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Kirchberg-Weißenhorn, Herrschaft

Aus Historisches Lexikon Bayerns

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Fuggerwappen - unten das Wappen der Herren von Neuffen (silberne Hörner = Weißenhorn), oben die Mohrin der Grafen von Kirchberg, dazwischen die fuggersche Lilie. (aus: Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 1510)
Benediktinerabtei St. Martin in Wiblingen (Stadt Ulm, Alb-Donau-Kreis) - Wiblingen stand bis 1699/1701 unter der Vogteiherrschaft der Fugger von Kirchberg-Weißenhorn. (aus: Beschreibung des Oberamts Laupheim)
Der Grundbesitz der Herrschaft Kirchberg-Weißenhorn mit Vogtei Wiblingen, um 1490. (Entwurf: Hadry, Graphik: Dieckhoff)
Das Lehenbuch Jakob Fuggers (Laufzeit 1510-1525) für die Grafschaft Kirchberg. Hier: Belehnung Jörg von Mangolds mit Burg Waldeck (abg.) und Dorf Kaltbronn (Gde. Legau, Lkr. Unterallgäu) inkl. aller Leute und Güter, Gericht, Zwing und Bann sowie Ehaften und sonstigem Zubehör. Die Ortsangabe "Steinbacher Pfarrei" bezieht sich auf Maria Steinbach bei Legau. (Staatsarchiv Augsburg, Fugger II, MüB 16, hier fol. 3)
Weisung Jakob Fuggers an seinen Kirchberger Pfleger vom 3.1.1519. Zum Inhalt: Im Dorf Balzheim (Ortsherr: Walter Ehinger, ein Ulmer Patrizier) war 1518 eine kirchbergische Leibeigene verstorben und hatte zwei Kinder hinterlassen. Ehinger hatte daraufhin bei Jakob Fugger betr. der zukünftigen Versorgung der Waisen angefragt und ihn gebeten, die Verhältnisse prüfen zu lassen (Jakob war schließlich der Leibherr der Kinder). Im vorliegenden Schreiben beauftragt Jakob Fugger seinen Beamten zu Kirchberg, Ehingers Anliegen nachzukommen und ihm dann darüber zu berichten (Jakob schrieb solche Weisungen übrigens nicht selbst, sondern diktierte sie seinem Schreiber). (Fuggerarchiv, 27.3.14g)
Schloss Oberkirchberg um 1920. (aus: Oberamt Laupheim [Die Kunst- und Altertums-Denkmale in Württemberg. Donaukreis], Eßlingen 1922, Abb. 128)

von Sarah Hadry

Älteste und umfangreichste Fuggerherrschaft mit Verwaltungssitzen und Hofhaltungen in Kirchberg und Weißenhorn; zugleich Basis für den Aufstieg der bürgerlichen Augsburger Kaufmannsfamilie in den Reichsadel. Der Komplex wurde im ausgehenden 15. Jahrhundert durch Herzog Georg von Niederbayern (1455-1503) aus vier Teilherrschaften zusammengefügt und 1504 als Folge des bayerischen Erbfolgekrieges durch König Maximilian konfisziert. 1507 gingen die Ländereien in den Besitz Jakob Fuggers (1459-1525) über. Abgesehen von einer vorübergehenden habsburgischen Rücklösung zwischen 1724 und 1735 stand Kirchberg-Weißenhorn bis 1806, in eingeschränkter Form sogar bis 1848 durchgehend unter fuggerischer Verwaltung. Die Herrschaft war dabei nie reichsunmittelbar, sondern stets ein Teil der vorderösterreichischen Ländermasse.

Der Herrschaftskomplex Kirchberg-Weißenhorn: Lage und Bestandteile

Die seit 1507 fuggerische Herrschaft Kirchberg-Weißenhorn gehörte zur historischen Landschaft Oberschwaben und lag südlich der Donau zu beiden Seiten der Iller. Sie umfasste Teile der heutigen Landkreise Neu-Ulm, Biberach und des Alb-Donau-Kreises (siehe Karte). Die Herrschaft grenzte an mehrere andere kleine geistliche und weltliche Territorien: Nachbarn waren die Reichsstadt Ulm und das Reichsstift Elchingen im Norden, die Ritterherrschaften Illertissen und Biberachzell im Süden und Osten, das Reichsstift Roggenburg im Osten sowie mehrere kleine Gebilde im Westen (Reichsstifte Ochsenhausen und Rot, Reichsstadt Biberach, vorderösterreichische Pfandnehmer wie z. B. die Herren von Welden mit Laupheim, Fugger-Brandenburg-Dietenheim, Fugger-Untersulmetingen).

Kirchberg-Weißenhorn war ein Konglomerat aus vier verschiedenen Teilherrschaften. Diese waren im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts durch Herzog Georg von Niederbayern (1455-1503, reg. 1479-1503) teils auf dem Erbweg und teils durch Kauf zu einer neuen territorialen Einheit verbunden worden. Die Bestandteile im einzelnen waren:

  • die bis 1342 neuffische und dann wittelsbachische Stadt und Herrschaft Weißenhorn (1473 nach einer langen Phase von Verpfändungen durch Georgs Vater, Herzog Ludwig von Bayern (1417 -1479, reg. 1450-1479), zurückgelöst und unter direkte bayerische Verwaltung gestellt)
  • die Reste der alten Grafschaft Kirchberg (1481/98 durch die beiden letzten Grafen von Kirchberg an Herzog Georg verkauft)
  • die ebenfalls kirchbergische Herrschaft Wullenstetten (1482 an Herzog Georg verkauft)
  • die Herrschaft Pfaffenhofen, die im 14. und 15. Jahrhundert im Besitz Ulmer Patrizier war und vorher wohl gleichfalls zur hochmittelalterlichen Besitzlandschaft der Grafen von Kirchberg gehörte (1495 durch die Familie Ehinger an Herzog Georg verkauft).

Weißenhorn als Zentrum spätmittelalterlicher wittelsbachischer Expansion in Schwaben

Während der 1480er Jahre betrieb Georg der Reiche von Kirchberg-Weißenhorn aus eine expansive und teils auch gewalttätige Territorialpolitik. Sein Ziel einer wittelsbachischen Hegemonie zwischen Iller und Lech bedrohte nicht nur die Selbständigkeit der kleinen schwäbischen Stände, sondern auch den habsburgischen Einfluss auf Südwestdeutschland. Mit der Gründung des Schwäbischen Bundes 1488 gelang es, dieses bayerische Machtstreben einzudämmen. Nach dem Tod des Herzogs von Niederbayern im Dezember 1503 beanspruchte der habsburgische König und spätere Kaiser Maximilian (1459–1519, deutscher König seit 1486, Kaiser seit 1508) im Zuge des Landshuter Erbfolgekrieges Teile von Georgs Erbe, darunter auch Kirchberg-Weißenhorn. Der Kölner Spruch vom 30. Juli 1505 bestätigte diese Gebietsabtretungen an Österreich.

Die kriegsartigen Ereignisse der 1480er Jahre hatten bewiesen, welches Potential der Besitz der im Herzen Oberschwabens gelegenen Herrschaft Kirchberg-Weißenhorn und der damit verbundenen Gerichts- und Herrschaftsrechte beinhaltete. Maximilian I. musste sich also gut überlegen, an wen er die Ländereien ausgab.

Übergang an Jakob Fugger, 1507

Jakob Fugger (1459-1525) erwarb 1507 für den hohen Preis von 50.000 Gulden Grafschaft und Schloss Kirchberg, Schloss Illerzell und die Vogtei über das Benediktinerkloster Wiblingen, zudem die Herrschaften Wullenstetten und Pfaffenhofen sowie Stadt und Herrschaft Weißenhorn (siehe Karte). Inbegriffen waren alle wichtigen Herrschaftsrechte, sogar die hohe Gerichtsbarkeit. Ausgenommen blieb die beim Haus Österreich liegende Landeshoheit. Diese klare Trennung von landesherrlicher Obrigkeit (Landeshoheit) einerseits und hoher Gerichtsbarkeit andererseits zu einem so frühen Zeitpunkt stellt dabei keine Selbstverständlichkeit dar.

Habsburgische Klientelpolitik in Schwaben

Der Verkauf Kirchberg-Weißenhorns fand geheim und unter undurchsichtigen Umständen statt: Jakob Fugger erwarb die Herrschaften als Kauf auf Widerruf und unter ungeklärten lehensrechtlichen Verhältnissen. König Maximilian behielt sich und seinen Nachfahren ein Rückkaufsrecht nach Ablauf von 20 Jahren (für die Stadt und Herrschaft Weißenhorn bereits nach vier Jahren) vor. Jedoch wurde dieses provisorische Besitzverhältnis durch immer neue, meist zwischen 20 und 30 Jahren währende Fristverlängerungen letztlich bis zum Jahr 1724 fortgesetzt.

Bei der Grafschaft Kirchberg handelte es sich um ein Reichslehen, bei Weißenhorn-Pfaffenhofen hingegen um ehemaliges wittelsbachisches Allod (Eigentum ohne Lehensbindungen). Eine ordentliche Belehnung Jakobs mit den Herrschaften selbst fand nicht statt; eine entsprechende Urkunde wurde lediglich für den zur Herrschaft gehörigen Blutbann ausgestellt, der Jakob als ein österreichisches Lehen verliehen wurde. Diese verschleierte Art des Besitzwechsels (Tarnung als Pfandschaft, fehlende Belehnung) dürfte darauf abgezielt haben, die bereits seit dem 14. Jahrhundert leidenschaftlich am Kauf der Grafschaft Kirchberg interessierte Reichsstadt Ulm zu übergehen.

Mit den Fuggern hatten die Habsburger politisch und später auch konfessionell zuverlässige Parteigänger an einer sensiblen Stelle des komplizierten vorderösterreichischen Territoriengebildes positioniert. Die für die österreichische Schwabenpolitik typische Zielsetzung, sich durch Lehens-, Pfand- und sonstige Klientelbindungen eine möglichst weitreichende Einfluss-Sphäre zu schaffen, wurde durch den Coup von 1507 wesentlich ergänzt und brachte darüber hinaus eine beträchtliche Geldsumme ein.

Freiherren- und Grafendiplome

Jakob Fugger verfügte 1507 weder über einen Adelsbrief noch über Zugehörigkeit zum Augsburger Patriziat. Der Verkauf einer Reichsgrafschaft (Kirchberg) - zu der nicht zuletzt ein Lehenhof und die Vogtei über das Kloster Wiblingen gehörte - an einen Bürgerlichen war ein zu jener Zeit singulärer Vorgang. Die langjährige Huldigungsverweigerung niederadliger kirchbergischer Lehensleute, ein Freiherrendiplom (1511) und ein von 1514 stammender kaiserlicher Erlass, wonach Jakob von seinen widerspenstigen Vasallen so zu behandeln sei, "als ob" er ein geborener Reichsgraf wäre, zeugt von seinen Legitimationsproblemen vor Ort.

Eine Erhebung in den erblichen Reichsgrafenstand widerfuhr erst Jakobs Neffen und Erben Raymund (1489-1535), Anton (1493-1560) und Hieronymus (1499-1538) im Jahr 1526. Auch sie benötigten den Grafentitel, um ihre Herrschaft über Land und Leute in Kirchberg-Weißenhorn abstützen zu können. Reichsstandschaft war jedoch mit dieser Standeserhöhung nicht verbunden. Die nach der großen fuggerischen Erbteilung von 1548 einsetzende Linienbildung bewirkte, dass sich während der Frühen Neuzeit sämtliche Zweige der Fugger von der Lilie mit dem kirchberg-weißenhornischen Grafentitel schmücken konnten.

Zur Rechtsstellung Kirchberg-Weißenhorns

Von 1507 bis 1724 war die Herrschaft auf Widerruf und unter immer neuen Fristverlängerungen an die Fugger ausgegeben. Diese verfügten somit über relativ wenig Rechtssicherheit, da sie nie wussten, wie lange ihnen ihre Ländereien noch bleiben würden. Zwar wurden sie in jener Zeit in lehensrechtlicher Hinsicht als Reichsgrafen behandelt, de facto waren sie als Inhaber Kirchberg-Weißenhorns aber niemals Reichsstände und hatten somit auch keinen Anteil an der Kuriatstimme der schwäbischen Grafen auf dem Reichstag. Vielmehr gehörten sie über Kirchberg-Weißenhorn zum Kreis der vorderösterreichischen Landstände.

Nachdem die Ländereien 1724 tatsächlich von Habsburg zurückgefordert, 1735 aber angesichts des chronischen kaiserlichen Geldmangels erneut an die Fugger verkauft worden waren, wurden deren Besitzverhältnisse neu geordnet: Sie erhielten die Herrschaften nun als ordentliches österreichisches Lehen ohne zeitliche Befristung. Im Gegensatz zum verfassungsrechtlich unscharfen Konstrukt in der Zeit zwischen 1507 und 1724 war Kirchberg-Weißenhorn in den letzten sieben Jahrzehnten bis zum Ende des Alten Reichs ein klar definierter österreichischer Mediatstaat. Im Unterschied zur Zeit vor 1724 oblag die Verwaltung des (bis ins Allgäu und in die Gegend von Bregenz hineinreichenden) kirchberger Lehenhofes nach 1735 nicht mehr den Fuggern, sondern dem obersten Innsbrucker Lehenhof.

Zur Herrschaftsverwaltung

Unter Herzog Georg von Bayern-Landshut wurden in Kirchberg-Weißenhorn vier Kastenämter als Unterbehörden angesiedelt, die dem bayerischen Rentamt Ingolstadt als Mittelbehörde unterstellt waren. Mit dem Übergang an die Fugger entfiel die Zuordnung zu einer landesherrlichen Zentralbehörde. Jedoch übten die Fugger persönlich bis ins frühe 17. Jahrhundert eine Oberaufsicht aus: Regelmäßige Berichte und Anfragen der Amtsleute bzw. Weisungen und Aufträge der Fugger wurden durch Botenverkehr zwischen Augsburg und den Landsitzen ausgetauscht; Mitarbeiter der Augsburger Firmenzentrale kontrollierten und verrechneten die herrschaftlichen Einkünfte, welche vor allem aus Getreideverkauf und Erlösen der Brauhäuser resultierten.

Vor Ort existierten zwei Oberämter in Kirchberg und Weißenhorn, welchen im 16. Jahrhundert insgesamt zehn Vögte bzw. Büttel auf unterer Ebene unterstellt waren. Unter Jakob Fugger war der Kirchberger Amtmann seinem Weißenhorner Kollegen an Kompetenzen überlegen. Im Laufe des 16. Jahrhunderts gewann hingegen die Stadt Weißenhorn gegenüber dem Markt Kirchberg zunehmend an zentralörtlichen Funktionen. Nach einer Erbteilung, welche zur Herauslösung Pfaffenhofens aus der Teilherrschaft Weißenhorn führte, existierte zwischen ca. 1649 und 1724 vorübergehend ein drittes Oberamt in Pfaffenhofen.

1724 reformierte die neue österreichische Direktverwaltung die vorgefundenen Verwaltungsstrukturen. Die bislang zweigliedrige Ämterorganisation (Zentralen in Kirchberg und Weißenhorn, Unterbehörden in ca. 10 Dörfern) erhielt nun eine dritte Ebene hinzu: Einer Zentralbehörde in Weißenhorn, die zugleich als oberste Gerichtsinstanz diente, unterstanden Mittelbehörden in Weißenhorn und Kirchberg sowie Unterbehörden im ganzen Herrschaftsgebiet. Der Weißenhorner Amtmann leitete das (erstinstanzliche) Weißenhorner Gericht sowie das Kanzleiwesen und war seinem kirchbergischen Kollegen damit an Befugnissen überlegen. Neu errichtet wurde außerdem ein Rentamt als Fiskalbehörde (Weißenhorn). Als die Fugger ihren Stammsitz Kirchberg-Weißenhorn 1735 zurückerwarben, behielten sie diesen Verwaltungsaufbau bei. Oberste Appellationsinstanz in Gerichtssachen war ohnehin (seit 1504/1507) die vorderösterreichische Regierung in Innsbruck.

Umfang der Herrschaft, Untertanen

Im Jahr 1734 umgrenzte der Hochgerichtsbezirk Kirchberg-Weißenhorns gut 80 Siedlungen. Die Ortsherrschaft (und damit die Niedergerichtsbarkeit) besaß die Herrschaft Kirchberg-Weißenhorn in 30 dieser Orte ganz oder überwiegend, in 19 Orten teilweise; in den übrigen etwa 34 Dörfern und Weilern kamen diese Rechte anderen Herrschaftsträgern, v. a. Klöstern und Ulmer Patriziern, zu. Die Zahl der Untertanen lässt sich nicht ermitteln. Der Bauernkrieg betraf Kirchberg-Weißenhorn weit weniger stark als dies in den umliegenden Klosterherrschaften der Fall war. Aus späteren Jahrhunderten sind keine größeren Konflikte zwischen Untertanen und Herrschaft bekannt; lediglich mit der Weißenhorner Bürgerschaft kam es immer wieder zu juristischen Auseinandersetzungen um die städtischen Selbstverwaltungsrechte.

Residenzbildung und Hofhaltung

Octavian Secundus (1549-1600) und Philipp Eduard Fugger (1546-1618) hatten sich in den Jahrzehnten um 1600 noch zwischen der Welt des internationalen Handels und ihrem Lebensmittelpunkt Augsburg hin- und herbewegt und ihre Landsitze im Schwäbischen lediglich zeitweise, etwa zur Jagd, besucht. Ihre Söhne hingegen litten unter ererbten Schulden und fehlenden Einkünften (Aufgabe des fuggerschen Handels um 1600) sowie teils beträchtlichen gesundheitlichen Einschränkungen. Ihnen blieb somit wenig anderes übrig, als auf und von ihrem Grundbesitz in Kirchberg und Weißenhorn zu leben. Für Weißenhorn lässt sich eine dauerhafte Residenznahme seit 1618, für Kirchberg eine mehrfach unterbrochene seit 1608 beobachten.

Die erst seit dem 18. Jahrhundert geschlossen vorliegenden Jahresrechnungen zeigen, dass die fuggersche Hofhaltung relativ aufwändig war und beachtliche Kosten für Personal (Gärtner, Kutscher usw.), Lebensmittel, Luxusgegenstände und persönlichen Bedarf verursachte. Hinzu kam ein in den 1760er Jahren durch Franz Anton Bagnato (1731-1810) geleiteter Neubau einer dreiflügeligen Schlossanlage in Oberkirchberg. Im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts fällt eine regelrechte Welle an (durch das Haus Österreich genehmigten) Verkäufen und Verpfändungen von kirchberg-weißenhornischen Blutbann-, Jagd- und Forstbezirken auf. Dieser Bruch mit dem fuggerischen Prinzip der Unveräußerlichkeit von Besitz- und Herrschaftsrechten wird vor dem Hintergrund zunehmend prekärer finanzieller Verhältnisse, die zum Teil dem Repräsentationszwang der Zeit geschuldet waren, verständlich.

Herrschaftsgericht Kirchberg-Weißenhorn, 1808-1848

Der Friede von Preßburg (1805) bewirkte den Übergang Vorderösterreichs an Bayern; 1806 erfolgte die Mediatisierung fast aller bayerischer Adelsherrschaften und somit auch Kirchberg-Weißenhorns. Die Herrschaft wurde entsprechend der Illergrenze den Königreichen Bayern und Württemberg zugeschlagen, wobei der bayerische Teil Kirchberg-Weißenhorns noch bis 1848 unter der Gerichtsbarkeit des gräflich-fuggerischen Herrschaftsgerichts in Weißenhorn stand. Der Oberamtssitz befand sich von 1808-1810 in Oberkirchberg, danach in Weißenhorn. Jedoch gehörte die Stadt Weißenhorn selbst nicht zum fuggerischen Herrschaftsgericht, sondern war, da die Fugger dort kaum Allodialgut gehabt hatten, Bestandteil des bayerischen Landgerichtes Roggenburg. Nach der Schließung des Herrschaftsgerichts am 1. Oktober 1848 verkauften die Fugger Schloss Weißenhorn an die Stadt Weißenhorn. Schloss Kirchberg hingegen dient den Nachfahren der Raymund-Linie bis heute als Wohnsitz.

Zur Historiographie

Einen ersten knappen Überblick über das Herrschaftsprofil Kirchberg-Weißenhorns bietet eine 2007 in der Reihe "Materialien zur Geschichte der Fugger" erschienene Jubiläumsschrift. Außerdem relevant sind die älteren Studien von Thea Düvel und Heinz F. Deininger, punktuell auch die Arbeiten von Götz Freiherr von Pölnitz (1906-1967) und Norbert Lieb (1907-1994). Informationen zum territorialen Umfeld finden sich in der ortsgeschichtlichen Literatur und in den vorliegenden Arbeiten zu den lokalen Herrschaftsträgern (v. a. Grafen von Kirchberg, Reichsstadt Ulm, Stadt Weißenhorn, Markgrafschaft Burgau bzw. Vorderösterreich).

Zur Quellen- und Archivsituation

Die kirchberg-weißenhornische Überlieferung selbst findet sich heute zum großen Teil im Fuggerarchiv Dillingen, daneben auch im Staatsarchiv Augsburg. Wichtig sind außerdem die Akten und Amtsbücher der Innsbrucker Regierung und des vorderösterreichischen Lehenhofes (Tiroler Landesarchiv Innsbruck) sowie die einschlägigen "neuwürttembergischen" Bestände der staatlichen Archive in Ludwigsburg und Stuttgart. Aufschluss über territoriale und konfessionelle Streitfragen geben vor allem Reichshofratsprozesse (Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien) sowie die Überlieferungen von Nachbarterritorien (v. a. Reichsstadt Ulm, Reichsstifte Elchingen und Roggenburg).

Literatur

  • Der Alb-Donau-Kreis (Kreisbeschreibungen des Landes Baden-Württemberg), hg. von der Landesarchivdirektion Baden-Württemberg in Verbindung mit dem Alb-Donau-Kreis. 2 Bände, Sigmaringen 1989-1992.
  • Der Landkreis Biberach (Kreisbeschreibungen des Landes Baden-Württemberg), hg. von der Landesarchivdirektion Baden-Württemberg in Verbindung mit dem Landkreis Biberach. 2 Bände, Sigmaringen 1987-1990.
  • Heinz Friedrich Deininger, Die Gütererwerbungen unter Anton Fugger (1526-1560), seine Privilegien und Standeserhöhung sowie Fideikommißursprung. Ein Beitrag zur Wirtschaftsgeschichte, München 1924.
  • Thea Düvel, Die Gütererwerbungen Jakob Fuggers des Reichen und seine Standeserhöhung (Studien zur Fuggergeschichte 4), München u. a. 1913.
  • Sarah Hadry, Die Fugger in Kirchberg und Weißenhorn. Herrschaftsverfassung und Leibeigenschaft, Konfessionalisierung und Residenzbildung (Materialien zur Geschichte der Fugger 5), Augsburg 2007.
  • Sarah Hadry, Jakob Fugger (1459-1525) - ein falscher Graf? Kirchberg-Weißenhorn als Ausgangsbasis für den Aufstieg einer Augsburger Kaufsmannsfamilie in den Reichsadel, in: Johannes Burkhardt (Hg.), Die Fugger und das Reich. Eine neue Forschungsperspektive zum 500jährigen Jubiläum der ersten Fuggerherrschaft Kirchberg-Weißenhorn (Studien zur Fuggergeschichte 41/Veröffentlichung der Schwäbischen Forschungsgemeinschaft 4/32), Augsburg 2008, 33-51.
  • Horst Gaiser/Josef Matzke/Albrecht Rieber u. a., Kleine Kreisbeschreibung Neu-Ulm. Stadt und Landkreis, Neu-Ulm 2. Auflage 1964.
  • Norbert Lieb, Die Fugger und die Kunst im Zeitalter der hohen Renaissance (Studien zur Fuggergeschichte 14 = Veröffentlichungen der Schwäbischen Forschungsgemeinschaft bei der Kommission für bayerische Landesgeschichte 4/4), München 1958.
  • Norbert Lieb, Die Fugger und die Kunst im Zeitalter der Spätgotik und der frühen Renaissance. Mit einem Exkurs: Die Bildhauer der Fugger-Kapelle bei St. Anna zu Augsburg. Stilkritische Bemerkungen zu Sebastian Loscher und Hans Daucher, von Karl Feuchtmayr (Studien zur Fuggergeschichte 10 = VSFG 4/1), München 1952, v. a. 123–130, 370.
  • Götz Freiherr von Pölnitz, Anton Fugger. 3. Band, 2. Teil, fortgeführt von Hermann Kellenbenz (Studien zur Fuggergeschichte 29 = Veröffentlichungen der Schwäbischen Forschungsgemeinschaft bei der Kommission für bayerische Landesgeschichte 4/20), Tübingen 1958-1986.
  • Götz Freiherr von Pölnitz, Jakob Fugger. Kaiser, Kirche und Kapital in der oberdeutschen Renaissance. 2 Bände, Tübingen 1949-1952.

Quellen

Weiterführende Recherche

Externe Links

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Empfohlene Zitierweise

Sarah Hadry, Kirchberg-Weißenhorn, Herrschaft, publiziert am 13.11.2008; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Kirchberg-Weißenhorn, Herrschaft> (19.03.2024)