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Türkengefahr (Spätmittelalter/Frühe Neuzeit)

Aus Historisches Lexikon Bayerns

Um die Bereitschaft der Reichsstände zur Unterstützung eines Feldzuges gegen die Osmanen zu steigern, regte höchstwahrscheinlich Enea Silvio Piccolomini, der spätere Papst Pius II., die Publikation des 1454 erschienenen "Türken-Kalender. Eyn Manung der Christenheit widder die Durcken" an. (Bayerische Staatsbibliothek, Rar. 1)
In Publikationen wie der "Türckischen Chronica" von Vasco Díaz Tanco von 1577 wird dem Leser der jahrhundertelang tradierte Topos der Grausamkeit der Osmanen mit der Betonung von Plünderung, Brandschatzung und Gefangennahme von Frauen und Männern vor Augen geführt. (Díaz Tanco, Vasco: Türckische Chronica: Warhaffte eigentliche vnd kurtze Beschreibung, der Türcken Ankunfft, Regierung ... ; Item: Von der Türcken Religion vnd Gesatz ... ; Endtlich ist mitangehenckt von Vrsachen der Christen verderben ... ; Alles in drey Bücher eyngetheilt, Franckfurt a. M. 1577, fol. 26; Bayerische Staatsbibliothek Res/2 Turc. 50 g).
Die "Türken" wurden in der Turcica-Literatur oft als Kindertöter und Frauenschänder dargestellt: Das Motiv der auf Zäune aufgespießten oder mit dem Schwert in zwei Stücke geteilten Kinder zeigt eindeutig den Einfluss der christlichen Ikonographie und zielt darauf ab, Analogien zum Kindermord von Bethlehem herzustellen. (Holzschnitt von Hans Weigel d. Ä., Nürnberg um 1530, Zentralbibliothek Zürich Inv. PAS. II 2:4)
Aus Anlass des vergeblichen Versuchs der Osmanen im Jahr 1456, die damalige ungarische Festung Belgrad/Nándorfehérvár zu erobern, wurde von Papst Calixt III. die "Türkenglocke" eingeführt: Das tägliche Mittagsläuten sollte die Bevölkerung an den Aufruf zum Kreuzzug und an das Gebet um Hilfe gegen die "Türken" erinnern. (Ehrenspiegel des Hauses Österreich, Buch VII, Augsburg 1559. Bayerische Staatsbibliothek Cgm 896).
In der 1541 bei Hans Lufft (1495-1584) erschienenen Neuauflage der Bibelübersetzung Martin Luthers (1483-1546) findet sich in der Offenbarung des Johannes ein Holzschnitt, der die Belagerung der Himmelsstadt durch das teuflische Heer darstellt. Die idealisierte Stadtansicht lässt sich als die Stadt Wien mit dem Stephansdom deuten. 1529 war Wien von den Osmanen belagert worden, was vielfach Endzeiterwartungen ausgelöst hatte. (aus: Luther, Martin: Biblia: das ist die gantze Heilige Schrift: Deudsch Auffs New zugericht, Wittenberg 1541, fol. 409r.; Bayerische Staatsbibliothek)
In der Publizistik der katholischen Reform wurde Martin Luther auch mit den "Türken" gleichgesetzt. Davon zeugt etwa das polemische Werk "Der Christenliche Luther" des Regensburger Jesuiten und Dompredigers Conrad Vetter (1548-1622), der unter dem Namen Conrad Andrae mehrere antilutherische Schriften verfasste. (aus: Vetter, Conrad: Der Christenliche Lvther, Das ist: Die vierte Prob vnd Weysung, wie Doctor Martin Luther an der verwüstung vnd Jammer Teütscher Nation, sich selber am Jüngsten Tag entschuldigen werde, Eder 1597)
Vorder- und Rückseite der Medaille auf die Beteiligung des bayerischen Kurfürsten Max Emanuel beim Entsatz Wiens von der Belagerung durch die Osmanen 1683, gestaltet von Philipp Heinrich Müller (1654-1719). (Staatliche Münzsammlung München Inventarnr. 6-05003)

von Zsuzsa Barbarics-Hermanik

Die Vorstellung einer ständigen Bedrohung durch die "Türken" bildete seit dem 14. Jahrhundert ein wesentliches Element der Propaganda der katholischen Kirche. Papst Clemens VI. (reg. 1342-1352) rief erstmals 1343 zum Kreuzzug gegen die Osmanen auf. Später beteiligten sich auch weltliche Autoritäten an diesem Diskurs über die Expansion des Osmanischen Reiches, der nach der Eroberung Konstantinopels 1453 intensiviert wurde. Er diente auch dazu, die innere Stabilität einzelner Territorien zu stärken und die Untertanen zur Zahlung von Abgaben zu bewegen. Eine weiträumige Verbreitung eines einseitig negativen Bildes der "Türken" durch weltliche und geistliche Instanzen machte der Buchdruck möglich. Obwohl das Herzogtum bzw. Kurfürstentum Bayern nie einer unmittelbaren Gefahr durch die Osmanen ausgesetzt war, sind dort Auswirkungen der imaginierten "Türkengefahr" nachzuweisen: Die Bevölkerung wurde etwa zu mittäglichem Gebet und immer wieder zu religiösen Prozessionen angehalten. Obwohl der Diskurs "Türkengefahr" dank der Erfolge der kaiserlichen Seite im "Letzen Großen Türkenkrieg" (1683-1699) eine Wandlung erfuhr, wurden die negativen Vorstellungen über die Osmanen vor allem durch die Historiographie noch lange tradiert.

Begrifflichkeit

Der Terminus "Türkengefahr" findet in der deutschsprachigen Geschichtsschreibung seit Ende des 19. Jahrhunderts Verwendung. Er bezeichnet den von weltlichen und geistlichen Autoritäten initiierten Diskurs über die Expansion des Osmanischen Reiches, der im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit ihren politisch-militärisch und religiösen Intentionen entsprechend geführt wurde. Obwohl das Gebiet des heutigen Bayerns von der osmanischen Expansion nie unmittelbar betroffen war, hatten dort wirkende Akteure einen nicht unerheblichen Anteil bei der Konstruktion dieses Diskurses.

Die darin vermittelten Vorstellungen wurden lange Zeit nahezu unverändert tradiert. Diese unterscheiden sich jedoch erheblich von den heutigen Erkenntnissen der Geschichtsforschung über das Osmanische Reich und dessen Intentionen.

"Osmanen" versus "Türken"

Dieser Unterschied wird in beiden Teilen des Kompositums "Türkengefahr" ersichtlich: Die Bezeichnung "Türken" – wie Bewohner des Osmanischen Reiches im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit in weiten Teilen Europas genannt wurden – entsprach nicht der Selbst- oder Eigensicht der Dynastie der Osmanen. Für die Identität der Herrscherfamilie und damit auch der Führungselite ihres Reiches war jahrhundertelang der Name des Gründers der Dynastie, Osman I. (gest. ca. 1324), ausschlaggebend. Bei der Verwendung der Bezeichnung "Türken" wird ebenfalls jene historische Gegebenheit des Osmanischen Reiches außer Acht gelassen, dass dort neben Türken noch zahlreiche andere ethnische und religiöse Gruppen lebten.

Der Ausdruck "Gefahr" suggeriert eine ständige Bedrohung und die Reduktion der Begegnungsmöglichkeiten mit dem Osmanischen Reich auf kriegerische Auseinandersetzungen.

Die osmanische Expansion von der Mitte des 14. bis zum Ende des 17. Jahrhunderts

Von Nordwest-Anatolien ausgehend nahm die Expansion der Osmanen sowohl Richtung Westen als auch nach Osten ihren Anfang. Nachdem sie auf dem europäischen Kontinent als Verbündete von Byzanz angekommen waren, bildeten sie 1352 im nordöstlich von Gallipoli (heute Galibolu, Türkei) gelegenen Tzympe (türk. Çimpe) einen ersten Brückenkopf. In Anatolien eroberten sie im gleichen Jahr Ankara, das als Ausgangspunkt ihrer weiteren Expansion nach Osten fungierte. Innerhalb der nächsten 50 Jahre verdreifachte sich das Territorium des von Osman I. gegründeten Fürstentums infolge von Eroberungen, dynastischen Eheschließungen sowie diplomatischen Allianzen am Balkan und in Kleinasien.

Bis zum Ende des 14. Jahrhunderts gelangten in Europa die Gebiete des heutigen Mazedoniens (1371/1395), Bulgariens (1393/96) sowie Teile des heutigen Serbiens (1389) und Albaniens (1391) unter osmanische Herrschaft. Der Versuch des ungarischen Königs Sigismund von Luxemburg (reg. 1387-1437), dessen Länder sich somit in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Osmanen befanden, diese Expansion mit einem als Kreuzzug propagierten Feldzug zu stoppen, scheiterte 1396 vor den Toren von Nikopolis (Bulgarien).

Die osmanische Expansion wurde zu Beginn des 15. Jahrhunderts dennoch für ein Jahrzehnt gestoppt, da der zentralasiatische Herrscher Timur Lenk (1336-1405) in der Schlacht von Ankara (1402) die Osmanen besiegte. Dabei wurde Sultan Bayezid I. (reg. 1389-1402) gefangen genommen, wodurch gleichzeitig seine Eroberungen verloren gingen. Zur Zeit des darauffolgenden Interregnums (1402-1413) verpassten die europäischen Mächte die Gelegenheit, gemeinsam gegen die Osmanen vorzugehen. Während etwa die östlichen Territorien des heutigen Bayerns mit den Auswirkungen der Hussitenkriege (1420-1436/37) zu kämpfen hatten, konnten die oben genannten zwischenzeitlich verlorenen Gebiete des Osmanischen Reiches auf dem Balkan sowie in Anatolien bis zum Regierungsantritt Mehmeds II. (r. 1451-1481) wieder zurückgewonnen werden.

Durch die Eroberung Konstantinopels 1453 konnten die Osmanen nicht nur die unmittelbare Verbindung ihrer Territorien auf dem europäischen Kontinent mit jenen in Anatolien verwirklichen. Es eröffnete sich ihnen damit die Möglichkeit, ihre Herrschaft auf dem Balkan sowie im Bereich des Schwarzen Meeres zu erweitern und zu konsolidieren.

Die ungarischen Könige begannen nach der Niederlage bei Nikopolis mit der Neuorganisation der Verteidigung ihrer südlichen Territorien. Den Kern bildete dabei eine doppelte Linie von Festungen, die sich in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts von der Adria bis nach Siebenbürgen erstreckte. Diese hatte die Aufgabe, das Vordringen des osmanischen Heeres, aber auch kleinere Einfälle, aufzuhalten. Parallel mit dieser Entwicklung begann im nordöstlichen Teil des heutigen Bayerns eine neue Befestigungswelle von Kirchen und Kirchenhöfen. Diese ist jedoch in erster Linie im Zusammenhang mit der zunehmenden innenpolitischen Instabilität und vor allem als Folge des Ersten Markgrafenkrieges (1449/50) zu betrachten, weniger mit der Expansion des Osmanischen Reiches, die für die Territorien des heutigen Bayerns keine reale Gefahr darstellte.

Der Sieg der Osmanen in der Schlacht bei Mohács (1526) führte zum Ende des mittelalterlichen Ungarischen Königreichs, das nach der Eroberung von Buda (1541) endgültig in drei Teile zerfiel: Der mittlere Teil wurde in mehreren Etappen ins Osmanische Reich integriert. Im westlichen Teil, der ab 1527 unter habsburgischer Herrschaft stand, wurde in den 1530er Jahren – nach der ersten Belagerung Wiens durch die Osmanen 1529 – mit der Errichtung der Militärgrenze begonnen. Diese sollte die österreichischen Erblande und somit indirekt auch das Heilige Römische Reich schützen. Das letzte Drittel des 16. Jahrhunderts sowie das 17. Jahrhundert waren in diesem Grenzgebiet des Osmanischen Reiches, das zu dieser Zeit vor allem in Konflikte im Mittelmeerraum, im Nahen Osten, im Kaukasus sowie im Bereich des Roten Meeres involviert war, durch lange Friedensperioden geprägt. Diese wurden durch drei große osmanische Feldzüge in den Jahren 1593-1606, 1663/1664 sowie 1683-1699 unterbrochen.

Die Anfänge der antiosmanischen Propaganda geistlicher und weltlicher Herrscher

Die Vorstellung einer ständigen Bedrohung durch die "Türken" bildete seit dem 14. Jahrhundert ein wesentliches Element der antiosmanischen Propaganda der katholischen Kirche: So erfolgte 1343 die Übertragung des Kreuzzugsgedankens auf den "Türkenkrieg", als Papst Clemens VI. (reg. 1342-1352) mit seiner im selben Jahr veröffentlichten Bulle "Insurgentibus contra fidem" erstmals offen für einen Kreuzzug gegen die Osmanen warb.

Damit wurde das (Feind-)Bild der Heiden, Häretiker und Erzfeinde, das seit dem 11. Jahrhundert auch gegen Araber und die Seldschuken Verwendung fand, auf die Osmanen übertragen. Die weltlichen Herrscher, vor allem die Kaiser des Heiligen Römischen Reichs, die sich seit Karl dem Großen (reg. 768-814, seit 800 Kaiser) ebenfalls als Schirmherren der Christenheit propagierten, übernahmen diese Tradition, um mit dem Argument der Notwendigkeit eines Kreuzzuges gegen die "Türken" die innere Stabilität ihrer Territorien zu stärken und ihre Untertanen zur Zahlung von Abgaben zu bewegen.

Dabei bedienten sich sowohl geistliche als auch weltliche Herrscher des rhetorischen Topos "antemurale Christianitatis" (Vormauer der Christenheit). Dieses fungierte für jene Länder im südöstlichen Europa, die von der osmanischen Expansion selbst betroffen waren (wie Albanien, Kroatien, Serbien und Ungarn), seit dem späten 14. Jahrhundert als Legitimationsmythos: Dadurch beanspruch(t)en den genannten Titel und die damit verbundene exklusive Funktion gleich mehrere Länder (auch Polen im östlichen Europa) für sich. Durch die Zuschreibung der Aufgabe, die "lateinische Christenheit" (und damit ganz Europa) gegen die "Türken" zu verteidigen, legitimierten die jeweiligen Akteure nicht nur ihre eigene Macht, sondern begründeten damit politische, militärische und finanzielle Forderungen. In der (Selbst-)Repräsentation des Hauses Habsburg ist nach den Anfängen im 16. Jahrhundert besonders im 17. Jahrhundert – einhergehend mit der katholischen Reform – eine stärkere Identifikation der Dynastie mit der Funktion "antemurale Christianitatis" gegen die Osmanen zu beobachten.

Buchdruck und "Türkengefahr"

Eine Neubelebung des Kreuzzugsgedankens, die besonders nach der Eroberung Konstantinopels 1453 ihren ersten Höhepunkt erreichte, verdankte ihren Erfolg größtenteils dem Buchdruck: So ist es kein Zufall, dass die ersten in großer Auflage hergestellten Einblattdrucke vom Oktober 1454 in Mainz Ablassformulare waren, mit deren Hilfe der zypriotische Adelige Paulinus Zappe (oder Chappe) im Reich erfolgreich Ablassgelder einsammeln konnte.

Zappes Tätigkeit als Kommissär des zypriotischen Königs Johann II. von Lusignan (reg. 1432-1458), gemäß dem von Papst Nikolaus V. (reg. 1447-1455) am 12. August 1451 gewährten allgemeinen Ablass zum Schutz Zyperns vor den Osmanen, stieß zunächst auf geringes Interesse seitens der Reichsstände. Wenig erfolgreich war auch die Werbung für ein Kreuzzugsheer durch den kaiserlichen Sekretär Enea Silvio Piccolomini (als Papst Pius II., reg. 1458-1464) auf dem ersten sog. "Türkenreichstag" in Regensburg, April 1454, und den berühmten Kanzelredner, Johannes Capistrano (1386-1456), im Herbst desselben Jahres.

Das älteste, sicher datierbare und vollständig erhaltene gedruckte Buch mit dem Titel "Türken-Kalender. Eyn Manung der Christenheit widder die Durcken", welches wahrscheinlich von Piccolomini selbst angeregt wurde, entstand in diesem Zusammenhang. Das Ziel dieser Publikation war es, die Bereitschaft der Reichsfürsten und Reichsstädte zur Unterstützung eines Feldzuges gegen die Osmanen bis zum kommenden Reichstag im Februar 1455 zu steigern.

In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, als die Osmanen ihre Herrschaft auf dem Balkan, in Anatolien sowie im Bereich des Schwarzen Meeres weiter ausbauten, setzte eine intensive publizistische Tätigkeit ein. Hierin waren zahlreiche Drucker und Verleger in Nürnberg, Augsburg, Regensburg, Passau, München, Würzburg, Memmingen, Ingolstadt und Ulm eingebunden. Die Mehrheit dieser Publikationen machten weiterhin Ablassbriefe aus. Unter ihren Verfassern und Herausgebern findet sich u. a. der Guardian des Minoritenklosters Nürnberg und Kommissär des Provinzialvikars der Kustodien Bayern, Johann Ulrich Eysenflam, sowie sein Stellvertreter, Bruder Emericus de Kemel, der als päpstlicher Kommissär für die Umsetzung päpstlicher Bullen sowie für die "Sachen des Glaubens und des Kreuzzuges gegen die Türken jenseits der Alpen" verantwortlich war.

Ein weiteres bedeutendes Druckwerk stammt von Johannes Lichtenberger (ca. 1426-1503), dem Hofastrologen Kaiser Friedrichs III. (reg. 1440-1493), der im Jahr des "Großen Regensburger Christentages" (1471), wo über ein gemeinsames Handeln der Reichsstände und weiterer europäischer Mächte gegen die Osmanen verhandelt wurde, ein Horoskop für Herzog Ludwig IX. von Bayern-Landshut (reg. 1450-1479) erstellte. Lichtenbergers Hauptwerk mit dem Titel "Pronosticatio", das in der Tradition mittelalterlicher Pseudoprophetien verfasst und erstmals 1488 gedruckt wurde, liefert eine der wichtigsten Grundlagen späterer Auseinandersetzungen mit dem Phänomen der "Türkengefahr", das ab diesem Zeitpunkt mit eschatologischen Endzeiterwartungen verbunden wurde. Ein Teil der über 50 Auflagen wurde im 16. Jahrhundert in Augsburg und Nürnberg gedruckt.

Hervorzuheben ist auch die publizistische Tätigkeit des bayerischen Hofrats Johann Baptist Fickler (1533-1610), des ehemaligen Erziehers von Herzog Maximilian I. von Bayern (reg. 1597-1651, Kurfürst ab 1623), während des "Langen Türkenkrieges" (1593-1606), der die Schriften "Trewhertzige Warnungsschrift an die Stände zu Regensburg/ […] wider die Türcken" (1598) und "Klagschrifft Vber den Hochschädlichen Verlust der Christenheit von dem laidige […] Türcken eine gute Zeit herumb erlitten" (1615) verfasste. In diesen in München veröffentlichten Texten appellierte er an die Reichsstände, die "Türkenhilfen" zu bewilligen und gab Ratschläge, wie man "des Türcken Macht vnd Gewalt begegnen solle."

Die seit dem Mittelalter währende Auseinandersetzung mit dem Islam, der in diesem Kontext vereinfacht als "Religion der Türken" bezeichnet wurde, brachte mehrere Koranübersetzungen hervor. In den meisten Fällen wurde dabei vor allem aufgrund fehlender Arabischkenntnisse eine vom Anfang des 14. Jahrhunderts stammende lateinische Übersetzung neu überarbeitet. Diese diente wiederum als Vorlage für die Übersetzungen ins Deutsche oder Italienische, die im 16. und 17. Jahrhundert publiziert wurden. Diese Werke haben gemeinsam, dass sie – den Intentionen der religiösen und politischen Propaganda entsprechend – jeweils mit einer Sammlung polemischer Gegenschriften zusammen veröffentlicht wurden. Als Beispiel sei hier auf das Werk des Predigers der Frauenkirche in Nürnberg, Salomon Schweigger (1551-1622), mit dem Titel "Alcoranus Mahometicus – Das ist: Der Türcken Alcoran, Religion vnd Aberglauben" hingewiesen, der seine deutschsprachige Koranausgabe aufgrund einer italienischen Übersetzung verfasste und 1616 in der Druckerei von Simon Halbmaier (1587-1632) in Nürnberg veröffentlichte.

Türkenbilder und Türkenglocke

Die Städte Augsburg, Nürnberg, Regensburg und München spielten bei der Verbreitung der "Turcica-Literatur" im 16. und 17. Jahrhundert eine wesentliche Rolle: In diesen Flugblättern, Flugschriften, Neuen Zeitungen, "Türkenpredigten" und "Türkenreden" wurden die Osmanen in Bild und Text mit negativen Klischees als grausam, blutdürstig, tyrannisch oder teuflisch dargestellt. Zum Mythos "Türkengefahr" gehörte auch die Überdimensionierung der Größe und Stärke des Heeres der Osmanen: Der bayerische Gesandte Johann Gailkircher (1543-1621) argumentierte beispielsweise auf dem am 20. Dezember 1597 eröffneten Reichstag in Regensburg für die Bewilligung eines zusätzlichen Beitrages damit, dass "der Türke, wie man höre, mit 300.000 Mann oder mehr, ins Feld ziehe". Tatsächlich konnten die Osmanen, wie neuere Studien zeigen, selbst bei ihren ausgedehnten Feldzügen infolge der damaligen logistischen Voraussetzungen nur ein Heer von ca. 80.000 Soldaten auf längere Dauer bewegen und versorgen.

In der antiosmanischen Propaganda geistlicher und weltlicher Herrscher wurden die Osmanen auch als Kindertöter und Frauenschänder dargestellt: Das Motiv der auf Zäune aufgespießten oder mit dem Schwert in zwei Stücke geteilten Kinder zeigt eindeutig den Einfluss der christlichen Ikonographie und zielt darauf ab, Analogien zum Kindermord von Bethlehem herzustellen. Vergleicht man jedoch die Merkmale des Türkenbildes mit jenen Bildern, wie zum Beispiel die Spanier im Reich (1545-1547, 1618-1648) oder die Franzosen in der Pfalz (1688-1697) dargestellt wurden, weisen diese Ähnlichkeiten auf das Phänomen der Typisierung von Feinden hin, die in unterschiedlichen Konfliktsituationen eingesetzt werden konnten.

Protestantische Gelehrte beteiligten sich ebenfalls am Diskurs und damit an der Konstruktion des Türkenbildes: Die Expansion des Osmanischen Reiches interpretierten sie als ein Zeichen für die kommende Endzeit, als Strafe Gottes. Für die militärischen Erfolge der Osmanen machten sie in erster Linie die Verworfenheit der katholischen Kirche verantwortlich. "Türken" und Papst bezeichneten sie dabei gleichzeitig als Antichrist. Vertreter der Gegenreformation setzten wiederum ihrerseits Martin Luther (1483-1546) mit den "Türken" gleich, wie etwa der Regensburger Jesuit und Domprediger Conrad Vetter (1548-1622) in seinem polemischen Werk "Das Christenliche Luther", das er unter dem Namen Conrad Andrae veröffentlichte.

Im Bereich der Volkskultur wurde die "Türkengefahr" in erster Linie mit den "Türkenpredigten" sowie mit der Einführung der "Türkenglocke" verbreitet: Das Läuten der Letzteren wurde 1456 durch Papst Calixt III. (reg. 1455-1458) angeordnet, nachdem die osmanische Belagerung der Festung Belgrad im gleichen Jahr gescheitert war. Das tägliche Mittagsläuten sollte an den Aufruf zum Kreuzzug und an das Gebet um Hilfe gegen die Osmanen erinnern. Während des "Langen Türkenkrieges" (1593-1606) wurde in bayerischen Kirchen explizit zum "Türkengebet" aufgerufen. In einem Mandat vom 7. Juni 1601 wurde mit Berufung auf die "Türkengefahr" zusätzlich die Aufstellung von Opferstöcken in allen Pfarrkirchen angeordnet, um damit Gottes Zorn abzuwenden.

Während des osmanischen Feldzugs in Ungarn in der ersten Hälfte der 1660er Jahre, als der bayerische Kurfürst Ferdinand Maria (reg. 1651-1679) dem Kaiser mehrere Kompanien als Hilfstruppen zur Verfügung stellte, wurden besonders in den östlichen Teilen des Kurfürstentums Bittprozessionen durchgeführt, wie etwa 1661 von Zwiesel nach Bischofsmais und St. Hermann. Während der zweiten Belagerung Wiens durch die Osmanen 1683 wurden in bayerischen Kirchen die Gläubigen ermahnt, "binnen vierzehn Tagen alle und jede" zu Beichte und Kommunion zu gehen. Gleichzeitig wurden öffentliche Prozessionen in Passau abgehalten, die sich vom Dom zur Jesuitenkirche bewegten und an denen sogar Kaiser Leopold I. (reg. 1658-1705) persönlich teilnahm.

Reichstage, Kreistage und die Instrumentalisierung der "Türkengefahr"

In den Reichsstädten Augsburg, Nürnberg und Regensburg (erstmals hier 1454) wurden bis ins 17. Jahrhundert "Türkenreichstage" abgehalten. Dort zählten Bayern sowie die Hochstifte Passau und Salzburg zu Unterstützern der kaiserlichen Politik gegen die Osmanen, während die meisten übrigen Reichsstände dazu eine eher zwiespältige Haltung einnahmen.

Die Unterstützung der bayerischen Herzöge war auch der Heiratspolitik der Wittelsbacher und der Habsburger zu verdanken: Herzog Albrecht V. von Bayern (reg. 1550-1579) ehelichte etwa Anna (1528-1590), eine der Töchter Kaiser Ferdinands I. (reg. als Kaiser 1558-1564). Ihre Tochter Maria (1551-1608) wurde 1571 mit Karl II. von Innerösterreich (1540-1590) verheiratet, der seit Errichtung des Innerösterreichischen Hofkriegsrates 1578 für einen wichtigen Teil der gegen die Osmanen ins Leben gerufenen Militärgrenze verantwortlich war. Um dies zu unterstreichen, wurde sogar im Rahmen der Hochzeitsfeierlichkeiten Marias und Karls ein nach "türkischem Muster" eigens in Graz erbautes hölzernes Schloss symbolisch von "christlichen" Rittern belagert und letztendlich erobert.

Um die Bewilligung der "Türkenhilfe" zu erwirken, reiste Karl II. von Innerösterreich in Begleitung seiner Gattin in den 1570er und 1580er Jahren selbst zu den Reichstagen in Regensburg und Augsburg. Nach dem Tod ihres Mannes entsandte Maria 1594 selbst einen eigenen Vertreter zum Reichstag in Regensburg, um die innerösterreichischen Interessen bezüglich der "Türkenhilfe" dort vertreten zu lassen. Diese enge Verbindung zwischen dem bayerischen Hof und Innerösterreich blieb auch im 17. Jahrhundert aufrecht erhalten, da Marias Sohn, der spätere Ferdinand II. (reg. 1619-1637), ebenfalls eine Wittelsbacherin, Maria Anna (1574-1616), die Tochter Wilhelms V. von Bayern (reg. 1579-1598), ehelichte.

Als Bewilligungseinheit der "Türkenhilfen" fungierte die Romzugsmatrikel mit dem "Römermonat", die zunächst durch Aufstellung von Truppen, ab Mitte des 16. Jahrhunderts in erster Linie in Form von Steuern entrichtet wurde. Diese außerordentlichen Steuerzahlungen, die im Reich in Berufung auf die "Türkengefahr" beinahe jährlich verordnet wurden, trugen zur Entwicklung territorialer Steuersysteme bei. Auch auf Landesebene wurde mit der "Türkengefahr" argumentiert, um von den Landständen zusätzliche Sonderbewilligungen zu fordern, wie das etwa die Vorgehensweise Maximilians I. von Bayern 1595 zeigt. Die Errichtung der Reichskreise Anfang des 16. Jahrhunderts wird häufig einseitig als eine rein aus der "Türkengefahr" resultierende Konsequenz beschrieben. Dabei spielten jedoch die inneren Krisenerscheinungen im Reich sowie die französische Gefahr im Westen ebenfalls eine wesentliche Rolle.

Seit dem Beginn der Reformation erschien das Thema "Türkengefahr" auf den Reichstagen sehr häufig mit konfessionellen Fragen verbunden: Da der Kaiser für die kostspielige Kriegsführung gegen die Osmanen sowie für Bau und Instandhaltung von Festungen der Militärgrenze auf Zahlungen der Reichsstände angewiesen war, versuchten die protestantischen Reichsstände das katholische Reichsoberhaupt oft mit Verweigerung der Zahlung der "Türkenhilfe" zu religiösen Konzessionen oder zur Besetzung der Reichsorgane mit unparteiischen Personen zu bewegen. Dieser Umstand schlug sich auf Landesebene ebenfalls nieder: Auf dem Kreistag des Bayerischen Kreises in Landshut im Mai 1596 scheiterte die Bewilligung der Finanzierung der "Türkenhilfe" etwa wegen konfessioneller Forderungen Pfalz-Neuburgs. Den engen Zusammenhang zwischen konfessionellen Fragen und dem Argument "Türkengefahr" zeigt etwa auch, dass Albrecht V. von Bayern in den 1570er Jahren seinem Schwiegersohn Karl II. von Innerösterreich finanzielle Unterstützung zusicherte, falls ihm die innerösterreichischen Stände wegen seiner gegenreformatorischen Maßnahmen die Steuern verweigert hätten.

Das Ende der "Türkengefahr"

Die militärischen Auseinandersetzungen der Habsburger mit den Osmanen auf dem Gebiet des ehemaligen ungarischen Königreiches fanden dank der Erfolge der kaiserlichen Seite im "Letzten Großen Türkenkrieg" (1683-1699) und mit dem Frieden von Karlowitz (26. Januar 1699) größtenteils ihr Ende. Dadurch veränderte sich der Diskurs "Türkengefahr", wobei das bis dahin einseitig negative Bild über die Osmanen seit den späten 1680er Jahren eine Wandlung erfuhr, in dem der Mythos der Unbezwingbarkeit der Osmanen endete. Sie wurden zunächst als "besiegbare" und schließlich als "besiegte" Feinde dargestellt. Dieser Wandlungsprozess ist in Flugblättern und Flugschriften dokumentiert, die in den 1680er und 1690er Jahren als Mittel der kaiserlichen bzw. bayerisch-kurfürstlichen Propaganda in erster Linie in Augsburg und Nürnberg publiziert wurden. Neben den Verlegern waren es die Medailleure dieser Städte (v. a. die Lauffersche Prägeanstalt sowie die von Johann Färber in Nürnberg), die zuvor für einen Krieg gegen die Osmanen und dann zur Verherrlichung der gewonnenen Schlachten und der siegreichen Feldherren Propaganda machten.

Zu diesen siegreichen Feldherren, die sich auf Medaillen als "Türkenbezwinger" feiern ließen, zählte auch der bayerische Kurfürst Maximilian Emanuel (reg. 1679-1726), der sich mit seinen Truppen im "Letzten großen Türkenkrieg" (1683-1699) mehrfach auszeichnete. Daran erinnern heute noch neun monumentale Gemälde im Schloss Schleissheim (Lkr. München), die im dortigen Viktoria-Saal die Feldzüge des Kurfürsten darstellen.

Zum Ende der "Türkengefahr" trugen zwei weitere Protagonisten bei: Graf Wolfgang IV. zu Oettingen-Wallerstein (1626-1708, Reichshofratspräsident ab 1683) wurde von Kaiser Leopold I. bereits Anfang September 1698 zu seinem ersten bevollmächtigten Gesandten für die Friedensverhandlungen in Karlowitz ernannt, der dabei auch von General Leopold Schlick zu Bassano und Weißkirchen (1663-1723) unterstützt wurde.

Der Sieg der kaiserlichen Truppen über die Osmanen und damit das Ende der "Türkengefahr" wird aus mehreren Gründen mit der Stadt Passau in Verbindung gebracht:

  1. Während der zweiten Belagerung Wiens durch die Osmanen (1683) fungierte diese kurzzeitig als Residenzstadt Kaiser Leopolds I., der mit seinem Hof aus Wien zunächst nach Linz und von dort nach Passau geflüchtet war. Dadurch war die fürstbischöfliche Residenz in dieser Zeit, von Juli bis Mitte September 1683, Sitz des Kaisers des Heiligen Römischen Reiches.
  2. An der Fassade der Alten Residenz ist zu lesen, dass Prinz Eugen (1663-1736) hier in die Dienste des Kaisers genommen wurde.
  3. Die militärischen Erfolge wurden in der kaiserlichen Propaganda und damit im öffentlichen Bewusstsein nicht zuletzt der Hilfe Marias, insbesondere jenem Gnadenbild zugeschrieben, das sich in der Wallfahrtskirche Mariahilf ob Passau befindet und vor dem Kaiser Leopold I. – während seines Aufenthaltes in der Stadt – mit dem Kapuzinermönch und Prediger Marco d'Aviano (1631-1699) zusammen täglich gebetet haben soll.


Literatur

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  • Volker v. Volckamer, Graf Wolfgang IV. zu Oettingen-Wallerstein (1629-1708). Gesandter Friedenskongreß von Karlowitz (1698-1699) und Großbotschafter zum Sultan in Konstantinopel (1699-1701), in: Peter W. Schienerl (Hg.), Diplomaten und Wesire. Krieg und Frieden im Spiegel türkischen Kunsthandwerks, München 1988, 9-34.
  • Ingrid Weber, Medaillen auf die Türkenkriege (1683-1699) aus den Staatlichen Münzsammlung in München, in: Peter W. Schienerl (Hg.), Diplomaten und Wesire. Krieg und Frieden im Spiegel türkischen Kunsthandwerks, München 1988, 59-69.
  • Ingrid Weber, Die Medaille, ein wichtiges Medium der Propaganda während der Türkenkriege, in: Peter W. Schienerl (Hg.), Diplomaten und Wesire. Krieg und Frieden im Spiegel türkischen Kunsthandwerks, München 1988, 51-58.
  • Martin Wrede, Das Reich und seine Feinde. Politische Feindbilder in der Reichspatriotischen Publizistik zwischen Westfälischen Frieden und Siebenjährigem Krieg, Mainz 2004.

Quellen

  • Conrad Andrea, Der Christenliche Luther/ Das ist: die Vierbte Prob und Weysung/ wie Doctor Martin Luther an der Verwustung und Jammer Teutscher Nation/ sich selber am Jüngsten Tag entschuldigen werde. Allen Liebhabern Göttlicher Warheit und Seligkeit zum Besten gestellet. Gedruckt im Jar/ M. D. XVIII. Steiermärkische Landesbibliothek Graz, Sign. C 129854.
  • Ferdinand Geldner (Hg.), Türkenkalender. „Eyn Manung der Cristenheit widder die Durken“ mainz 1454. Das älteste vollständig erhaltene gedruckte Buch Rar. 1. der Bayerischen Staatsbibliothek. Faksimile mit Kommentar, Wiesbaden 1975.
  • John Roger Paas, The German Political Broadsheet 1600-1700. Volume 11: 1683-1685, Wiesbaden 2012.

Weiterführende Recherche

Externe Links

osmanische Expansion, Türkenkrieg, Türkenkriege



Empfohlene Zitierweise

Zsuzsa Barbarics-Hermanik, Türkengefahr (Spätmittelalter/Frühe Neuzeit), publiziert am 04.10.2016; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Türkengefahr_(Spätmittelalter/Frühe Neuzeit)> (31.10.2024)