• Versionsgeschichte

Abendzeitung

Aus Historisches Lexikon Bayerns

Das Logo der Abendzeitung.

von Paul Hoser


Die Münchner Abendzeitung (AZ) ist eine seit 1948 täglich erscheinende Boulevardzeitung. Ihr Gründer, der Zeitungspionier Werner Friedmann (1909-1969), hatte die Idee zu einer modernen Boulevardzeitung für München. Sie sollte keine rein auf Sensationsjournalismus aufgebaute Zeitung sein, sondern intelligent gemacht sein und eine seriöse Berichterstattung aufweisen. Ein Merkmal war daher der im Vergleich zu anderen Boulevardmedien sehr umfangreiche Feuilletonteil der AZ. Versuche, über die Region München hinaus zu expandieren, waren seit den 1960er Jahren nicht von großem Erfolg gekrönt, und so beschränkt sich die AZ seit dem Verkauf ihrer Nürnberger Lokalausgabe "Die Abendzeitung. 8 Uhr Blatt" im Jahr 2010 wieder auf die Region München. Berühmtheit erlangte die Zeitung als Vorbild der von Helmut Dietl (1944-2015) und Patrick Süßkind (geb. 1949) gestalteten Fernsehserie Kir Royal aus den 1980er Jahren. Seit 2009 arbeitet die AZ mit dem "Süddeutschen Verlag" zusammen.

Die Deutsche Presseausstellung 1948 und die Geburt der Abendzeitung

Im Mai 1948 war im Ausstellungsgelände bei der Münchner Theresienhöhe die von der Arbeitsgemeinschaft der Zeitungsverleger in der US-Zone organisierte Deutsche Presseausstellung zu sehen. Sie war Teil des Umerziehungsprogramms der amerikanischen Besatzungsmacht. Den Deutschen sollte die Arbeitsweise einer freien Presse und deren Stellenwert innerhalb der Demokratie verdeutlicht werden. Während der 40-tägigen Dauer der Ausstellung wollte man daher eine sechsseitige Zeitung erscheinen lassen. Die Amerikaner stellten Papier zur Verfügung; Rotations- und Setzmaschinen wurden bei verschiedenen Druckereien gemietet und in der notdürftig instandgesetzten Ausstellungshalle installiert. Die Chefredaktion der Ausstellungszeitung wurde Werner Friedmann (1909-1969) anvertraut, dem vierten Lizenzträger der Süddeutschen Zeitung (SZ), der dort als Lokalredakteur angefangen hatte. Vor der "Machtergreifung" der Nationalsozialisten hatte er bereits ab 1927 als junger Reporter für die Münchner Telegrammzeitung und die Süddeutsche Sonntagspost des Verlags Knorr und Hirth gearbeitet.

Am 1. April 1948 lud Friedmann eine Gruppe von Journalisten zu sich, darunter vor allem Redakteure der SZ und des Münchner Merkur. Ihnen stellte er das Projekt der für die Dauer der Ausstellung als Attraktion für die Besucher geplanten Zeitung vor. Sie sollte flott aufgemacht und trotzdem seriös sein, lebendige Lesegeschichten und Interviews bieten und sich auch dem Gesellschaftsklatsch widmen. Der Redaktionsschluss war auf 11:30 Uhr begrenzt, der Druck lief dann um 13:00 Uhr an. Am 6. Mai 1948 erschien die erste Nummer unter dem Titel Tageszeitung. Sie kam von da an täglich heraus, was damals der SZ angesichts der Papierknappheit noch verwehrt war. Diese konnte erst ab dem 19. September 1949 statt dreimal wöchentlich täglich erscheinen.

Anzeigen waren in der Ausstellungszeitung noch kaum zu finden. Zugkräftig waren Aktionen wie ein schon in der Erstausgabe gestartetes Preisausschreiben "München in 100 Worten" und die zehn Tage später angekündigte "Große Schönheits-Konkurrenz", mit der die hübscheste Münchnerin gekürt werden sollte. Die Aufmachung der Zeitung war modern mit einem übersichtlichen Umbruch und Fotos auf der ersten Seite. Sie wurde schnell populär.

Die Weiterführung der Ausstellungszeitung und ihre Umwandlung in ein Boulevardblatt

Friedmann wollte die nur als Demonstrationsobjekt für die Ausstellung gedachte Zeitung als echte Tageszeitung für den Lesermarkt weiterführen. Das Problem war der Papiermangel. Der damals für München zuständige Presseoffizier Ernest Langendorf (1907-1989), auf den die Initiative für die Ausstellung zurückgegangen war, sorgte dafür, dass aus den Beständen der von der Besatzungsbehörde getragenen Neuen Zeitung für drei Monate Papier zur Verfügung gestellt wurde, und erteilte die Lizenz Nr. 23 vom 16. Juni 1948. An diesem Tag erschien das Blatt erstmals unter dem Titel "Abendzeitung". Der Druck erfolgte im Gebäude des Süddeutschen Verlags. Sie sollte kein Erwerbsunternehmen sein. Der gesamte Gewinn war der Finanzierung der Ausbildung junger Journalisten zugedacht. Der größte Teil des Ertrags kam dem am 29. April 1949 gegründeten "Werner-Friedmann-Institut" zugute. Ab 17. September 1959 wurde die Schule dann als Deutsche Journalistenschule nicht mehr von diesem Institut getragen, sondern auf eine wesentlich breitere Basis gestellt.

Die AZ war ursprünglich keine ausgesprochene, auf Sensationen abzielende und vom Straßenverkauf lebende Boulevardzeitung. Nach Inhalt und Aufmachung glich sie eher einer Abonnementzeitung mit aufgelockerter Form.

Friedmann selbst prägte seine Zeitung besonders nach seinem Ausscheiden als Chefredakteur bei der SZ ab 1960 stark und erklärte explizit die Jagd nach Sensationen und die Klatsch- und Personenberichterstattung als zentrale Aufgabe einer modernen Boulevardzeitung. Gleichzeitig solle sie aber solide und intelligent gemacht sein. Generell bemühten sich die Journalisten der AZ um Aktualität durch eigene Reportagen und Hintergrundgespräche. Seit 1968 mit Bild-München und der tz zwei Konkurrenten auf den Plan traten, verschärfte sich das Ringen um den Vorsprung an Aktualität erheblich.

Die Eigentumsverhältnisse nach Friedmanns Tod

Im Juli 1950 wurde der Verlag als GmbH organisiert. Zwei Drittel der Anteile hielt Friedmann, den Rest der Verlagsdirektor und spätere Gesellschafter des Süddeutschen Verlags, Hans Dürrmeier (1899-1977). Der Ertrag kam spätestens seit November 1953 nicht mehr nur dem "Werner-Friedmann-Institut" zugute; dieses wurde allerdings noch bis zu seiner Auflösung 1959 weiter finanziell unterstützt.

Die GmbH wurde am 1. Januar 1958 in eine KG umgewandelt. Kommanditisten waren wiederum Friedmann und Dürrmeier. Nach Friedmanns Tod wurde seine Frau Anneliese Friedmann, geb. Schuller (1927-2020), Kommanditistin. Sie hatte selbst als Journalistin in der Lokalredaktion gearbeitet, leitete dann in den 1950er Jahren das Modejournal der SZ und verfasste regelmäßig für die AZ unter dem Pseudonym "Sybille" eine Modekolumne. Ab 1960 schrieb sie unter diesem Namen für die Illustrierte Stern, womit sie nach der Übernahme der Leitung der AZ als Herausgeberin und Verlegerin aufhörte.

Dürrmeiers Drittel der Anteile an der KG übernahm im April 1971 Alfred Neven DuMont (1927-2015), der wie sein Freund Friedmann für eine liberale Linie stand. 1986 übertrug Neven DuMont seine Anteile wieder an die Familie Friedmann zurück.

1986 wurde Friedmanns Sohn Johannes (geb. 1951) Mitherausgeber und -verleger. Er verwaltet die Geschäftsanteile der Familie.

Verlag Die Abendzeitung Vermögensverwaltung GmbH
Anteil Stammkapital
Anneliese Friedmann, Dr. Johannes Friedmann, Annemone Sczesny-Friedmann 66,67 % 1.533.875,64 €
Verlag Die Abendzeitung GmbH & Co KG 33,33 %
Verlag Die Abendzeitung GmbH & Co KG
Anteil
Anneliese Friedmann 54,55 %
Annemone Sczesny-Friedmann 45,45 %

Die Chefredakteure der Abendzeitung

Erster Chefredakteur der AZ war seit dem 25. August 1948 der ehemalige Chefredakteur der Süddeutschen Sonntagspost, Walter Tschuppik (1899-1955). Tschuppik wollte das Schwergewicht auf die Berichterstattung über die Welt- und Außenpolitik legen, während Friedmann mehr das Lokale am Herzen lag. Nach einem Jahr waren beide auch persönlich aneinandergeraten und Tschuppik schied aus.

Tschuppiks Nachfolge trat am 9. November 1949 Rudolf Heizler (geb. 1912) an. Er war von 1937 bis 1941 Redakteur im Berliner Büro der Frankfurter Zeitung gewesen und tendierte mehr in Richtung einer Boulevardzeitung mit massenwirksamen Schlagzeilen zu Berichten über Gewalt und Verbrechen. Heizler äußerte sich kritisch zur "Friedmann-Affäre" des Jahres 1960, d. h. dem öffentlich bekannt gewordenen Verhältnis des Verlegers zu einem minderjährigen Lehrmädchen, das ihm die Verurteilung zu einer Gefängnisstrafe einbrachte und den Posten als Chefredakteur der SZ kostete. Heizler ging 1961.

Nach dem Verlust seines Postens bei der SZ widmete sich Friedmann intensiver seiner Tätigkeit als Herausgeber der AZ. Er machte Udo Flade, bis dahin redaktioneller Leiter der durch umfangreiche Reportagen bzw. Analysen charakterisierten dritten Seite der SZ, zum Chefredakteur der AZ. Flade blieb bis 1986.

Sein Nachfolger wurde nach einem ein Jahr dauernden Provisorium Wolfhart Berg (geb. 1944). Er war von 1984 bis 1985 Leiter der Frauenzeitschrift Brigitte gewesen. Die Verlagsleitung hätte Wolfgang Kryszon, einen stellvertretenden Chefredakteur der Bild, bevorzugt, scheiterte aber am Widerstand des Redaktionsbeirats, der eine Gefährdung der liberalen Linie der AZ befürchtete. Berg schied sehr bald wieder aus und wurde Korrespondent für Zeitschriften des Springer-Verlags in Madrid (Spanien).

Als nächster Chefredakteur folgte 1987 Dr. Uwe Zimmer, der zuvor beim Springer-Konzern gearbeitet hatte. Die ständigen Auflagenverluste hatten 2000 erneut einen Wechsel des Chefredakteurs zu Folge: Der neue Mann war Kurt Röttgen, 1982 bis 1984 Leiter des Sportteils der AZ und 1989 Chefredakteur des Kölner Express. Auch mit ihm gelang der erhoffte Aufschwung nicht, ebenso wenig mit seinem von 2005 bis 2007 amtierenden Nachfolger Michael Radtke (geb. 1946). Ihn löste 2008 Arno Makowsky (geb. 1961) ab, der zuvor das Ressort Gesellschaft und Panorama bei der SZ geleitet hatte.

Die Abendzeitung und die Politik

Dr. Richard Jaeger (1913-1998) von der Christlich-Sozialen Union (CSU) und Georg Kahn-Ackermann (1918-2008) von der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) waren zeitweise regelmäßige Kolumnisten. Politiker aus allen Parteien schrieben für das Blatt: für die CSU Franz Josef Strauß (1915-1988) und Dr. Theo Waigel (geb. 1939), für die SPD Herbert Wehner (1906-1990) und Helmut Schmidt (SPD, 1918-2015), für die Freie Demokratische Partei (FDP) Wolfgang Mischnick (1921-2002) und Walter Scheel (geb. 1919). Der spätere Vorsitzende der Republikaner, Franz Schönhuber (1923-2005), war zeitweise politischer Kommentator.

Die Grundhaltung ist politisch liberal und kritisch, aber keiner Partei zuzuordnen. Politische Kommentare unter dem Pseudonym "Voluntas" schrieb von 1949 bis 1970 Jochen Willke (1913-1985), der 1945 bis 1959 auch Chefredakteur der Münchner Illustrierten war und im "Dritten Reich" Artikel mit nationalsozialistischer Tendenz verfasst hatte, allerdings 1944 dennoch angeeckt war und Berufsverbot erhalten hatte.

Die Abendzeitung und der Boulevardjournalismus

Besonders beliebt waren Sigi Sommers (1914-1996) Beiträge "Blasius der Spaziergänger", die bis Januar 1987 erschienen, und die seit dem 22. Oktober 1952 existierende Klatschkolumne "Hunter notiert" von Hannes Obermaier (1923-1990). An seine Stelle trat 1970 Michael Graeter (geb. 1941), zuvor zeitweise Lokalredakteur der AZ, der 1984 wie früher schon Obermaier zur Bild überwechselte. Damit fiel eines der attraktiven Angebote der AZ weg. Auch Sigi Sommers Lokalglosse war nicht ersetzbar. Graeter kehrte 2008 zur AZ zurück.

Friedmann selbst führte eine große Reportage auf der dritten Seite ein und gab dem Feuilleton und dem Lokalteil mehr Gewicht. Die Leser wurden auch zu Aktionen mobilisiert wie zum Beispiel einer Frühjahrskur "Fußmarsch um den Starnberger See", an der sich zwischen 1963 und 1973 rund 113.000 Personen beteiligten.

Auf ihrem Höhepunkt diente die AZ als Vorlage für die Fernsehserie "Kir Royal (Aus dem Leben eines Klatschreporters)" (Regie: Helmut Dietl [1944-2015], 1986), in deren Mittelpunkt der Münchner Gesellschaftsreporter Baby Schimmerlos (gespielt von Franz Xaver Kroetz [geb. 1946]) steht.

Das Feuilleton der Abendzeitung

Die Grundlagen für das als qualitätsvoll geltende Feuilleton legte seine erste Leiterin, Dorothea Federschmidt, die die Stelle von 1948 bis 1963 innehatte; besondere Beachtung fanden die Glossen der Film- und Fernsehkritikerin "Ponkie", d. i. Ilse Kümpfel-Schliekmann (1926-2021), und Ursula von Kardorffs (1911-1988) Kolumne "Durch meine Brille". Charakteristisch war seit 1961 die Karikatur der Figur des "Herrn Hirnbeiß" von Franziska Bilek (1906-1991).

Expansion der Abendzeitung außerhalb Münchens

Titelblatt der AZ (Ausgabe Nord) vom 3. und 4.11.1973. (AZ)

1964 gelang es dem Verlag, auch das Nürnberger 8 Uhr-Blatt zu kaufen. Friedmann übernahm zwei Drittel der Noris GmbH, Hans Dürrmeier ein Drittel. Das 8 Uhr-Blatt war bereits 1919 im katholischen Nürnberger Sebaldus-Verlag erschienen. Dieser hatte es 1930 an den Verleger der Sportzeitschrift Kicker und ehemaligen Drucker des antisemitischen Hetzblatts Der Stürmer, Dr. Max Willmy, verkauft. Im April 1945 war die Zeitung eingestellt worden, konnte aber nach dem Wegfall des Lizenzzwangs 1949 wieder auf den Markt kommen. Die AZ-Nord trug den Untertitel 8 Uhr-Blatt. Lokalteil, Feuilleton und Sport wurden von der Nürnberger Redaktion hergestellt. Wegen des Lokalbezugs unterschieden sich in der Regel die Schlagzeilen. 2010 verkaufte der Verlag die Nürnberger Ausgabe an den Telefonbuch-Verleger Gunther Oschmann (geb. 1940).

Ende der 1960er Jahre wollte Friedmann langfristig mit Axel Springers (1912-1985) Bild bundesweit konkurrieren. Im September 1968 gründete er die West-Ausgabe Stuttgart. Sie war kein Erfolg. Anneliese Friedmann stellte sie 1969 nach dem Tod ihres Mannes ein.

1990 machte der Verlag den Versuch, in Augsburg und großen Teilen Bayerisch-Schwabens Fuß zu fassen. Dazu kaufte er die 1964 nach dem Vorbild der Bild am Sonntag gegründete Schwäbische Neue Presse. Sie wurde weitgehend umgestaltet, kam aber gegen das Monopol der Augsburger Allgemeinen nicht an. Nach elf Monaten stellte man sie im Januar 1991 ein.

Seit dem 13. Dezember 1959 erschien als geplante Konkurrenz zu Springers Boulevard-Wochenblatt Bild am Sonntag die AZ am Sonntag, der aber ebenfalls kein durchschlagender Erfolg beschieden war. Als Springer 1968 eine eigene Ausgabe der Bild für München ankündigte, reagierte Friedmann vorab mit einer Neugestaltung seiner Sonntagsausgabe. Sie sollte auch der politisch konservativen Linie Springers entgegenwirken. Friedmanns Witwe stellte nach seinem Tod auch die AZ am Sonntag ein, da sie finanziell keine solide Basis hatte. Als zusätzliche Konkurrenz auf dem Markt der Münchner Boulevardzeitungen hatte der Verlag des Münchner Merkur im September 1968 die tz gegründet.

2011 verkaufte die AZ ihre Anteile an den Hörfunksendern Radio Gong in München und in Nürnberg.

Zu den modernen Angeboten der Zeitung gehört auch eine Onlineausgabe.

Wechselnde Versuche einer Neugestaltung der Abendzeitung

1997 wurde ein Konzept für eine neue Form der Zeitung, unter anderem nach dem Vorbild der amerikanischen Zeitung USA Today, entworfen. Sie sollte ein breiteres redaktionelles Angebot haben und leichter lesbar werden. Die großen Schlagzeilen, der unübersichtliche Aufbau und die verworrene Struktur verschwanden. Die Zeitung war jetzt klar in die vier Teile Politik, Wirtschaft und Kultur, Lokales und Sport sowie Vermischtes gegliedert. Das Lokale rückte vom Ende weiter nach vorn mit einer täglichen "München-Reportage" im Angebot. Die Schrift wurde größer und eine eigene Seite für Bayern eingeführt. Grundsätzlich wollte Chefredakteur Zimmer die Seriosität auf Kosten der Sensations- und Sexgeschichten stärken. All dies führte aber nicht zu dem erhofften Aufschwung.

Nach dem letzten Auswechseln des Chefredakteurs 2007 wollte man erneut stärker auf das Lokale setzen. Jetzt sollte wieder die Mischung aus Boulevard und seriöser Abonnentenzeitung den Charakter ausmachen. 2008 folgte auch äußerlich eine neue Umgestaltung (Relaunch). Die einzelnen Bereiche wurden durch Farben voneinander abgesetzt (Politik rot, München blau, Kultur magenta [d. h. purpurfarben] und Sport grün). Auch damit lehnte man sich wieder an ein amerikanisches Vorbild an. Die Überschriften wurden kleiner und die Fotos größer. Als Beilage gab es das tägliche AZ-Magazin im halben Format als Serviceteil mit Ausgehtipps, Fernsehprogramm u. a. Dieses München-Magazin Die Stadt wurde aber schon 2010 wieder eingestellt, die Lokalredaktion dagegen im November 2010 verstärkt. Spürbaren Aufschwung brachten all diese Maßnahmen dem Blatt jedoch nicht.

Die Druckerei der Abendzeitung

Den Druck der Zeitung besorgte von Anfang an die Druckerei des Süddeutschen Verlags. 2001 wechselte der Verlag zur Süddeutschen Societäts Druckerei GmbH in Maisach(Lkr. Fürstenfeldbruck), einem Tochterunternehmen der Frankfurter Societäts-Druckerei GmbH, die wiederum durch gegenseitige Beteiligungen eine Schwestergesellschaft der Frankfurter Allgemeinen Zeitung GmbH ist. 2008 verkaufte der Verlag sein Gebäude an der Sendlingerstraße und zog in die "Neue Hopfenpost" am Rundfunkplatz um.

Die Auflageentwicklung der Abendzeitung

Die für die Ausstellung bestimmte Tageszeitung hatte eine Auflage von 20.000 Stück für München und 50.000 für das übrige Deutschland.

Nach der Währungsreform 1948 brach die Auflage zunächst ein; Mitte 1949 lag sie dann bei 50.000 Stück. Die Auflage betrug 1949 51.008 Stück und stieg bis 1958 auf 92.275, 1962 waren es 100.000, 1969 über 300.000. Die Konkurrenz der Münchner Bild-Ausgabe sorgte allerdings für einen Einbruch. Die Auflage spielte sich bei durchschnittlich 220.000 ein. 1987 lag sie bei 250.000, im Jahr 2000 nur mehr bei 185.000. Von 2000 bis 2008 war sie bis auf 148.000 heruntergegangen. Das Blatt lag im Straßenverkauf hinter Bild-München und tz. Die tz hatte die AZ erstmals im ersten Quartal 2002 in der Auflagenhöhe überholt. Im letzten Quartal 2011 betrug die Druckauflage der AZ 146.559, die verkaufte 110.054; davon wurden 37.116 im Abonnementverkauf abgesetzt. Bild-München hatte im Vergleich eine Druckauflage von 138.645 bei 102.828 verkauften Exemplaren und nur 2.008 festen Abonnenten. Die tz hatte eine Druckauflage von 185.944 bei 139.099 verkauften Exemplaren und 34.855 Abonnenten. Die AZ ist inzwischen nicht mehr die "meistgekaufte Boulevardzeitung in der Stadt München", wie sie sich noch 2002 nannte.


Die Leser der Abendzeitung

56 % der Leser waren 2003 in München ansässig. 52 % waren 50 Jahre und älter (1973 waren noch 41 % unter 40). Von den 56 % berufstätiger Leser waren 65 % Beamte und Angestellte, 7 % leitende Angestellte und Beamte, 19 % Arbeiter und 9 % Selbständige und Freiberufler. 25 % verdienten monatlich 3.000 € und mehr, 29 % zwischen 2.000 und 3.000 € und 41 % zwischen 1.000 und 2.000 €.

Die schwindende Bedeutung der Abendzeitung und die Gründe

Als ein Grund für den seit Ende der neunziger Jahre einsetzenden Niedergang der Boulevardpresse gilt der Erfolg des Privatfernsehens, der Society-Magazine und der Internet-Portale, in denen sich die typischen Sex and Crime-Themen besser verkaufen.

Noch 1997 schätzte die SZ, dass die AZ ein Drittel ihrer Leser dem anspruchsvollen Feuilleton verdankte. Über zehn Jahre später war nach ihrer Beobachtung auch dessen Bedeutung erheblich geschrumpft. Von den längeren, grundlegenden Beiträgen zur Kultur, die für eine Boulevardzeitung ungewöhnlich waren und die weitreichende Beachtung gefunden hatten, hatte man längst Abstand genommen. Man hatte sich dem allgemeinen Trend zum schnellen, mühelosen Lesekonsum angeschlossen, ohne allerdings der Zeitung damit zu neuem Erfolg verhelfen zu können.

2003 beschäftigte der Verlag 96 Mitarbeiter in der Redaktion und 124 im kaufmännischen Bereich. Schon 2002 hatte ein Personalabbau eingesetzt; 29 Stellen wurden gestrichen. Nur so glaubte man, den Verlag als Familienunternehmen ohne Fremdkapital erhalten zu können. Schließlich wollte Johannes Friedmann die Zeitung sogar verkaufen, scheiterte aber mit seinen Bemühungen. Im Frühjahr 2010 umfasste die Redaktion noch 80 Personen, 22 sollten abgebaut werden. Auch die Kulturredaktion blieb nicht verschont. Dies veranlasste den Protest zahlreicher Kulturschaffender aus dem privaten und staatlichen Bereich. Um die Qualität der AZ zu sichern, wurde eine engere Kooperation mit der SZ gesucht.

Dem Trend zum Schrumpfen der Presse als Folge der Entwicklung des Internets ist auch die AZ ausgesetzt.

Das Ende der alten Abendzeitung

Am 5. März 2014 stellte der Geschäftsführer der AZ beim Amtsgericht München einen Antrag auf Insolvenz, nachdem sich seit 2001 rund 70 Mio. € Verluste angehäuft hatten und sie auch weiter mit Verlust arbeitete. Die Defizite waren bis dahin u. a. durch den Verkauf des Gebäudes an der Sendlinger Straße, der Nürnberger Ausgabe und der Rundfunkbeteiligungen sowie durch Zuschüsse der Familie Friedmann ausgeglichen worden. Anders als die beiden anderen Münchner Boulevardzeitungen Bild und tz, die Teile eines größeren Zeitungskomplexes sind, hatte die AZ nur die Familie Friedmann im Rücken.

Am 18. Juni 2014 wurde bekannt, dass der Verleger des Straubinger Tagblatts, Martin Balle (geb. 1963), und der Münchner Wirtschaftsanwalt Dietrich von Bötticher (geb. 1942) die Zeitung gekauft hatten. Balle ist Mehrheitseigentümer. Ab 1. Juli 2014 erschien die erste Nummer unter der Obhut der beiden neuen Besitzer. Von den 102 Mitarbeitern wurden vorerst 30 übernommen. Die neuen Redaktionsräume befinden sich in der Garmischer Straße 35. Chefredakteur wurde der bisherige Leiter der Lokalredaktion, Michael Schilling (geb. 1970). Die Frankfurter Societäts-Druckerei verlor mit dem Eigentumswechsel die Hälfte des Geschäfts ihrer Druckerei in Maisach und stellte sie daraufhin ein. Die AZ wird jetzt in Straubing gedruckt.

Literatur

  • Christian Adler, Die Münchner Abendzeitung 2003. Publizistische Anpassungsversuche einer Boulevardzeitung an den schwierigen werdenden Markt der deutschen Straßenverkaufspresse, München 2007.
  • Markus Behmer, Zeitung im Glashaus. Wie aus einem Ausstellungsobjekt Münchens erste "Boulevardzeitung" wurde, in: Ute Nawratil/Philomen Schönhagen /Heinz Starkulla jr. (Hg.), Medien und Mittler sozialer Kommunikation. Festschrift für Hans Wagner, Leipzig 2002, 41-57.
  • Frank Böckelmann, Wirtschaftliche Verflechtungen und Wettbewerb der Medien in Bayern. Dokumentation und Analyse. Eine Studie der Arbeitsgruppe Kommunikationsforschung München (AKM), durchgeführt im Auftrag der Bayerischen Landeszentrale für Neue Medien (BLM), München, Februar 2006 (BLM-Schriftenreihe 83), München 2006.
  • Michael Graeter, Extrablatt. Autobiografie, München 2009.
  • Klaus-Dietmar Henke, Geheime Dienste. Die politische Inlandsspionage der Organisation Gehlen 1946-1953, Berlin 2018. [befasst sich ausführlich mit dem Eigentümer Werner Friedmann]
  • Kurt Koszyk, Publizistik und Medien, in: Max Spindler/Alois Schmid (Hg.), Handbuch der bayerischen Geschichte. 4. Band, 2. Teil, München 2. Auflage 2007, 495-535.
  • Ernst Müller-Meiningen jr., Orden, Spießer, Pfeffersäcke. Ein liberaler Streiter erinnert sich, Zürich 1989.
  • Katrin Nikolaus, Abendzeitung, in: Hans Wagner/Ursula E. Koch/Patricia Schmidt-Fischbach (Hg.), Enzyklopädie der bayerischen Tagespresse, München 1990, 125-136.
  • Hannes Obermaier, Hunter’s Treibjagd, Locarno 1975.
  • Dagmar Wiedenhorn-Schnell, Medien an der Longe. Die deutsche Lizenzpresse in München 1945-1949, in: Friedrich Prinz (Hg.), Trümmerzeit in München. Kultur und Gesellschaft einer deutschen Großstadt im Aufbruch 1945-1949, München 1984, 252-260.
  • Heinrich Wurstbauer, Lizenzzeitung und Heimatpresse in Bayern, Diss. masch. München 1952.

Weiterführende Recherche

Externe Links

Verwandte Artikel

Acht-Uhr-Blatt Nürnberg

Empfohlene Zitierweise

Paul Hoser, Abendzeitung, publiziert am 21.08.2012; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Abendzeitung> (19.03.2024)