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Gau (NSDAP)

Aus Historisches Lexikon Bayerns

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Einteilung des Deutschen Reiches nach Gauen der NSDAP, 1937. Karte aus: Reichsband. Adressenwerk der Dienststellen der NSDAP 1, 1937. (Bayerische Staatsbibliothek, U 67.4029)

von Jürgen Finger

Seit dem 19. Jahrhundert im deutschen Vereinswesen und bei politischen Verbänden gebräuchlicher Begriff, den die NSDAP als Bezeichnung für ihre regionale Mittelebene übernahm. Die Gaue waren die organisatorische und administrative Ebene zwischen Ortsgruppe bzw. Kreisleitung und Reichsleitung. Sie hatten neben Verwaltungsaufgaben hauptsächlich die Funktion, die Bevölkerung durch Propaganda zu mobilisieren und Wahlkämpfe zu führen und zu koordinieren. Seit 1936 wuchs ihre Bedeutung als territoriale Gliederungseinheit in mehreren Schüben, als ihnen neue, regimespezifische Funktionen zugewiesen wurden. Dieser Funktionszuwachs ging meist auf die persönliche Beauftragung der Gauleiter durch Adolf Hitler zurück. Hatten sich schon vorher überkommene Landesstrukturen und neue Gaueinteilung überlagert, so wurden die Gauleiter und die expandierenden Gauverwaltungen bis Kriegsende zu den entscheidenden regionalen Machtträgern des Regimes.

Die bayerischen Gaue bis zur "Machtergreifung" 1933

Nach der Wiedergründung der NSDAP 1925, nach ihren ersten regionalen Erfolgen in Bayern und dem Ausbau der Parteiorganisation wurde die Frage der regionalen Gliederung zunächst dort virulent. Die ersten Gaue wurden an den lokalen Schwerpunkten der "Bewegung" errichtet, erfolgreiche lokale Agitatoren wurden die ersten Gauleiter: Julius Streicher (1885-1946) in Nürnberg (offiziell für ganz Franken), Gregor Strasser (1892-1934) in Landshut und Josef Bürckel (1895-1944) in der Rheinpfalz. Die Gebiete wurden formal zunächst als "Untergaue" bezeichnet, da Bayern insgesamt bis Ende der 1920er Jahre als Gau Adolf Hitlers galt, bis dieser 1930 seinen Führungsanspruch auf das Deutsche Reich ausdehnte. Im Oktober 1928 wurde dann die Gaueinteilung vervollständigt: Neben die lokalen Schwerpunkte der Agitation trat ansatzweise die systematische Einteilung nach Regierungsbezirken.

Diese Einteilung wurde immer überlagert von einem dritten Gliederungselement, nämlich von der persönlichen Herrschaftsbildung lokaler Parteiführer. Herausragende Beispiele sind Adolf Wagner (1890-1944), der Hitler besonders nahe stehende Gauleiter des 1930 gebildeten "Traditionsgaues" München-Oberbayern, und Hans Schemm (1891-1935), der 1933 erfolgreich seinen Machtbereich vergrößerte und den Gau Bayerische Ostmark aus den drei ehemaligen Regierungsbezirken Niederbayern, Oberpfalz und Oberfranken formte. In diesen beiden Gauen ging bis 1933 eine Reihe von Gauen der frühen Parteigeschichte auf. Die hohe Fluktuation der bayerischen Gauleiter und die wiederholten Teilungen und Fusionen vor 1933 zeigen, wie stark die Amtsträger vom Erfolg und von der unbedingt loyalen Stellung gegenüber Hitler abhängig waren.

Gaueinteilung außerhalb Bayerns

Außerhalb Bayerns orientierte sich die Gaueinteilung ursprünglich aus wahltaktischen Gründen an den Reichstagswahlkreisen, wobei auch hier Ausnahmen möglich waren. Die größeren außerpreußischen Länder bildeten eigene Gaue, also Baden, Württemberg-Hohenzollern (mit dem preußischen Regierungsbezirk Sigmaringen), Thüringen (mit dem preußischen Regierungsbezirk Erfurt), Sachsen, Mecklenburg sowie der Stadtstaat Hamburg. Da hier Landes- und Parteigrenzen weitgehend deckungsgleich waren, kam es in der Regel zu einer stärkeren Integration von Staat und Partei.

In Preußen lehnte sich die Einteilung in der Regel an die Regierungsbezirke an, seltener an die Provinzen. Die kleineren deutschen Länder im Norden Deutschlands waren dabei meist in einen Gauverband mit benachbarten preußischen Regionen integriert (z. B. Hessen-Nassau, Magdeburg-Anhalt, Südhannover-Braunschweig, Weser-Ems mit Oldenburg und Bremen). Viele Gauleiter fungierten als Reichsstatthalter eines oder auch zweier Länder oder als Oberpräsidenten bzw. Regierungspräsidenten in Preußen. Das Nebeneinander der Regierungs- und der Oberpräsidien neben den oft nicht deckungsgleichen Gauen der NSDAP in Preußen und das Weiterbestehen der mit diesen verklammerten Kleinstaaten führten dort jedoch zu einer uneinheitlichen territorialen Organisation und nicht selten zu gauinternen Machtkämpfen und Rivalitäten.

Nur in den später dem Deutschen Reich einverleibten Gebieten konnte die Identität von Staats- und Parteiterritorium sichergestellt werden, da dort die Gauleiter in Personalunion für das Gaugebiet Reichsstatthalter waren und als einheitliche Mittelinstanz fungierten. Als "Reichsgaue" wurden so ab 1939 die sieben ehemals österreichischen Gaue, das Sudetenland, das Wartheland und Danzig-Westpreußen errichtet. Eine Ausweitung dieses Organisationsprinzips auf das "Altreich" fand bis 1945 nicht mehr statt.

Kontinuität der Gaugliederung nach 1933

Die Einteilung Bayerns in sechs Gaue wurde wie im Rest des Reiches nach 1933 nicht mehr grundsätzlich angetastet. Die geplante "Reichsreform", die eine Neugliederung oder Auflösung der Länder gebracht hätte, unterblieb, da Hitler vor strukturellen Reformen ebenso zurückschreckte wie vor der Beschneidung der neu erworbenen Besitzstände lokaler Parteiführer. Auch Bestrebungen Wagners, seinen Gau auf Kosten Schwabens zu vergrößern, scheiterten.

Die territoriale Gliederung der Gaue blieb nach 1933 weitgehend erhalten. Die Gauhauptstadt war nur in drei Fällen auch Sitz der Regierung (Augsburg, München, Würzburg). Streicher hielt an Nürnberg fest, ebenso Schemm an Bayreuth, während die Regierung von Ober- und Mittelfranken ihren Sitz in Ansbach, jene von Niederbayern und Oberpfalz in Regensburg hatte. Besonders das Gebiet der Bayerischen Ostmark lag quer zu den staatlichen Strukturen, im Zuständigkeitsbereich von zwei Regierungen, von denen eine (Ansbach) exterritorial lag. Hauptstadt des Gaues Rheinpfalz war ebenfalls nicht Speyer, sondern Neustadt an der Weinstraße. 1938 wurden nach dem "Anschluss" Österreichs die Enklaven Jungholz und Mittelberg dem Gau Schwaben unterstellt. Nach der Münchner Konferenz 1938 kam der Böhmerwald zum Gau Bayerische Ostmark, der zudem seit 1939 den südwestlichen Teil des Protektorats Böhmen und Mähren betreute.

Separatismus der "Westmark"

Aus dem Rahmen fiel die schrittweise Erweiterung des Machtbereichs von Josef Bürckel. Mit dessen Ernennung zum Reichskommissar für die Rückgliederung des Saarlandes ging 1935 auch die Ausdehnung seines Parteigaues auf das Saarland einher, zunächst als "Pfalz-Saar", ab 1937 als Gau "Saarpfalz". Seitdem waren die deutlich separatistischen Tendenzen Bürckels offensichtlich. Der bayerischen Landesregierung gelang es immer weniger, ihre Zuständigkeiten in der Rheinpfalz geltend zu machen. Nach der Besetzung von Teilen Frankreichs im Zweiten Weltkrieg und der Ernennung Bürckels zum Chef der Zivilverwaltung in Lothringen (1940) wurde auch dieses de facto annektierte Gebiet seinem Gau zugeschlagen. Auch wenn sich der politische Schwerpunkt schon 1935 verlagert hatte, wurde Saarbrücken erst 1940 auch Hauptstadt des Gaues. Bürckels Einflussgebiet firmierte ab 1941 als Gau "Westmark", für den er auch zum Reichsstatthalter ernannt wurde. Nur der kleinere Teil seines Gaues lag damit noch auf bayerischem Territorium. Die Pfalz gehörte formell noch zum bayerischen Staatsverband, während Bürckel in den beiden anderen Gebieten Staats- und Parteiführung in seiner Person vereinte. Der förmliche Zusammenschluss der drei Verwaltungseinheiten zu einem "Reichsgau" neuen Typs fand jedoch bis Kriegsende nicht mehr statt. Bürckels Nachfolger, Willi Stöhr (geb. 1903), versuchte sich ab 1944 wieder stärker an das Land Bayern anzulehnen.

Regionale Organisation der Gliederungen und angeschlossenen Verbände der NSDAP

Die zahlreichen angeschlossenen Verbände und die Gliederungen der NSDAP verfügten über eine analoge regionale Einteilung, die allerdings in vielen Fällen nicht mit den Gauen deckungsgleich war. Bayern war zum Beispiel unterteilt in vier Gruppen der SA (Bayernwald, Franken, Hochland, Kurpfalz), drei Oberabschnitte der SS (Main, Rhein-Westmark und Süd), sechs Gebiete der Hitler-Jugend (HJ) bzw. Obergaue des Bundes deutscher Mädel (BDM) und sechs Gauwaltungen der Deutschen Arbeitsfront (DAF).

Überblick über die NS-Gaue in Bayern

Gaue in Niederbayern und der Oberpfalz in der frühen Parteigeschichte
Gau Gauleiter Amtszeit Bemerkungen
Niederbayern Gregor Strasser (1892-1934) 1925-26
Niederbayern-Oberpfalz Gregor Strasser 1926-28 Niederbayern wurde 1926 um die Oberpfalz erweitert.
Niederbayern Gregor Strasser 1928-29 Teilung Niederbayern-Oberpfalz im Oktober 1928
Otto Erbersdobler (1895-1981) 1929-32
Oberpfalz Adolf Wagner (1890-1944) 1928-30 Nach der Ernennung Adolf Wagners zum Gauleiter von Groß-München fungierte Maierhofer von 1929 bis November 1930 bereits als stellvertretender Gauleiter der Oberpfalz.
Franz Maierhofer (1897-1943) 1930-32 Seit April 1932 zugleich Gauleiter in Niederbayern, ab August 1932 vereinigt zum Gau Niederbayern-Oberpfalz.
Niederbayern-Oberpfalz Franz Maierhofer 1932-33 Im Januar 1933 mit Oberfranken vereinigt zur "Bayerischen Ostmark" unter Hans Schemm.
Gaue in Franken in der frühen Parteigeschichte
Gau Gauleiter Amtszeit Bemerkungen
Nordbayern Julius Streicher (1885-1945) 1925-28
im Oktober 1928 zunächst in vier Gaue geteilt:
Nürnberg-Fürth Julius Streicher 1928-29 Im März 1929 mit Mittelfranken-West vereinigt zum Gau Mittelfranken unter Julius Streicher. Stellvertretender Gauleiter blieb bis März 1932 Wilhelm Grimm.
Mittelfranken-West (Ansbach) Wilhelm Grimm (1889-1944) 1928-29 Im März 1929 mit Nürnberg-Fürth vereinigt zum Gau Mittelfranken unter Julius Streicher. Stellvertretender Gauleiter blieb bis März 1932 Wilhelm Grimm.
Unterfranken Otto Hellmuth (1896-1968) 1928-45
Oberfranken Hans Schemm (1891-1935) 1928-33 Im Januar 1933 mit Niederbayern-Oberpfalz vereinigt zur "Bayerischen Ostmark".
Südbayern in der frühen Parteigeschichte
Gau Gauleiter Amtszeit Bemerkungen
Groß-München Adolf Wagner (1890-1944) 1929-30 1930 vereinigt zum "Traditionsgau München-Oberbayern" unter Adolf Wagner.
Oberbayern Fritz Reinhardt (1895-1969) 1928-30 1930 vereinigt zum "Traditionsgau München-Oberbayern" unter Adolf Wagner.
Schwaben Karl Wahl (1892-1981) 1928-1945 Bis 1928 von München aus mitbetreut;kurzzeitig Untergau von Oberbayern.
Die sechs bayerischen Gaue nach 1933
Gau Hauptstadt Zuständigkeitsgebiet Gauleiter Amtszeit Bemerkungen
Bayerische Ostmark, ab 1942 Bayreuth Bayreuth Niederbayern, Oberpfalz und Oberfranken; dazu 1938 Böhmerwald, ab 1939 Betreuung eines Teils des Protekorats Böhmen und Mähren Hans Schemm (1891-1935) 1933-35
Fritz Wächtler (1891-1945) 1935-45
Franken Nürnberg Mittelfranken Julius Streicher (1885-1946) 1929-40
Hans Zimmermann (1906-1984) 1940-42 nur geschäftsführender Gauleiter
Karl Holz (1895-1945) 1942-45 geschäftsführend 1942-44, 1944 zum Gauleiter ernannt
Unterfranken, ab 1935 Mainfranken Würzburg Unterfranken Otto Hellmuth (1896-1968) 1927-45
"Traditionsgau" München-Oberbayern München Oberbayern Adolf Wagner (1890-1944) 1930-44
Paul Giesler (1895-1945) 1944-45 schon seit 1942 ständiger Stellvertreter des erkrankten Wagner
Schwaben Augsburg Schwaben, dazu 1938 Mittelberg und Jungholz Karl Wahl (1892-1981) 1928-45
Rheinpfalz, ab 1935: Pfalz-Saar, ab 1936 Saarpfalz, ab 1940 Westmark Neustadt a.d.W., ab 1940 Saarbrücken Rheinpfalz, dazu 1935 Saarland, 1940 Lothringen Fritz Wambsganß (1886-1979) 1925-26 Wambsganß war gewählter "Gauführer".
Josef Bürckel (1895-1944) 1926-44 1926 gewählt und von der Reichsleitung in München, von Hitler selbst erst 1927 bestätigt
Willi Stöhr (geb. 1903) 1944-45 Stöhr war ab 1944 Chef der Zivilverwaltung in Lothringen, RVK und kommissarischer Gauleiter, zum Gauleiter ernannt im Januar 1945.

Literatur

  • Heinz Boberach u. a., Ämter, Abkürzungen, Aktionen des NS-Staates. Handbuch für die Benutzung von Quellen der nationalsozialistischen Zeit. Amtsbezeichnungen, Ränge und Verwaltungsgliederungen, Abkürzungen und nichtmilitärische Tarnbezeichnungen (Texte und Materialien zur Zeitgeschichte 5), München 1997.
  • Hans-Joachim Heinz, NSDAP und Verwaltung in der Pfalz. Allgemeine innere Verwaltung und kommunale Selbstverwaltung im Spannungsfeld nationalsozialistischer Herrschaftspraxis 1933-1939. Ein Beitrag zur zeitgeschichtlichen Landeskunde (Geschichte im Kontext 1), Mainz 1994.
  • Jürgen John/Horst Möller/Thomas Schaarschmidt (Hg.), Die NS-Gaue. Regionale Mittelinstanzen im zentralistischen "Führerstaat"? (Sondernummer der Schriftenreihe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte), München 2007.
  • Michael Rademacher, Handbuch der NSDAP-Gaue 1928-1945. Die Amtsträger der NSDAP und ihrer Organisationen auf Gau- und Kreisebene in Deutschland und Österreich sowie in den Reichsgauen Danzig-Westpreußen, Sudetenland und Wartheland, Vechta 2000.
  • Walter Ziegler, Bayern im NS-Staat 1933 bis 1945, in: Alois Schmid (Hg.), Handbuch der bayerischen Geschichte. 4. Band, 1. Teil, München 2. Auflage 2003, 500-634.

Weiterführende Recherche

Externe Links

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NS-Gaue

Empfohlene Zitierweise

Jürgen Finger, Gau (NSDAP), publiziert am 11.09.2006; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Gau_(NSDAP) (9.10.2024)