Deutscher Metallarbeiter-Verband (DMV), 1891-1933
Aus Historisches Lexikon Bayerns
Größte Einzelgewerkschaft des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB) während der Weimarer Republik, gegründet 1891. Die mit der Revolution 1918/19 erzielten Verbesserungen bei den Löhnen, Arbeitszeiten und Arbeitsbedingungen für die Metallarbeiter gingen während der Weimarer Republik teilweise wieder verloren. 1933 zerschlugen die Nationalsozialisten die Gewerkschaften und überführten sie in die Einheitsorganisation "Deutsche Arbeitsfront" (DAF). Der Deutsche Metallarbeiterverband war die wichtigste Vorläuferorganisation der am 1. September 1949 begründeten bundesweiten Industriegewerkschaft (IG) Metall.
Entwicklung bis 1918
Die Gewerkschaften entstanden ursprünglich aus dem Zusammenschluss der abhängig Beschäftigten einzelner Berufszweige. In großen Betrieben mit differenten Tätigkeiten fanden sich daher verschiedene Berufsverbände. Das Konzept "ein Betrieb - eine Gewerkschaft" versprach größere Geschlossenheit und Durchsetzungsvermögen.
1891 gründete sich der Deutsche Metallarbeiter-Verband (DMV) mit Sitz in Stuttgart. Die in Nürnberg seit 1883 ansässige Deutsche Metall-Arbeiter-Zeitung siedelte ebenfalls nach Stuttgart um. Am 15. September 1903 entstand der 10. Bezirk - Bayern - des DMV mit Sitz in Nürnberg.
Die Konsolidierung des Verbandes stieß in den ersten Jahrzehnten auf viele Hindernisse. Dennoch gelang es immer häufiger, den Unternehmern Tarifverträge abzutrotzen. Die Burgfriedenspolitik im Ersten Weltkrieg veranlasste den DMV zunächst, alle Konflikte auszusetzen und die staatlichen Stellen zu unterstützen. Je länger der Krieg dauerte, desto häufiger meldeten sich oppositionelle Stimmen unter den Metallarbeitern, die in die Januarstreiks von 1918 mündeten. Die Verbandsführung sorgte dafür, dass diese Bewegung im Sande verlief; die Rädelsführer wurden verhaftet. Erst der Zusammenbruch der staatlichen Stellen im November 1918 bewirkte, dass die Gewerkschaftsfunktionäre, die sich durch ihre den Krieg befürwortende Haltung kompromittiert hatten, ihre Posten aufgaben.
Bereits vor dem Ersten Weltkrieg war es dem DMV weitgehend gelungen, viele kleinere Verbände in sich zu integrieren. 1918 gehörte ihm fast die Hälfte aller freigewerkschaftlich Organisierten an. (1930 standen dem Verband nur noch die Kupferschmiede und der Zentralverband der Maschinisten und Heizer fern.)
Aufgaben
Die wichtigste Aufgabe des Deutschen Metallarbeiter-Verbandes lag darin, mittels Tarifverträgen Löhne, Arbeitszeiten und Arbeitsbedingungen zu regeln und zu verbessern. Ein weit verzweigtes Unterstützungswesen half in Notfällen wie bei Arbeitslosigkeit und Krankheit. Der Verband gewährte seinen Mitgliedern bei Auseinandersetzungen mit dem Arbeitgeber Rechtsschutz. Zudem mussten Betriebsräte geschult werden, um die Interessen der Belegschaft mit Nachdruck zu vertreten. Nicht zuletzt hatte die Bildungsarbeit der Mitglieder einen hohen Stellenwert, denn nur selbstbewusste Arbeiter setzen sich gemeinsam für ihre Interessen ein.
Der Deutsche Metallarbeiter-Verband innerhalb der weltanschaulich geprägten Richtungsgewerkschaften
Die revolutionären Ereignisse von 1918/19 bescherten den Gewerkschaften einen enormen Zulauf. Die weltanschaulich geprägten Richtungsgewerkschaften der Vorkriegszeit (die sozialdemokratischen freien Gewerkschaften, die christlichen und die liberalen Hirsch-Dunckerschen Gewerkschaften) bekamen in anarcho-syndikalistischen Verbänden in der ersten Hälfte der 1920er Jahre und in kommunistischen Verbänden gegen Ende des Jahrzehnts neue Konkurrenz. In jeder dieser fünf Richtungen fand sich ein Metallarbeiterverband.
Der sozialdemokratische Deutsche Metallarbeiter-Verband (DMV) war zwischen 1918 und 1933 der bei weitem größte Metallarbeiterverband. Zwischen 1923 und 1930 lag der Anteil der bei diesem Verband organisierten Betriebsräte an allen bayerischen Betriebsvertretungen zwischen 84 und 89 % und damit über dem Reichsdurchschnitt von 77,8 bis 81,2 %.
Erste Erfolge 1918/19 - Rückschläge 1920
In den ersten Monaten nach der Revolution gelang es den Gewerkschaften, den Unternehmern entscheidende Konzessionen abzuringen und ein System der sozialen Konfliktregelung zu institutionalisieren: Paritätische Verwaltung der Arbeitsnachweise, Einrichtung von Betriebsräten in Betrieben mit über zehn Beschäftigten (im Betriebsrätegesetz von 1920 erstmals reichsweit geregelt) und gemeinsamen Schlichtungsausschüssen, Festsetzung der täglichen Höchstarbeitszeit auf acht Stunden. Ein am 14. April 1919 ausgehandelter Kollektivvertrag - der erste in der bayerischen Metallindustrie - zwischen dem Verband Bayerischer Metallindustrieller und dem Deutschen Metallarbeiter-Verband setzte die 44-stündige Arbeitswoche fest - ein Erfolg, der auf das ganze Reich ausstrahlte, in dem die 48-Stunden-Woche üblich war.
Mit der militärischen Niederschlagung der Münchner Räterepublik Anfang Mai 1919 wurde die Haltung der Unternehmer wieder selbstbewusster. Im Oktober/November 1919 kam es zum Streik in der bayerischen Metallindustrie, den ein in Nürnberg gefällter Schiedsspruch am 7. November beendete. 1920 wurde die wöchentliche Arbeitszeit durch Schiedsspruch vom 24. November 1919 wieder auf 45 und schließlich auf 46 Stunden verlängert.
Das Verhältnis zu den Betriebsräten
Die Rätebewegung räumte den Betriebsräten eine entscheidende Rolle ein. Auch nach dem 1. Mai 1919, also nach der Niederschlagung der Räterepublik, organisierten sich bayerische Betriebsräte überregional. Die konfliktbeladene Konkurrenz zwischen Betriebräten und dem Deutschen Metallarbeiter-Verband, der sich durch die gesamten 1920er Jahre zog, basierte auf gegensätzlichen Interessen: Von Belegschaften direkt gewählte Betriebsräte artikulieren eher die Interessen ihrer Wähler, Gewerkschaftsfunktionäre halten eher Kontakte zu Parteien und politischen Vertretungskörperschaften. Betriebsräte reagieren auf Notlagen vor Ort, Gewerkschaftsfunktionäre orientieren sich an makroökonomischen Erkenntnissen und an langfristig angelegten Strategien.
Richtungsstreit 1919
Vom 30. Juni bis zum 5. Juli 1919 tagten die freien Gewerkschaften in Nürnberg. Vor allem die Metallarbeiter kritisierten auf diesem Kongress die Haltung der Gewerkschaftsführung während des Krieges. Die Versammlung beschloss die Gründung des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB).
Die folgenden Monate waren von innergewerkschaftlichen Auseinandersetzungen geprägt. Die Mehrheit der organisierten Metallarbeiter favorisierte die Sozialisierung der großen Industrie, warb für das Rätesystem und befürwortete eine aktive politische Rolle des Verbandes; die Minderheit wollte die Rolle des Verbandes auf eine wirtschaftspolitische Position reduzieren. Im Organisationsgefüge aber hielten sich die Fraktionen die Waage; die Ortsverwaltungen führten zumeist SPD-Mitglieder.
Der Verband in der Defensive: von der 46- zur 54-Stunden-Woche
Infolge der zunehmenden Inflation und der Verelendung breiter Volksschichten seit Ende 1921 gerieten die Gewerkschaften in die Defensive. Vom 21. Februar bis Ende Mai 1922 streikten die Metallarbeiter in München, Augsburg, Erlangen, Nürnberg, Fürth und weiteren bayerischen Orten. Der auslaufende Tarifvertrag garantierte noch eine 46-Stunden-Woche, die Unternehmer verlangten die 48-Stunden-Woche. Der erbittert ausgefochtene Arbeitskampf breitete sich über Bayerns Grenzen hinaus auf Württemberg, Baden und das Gebiet um Frankfurt am Main aus. In Süddeutschland waren auf dem Höhepunkt des Ausstandes 205.000 Arbeiter im Streik oder ausgesperrt.
Der Metallarbeiter-Verband aber blutete finanziell aus; zugleich stiegen die Lebenshaltungskosten enorm. In Nürnberg und München beschlossen die Stadtverwaltungen, die Arbeiterfamilien mit verbilligtem Brot und Milch zu unterstützen. Die Kreisregierung von Mittelfranken hob den Nürnberger Beschluss wieder auf.
Nach 13 Wochen Kampf musste sich der Deutsche Metallarbeiter-Verband geschlagen geben. Der staatliche Schiedsspruch vom 26. Mai 1922 entschied: "Die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit beträgt 48 Stunden." Zugleich erhöhten sich die Löhne, was aber die fortschreitende Inflation sehr schnell aufzehrte. 29.157 Streikende stimmten in einer Urabstimmung für die Annahme des "Kompromisses", 5.600 waren dagegen.
Auf dem Höhepunkt der Inflation waren 24 % der DMV-Mitglieder erwerbslos; viele verrichteten Kurzarbeit. Als der Verband im Oktober 1923 die Erwerbslosenunterstützung einstellte, verließen die Mitglieder die Gewerkschaft in Scharen. Im selben Monat fiel der Achtstundentag. Das Gesetz erlaubte wieder eine bis zu zehn Stunden dauernde tägliche Arbeitszeit. Im Februar 1924 verkündete ein Schiedsspruch die Einführung der 54-Stunden-Woche.
1924-1929: wieder in der Offensive
Mitte der 1920er Jahre konsolidierte sich der Verband. Im Juli 1927 sperrte die Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg in Nürnberg 3.000 Arbeiter aus. Aber der Verband siegte, erreichte nicht nur Verbesserungen, sondern auch die Wiedereinstellung der Ausgesperrten. 1927 wurde in der bayerischen Metallindustrie zwischen 49 und 54 Stunden in der Woche gearbeitet. 1928 streikten die Metaller in Ansbach, Bamberg, Kempten, Landshut, Schwabach, Schweinfurt und Würzburg um höhere Löhne.
1929 verwies der Deutsche Metallarbeiter-Verband als größte Einzelgewerkschaft in Bayern auf 91.676 Mitglieder und konnte sich auf eine starke Verhandlungsposition stützen. Er erzielte Teilerfolge beim Kampf um den Achtstundentag. Die Löhne stiegen wieder. Im selben Jahr zählte der christliche Metallarbeiter-Verband 12.720 Mitglieder in Bayern, der Hirsch-Dunckersche Gewerkverein Deutscher Metallarbeiter 2.177 Mitglieder.
Erweiterung des wirtschaftspolitischen Konzeptes
Der Verband ergänzte in diesen Jahren seine sozialpolitische Praxis mit der Forderung nach "Wirtschaftsdemokratie", dem Ausbau des Arbeitsschutzes, der Sozialversicherung, des Arbeitsrechts und des Tarifwesens, um damit den Weg der gesellschaftlichen Umgestaltung hin zum Sozialismus frei zu machen. Stufe für Stufe sollten die Gewerkschaften in die Leitungsgremien der Wirtschaft eindringen und mithilfe eines Geflechts von Wirtschaftsräten schließlich Planung und Lenkung der nationalen Wirtschaft verantworten.
Während der Krise der Republik 1929-1933
Am 3. August 1929 überfielen Nationalsozialisten das Nürnberger Metallarbeiter-Verbandshaus. Unternehmeroffensive und Massenarbeitslosigkeit brachten den Deutschen Metallarbeiter-Verband zudem Anfang der 1930er Jahre erneut an den Rand seiner Existenz; Löhne und Gehälter wurden abgebaut. Am 10. März 1931 erfolgte die Angriffsaussperrung des Verbandes Bayerischer Metallindustrieller zur Durchsetzung einer 54-stündigen Arbeitswoche und eines Lohnabbaus in Höhe von 15,5 %. Zu den 472.000 Arbeitssuchenden in Bayern kamen jetzt weitere 40.000 Metallarbeiterinnen und -arbeiter hinzu. 1932 war fast die Hälfte aller DMV-Mitglieder arbeitslos; die Mitgliederzahlen sanken unaufhörlich: Während es 1919 in Bayern 102.779 Mitglieder gab, waren es 1932 nur noch 55.145 - nicht viel mehr als 1913.
Das Ende des Verbandes 1933
Die Nationalsozialisten besetzten am 2. Mai 1933 die Gewerkschaftshäuser, beschlagnahmten die Vermögen der Verbände und übernahmen Organisationsstrukturen und Mitglieder in die neu ins Leben gerufene Einheitsorganisation "Deutsche Arbeitsfront" (DAF). Auch den 1929 vom Münchner DMV erworbenen Raintaler Hof bei Garmisch, der zum Ferien- und Schulungsheim ausgebaut worden war, okkupierte die DAF, um ihn als Berghotel zu nutzen. In den folgenden Monaten wurden zahlreiche Gewerkschaftsfunktionäre verfolgt und festgenommen, viele misshandelt und in Konzentrationslager verschleppt.
Neuanfang nach 1945
Die 1949 gegründete IG Metall knüpfte an die Tradition ihres Vorläufers DMV an, zog aber aus der Tatsache, dass die weltanschauliche Zersplitterung der Gewerkschaften in der Weimarer Republik die Niederlage 1933 mitverursacht hatte, den Schluss, dass nur eine überparteiliche und weltanschaulich neutrale Einheitsgewerkschaft eine ähnliche Katastrophe verhindern könne.
Literatur
- 100 Jahre Industriegewerkschaft 1891 bis 1991. Vom Deutschen Metallarbeiter-Verband zur Industriegewerkschaft Metall. Ein Bericht in Wort und Bild, Köln 1991.
- Ludwig Eiber/Rainhard Riepertinger/Evamaria Brockhoff (Hg.), Acht Stunden sind kein Tag. Geschichte der Gewerkschaften in Bayern. Katalog zur Wanderausstellung 1997/98 des Hauses der Bayerischen Geschichte in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund - Landesbezirk Bayern, Augsburg 1997.
- Leben und Arbeiten im Industriezeitalter. Eine Ausstellung zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte Bayerns seit 1850. Im Auftrag des Freistaates Bayern veranstaltet vom Germanischen Nationalmuseum in Zusammenarbeit mit dem Centrum Industriekultur der Stadt Nürnberg, Stuttgart 1985.
- Judit Pákh (Bearb.), Revolution und Konterrevolution. Von der Novemberrevolution bis zur Errichtung der Diktatur 1918-1933 (Das rote Nürnberg. Dokumente zur Geschichte der Arbeiterbewegung 4), Nürnberg 1985.
Weiterführende Recherche
Empfohlene Zitierweise
Günther Gerstenberg, Deutscher Metallarbeiter-Verband (DMV), 1891-1933, publiziert am 13.07.2006; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Deutscher_Metallarbeiter-Verband_(DMV),_1891-1933 (1.11.2024)