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Schloss Neuschwanstein

Aus Historisches Lexikon Bayerns

Schloss Neuschwanstein. Blick auf die Ostseite der Anlage mit Torhaus, Kemenate, Ritterhaus und Viereckturm sowie Palas im Hintergrund. (© Bayerische Schlösserverwaltung, Herpich Fotoverlag, Joseph Härtl, München)

von Uwe Gerd Schatz

Schloss Neuschwanstein zählt zu den bekanntesten und meistbesuchten Bauwerken in Bayern. Das Schloss wurde im Stil des Historismus als Ritterburg anstelle der Burgruinen von Vorder- und Hinterschwangau im Auftrag und nach Wünschen König Ludwigs II. (1845–1886, reg. seit 1864) von 1868 bis 1892 errichtet. Zunächst war nur eine kleine Burganlage geplant. Sie nahm während der Bauzeit immer größere Ausmaße an. Im Inneren wurden vor allem der Thron- und der Sängersaal, der nach dem Vorbild der Wartburg bei Eisenach (Thüringen) gestaltet wurde, sowie die Wohnräume des Königs vollendet. Das Schloss wurde mit hochwertigem Mobiliar und damals modernster Technik ausgestattet. Die Wandgemälde thematisieren Sagen und Legenden des Mittelalters. Nach dem Tode Ludwigs II. 1886 wurde die Anlage ohne Bergfried und Aussichtsterrasse vereinfacht fertiggestellt und für Besichtigungen freigegeben. Neuschwanstein entwickelte sich zum Touristenmagnet und zur Stilikone, dem Inbegriff des Märchenschlosses.

König Ludwig II. als Bauherr

Brustbild König Ludwigs II. von Bayern (1845–1886, reg. seit 1864) in Uniform. Foto von 1867. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv port-008915)

Schloss Neuschwanstein wurde für den bayerischen König Ludwig II. (1845–1886, reg. seit 1864) seit 1868 errichtet und nie vollendet. Sein Schloss war für ihn Denkmal der Kultur und des Königtums des Mittelalters, die er verehrte und nachvollziehen wollte.

Errichtet und ausgestattet in mittelalterlichen Formen, aber mit damals modernster Technik, ist es eines der bekanntesten Bauwerke des 19. Jahrhunderts und kann daher am besten die unverkennbar selbstständigen Leistungen der Kunst des Historismus zeigen. Ludwig II. war an seinen Bauten wesentlich schöpferisch beteiligt. Sie bildeten den Hauptinhalt seines Lebens und sind sein Lebenswerk. Neuschwanstein ist auch der weltweit bekannteste Inbegriff für deutsche Kultur, deutsche Romantik, deutschen Idealismus als emotionaler Träger dieser Begriffe. Sein phantasiebegabter Bauherr Ludwig II. von Bayern ist mit seinem gescheiterten Idealismus, seinem anachronistischen Herrschaftsverständnis und seinem tragischen Tod zu einem der wirksamsten modernen Massenmythen geworden.

Vorgängerbau: Burg Schwangau

Am Ort des Schlosses Neuschwanstein stand auf einem Bergrücken oberhalb des Ortes Hohenschwangau (Lkr. Ostallgäu) die Burg Schwangau, die erstmalig 1146/47 mit Hiltipolt de Swanegowe (ca. 1125-1175) urkundlich erwähnt ist, dessen Familie in Diensten der Welfen stand. Die verfallene Burk ze Swango wurde bis 1307/08 zu der Doppelburg Vorder- (der Palas) und Hinterhohenschwangau (der Wohnturm oder Bergfried) ausgebaut. Nachdem 1535 die Augsburger Patrizierfamilie Baumgartner die Doppelburg erworben hatte, war diese bereits 1611 baufällig.

Vorgeschichte

Schloss Hohenschwangau. Gemälde von Julius Lange (1817-1878), um 1865-1870. Herrenchiemsee, Neues Schloß, Ludwig II.-Museum. (© Bayerische Schlösserverwaltung)

Ludwigs Vater, König Maximilian II. (1811-1864, reg. seit 1848), hatte noch als Kronprinz 1832 die mittelalterliche Burg Schwanstein (das heutige Schloss Hohenschwangau), den Stammsitz der Herren von Schwangau, erworben. Er beabsichtigte, der Burg "ihre ursprüngliche mittelalterliche Gestalt wiederzugeben" (Baumgartner, Schloß Hohenschwangau, 10). Damit schloss sich Maximilian II. der typisch romantischen Idee des 'Wiederaufbaus' mittelalterlicher Gebäude an, die schon 1832 einige Beispiele hervorgebracht hatte und denen noch sehr viele folgen sollten. Das Schloss wurde außen wie innen vermeintlich historisch gestaltet, wobei hier Formen der englischen Neugotik angewandt wurden. Eine Idée fixe des 19. Jahrhunderts ist die Vollendung, im wissenschaftlichen, technischen, kulturellen und politischen Sinne. Darunter verstand man im Historismus auch die Vollendung historischer Kunst und Kunstformen und somit auch der historischen (Bau-)Stile durch moderne (handwerks-)technische Errungenschaften und durch kunsthistorische Erkenntnisse. Der heutige Begriff von Wiederaufbau dagegen meint die Rekonstruktion des historischen Bestandes, möglichst unter Verwendung überkommenen historischen Materials. In vielen Wandbildern wurden mittelalterliche Sagen und bayerische Geschichte dargestellt, darunter auch die vom Schwanenritter Lohengrin, eben Bilder der ersehnten poetischen Vergangenheit. Die Räume wurden verschiedenen (lokal-)historischen Themen gewidmet und erhielten entsprechende Bezeichnungen, wie das Autharizimmer oder das Welfenzimmer (Bibliothek). Hier lebte sich Kronprinz Ludwig in die mittelalterliche Sagenwelt ein.

In der Umgebung ließ Maximilian II. Wege und Aussichtspunkte anlegen, um die Landschaft genießen zu können. Als Geburtstagsgeschenk für seine Gattin Marie (1825-1889), eine der ersten Alpinistinnen, ließ er in den 1850er-Jahren die Marienbrücke hoch über der Pöllatschlucht errichten. Nicht weit davon lagen auf einem steilen, schmalen Bergrücken die Reste einer kleinen mittelalterlichen Burg "Schwangau".

Schon Maximilian II. liebte diesen Platz und plante 1855 dort auf dem Stumpf des Bergfrieds einen Aussichtspavillon in Glas-Eisen-Bauweise. Es blieb allerdings beim Plan. Erst der Sohn baute an diesem Ort – mit Ambitionen, die den Vater weit übertrafen. Ludwig II. entschloss sich 1867 die Burg, die er von Kindheit an kannte, als seine eigene wiederzuerrichten. "Restauration der alten Burgruine" heißt es noch 1868 in den Bauakten, obwohl die mittelalterlichen Reste fast völlig dem Neubau weichen mussten. Ludwig folgte also direkt dem Vorbild seines Vaters.

Vorbilder

Im Jahr 1867 sammelte Ludwig II. zahlreiche Eindrücke für seine geplanten Bauten. Auf Einladung Kaiser Napoleons III. (1808-1873, reg. 1852-1870) ließ er sich bei einer Frankreichreise im Hinblick auf seine geplante Burg Schloss Pierrefonds zeigen, das der berühmte Architekt Eugène Viollet-le-Duc (1814-1879) seit 1857 in mittelalterlichen Formen wiederaufgebaut hatte, als kaiserliche Residenz. Im selben Jahr besuchte der König auf Einladung des Bauherrn auch die Wartburg bei Eisenach (Thüringen), deren Ausbau seit 1838 geplant gewesen und durch Großherzog Carl Alexander von Sachsen-Weimar-Eisenach (1818-1901, reg. seit 1853) 1853 begonnen worden war. 1867 war soeben der Festsaal prächtig historistisch ausgestaltet worden. Fester Bestandteil des Raumprogramms von Neuschwanstein waren von Anfang an Fest- und Sängersaal der Wartburg.

Auf Anweisung Ludwigs II. hatte der Architekt Eduard Riedel (1813-1885) Bauaufnahmen der Wartburg anzufertigen. Das romanische Bauornament zeichnete dort der Bühnenmaler Christian Jank (1833-1888) ab.

Vorbild und Unterschied: Burg Hohenzollern

Burg Hohenzollern bei Bisingen (Baden-Württemberg). (Foto: A. Kniesel lizenziert durch CC BY-SA 2.0 DE via Wikimedia Commons, bearbeitet)

Die Burg Hohenzollern bei Bisingen (Baden-Württemberg) war der Stammsitz des gleichnamigen Geschlechts. Friedrich Wilhelm IV. (1795-1861, König von Preußen seit 1840) hatte als Kronprinz 1819 den Burgberg Hohenzollern erstmals besucht und die dortigen Ruinen des Stammsitzes seiner Familie kennengelernt. 1844 beschloss er, bereits König von Preußen, Burg Hohenzollern wiederaufbauen zu lassen. Die neuen Gebäude waren ungleich größer dimensioniert als die mittelalterlichen. Es entstand ein Bauwerk von großer repräsentativer Wirkung außen wie innen. Große Säle, wie der Grafensaal oder der Stammbaumsaal, die der geschichtlichen Darstellung der Dynastie dienten, wurden mit historisch gestalteten, aber komfortablen Wohnräumen kombiniert. Diese Aspekte finden sich in Neuschwanstein wieder, das Ludwig II. auch als Residenz des amtierenden Königs von Bayern verstand: Der Thronsaal, der nach dem Vorbild der von seinem Großvater Ludwig I. (1786-1868, reg. 1825-1848) errichteten Allerheiligen-Hofkirche der Münchner Residenz und byzantinischer Kirchenräume gestaltet wurde, ist motivisch auch auf die Dynastie der Wittelsbacher bezogen. Im Sängersaal erscheint zweimal das Wappen Ludwigs II. mit Amtsbezeichnung. Die Burg Hohenzollern wurde am 3. Oktober 1867 eingeweiht. Im selben Jahr war Ludwig II. unterwegs zur Besichtigung ausgebauter und neu ausgestatteter mittelalterlicher Burgen. Seit dem Deutschen Krieg von 1866, in dem die Vorherrschaft Preußens in Deutschland zu Tage trat, entwickelte der bayerische König ein immer ausgeprägteres Repräsentations- und Anciennitäts-Gebaren gegen die Hohenzollern, mit denen er über seine Mutter noch dazu sehr nahe verwandt war. Die Burg Hohenzollern ist daher als wesentlicher Anstoß zu seinen eigenen Absichten im Burgenbau zu sehen, wenn auch schriftliche Zeugnisse dazu fehlen. Der Unterschied zur Burg Hohenzollern lag darin, dass Neuschwanstein nicht der Stammsitz der Dynastie war. Anstelle dieser Tradition setzte Ludwig II. die zu Denkmälern bzw. Weiheräumen von Monarchie und Königtum aufgeladene Symbolik von Thron- und Sängersaal. Burg Hohenzollern hingegen fällt innerhalb ihrer Entstehungszeit nicht aus dem Rahmen des Üblichen.

Baugeschichte

Am 10. März 1864 - am Tag des Todes seines Vaters - zum König von Bayern proklamiert, konnte Ludwig II. nunmehr auf die jährlichen Gelder aus der Zivilliste zugreifen. Mit Gesetz vom 1. Juni 1834 wurde festgelegt: "[…] alle Einrichtungen der Residenzen und Hofgebäude, Hofkapellen und Hofämter mit allen Mobilien, welche der Aufsicht der Hofstäbe und Hofintendanzen anvertraut, und zum Bedarfe oder zum Glanze des Hofes bestimmt sind, so wie alles, was zur Einrichtung oder zur Zierde der Residenzen und Lustschlösser dient, werden von dem Könige aus der Civilliste erhalten, und alle erforderlichen neuen Nachschaffungen aus derselben besorgt". Die Planungen für das nachmalige Neuschwanstein begannen Anfang 1867. Die Idealentwürfe für die „Neue Burg“ schuf der Bühnenmaler Christian Jank, die Baupläne der Hofarchitekt Eduard Riedel. Die Innenausstattung entwarf ein Nachfolger Riedels, Hofarchitekt Julius Hofmann (1840-1896).

Die Arbeiten am künftigen Bauplatz begannen im Sommer 1868. Bis zu acht Meter anstehendes Gestein wurden abgetragen, um Platz für die Fundamente zu schaffen. Im Juni 1869 war die neue Zufahrtsstraße fertig. In den Grundstein wurden am 5. September 1869 in der Tradition Ludwigs I. der Bauplan, Porträts des Bauherrn und Geldmünzen aus seiner Regierungszeit eingelegt. Beim Bau bediente man sich der modernsten Mittel, bei der Technik ebenso wie bei den Materialien. Die Fundamente wurden zementiert oder betoniert, das Mauerwerk wurde mit Ziegeln gebaut und mit hellem Kalkstein nur verkleidet. Für die zwecks zügigen Baufortschritts zahlreich eingesetzten Bauarbeiter und Bauhandwerker wurden an der Stelle des nachmaligen Schlossrestaurants solide Unterkunftsbaracken errichtet, wo diese auch verköstigt wurden.

Zunächst wurde der Torbau errichtet, der am 11. Juni 1872 Richtfest hatte und Ende 1873 bezugsfertig war; das Obergeschoss diente Ludwig II. jahrelang als Wohnung. Seit September 1872 waren die Obergeschosse des Palas im Bau. Der nachträglich von Ludwig II. gewünschte große Thronsaal erforderte aus Gründen der Statik moderne Technik: Er wurde als ummantelte Eisenkonstruktion ausgeführt. Das Richtfest fand am 29. Januar 1880 statt, die technische und künstlerische Ausstattung war jedoch erst Mitte 1884 bis auf Einzelheiten abgeschlossen. Ludwig II. hat seine Neue Burg bis zuletzt nur als Baustelle gesehen: Die Kemenate und der Viereckturm wurden erst 1892 in vereinfachter Form fertiggestellt – sechs Jahre nach seinem Tod.

Bauform "Burg": Motive und Zitate

Luftbild von Schloss Neuschwanstein mit Blick auf die Nordfassade im Winter. (© Bayerische Schlösserverwaltung, Bavaria Luftbild Verlags GmbH, Robert Manchot)

Das ganze Schloss zeigt Fensterformen nach Vorbildern der Wartburg: überkuppelte Zwillings- und Drillingsfenster, Lisenenbänder, Arkadengänge, Rundbogenfriese. Ausdrücklich hatte der Bauherr Zitate vom Bauornament der Wartburg angeordnet, dies wurde vor allem an den Kapitellen übernommen. Die zur Bauform Burg gehörigen Fortifikationen beziehungsweise deren Darstellungen oder bildhafte Verweise des 19. Jahrhunderts sind bei Neuschwanstein nur in kleinen, assoziativ wirkenden Einzelmotiven angewendet: in Form von geböschten Mauersockeln und Strebe- oder Stützpfeilern an den Mauern. Das unterscheidet diesen Bau von anderen Wiederaufbauten und Neubauten mittelalterlich inspirierter Burgen. Einzig die Nordfassade weist zur Talseite hin deutlichere Motive von Befestigungswerk auf: kaum durchfensterte untere Geschosse, also eine starke Betonung der dadurch massiven Wand. Das Vorbild Pierrefonds zeigt sich in Neuschwanstein vor allem an den Rundtürmen, die bei deutschen Burganlagen des Mittelalters selten vorkommen.

Ludwig II. besaß in seiner Bibliothek außer Werken des Architekten Viollet-le Duc weitere Abhandlungen über Architektur und Kunsthandwerk des Mittelalters, zudem zahlreiche Mappen- und Stichwerke, auch Einzelabbildungen, zu diesem Gebiet. Ludwigs Büchersammlung entsprach ganz dem enzyklopädischen Zeitgeist seiner Epoche. So haben bei der Außengestaltung Neuschwansteins, zumal der Nordansicht, sichtlich auch die Darstellungen von Burgen in der spätmittelalterlichen Buchmalerei Einfluss genommen. Die erst während des Bauens beschlossene vollständige Verkleidung der Gebäude mit weißem Kalkstein, die für die Fernwirkung – genauer: die ästhetisch-visionäre Überhöhung des Baus über die Umgebung – erhebliche Verstärkung brachte, geht vermutlich auch auf solche Burgenvisionen in der Malerei mit zurück. Konkrete Vorbilder für Kalksteinmauern bot wiederum die französische Burgenarchitektur.

Außenansicht

Die Baugruppe erstreckt sich auf einem hohen, nach allen Seiten steil abfallenden, schmalen Bergrücken vor den schroffen Felsformationen des Gebirges. Sie besteht aus dem Torbau im Osten, der Kemenate im Süden, dem Ritterhaus mit Viereckturm im Norden und dem Palas mit zwei Türmen im Westen. Die gesamte Architekturplastik wurde von Philipp Perron (1840-1907) geschaffen.

Die Räume des Palas

Im Erdgeschoss befinden sich die Küchenräume, deren Ausstattung damals dem neusten Stand der Technik entsprach. Das darüber liegende Stockwerk beherbergt die Zimmer für die Dienerschaft mit kompletter authentischer Möblierung. Die Aufenthaltsräume liegen nach Norden, vom Gang zwischen Verbindungsbau und Vorplatz/Treppe durch Arkaden mit Fenstern getrennt, die Schlafräume nach Süden. Zuschnitt und Ausstattung der Räume entsprechen damaligen gutbürgerlichen Wohnverhältnissen.

Die Räume des zweiten Obergeschosses sind im Rohbau verblieben und beherbergen heute moderne Funktionsräume des Museums. Hier war ursprünglich auch ein Maurischer Saal vorgesehen.

Die Wohn- und Repräsentationsräume des Königs befinden sich im dritten und vierten Obergeschoss. Sie wurden im Wesentlichen bis 1886 in der vorgesehenen Form mit vielen technischen Neuerungen und Komfort ausgestattet, wie einem Speiseaufzug, einer Klingelanlage für die Dienerschaft und einer zentralen Warmluftheizungsanlage. In allen Räumen fallen die reiche Ausmalung der Wandflächen und Decken und das Schnitzwerk auf. Die Bemalung zeigt unter anderem Elemente der persischen und mittelalterlichen Buchmalerei. In den Räumen des Königs gibt es keine sichtbare Stelle von ungestalteter Wand. Julius Hofmann entwarf die gesamte Innenausstattung, die Ausführung lag bei anderen Künstlern und Werkstätten. Die imposanten Kronleuchter und Kandelaber aus vergoldetem Messing im Thronsaal, im Sängersaal und in den Wohnräumen des Königs stammen aus der Münchner Werkstatt von Eduard Wollenweber (1822-1889), die aufwendigen Türbeschläge von Karl Moradelli (1844-1901). Hoftapezierer Max Steinmetz (1819–1886) fertigte die prunkvoll bestickten Textilien.

Wandgemälde

Der König überprüfte jedes Detail der Ausstattung anhand der Entwürfe und ließ häufig Korrekturen vornehmen, ehe er die Ausführung genehmigte. Besonders beschäftigte er sich mit der Planung der Wandgemäldezyklen. Ludwig II. ließ sich von dem Literaturhistoriker Hyacinth Holland (1827-1918), einem Spezialisten für mittelalterliche Ikonografie, sehr verschiedenartige Vorschläge ausarbeiten, wählte für seine "Neue Burg" aber vor allem Themen aus dem Umkreis der Musikdramen von Richard Wagner (1813-1883). Doch erging schon 1879 die Weisung: "Die Bilder in der neuen Burg sollen nach der Sage und nicht nach der Wagnerschen Angabe gemacht werden". Ludwig wollte also ganz bewusst auf die historischen Quellen von Wagners Werk zurückgreifen. Dazu verlangte er Historienmaler, die sich genau an die aufgrund literarischer Studien gewonnene geistige Konzeption des Königs hielten, deren oberster Grundsatz eine "historische Wahrheit" in poesievoller Verklärung war. Solche Forderungen stellte allerdings das ganze 19. Jahrhundert an die spezialisierten Historienmaler.

Unvollendetes Neuschwanstein

Im Westteil des Palas sollte ein Ritterbad, eine hohe Halle mit großem Wasserbecken im Boden, eingebaut werden; ein Nachvollzug des rituellen Badens der Gralsritter, mit denen Ludwig II. sich immer stärker identifizierte. Wolfram von Eschenbach (ca. 1170-1220) hatte das in seinem Epos Parzival geschildert. Die Heizanlage für das Wasser des Badebeckens, nach dem Prinzip des Durchlauferhitzers konstruiert, wurde sogar fertiggestellt und existiert noch heute. Das Ritterbad gedieh hingegen nur noch bis zum Rohbau. Nur Projekt blieb auch die ausgedehnte Ruhe- und Aussichtsterrasse vor dem Bad. Als der König am 12. Juni 1886 auf der Burg gefangengenommen wurde, war die Neue Burg noch nicht vollendet. Erst sechs Jahre nach seinem Tod im Starnberger See wurden die Bauarbeiten eingestellt. Die Kemenate auf der Südseite des Oberen Hofes wurde bis 1892 in einfachen Formen und ohne Innenräume fertiggebaut, der Bergfried mit Kapelle nicht mehr errichtet.

Touristenmagnet, Kriegsdepot und Vorbild der Populärkultur

Amerikanische Soldaten in einem mit Raubkunst gefülltem Lagerraum von Schloss Neuschwanstein, September 1945. (Thomas Carr Howe papers, 1932-1984. Archives of American Art, Smithsonian Institution. Digital ID: 15112)

Obwohl das Interesse am Schloss Ludwigs II. schon während seiner Bauzeit vorhanden war, versuchte der König die Baustelle vor der neugierigen Öffentlichkeit abzuschotten. Lediglich ausgewählten Gästen gewährte er Zugang oder führte sie sogar selbst. Nach seinem Tod wurde das Schloss bereits ab dem 1. August 1886 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und entwickelte sich immer mehr zu einem Touristenmagnet. Über 60 Millionen Besucher haben das Schloss bereits besucht. 1965 kamen noch fast zwei Drittel der Besucher aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. 2014 stammten dagegen mehr als zwei Drittel aus dem nicht deutschsprachigen Ausland. Insgesamt besuchten 2014 1,57 Millionen Menschen das Schloss (M. Spangenberg, Schloss Neuschwanstein, 92), eine Zahl, die auch in den Folgejahren ähnlich hoch blieb.

Während des Zweiten Weltkrieges diente Neuschwanstein als Depot für Kunstwerke aus bayerischen Museen und auch von Raubkunst. Zu diesem Zweck wurde auch der Brandschutz modernisiert. Unter anderem wurden die bayerischen Kronjuwelen kurzzeitig im Schloss aufbewahrt.

Das Schloss entwickelte sich zu einer Stilikone für ein Märchenschloss. Es erlangte weltweite Bekanntheit und wurde auch immer wieder als Film- und Fernsehkulissen genutzt, wie bei den Filmen "Schneeweißchen und Rosenrot" (Regissseur Erich Kobler, 1955) oder "Spaceballs" (Regisseur Mel Brooks,1986) sowie mehreren Verfilmungen der Lebensgeschichte Ludwigs II.

Literatur

  • Georg Baumgartner, Königliche Träume. Ludwig II. und seine Bauten, München 1981.
  • Georg Baumgartner, Schloß Hohenschwangau. Eine Untersuchung zum Schloßbau der Romantik (Beiträge zur Kunstwissenschaft 15), München 1987.
  • Hans Gerhard Evers, Ludwig II. Theaterfürst, König, Bauherr, München 1986.
  • Rupert Hacker, Ludwig II. von Bayern in Augenzeugenberichten, München 1972.
  • Eduard Hanslik/Jürgen Wagner, Ludwig II. König von Bayern (1845–1886). Internationale Bibliographie zu Leben und Wirkung, Frankfurt am Main 1986.
  • Hannes Heindl/Karin Heindl, Ludwigs heimliche Residenzen. München 1986.
  • Gerhard Hojer (Hg.), König Ludwig II.-Museum Herrenchiemsee. Katalog, München 1986.
  • Ludwig Hüttl, Ludwig II., König von Bayern. Eine Biographie, München 1986.
  • Heinrich Kreisel, Die Schlösser Ludwigs II. von Bayern, Darmstadt 1955.
  • Andres Lepik/Katrin Bäumler (Hg.), Königsschlösser und Fabriken. Ludwig II. und die Architektur, Basel 2018.
  • Hermann Rumschöttel, Ludwig II. von Bayern, München 2011.
  • Sigrid Russ, Die Ikonographie der Wandmalereien in Schloß Neuschwanstein, Diss. masch. Heidelberg 1974.
  • Afra Schick, Möbel für den Märchenkönig. Ludwig II. und die Münchner Hofschreinerei Anton Pössenbacher, Stuttgart 2003.
  • Jean Louis Schlimm, Ludwig II. Traum und Technik. 2. Aufl. München 2010.
  • Elmar D. Schmid, König Ludwig II. im Portrait. München 1996.
  • Alexis Schwarzenbach, Eine ungewöhnliche Erbschaft. Nutzung und Interpretation der Schlösser Ludwigs II. seit 1886, in: Katharina Sykora (Hg.): Ein Bild von einem Mann. Ludwig II. von Bayern: Konstruktion und Rezeption eines Mythos, Frankfurt am Main 2004, 27-47.
  • Marcus Spangenberg, Der Thronsaal von Schloß Neuschwanstein. König Ludwig II. und sein Verständnis vom Gottesgnadentum, Regensburg 1999.
  • Marcus Spangenberg,"Wie keines, das ich je gesehen!". Neuschwanstein: Geburt einer Ikone, in: Peter Wolf, Richard Loibl/Evamaria Brockhoff (Hg.), Götterdämmerung. Ludwig II. und seine Zeit, [Bd. 1 Aufsätze], Darmstadt 2011, 217-226.
  • Marcus Spangenberg/Bernhard Lübbers (Hg.): Traumschlösser? Die Bauten Ludwigs II. als Tourismus- und Werbeobjekte. Dr. Peter Morsbach, Regensburg 2015.
  • Jutta Tschoeke, Neuschwanstein. Planungs- und Baugeschichte eines königlichen Burgbaus im ausgehenden 19. Jahrhunder, Diss. masch München 1975.

Quellen

Weiterführende Recherche

Externe Links

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Empfohlene Zitierweise

Uwe Gerd Schatz, Schloss Neuschwanstein, publiziert am 25.08.2023; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Schloss_Neuschwanstein> (26.04.2024)