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Kirchberg, Grafen von

Aus Historisches Lexikon Bayerns

Epitaph des Grafen Eberhard von Kirchberg (gest. 1472) in Wiblingen, Aquarell (18. Jahrhundert) nach dem Original. (Foto: Franz Karg)

von Sarah Hadry

Seit 1087 belegte, 1510 erloschene, nicht mit den beiden gleichnamigen thüringischen und österreichischen Geschlechtern identische schwäbische Hochadelsfamilie mit Besitzzentrum südlich von Ulm, zu beiden Seiten der Iller; Stifter des Reformklosters Wiblingen. Besitznachfolger der Grafschaft Kirchberg wurde zunächst Herzog Georg von Bayern Landshut (1481/98), hernach König Maximilian (1504) und schließlich Jakob Fugger (1507/08).

Die Ursprünge des Hauses

Benediktinerabtei St. Martin in Wiblingen. Wiblingen wurde 1093 durch die Grafen von Kirchberg gestiftet und diente der Familie bis zu deren Erlöschen als Grablege. (aus: Die Kunst- und Altertums-Denkmale in Württemberg. Donaukreis: Oberamt Laupheim, Eßlingen 1922, Abb. 208)

Bereits um 980 war ein Graf mit dem kirchbergischen Namen Hartmann für den Illergau zuständig. Sicher belegt ist ein Vertreter des Geschlechts aber erst für 1087: Damals bezeugte Otto de Chirchberc für den Illergau eine Schenkung des Grafen von Nellenburg an das St. Salvatorkloster in Schaffhausen (Schweiz). 1093 stifteten die Brüder Hartmann und Otto von Kirchberg die Benediktinerabtei St. Martin in Wiblingen (Krfr. Stadt Ulm, Baden-Württemberg). Die namensgebende Burg wurde wohl im 11. Jahrhundert in Unterkirchberg (heute Illerkirchberg, Alb-Donau-Kreis, Baden-Württemberg) errichtet und vor 1100 auf einen Bergsporn (Oberkirchberg) verlegt. Die Errichtung der Höhenburg geschah also womöglich genau in jener Zeit, als die nahegelegene Pfalz Ulm als Zentrum der süddeutschen Adelsopposition fungierte und somit königlichem Zugriff weitgehend entzogen war.

Der Vorname "Otto" gab Anlass zur Mutmaßung, dass die Mutter des Brüderpaares aus dem am Bodensee ansässigen Grafenhaus der Buchhorn gestammt haben könnte. Der von den Kirchbergern häufig verwendete Namen "Hartmann" mag auf eine Verwandschaft zu den mächtigen Grafen von Dillingen (Hupaldinger) hindeuten.

Grafschaft und Wildbann

Über die Rolle der Kirchberger als Amtsgrafen in der Zeit der "alten" Grafschaften (Komitate) ist wenig bekannt: Der um 980 belegte Illergaugraf Hartmann verwaltete nebem dem Illergau wahrscheinlich auch den nördlich angrenzenden Rammachgau, dessen Hauptort Laupheim (Lkr. Biberach, Baden-Württemberg) war. Hartmann I. von Kirchberg (gest. nach 1122) wird 1087 als Illergaugraf genannt – auch bei ihm ist eine Mitverwaltung des Rammachgaus wahrscheinlich. Ein Rammachgaugraf mit dem kirchbergischen Namen (Beiname Bozze) amtierte 1099. 1128 übte Eberhard I. von Kirchberg (gest. 1166) Gerichtsrechte im Illergau aus. 1129 wird derselbe Eberhard als Herr einer offenbar neuen Gerichtsstätte in Bihlafingen (Stadt Laupheim, Lkr. Biberach, Baden-Württemberg) im Rammachgau genannt. Die traditionelle Rammachgauer Gerichtsstätte Laupheim hingegen fand sich 1127 unter der Leitung des Grafen Diepold von Berg. Es hatte demnach eine Teilung des Rammachgaus etwa entlang des Flusses Rot (Baden-Württemberg) stattgefunden - womöglich zwischen Sohn (Eberhard von Kirchberg) und Schwiegersohn (Diepold von Berg) des vorherigen Inhabers Hartmann Bozze. Damit wird der Prozess des Zusammenbruchs der alten Komitatsgrenzen und der Herausbildung "junger" Grafschaften in der Zeit nach 1050 fassbar. Die Grafschaft Kirchberg ist demnach wohl als Fortentwicklung des östlichen Teils des Rammachgau anzusehen, während dessen Westhälfte zur Ausgangsbasis der Grafschaft Berg wurde.

Den Regalienbezirk der spätmittelalterlichen Grafschaft Kirchberg markierte der Distrikt des Kirchberger Wildbannes. Generell war die Übereinstimmung von Wildbann- und Grafschaftsgrenzen in Südwestdeutschland kein seltenes Phänomen. Der auffällig große Kirchberger Wildbann (siehe Kartenskizze) ist seit 1325 in der Qualität eines Reichslehens belegt.

Die ersten Grenzbeschreibungen dieses Wildbannes stammen aus dem 15. Jahrhundert. Sie umreißen ein Gebiet, das im Norden durch die Donau, im Osten durch die Iller, im Westen durch die Linie Berg Schussen – Buchau – Schussenried und in seinem südlichsten Punkt durch Schloss Zeil bei Leutkirch begrenzt wurde (siehe Kartenskizze). Eine Reihe von Indizien legt jedoch nahe, dass die Ostgrenze der Grafschaft Kirchberg vormals nicht durch die Iller, sondern durch das Flüsschen Roth (Bayern) gebildet worden war. Demnach könnte die Roth die Grenze zwischen Rammachgau (Zentrum: Laupheim) und Duriagau (Zentrum: unbekannt) dargestellt haben. Die eigentliche Besitzlandschaft der Grafen von Kirchberg machte indes nur einen kleinen Teil dieses Wildbanngebietes bzw. Regaliensprengels aus (siehe Karte). Welche Rechte den Grafen im ungleich größeren - vermutlich eher einen Anspruch als reale Befugnisse begründenden, möglicherweise bereits in staufischer Zeit eingerichteten - Wildbanndistrikt zukamen, und ob diese Rechte über die bloße Kontrolle der Jagd hinausgingen, ist anhand der Quellenlage bislang nicht zu klären.

Linienbildung

Die genealogischen Verhältnisse der Kirchberger sind undurchsichtig und können für das 12. und 13. Jahrhundert nicht seriös rekonstruiert werden. Hierzu bislang vorgenommene Überlegungen basieren beinahe durchgängig auf methodisch mitunter fragwürdigen Vornamensvergleichen. Nur in wenigen Fällen gelingt es, diese Überlegungen mit besitzgeschichtlichen Argumenten zu untermauern. Die vorhandenen Stammtafeln sind daher in nicht geringen Teilen als hypothetisch zu bewerten.

Kirchberg-Kirchberg

Über die Besitzungen der um 1100 belegten Brüder Otto und Hartmann ist nichts Näheres bekannt. Ihr Nachkomme Eberhard I. von Kirchberg war in Vöhringen (Lkr. Neu-Ulm), Balzheim (Alb-Donau-Kreis, Baden-Württemberg), Illertissen (Lkr. Neu-Ulm), im Raum südlich von Laupheim, in Dietenheim und Brandenburg begütert. Während sich seit dem ausgehenden 12. Jahrhundert im Süden und Osten dieser Besitzlandschaft der Zweig Kirchberg-Brandenburg etablierte, blieben die namengebende Stammburg und die links davon gelegenen Güter weiterhin bei der sog. Hauptlinie, die 1366 mit Graf Wilhelm erlosch. Danach fielen Burg und Grafschaft zunächst an Wilhelms südtirolischen Schwiegersohn Ulrich von Matsch und dessen Tochtermänner. Ab 1398 gelangten die kirchbergischen Stammlande dann an die jüngere Linie Kirchberg-Wullenstetten und damit zurück in Familienbesitz.

Kirchberg-Brandenburg

Die Burg und Herrschaft Brandenburg (Alb-Donau-Kreis, Baden-Württemberg) lagen im Südwesten des gesamtkirchbergischen Machtbereiches. Sie umfasste Besitzungen in Dietenheim, Regglisweiler (beide Alb-Donau-Kreis, Baden-Württemberg), Weihungszell, Sießen, Hörenhausen (alle Lkr. Biberach, Baden-Württemberg) sowie rechts der Iller in Jedesheim, Illertissen, Betlinshausen, Vöhringen, Illerberg, Illerzell (alle Lkr. Neu-Ulm) u. a. Die linksillerischen Besitzungen waren zum Teil den Habsburgern zum Lehen angetragen worden. Die Anfänge der Linie Kirchberg-Brandenburg liegen im Dunkeln. Sie werden aber um 1200 vermutet. 1298 starb Hartman VI. von Kirchberg-Brandenburg. Das Haus Österreich zog daraufhin Brandenburg ohne Rücksicht auf die Erbansprüche der übrigen kirchberger Linien ein. Die Habsburger verliehen die Besitzungen in der Folge pfandweise an die Herren von Ellerbach. Spätere Besitzer waren die Patrizierfamilie Krafft, die Herren von Rechberg und die Fugger. Von der mittelalterlichen Veste, die 1378 (Städtekrieg) geschleift wurde, sind abgesehen von Resten eines mittlerweile überbauten Grabens keine Spuren mehr erhalten.

Den Brandenburgern gelangen auffallend vornehme Eheschließungen (z. B. zu den Grafen von Wirtemberg), und sie pflegten die Kirchbergischen Leitnamen Hartmann und Otto in besonderer Weise. Kirchberger, die im 13. Jahrhundert in Königsnähe zu finden sind, waren beinahe ausschließlich Grafen von Kirchberg-Brandenburg. Sie stellten also die eigentliche Hauptlinie des Hauses dar, während die Kirchberg-Kirchberger diese Rolle erst nach dem Aussterben der Brandenburger einnehmen konnten.

Mitglieder der Familie Brandenburg nannten sich zeitweise auch nach den Burgen Balzheim (1181-vor 1226) und Neuhausen (1251-ca. 1319). Beide Nebenzweige hatten aber mit Hartmut von Kirchberg-Balzheim und dessen Sohn Hartmut sowie Otto von Kirchberg-Neuhausen nur eine kurze Lebensdauer.

Kirchberg-Wullenstetten

Um 1250 teilten die Kirchberger Brüder Conrad II. und Eberhard III. ihr Erbe. Eberhard erhielt vor allem Besitz rechts der Iller und machte Wullenstetten (Lkr. Neu-Ulm) zu seinem Sitz. Hieraus entstand die jüngere Linie Kirchberg-Wullenstetten, deren Angehörige häufig die Namen Eberhard und Wilhelm trugen. Der Zweig blühte bis 1510 und rückte einige Zeit nach dem Aussterben der Hauptlinie (1366) in den Gesamtbesitz ein (siehe Abschnitt X). Von der Wohnstatt der Kirchberg-Wullenstetten ist aber derart wenig bekannt, dass fraglich ist, ob die Grafen im 14./15. Jahrhundert überhaupt noch dort residierten. Möglicherweise waren die Wullenstetter nach dem 1366 erfolgten Übergang von Schloss und Grafschaft Kirchberg an den weit entfernt lebenden Vintschgauer Inhaber für diesen als Verwalter in Kirchberg tätig. Vielleicht verlegten sie in diesem Zusammenhang ihren Wohnsitz von Wullenstetten nach Kirchberg.

Grundbesitz

Der frühe kirchbergische Besitz lässt sich nur auf Umwegen, nämlich über den Besitz des kirchbergischen Hausklosters Wiblingen, erschließen: 1148 existierten Klostergüter in Gögglingen (Krfr. Stadt Ulm, Baden-Württemberg), Oberdischingen (Alb-Donau-Kreis, Baden-Württemberg) und Vöhringen. 1194 sind Wiblinger Besitzungen nachgewiesen in Achstetten, Ersingen und Staig (alle Alb-Donau-Kreis, Baden-Württemberg), Dischingen (Lkr. Heidenheim), Donaustetten (Krfr. Stadt Ulm, Baden-Württemberg) und Vöhringen (Lkr. Neu-Ulm), Gögglingen, Altheim, Hüttisheim, Harthausen, Buch (alle Alb-Donau-Kreis bzw. OT Ulm), Achstetten (Lkr. Biberach), Laupheim, Remshart (Lkr. Günzburg), Gerlenhofen (Lkr. Neu-Ulm), Hutenhusen (abg.?) und Stade (evtl. Stetten bei Laupheim). Dazu kamen kirchliche Rechte in Kirchberg und Harthausen (beide Alb-Donau-Kreis), einem Ort "Rode" im Bistum Speyer, Breitenbronn (Lkr. Augsburg). Nicht kirchbergischer Herkunft war die 1194 ebenfalls genannte Kirche in Gögglingen, welche 1173 durch den Bischof von Konstanz an Wiblingen überlassen worden war.

Um 1300 hatten die Kirchberger einige – allerdings mehrfach unterverliehene – Lehenstücke in Elchingen (Lkr. Neu-Ulm), welche vom Bodenseekloster Reichenau (Gde. Aschau i. Chiemgau, Lkr. Rosenheim) herrührten. Auch bestanden zu jener Zeit über mehrere im heutigen Landkreis Neu-Ulm gelegene Güter Lehensbindungen zum Bischof von Augsburg. Die seit dem frühen 12. Jahrhundert an die Herren von Eichheim verliehene - und mit der Zeit entfremdete - Herrschaft Illertissen kam 1339 durch Heirat an die Linie Kirchberg-Wullenstetten zurück.

Das älteste Einkünfteverzeichnis der Kirchberger von 1373/1438 listet Besitz auf, der schwerpunktmäßig zwischen Ulm und Illertissen zu beiden Seiten der Iller zwischen den Flüssen Rot (Baden-Württemberg) und Roth (Bayern) lag. Darüber hinaus existierten auch einzelne Besitztitel nördlich der Donau, westlich der Rot und östlich der Roth. Allerdings gingen aus dieser Besitzlandschaft vor 1300 die Herrschaft Brandenburg (Alb-Donau-Kreis) und 1338 die Burg Neuhausen (Lkr. Neu-Ulm) verloren – verbunden damit war das Aussterben der jeweiligen Linien.

Im ausgehende 15. Jahrhundert werden als Besitzzentren und Gerichtsorte Ober- und Unterkirchberg, Altheim (jeweils Alb-Donau-Kreis) sowie Wullenstetten in den Quellen sichtbar. Weitere Besitztitel, vor allem in allodialer Form, lagen auch in der Umgebung von Pfaffenhofen (Lkr. Neu-Ulm) vor. Da die kirchbergische Vogtei über Wiblingen recht weitreichende Eingriffsrechte in Gerichtsbarkeit und Einkünfte beinhaltete, gehörte auch der wachsende Grundbesitz des Klosters stets zum Machtbereich des Grafenhauses.


Die spätmittelalterliche Ämterverfassung
Gerichts-/Amtsort Zugehörige Orte (1379/1438) Zugehörige Orte (um 1482/1498)
Oberkirchberg (Alb-Donau-Kreis) Beuren, Buch, Beutelreusch, Ay Oberkirchberg, Buch, Beutelreusch, Wochenau, Dorndorf, Beuren
Unterkirchberg (Alb-Donau-Kreis) Unterkirchberg, Freudeneck, Fischbach Unterkirchberg
Altheim (Alb-Donau-Kreis) Weinstetten, Harthausen, Ammerstetten, Hüttisheim Altheim, Weinstetten, Ammerstetten, Staig, Harthausen
Donaustetten (Alb-Donau-Kreis) Donaustetten - -
Wiblingen (Alb-Donau-Kreis) Fischerhausen Wiblingen, Donaustetten, Fischerhausen (abgeg.), Hüttisheim, Bihlafingen; außerhalb von Zwing und Bann: Laupheim, Mietingen
Aufheim (Lkr. Neu-Ulm) Gerlenhofen --
Holzschwang (Lkr. Neu-Ulm) Holzschwang (Hälfte des Ortes) --
Wullenstetten (Lkr. Neu-Ulm) -- Wullenstetten, Senden, Ay, Freudenegg, Hittistetten, Witzighausen, Illerzell, Straß, Albishofen, Roth, Thal

Der Lehenhof

1366 bestand Lehensbesitz in 63 und 1440/1472 in 77 Orten. Die Lehenstücke umfassten Burgen, ganze und partielle Ortsherrschaften, daneben einzelne Bauerngüter bis hin zu Wiesen und Weihern, außerdem Gerichtsrechte, einen Wildbann, Ehaftrechte (z. B. Badstuben oder Mühlen), Zoll-, Jagd-, Fisch- und Patronatsrechte sowie Zins- und Zehnteinkünfte. Die Mehrheit der Lehengüter befand sich im heutigen Alb-Donau-Kreis zwischen Donau, Rot und Iller.

Einzelne Lehenstücke lagen aber auch im Bodenseeraum und in der Markgrafschaft Burgau. Ihre Herkunft lässt sich teilweise durch Frauenerbe und Mitgiften erklären.

Lehenträger waren neben dem örtlichen Ritter- und Niederadel (u. a. Herren von Riedheim, Argon) vor allem Ulmer Patrizier und Bürger (u. a. Roth, Ungelter, Kraft, Greck, Löw). Daneben sind seit Beginn der Überlieferung auch bäuerliche Lehensleute bezeugt. Diese Bauernlehen umfassten im Gegensatz zu den übrigen Lehen, die bis zur geschlossenen Ortsherrschaft reichen konnten, stets nur einzelne Güter oder Grundstücke.

Die Entwicklung der lehenbaren Vesten und Burgen zeigt, wie sich der Bestand des Lehenhofes über die Jahrhunderte stark veränderte: Von den 19 um 1366 verzeichneten Burgen wurden bereits knapp 100 Jahre später nur noch neun genannt; im späten 18. Jahrhundert - als der Kirchberger Lehenhof durch vorderösterreichische Behörden verwaltet wurde - waren davon lediglich noch zwei übrig. Dafür kamen jedoch im Laufe der Zeit eine ganze Reihe neuer Lehen hinzu, die über – zum Teil erst in spätmittelalterlicher und frühneuzeitlicher Zeit errichtete – Burgen oder Schlösser verfügten.

Politische Betätigung

Hartmann I. von Kirchberg besiegte mit Unterstützung der Welfen 1108 den Grafen Rudolf von Bregenz (gest. 1143) in der Schlacht bei Jedesheim. Streitgegenstand waren wohl Vogteirechte über Besitzungen des Klosters Einsiedeln im Raum Illertissen. Das Ereignis fand in mehrere zeitgenössische Chroniken (u. a. in die Zwiefaltener Annalen) Eingang.

Im staufisch-welfischen Konflikt um das salische Erbe nach dem Tod Kaiser Heinrichs V. 1125 scheint sich zunächst nur die brandenburgische Linie der Kirchberger auf die Seite ersterer geschlagen zu haben. Auf Hoftagen des letzten Staufers Konradin (1252-1268) erschienen jedoch auch die vormals gegnerischen Kirchberg-Kirchberg und die Herren von Rieden/Eichheim.

Im 13. und frühen 14. Jahrhundert finden sich Familienmitglieder als Domherren und Chorfrauen in Passau, Brixen, Würzburg und Magdeburg. Im selben Zeitraum verschuldeten sich die Kirchberger zunehmend v. a. bei der Stadt Ulm und ihren Ratsgeschlechtern. Diese Entwicklung ging mit einer zunehmenden grundherrschaftlichen Präsenz der Reichsstadt, aber auch anderer Kräfte, innerhalb des kirchbergischen Einflussbereichs einher. Erschwerend hinzu kam eine jahrzehntelange Entfremdung von Stammburg und Besitzzentrum (siehe Abschnitt X). Zudem liefen aufstrebende edelfreie Geschlechter wie die Neuffen den verarmten Grafen auch hinsichtlich der Übernahme königlicher Ämter und Aufgaben zunehmend den Rang ab.

Bedeutende Vertreter
Name Daten Tätigkeit Bemerkung
Konrad von Kirchberg um 1300 Minnesänger Zuordnung unsicher; Konrad d. Ä. (Bruder Bischof Brunos von Brixen; belegt 1255-1268) oder dessen gleichnamiger Sohn (1268-1315)
Bruno von Kirchberg-Wullenstetten reg. 1250-1288 Bischof von Brixen Ausbildung an der Domschule Brixen; Gründer der Stadt Bruneck (Provinz Bozen, Italien); Brunos Mutter war vermutlich eine Tochter des Grafen Meinhard I. von Görz/Tirol (reg. 1232-1258 als Graf von Görz, ab 1253 auch als Graf von Tirol)
Eberhard II. von Kirchberg-Wullenstetten reg. 1404-1413 Bischof von Augsburg
Conrad von Kirchberg-Brandenburg 1280-1311 Abt von Schaffhausen

Wappen und Siegel

Wappendarstellungen der Grafen von Kirchberg. (aus: Württembergisches Adels- und Wappenbuch, i. A. des Würrtembergischen Altertumsvereins begonnen von Otto v. Alberti, fortgesetzt von Friedrich Gaisberg-Schöckingen u. a., 16 Hefte, Stuttgart 1889-1916, 400-401)

Das vermutlich älteste Kirchberger Siegel (1208/09) zeigt als redendes Wappenbild drei bedachte Türme auf einem Hügel. Es erscheint in geminderter Form auch im Wappen der Stadt Bruneck, einer Gründung des Brixener Bischofs Bruno von Kirchberg (reg. 1250-1288). Dieses Kirchturm-Wappen ging auf den wirtembergischen Enkel des Grafen Hartmann von Kirchberg-Brandenburg über, da Hartmanns eigene Söhne sehr jung gestorben waren.

Weitere kirchbergische Wappenbilder liegen erst wieder seit der Mitte des 13. Jahrhunderts vor. Diese führen stets das bisher nicht gedeutete Motiv einer Frauengestalt, die eine Lilie bzw. einen Helm in Händen hält. Die Linie Kirchberg-Brandenburg hingegen führte ein eigenes Wappen, das in einem gespaltenen Schild einen halben Adler mit einem oder mehreren Balken dahinter führte.

Infolge einer Wappenschenkung des Bischofs Bruno von Brixen an seinen Neffen Konrad von Kirchberg (erw. um 1300) gelangte 1286 der – den Helm bald verdrängende – Bischofshut in das Wappenbild. In den ersten farbigen Überlieferungen (15. Jahrhundert) ist die Dame mitunter als Mohrin dargestellt. Die Verwendung von Mohren in Adelswappen entsprach der Mode der Zeit.

Nachdem die Fugger das kirchbergische Wappen übernommen hatten, wurde die Frauengestalt konsequent als Mohrin geführt. Bis heute ziert die kirchbergische Mohrin das Wappen der fürstlichen und gräflichen Linien der Familie Fugger.

Zwischenspiel: Die Vögte von Matsch als Inhaber der Grafschaft Kirchberg

Als 1366 mit Wilhelm von Kirchberg-Kirchberg der letzte Vertreter der kirchbergischen Hauptlinie starb, hinterließ er die Stammburg Oberkirchberg und den links der Iller gelegenen Teil des kirchbergischen Grundbesitzes. Ein Drittel seines Erbes bekam seine Schwester Bertha als Mitgift, die übrigen zwei Drittel fielen an Wilhelms Tochter Agnes, die seit 1346 mit dem Südtiroler Ulrich von Matsch verheiratet war. Die Matscher waren ein im Vintschgau, Engadin, Veltlin und in Graubünden begütertes, bedeutendes Adelsgeschlecht, dessen Familienzentrum und Stammsitz zu jener Zeit die Churburg (Gde. Schluderns im Vintschgau) war. 1366 erfolgte die Belehnung des Matschers mit dem Großteil der Grafschaft, bald darauf auch mit dem inzwischen durch Kauf erworbenen Drittel der kirchbergischen Tante. In der Churburger Kanzlei der Matscher begegnen in der Folgezeit mehrfach Kirchberger Ministeriale, die offenbar auch bei der Verwaltung der entlegenen schwäbischen Besitzungen eine Rolle spielten.

Ulrichs und Agnes' Tochter Üdelhild brachte die Grafschaft Kirchberg 1379 in ihre Ehe mit dem Grafen Meinhard VII. von Görz-Tirol ein. Nach dem Tod des Görzers 1385 heiratete Üdelhild den niederösterreichischen Grafen Johann von Maidburg-Hardegg, der die Grafschaft Kirchberg in den 1390er Jahren an die Grafen von Kirchberg-Wullenstetten verpfändete. Üdelhilds beide Söhne aus erster Ehe, zwei junge Grafen von Görz, bemühten sich in den 1430er Jahren um die Rücklösung ihres Erbes. Dies scheiterte, als Eberhard von Kirchberg-Wullenstetten 1434 durch König Sigmund (reg. 1410-1437) seine ordentliche Belehnung mit der Grafschaft erreichte. Somit war Kirchberg am Ende des Mittelalters wieder in Familienbesitz.

Das Ende der Grafen von Kirchberg

Spätestens seit 1300 wird ein materieller, politischer und auch biologischer (Aussterben der Linie Kirchberg-Kirchberg und -Brandenburg) Niedergang der Familie deutlich. Gleichzeitig erlangten Ulmer Patrizier und Institutionen, einige Klöster sowie verschiedene andere Kräfte immer mehr Grundbesitz innerhalb des kirchbergischen Machtbereichs. Erschwerend hinzu kam der 1366 bis 1398/1434 währende heiratsbedingte Verlust des Großteils der Grafschaft an das Südtiroler Adelsgeschlecht der Matscher. Außerdem strebten bereits seit dem ausgehenden 12. Jahrhundert edelfreie Familien der Nachbarschaft, v. a. die Herren von Neuffen, erfolgreich nach Ämtern und Einfluss. Diese spätmittelalterlichen "Aufsteiger" schmälerten - ebenso wie die stetig expandierende Reichsstadt Ulm und die seit 1342 spürbare wittelsbachische Präsenz (Erbanfall der Herrschaft Weißenhorn) - die Machtstellung des altehrwürdigen, unter einer wachsenden Schuldenlast leidenden Grafengeschlechts weiter.

Die beiden letzten Grafen von Kirchberg waren die Vettern Wilhelm (gest. ca. 1489) und Philipp (gest. 1510). Da sie hoch verschuldet waren, verkauften sie 1481 und 1498 ihre jeweiligen Hälften an der Grafschaft an Herzog Georg von Bayern-Landshut (reg. 1479-1503). Der Wittelsbacher verfügte bereits über die angrenzenden Herrschaften Weißenhorn und Pfaffenhofen (1495 auf dem Kaufweg). Auf der Basis dieser seiner neu zusammengefügten Herrschaft Kirchberg-Weißenhorn und der damit verbundenen Grafen- und Gerichtsrechte setzte Herzog Georg am Ausgang des Mittelalters sehr kräftige territorialpolitische Akzente. Die Etablierung einer bayerischen Hegemonie im östlichen Schwaben wurde aber durch den 1488 errichteten Schwäbischen Bund letztlich verhindert. Nach dem Tod Georgs von Bayern-Landshut 1503 wurde Kirchberg-Weißenhorn durch das Haus Habsburg konfisziert und kam in der Folge (1507-1725, 1735-1806/1848) an die Familie Fugger. Graf Philipp von Kirchberg war noch bis zu seinem Tod 1510 als Verwaltungsbeamter (Pfleger) für die neuen Herren seiner Grafschaft tätig.

Bedeutung für die Region

Die Grafen von Kirchberg beherrschten das Gebiet südlich der Stadt Ulm das ganze hohe und späte Mittelalter hindurch. Die unter ihnen etablierte Verwaltungsstruktur behielt im Großen und Ganzen bis ins frühe 19. Jahrhundert, zum Teil sogar bis heute Bedeutung. Das kirchbergische Wappen und der alte Grafentitel halfen den Fuggern, ihre 1507 durch Jakob den Reichen (gest. 1525) angetretene Herrschaft über Kirchberg-Weißenhorn zu legitimieren. Die von den Kirchbergern gegründete Benediktinerabtei Wiblingen war bis zur Säkularisation ein wichtiges kulturelles Zentrum (bedeutende Klosterbibliothek). Auch die Verleihung des Stadtrechts an Dietenheim sowie die Gründung des Marktortes Unterkirchberg gehen auf die Grafen zurück.

Historiographie und Quellen

In den Handbüchern zur bayerischen und baden-württembergischen Geschichte finden die Kirchberger so gut wie keine Erwähnung. Wichtige Aspekte zum Grundbesitz und zur Genealogie der Grafen wurden durch Köpf und Huber geklärt. Keinerlei Beachtung fand bislang, trotz guter Überlieferung, der Lehenhof der Grafschaft Kirchberg. Aussagen zu Selbstverständnis und Hofhaltung der Kirchberger sind aufgrund der kargen Überlieferung bislang nicht möglich. Auch zur Baugeschichte ihrer Burgen fehlen nahezu jegliche Erkenntnisse.

Die Quellen sind aufgrund der geographischen Lage der Grafschaft auf die staatlichen Archive in Stuttgart, Ludwigsburg, Augsburg und München verstreut. Ein sehr kleiner, aber nicht unbedeutender Teil der Überlieferung existiert außerdem in kopialer Form im Fuggerarchiv. Wichtige Belege mit Kirchberg-Bezug sind auch im Ulmischen und Wirtembergischen Urkundenbuch enthalten. Editionen der Urkunden, Urbare oder Lehenbücher liegen mit Ausnahme des von Max Huber bearbeiteten Einkünfteregisters nicht vor. An spätmittelalterlichen Bildquellen existieren zwei Grabmäler, mindestens ein Epitaph und zwei hölzerne Votivbilder.

Literatur

  • Hans Christ/Hans Klaiber (Bearb.), Donaukreis. 2. Band: Oberämter Göppingen, Kirchheim, Laupheim, Leutkirch (Die Kunst- und Altertums-Denkmale in Württemberg 4/2), Eßlingen am Neckar 1924. (Informationen u. a. btr. Kloster Wiblingen und Burgen in Kirchberg, Brandenburg und Balzheim)
  • Sarah Hadry, Neu-Ulm. Der Altlandkreis (Historischer Atlas von Bayern, Schwaben I/18), München 2011.
  • Max Huber, Ein Einkünfteregister der Grafschaft Kirchberg-Kirchberg von 1379/1438, in: Ulm und Oberschwaben 40/41 (1973), 27-68. [Einführung]
  • Rudolf Kiess, Forsten in Oberschwaben während des Mittelalters, in: Ulm und Oberschwaben 40/41 (1973), 69- 122.
  • Hans Peter Köpf, Der Laupheimer Raum im frühen und hohen Mittelalter bis zum Übergang an Österreich, in: Stadt Laupheim (Hg.), Laupheim, 33-77.
  • Hans Peter Köpf, Die Herrschaft Brandenburg, in: Anton H. Konrad (Hg.), Au an der Iller. Stadt Illertissen. Ein Dorf im Wandel der Zeiten, Weißenhorn 1987, 43-139.
  • Hans Peter Köpf, Illertissen. Eine schwäbische Residenz. Geschichte des einstigen Herrschaftssitzes und alten Zentralorts im Illertal, Weißenhorn 1990.
  • Ferdinand Kramer, Klostergründung und Adelsopposition im Raum Ulm. Zu den Anfängen des ostschwäbischen Klosters Wiblingen (1093), in: Augsburger Beiträge zur Landesgeschichte Bayerisch-Schwabens 6 (1995), Sigmaringen 1996, 73-84.
  • Landesarchivdirektion Baden-Württemberg in Verbindung mit dem Landkreis Biberach (Hg.), Der Landkreis Biberach. 2 Bände (Kreisbeschreibungen des Landes Baden-Württemberg), Sigmaringen 1987-1990.

Quellen

  • Bayerisches Hauptstaatsarchiv: Gerichtsurkunden: Illertissen, Kirchberg-Weißenhorn, Neu-Ulm.
  • Fuggerarchiv Dillingen: F.A. 27.1.1.ff. (Herrschaft Kirchberg-Weißenhorn): Amtsbücher.
  • Hauptstaatsarchiv Stuttgart: Grafschaft Kirchberg, B 101, B 102 (Urkunden und Akten).
  • Max Huber, Ein Einkünfteregister der Grafschaft Kirchberg-Kirchberg von 1379/1438, in: Ulm und Oberschwaben 40/41 (1973), 27-68. [Quellenteil]
  • Staatsarchiv Ludwigsburg: Ulm, Reichsstadt: Urkunden, Büschel und Bände.

Weiterführende Recherche

Externe Links

Kirchberg-Wullenstetten, Illerkirchberg, Oberkirchberg, Unterkirchberg, Kirchberg-Neuhausen

Empfohlene Zitierweise

Sarah Hadry, Kirchberg, Grafen von, publiziert am 18.10.2011; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Kirchberg,_Grafen_von> (28.03.2024)