Kunstverlag Franz Hanfstaengl
Aus Historisches Lexikon Bayerns
Der Maler, Lithograf und spätere Fotograf Franz Hanfstaengl (1804-1877) gründete 1833 einen lithografischen Betrieb in München. Er vervielfältigte nicht nur Porträts, sondern widmete sich explizit der Reproduktion von Kunst. Ab Mitte des Jahrhunderts nutzte er die Fotografie als neues Reproduktionsmedium. Die Bezeichnung „Kunstverlag Franz Hanfstaengl“ führte sein Sohn Edgar (1842-1910) ein, als er 1868 den väterlichen Betrieb übernahm und die Reproduktion von Kunst weiter professionalisierte. 1907 übernahm Edgar II. (1883-1958) die Geschäftsführung. Er gehörte 1919 zu den Mitbegründern der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) in München und kandidierte 1932 gegen die Nationalsozialisten. Sein Bruder Ernst (1887-1975) hingegen war ein Unterstützer von Hitler und leitete seit 1931 das Auslands-Presseamt der NSDAP. Bald fiel er jedoch in Ungnade und musste 1937 vor den eigenen Parteigenossen ins Ausland fliehen, wo er Berater von US-Präsident Franklin D. Roosevelt (1882-1945) wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg führte Edgar II. den Kunstverlag mit einem mehr auf die Moderne ausgerichteten Verlagsprogramm weiter. Die zunehmende Konkurrenz des billigeren Offsetdrucks führte 1980 zur Auflösung. Seit 1926 befand sich die Verlagszentrale in der Widenmayerstraße, das Gebäude ist erhalten.
Entwicklung des Unternehmens unter Franz Hanfstaengl (1833-1868)
Franz Hanfstaengl (1804-1877), aus Baiernrain (Gde. Dietramszell, Lkr. Bad Tölz-Wolfratshausen) stammend, studierte zunächst Malerei an der Münchner Akademie. Er wandte sich dann der Lithografie zu, einem kostengünstigen Flachdruckverfahren auf Stein, das Alois Senefelder (1771-1834) erfunden hatte. Hanfstaengls Lithografien fanden bald hohe Anerkennung. Überregionale Bedeutung erlangten seine Produkte, als er 1835 begann, Meisterwerke der Dresdner Gemäldegalerie zu lithografieren. Bis 1852 waren 195 Lithografien erschienen, die er als Einzelblätter und als dreibändiges Prachtwerk vertrieb.
Im gleichen Jahr richtete er seinen Betrieb neu aus und beantragte eine "Conzession zum fabrikmäßigen Betriebe der Vervielfältigung von Kunsterzeugnissen höherer Gattung", die jetzt auch die Fotografie berücksichtigte. Hanfstaengl etablierte sich als bedeutender Porträtfotograf, gab unter anderem ein "Album der Zeitgenossen" heraus und begann, bedeutende Kunstsammlungen zu fotografieren (z. B. Bayerisches Nationalmuseum 1864, Alte Pinakothek 1865, Glyptothek 1868). Das repräsentative Atelier des Fotografen befand sich ab 1864 in der vornehmen Maximilianstraße in München.
Ausbau des Kunstverlags unter Edgar Hanfstaengl
1868 übergab Franz Hanfstaengl seinen Betrieb dem kaufmännisch ausgebildeten und vorher in Übersee tätigen Sohn Edgar (1842-1910). Dieser reduzierte allmählich das Porträtgeschäft und professionalisierte im Gegenzug die Reproduktion von Kunst, nun Hauptanliegen des Verlags und Grundlage ambitionierter Expansionsbestrebungen. Unter Edgar Hanfstaengl entwickelte sich der Kunstverlag zu einem internationalen Unternehmen mit Filialen in London (1892) und New York (1892). Es zählte neben Braun im elsässischen Dornach, den Fratelli Alinari in Florenz, der Photographischen Gesellschaft in Berlin und Bruckmann in München zu den führenden Firmen, die mit Hilfe der Fotografie die Vervielfältigung von Kunst, vor allem von Gemälden, betrieben. Ab 1889 gab man sogar ein eigenes Kunstjournal, "Die Kunst unserer Zeit", heraus. 1892 erfolgte die Ernennung zur "Kgl. bayerischen Hofkunstanstalt".
Höhepunkt in der Verlagsgeschichte waren die Jahre um 1900. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts arbeiteten etwa 100 Angestellte für das Unternehmen. Das Verlagsprogramm umfasste ca. 7.000 Reproduktionen so genannter "alter Meister", 11.000 Reproduktionen "neuer Meister" und eine umfangreiche Prachtwerk- und Porträtkollektion. Illustrierte Kataloge machten auf das breit gefächerte Sortiment aufmerksam. Die Reproduktionen wurden als Fotografien und in aufwendigen Edeldruckverfahren, z. B. Pigmentdruck und Fotogravure, angeboten.
Wie sehr der Kunstverlag Franz Hanfstaengl an der massenhaften Vervielfältigung von Kunst beteiligt war, verdeutlicht auch die 1902 erschienene Novelle "Gladius Dei" von Thomas Mann (1875-1955), in der die "Reproduktionsindustrie" Franz Hanfstaengls in ironischer Umdeutung als "Kunstverlag Blüthenzweig" zum Auslöser der Invektive gegen die Münchner Imitationsindustrie wird.
Für die kommerzielle Verbreitung fotografischer Kunstreproduktionen war der unzureichende Schutz von Fotografien gegen unerlaubte Vervielfältigung von Beginn an ein gravierendes Problem. Die Gesetzeslage war lange Zeit unbefriedigend, erst 1876 gab es erstmals ein einheitliches Gesetz zum Schutz der Fotografie "gegen unbefugte Nachbildung". Doch erst 1907 wurde die Fotografie wenigstens ansatzweise dem bedeutend strengeren Urheberrecht von Werken der bildenden Kunst angeglichen. Auch herrschte unter den Kunstverlagen ein harter Konkurrenzkampf um die begehrten Rechte der Vervielfältigung, eine Voraussetzung für die rechtmäßige Distribution der fotografischen Nachbildungen. Bei den so genannten alten Meistern musste mit den Leitern der Museen und Sammlungen verhandelt werden. Der Louvre beispielsweise gestattete bis 1920 ausschließlich dem elsässischen Kunstverlag Braun die Reproduktion seiner Kunstschätze. Oft wurde unter nationalem Vorzeichen für oder gegen eine Verlagsanstalt entschieden.
Bei den zeitgenössischen Künstlern verfolgte man aufmerksam den internationalen Ausstellungsmarkt. Hanfstaengl beschäftigte sogar mehrere Agenten, die nach verlagsgerechter "Ware" Ausschau hielten. So konnte man im Bedarfsfall schnell reagieren und sich die Verlagsrechte der begehrten Gemälde sichern. Nicht selten wurde mit den Künstlern sogar über noch unfertige Bilder verhandelt. Für die Künstler wiederum bedeutete die Vergabe der Reproduktionsrechte eine zusätzliche, begehrte Einnahmequelle. "Malerfürsten" wie Franz von Lenbach (1836-1904), Franz von Stuck (1863-1928) oder Friedrich August von Kaulbach (1850-1920) erzielten auch in der Reproduktion beachtlich hohe Summen. Werbewirksam ließ sich Hanfstaengl die Zufriedenheit seiner Künstler-Klientel bestätigen. Franz von Stuck, der Hanfstaengl zu seinem Exklusivverleger bestimmte und bei ihm über 300 Werke unter Vertrag hatte, versicherte, dass er die "farbige Wiedergabe" seines Bildes ‚Spielende Faune’ "für außerordentlich gelungen" halte.
Geschäftsführung durch Edgar II. Hanfstaengl
1907 übernahm Edgar II. (1883-1958) die Geschäftsführung. Er führte den Druck in natürlichen Farben, den so genannten Farbenlichtdruck ein, ein sehr qualitätvolles, aber auch kostenintensives Flachdruckverfahren. Ab 1920 verhalf der mittlerweile kommerzialisierte Farbenlichtdruck der Firma noch einmal zu internationaler Anerkennung. Gustav Pauli (1866-1938), Direktor der Hamburger Kunsthalle, äußerte sich euphorisch über diese neue Reproduktionstechnik: "Die mir zur Ansicht übersandten Farbenlichtdrucke nach van Gogh und Dürer entsprechen den höchsten Anforderungen, die man an die Vervielfältigungstechnik überhaupt stellen kann." Und sogar Thomas Mann versicherte Hanfstaengl: "Was Sie dem Publikum anzubieten haben, stellt zweifellos das Äußerste des Erreichten dar."
1926 bezog der Verlag das neu errichtete Geschäftshaus mit großzügigem Fabrikareal in der Widenmayerstraße an der Isar. Man unterhielt außerdem eine Verkaufsgalerie am Karlsplatz mitten im Zentrum Münchens. 1927 ging die 1862 gegründete Berliner Photographische Gesellschaft in den Besitz von Hanfstaengl über. Mit dieser Übernahme kamen jetzt auch expressionistische Künstler wie Franz Marc (1880-1916), August Macke (1887-1914), Wassily Kandinsky (1866-1944) oder Lyonel Feininger (1871-1956) in das Verlagsprogramm.
Die Weltwirtschaftskrise brachte 1929 auch den Kunstverlag in arge Bedrängnis. Doch profitierte Hanfstaengl, vergleichbar anderen großen Verlagen, wie z. B. Bruckmann, vom immensen Bildbedarf der Nationalsozialisten. "Bildnisse der nationalen Führer", die Porträts der Führungsriege der Nationalsozialisten, wurden durch die Einflussnahme von Edgars jüngerem Bruder Ernst "Putzi" Hanfstaengl (1887-1975) ins Verlagsprogramm aufgenommen.
Ernst Hanfstaengl hatte zuvor die New Yorker Filiale geleitet, die aber 1919 als Folge des Ersten Weltkrieges durch den Alien Property Custodian, eine amerikanische Regierungsbehörde für die Verwaltung von so genanntem Feindvermögen, zwangsversteigert wurde. Er kehrte 1921 nach München zurück und setzte sich zusammen mit der Verlegerfamilie Bruckmann und dem Berliner Klavierfabrikanten Bechstein gegen den Willen seines Bruders Edgar II. für die Förderung der NSDAP ein. Als Teilhaber des Verlags konnte er erreichen, dass verstärkt "Nationales" in das Verlagsprogramm aufgenommen wurde. Die Publikation von Adolf Hitlers (1889-1945) "Mein Kampf" scheiterte jedoch am Widerstand Edgars, der weiterhin die Firmenleitung innehatte. Edgar hatte 1919 zu den Mitbegründern der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) in München gehört und kandidierte 1932 für die Deutsche Staatspartei gegen die Nationalsozialisten, während Ernst ab 1931 Leiter des Auslands-Presseamts der NSDAP war. Er fiel jedoch in Ungnade und musste schließlich 1937 vor den eigenen Parteigenossen ins Ausland fliehen. Als ursprünglich britischer Internierungshäftling wurde er schließlich über Umwege Berater von US-Präsident Franklin D. Roosevelt (1882-1945) für die psychologische Kriegsführung gegen Deutschland.
Nach dem Zweiten Weltkrieg führte Edgar II. den Kunstverlag weiter. Nach dem Wiederaufbau der weitgehend zerstörten Fabrikanlage gestaltete er ein mehr auf die Moderne ausgerichtetes Verlagsprogramm mit Werken von Künstlern wie Paul Cézanne (1839-1906), Pablo Picasso (1881-1973), Edvard Munch (1863-1944), Paul Klee (1879-1940), Max Beckmann (1884-1950), Oskar Kokoschka (1886-1980) und Franz Marc. Verkaufschlager waren jetzt besonders die vorher von den Nationalsozialisten als entartet diffamierten deutschen Expressionisten, allen voran Franz Marc. Besonders seine „Roten Pferde“ von 1911 (ursp. Folkwang Museum, Essen, von den Nationalsozialisten beschlagnahmt und versteigert, heute: Coll. Paul E. Geiger, Cincinnati), deren Bildrechte die Photographische Gesellschaft schon in den 1920er Jahren erworben hatte, entwickelten sich zu einem Bestseller.
Fortführung des Unternehmens durch Eva Rhomberg und Egon Hanfstaengl
1958 ging die Leitung des Verlags an Eva Rhomberg (geb. 1917) und Egon Hanfstaengl (1921-2007) über. In den 1960er Jahren konnte der Verlag noch einmal prosperieren. Doch die zunehmende Konkurrenz des weitaus billigeren Offsetdrucks der Großdruckereien brachte die aufwendige und qualitativ höherwertige Druckherstellung des Farbenlichtdrucks in arge Bedrängnis - Offsetdrucke waren um über die Hälfte billiger. Auch die Beschaffung geeigneter Primärmaterialien, so die Druckfarben mit hoher Viskosität und die panchromatischen Glasnegative anstatt der Negative auf Kunststoffträger, gestaltete sich immer schwieriger. Eine Umstellung auf den qualitativ schlechteren Offsetdruck wollte der Verlag allerdings nicht durchführen. Auch der Verkauf der teuren Fotogravuren stagnierte. 1980 wurde der Kunstverlag, der nahezu 150 Jahre über vier Generationen hinweg bestanden hatte, aufgelöst. Die Fotogravure-Kupferdruckplatten übernahm der Münchner Kunstverlag Blanc. Nach dem Ableben des Verlagsleiters, Peter Blanc, im Jahr 2017 führte York v. Schultzendorff diesen Verlag unter der Bezeichnung Blanc Kunstverlag e. K. weiter.
Literatur
- Peter Conradi, Hitler's piano player: the rise and fall of Ernst Hanfstaengl, confidant of Hitler, ally of FDR, New York 2004; in deutscher Übersetzung: Peter Conradi, Hitlers Klavierspieler. Ernst Hanfstaengl – Vertrauter Hitlers, verbündeter Roosevelts, Frankfurt am Main 2007.
- Heinz Gebhardt, Franz Hanfstaengl. Von der Lithographie zur Photographie, München 1984.
- Ernst Hanfstaengl, Zwischen Weißem und Braunem Haus. Erinnerungen eines politischen Außenseiters, München 1970.
- Stefanie Harrecker, Der Trommler und sein Spielmann. Die bizarre Rolle des Ernst Hanfstaengl als Vermittler, Finanzier und Pianospieler Adolf Hitlers, in: Bayernspiegel 2/2000, 2-5.
- Helmut Heß, Der Kunstverlag Franz Hanfstaengl und die frühe fotografische Kunstreproduktion. Das Kunstwerk und sein Abbild, München 1999.
- Helmut Heß, Making Art and Money. Art Publishers and American Artists in Munich: A Profitable Liaison, in: Hubertus Kohle/Christian Fuhrmeister/Walter Grasskamp (Hg.), American Artists in Munich. Artistic Migration and Cultural Exchange Processes. Internationales Symposium der Forschergruppe "Forschungen zur Künstlerausbildung". Tagungsband, Berlin/München 2009, 87-98.
- Helmut Heß, "O mira virtus ingeni". Die Galeriewerke des Kunstverlags Franz Hanfstaengl, in: Kunstwerk – Abbild – Buch. Das illustrierte Kunstbuch von 1730 bis 1930. Tagungsband der gleichnamigen Veranstaltung in Mainz. Berlin 2007, 217-237.
- Helmut Heß, Stuck und Hanfstaengl. Künstler und Verleger, in: Jo-Anne Birnie-Danzker/Ulrich Pohlmann/J. A. Schmoll gen. Eisenwerth (Hg.), "Franz von Stuck und die Photographie". Ausstellungskatalog München 1996, 116-131.
- David G. Marwell, Unwanted exile. A biography of Ernst "Putzi" Hanfstaengl, Diss. Verl. Univ. Microfilms Internat., Ann Arbor/Binghampton 1988.
Weiterführende Recherche
Externe Links
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Empfohlene Zitierweise
Helmut Heß, Kunstverlag Franz Hanfstaengl, publiziert am 28.08.2006; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Kunstverlag_Franz_Hanfstaengl> (7.12.2024)