmut Maurer, Der Herzog von Schwaben. Grundlagen, Wirkungen und Wesen seiner Herrschaft in ottonischer, salischer und staufischer Zeit, Sigmaringen 1978.
- Helmut Maurer, Schweizer und Schwaben. Ihre Begegnung und ihr Auseinanderleben am Bodensee im Spätmittelalter, Konstanz 2. Auflage 1991.
- Franz Quarthal, Historisches Bewußtsein und politische Identität. Mittelalterliche Komponente im Selbstverständnis Oberschwabens, in: Peter Eitel/Elmar L. Kuhn (Hg.), Oberschwaben. Geschichte und Kultur, Konstanz 1995, 15-99.
- Meinrad Schaab/Hansmartin Schwarzmaier/Gerhard Taddey (Hg.), Handbuch der baden-württembergischen Geschichte, 5 Bände (Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg), Stuttgart 1992-2007.
- Dietmar Schiersner, Das Land der Schwaben auf der Karte suchend? Historische Zugänge zu einer Region. Antrittsvorlesung an der Pädagogischen Hochschule Weingarten, gehalten am 13. Juni 2007, in: Ulm und Oberschwaben 55 (2007), 11-26.
- Klaus Schreiner, Alamannen und Schwaben – erinnerte Stammesgeschichte. Zur historisch-politischen Bewußtseinsbildung im Mittelalter und in der Neuzeit, in: Beiträge zur Landeskunde von Baden-Württemberg 3 (1998), 1–9.
- Martina Steber, Ethnische Gewissheiten. Die Ordnung des Regionalen im bayerischen Schwaben vom Kaiserreich bis zum NS-Regime (Bürgertum. Neue Folge. Studien zur Zivilgesellschaft 9), Göttingen 2010.
Externe Links
Verwandte Artikel
Schwäbische Lande, Land zu Schwaben, Herzogtum Schwaben, Alemannien
Empfohlene Zitierweise
Christof Paulus, Schwaben (Begriff), publiziert am 01.12.2015; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Schwaben_(Begriff)> (13.12.2024)