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Lehenswesen in Altbayern

Aus Historisches Lexikon Bayerns

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Bischof Eckbert von Bamberg (reg. 1203-1237) belehnt Herzog Ludwig I. von Bayern (reg. 1183-1231) und dessen Sohn Otto (reg. 1231-1253) mit den Lehen, die Alram und Albert von Hals zuvor besessen, durch Gerichtsstreitigkeiten aber verloren hatten. Im 13. Jahrhundert wurden nur in Ausnahmefällen Lehenurkunden ausgestellt. Die Entstehung dieser Urkunde ist darauf zurückzuführen, dass der Bamberger Bischof erst nach erheblichen Streitigkeiten mit den Herren von Hals die Lehen zurückerlangen konnte (Regest und Beschreibung in: Wild, Fürstenkanzlei des Mittelalters, 149). (Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Kurbayern Urkunden 1721, August 1228)
Lehenbuch Heinrichs des Reichen von Bayern-Landshut (reg. 1393-1450), um 1415. In diesem - neben einem ungefähr zeitgleich in Bayern-München entstandenen Exemplar - ältesten überlieferten Lehenbuch der bayerischen Herzöge sind zunächst von einer Hand die herzoglichen Aktivlehen eingetragen worden. Die flüchtiger ausgeführten Aktualisierungen des Amtsbuches sind damit zu erklären, dass nach einem Mannfall die erbberechtigten Nachkommen neu belehnt werden mussten. (Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Oberster Lehenhof 6, fol. 4r)
Aufforderung Herzog Heinrichs von Bayern-Landshut an Lehenbesitzer in Österreich zur Empfangnahme ihrer Lehen, 23. Oktober 1447. In dem Text wird dargelegt, dass das Lehenswesen nach Landrecht und Gewohnheitsrecht praktiziert wurde. (Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Neuburger Kopialbücher 8, fol. 315v)
Andre Schwarzenstein, Pfleger von Vilshofen, nennt die ihm von Herzog Heinrich von Bayern-Landshut verliehenen Lehen, die er zuvor Georg Kirchbeck abgekauft hat und zukünftig als Afterlehen weiterverleihen will. (Bayerisches Hauptstaatsarchiv, GU Vilshofen 458, 28. Januar 1450, Lehenrevers)
Darstellung des Eichstätter Lehenhofes. Die von ca. 1498-1503 stammende Darstellung, die dem Augsburger Buchmaler Ulrich Taler zugewiesen wird, zeigt, wie die Belehnungen am fürstbischöflichen Hofe zu Eichstätt vorgenommen wurden. Im Mittelpunkt steht der Bischof Gabriel von Eyb (reg. 1496-1535), flankiert von Kilian Münch, dem gerade mit der Ausfertigung eines Lehenbriefs beschäftigten Kanzler Wilbolt Fischl (gest. 1503) und dem Hofmeister Hieronymus von Rosenberg. Im Vordergrund werden von Lehenboten die zu belehnenden Vasallen vorgeführt. Auch wenn das Bistum Eichstätt dem fränkischen Reichskreis angehörte, illustriert diese Abbildung hervorragend die bereits bürokratisierte Belehnungspraxis an der Wende zur Neuzeit. (Staatsarchiv Nürnberg, Hochstift Eichstätt, Lehenbücher Nr. 8)

von Matthias Bader

Bereits im frühmittelalterlichen Herzogtum Bayern sind Elemente des Lehenswesens (Vasallen, Benefizien) bezeugt; die klassische Ausprägung mit der Verbindung beider Elemente kam anscheinend erst im Hochmittelalter zustande. Besonders im Hochmittelalter besaß das Lehenswesen eine große Bedeutung beim Aufbau und bei der Festigung adeliger Territorialherrschaften. Das spätmittelalterliche Lehenswesen Altbayerns ist bisher nur hinsichtlich der wittelsbachischen Herzöge eingehend untersucht. Hier fällt ab dem 14. Jahrhundert die große Anzahl bäuerlicher Lehensempfänger auf. Ab dem 16. Jahrhundert wurde das herzogliche bzw. kurfürstliche Lehenswesen systematisch verwaltet und entwickelte sich zu einer reinen Einnahmequelle. Während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde es weitgehend abgeschafft. Letzte Lehen bestanden bis 1919/20.

Die Entstehung des Lehenswesens

Die Ursprünge des Lehenswesens gehen auf zwei verschiedene Erscheinungen zurück, die nach der älteren Forschung beide in die Merowingerzeit zu datieren sind. Die eine war dinglicher Natur und betraf ein zeitlich befristetes Nutzungsrecht an einem Stück Land, das "beneficium". Die zweite, die sog. Vasallität, war persönlicher Natur: Freie begaben sich in den Schutz anderer Freier und leisteten diesen Kriegs- oder andere Dienste.

Nach traditioneller Lehrmeinung (Ganshof, Mitteis) ist das eigentliche Lehenswesen unter den ersten karolingischen Herrschern im 8./9. Jahrhundert aus der Vereinigung von Benefizium und Vasallität entstanden. In der Karolingerzeit bildete sich demnach ein Ritus heraus, bei dem das Benefizium verliehen wurde und der Vasall eine persönliche Bindung mit seinem Lehensherrn einging. Dieser Ritus wurde wohl grundsätzlich über Jahrhunderte hinweg kaum verändert. Er bestand aus der Leistung der "Mannschaft" bzw. der "Kommendation", wobei der Vasall seine Hände in die des Herrn legte, aus dem Treueid des Vasallen und aus der symbolischen Investitur in das Benefizium bzw. Lehen (Lippert). Aus diesem Akt ging ein Rechtsverhältnis hervor, bei dem die Vasallen dem Lehensherrn zu "Rat und Hilfe" und der Lehensherr den Vasallen zu "Schutz und Schirm" verpflichtet waren. Die feste Verankerung dieser rituellen Zeremonien machte jahrhundertelang schriftliche Aufzeichnungen zum Lehenswesen überflüssig.

Das bayerische Lehenswesen des Frühmittelalters

Die Vasallität – das persönliche Element

Über das frühmittelalterliche Lehenswesen im agilolfingischen Herzogtum und in der karolingischen Reichsprovinz Bayern gibt es bisher nur wenige genauere Erkenntnisse. In dieser Zeit stellen die Traditionsbücher der Klöster und Bistümer die weitaus wichtigste Quelle dar. Die für das frühmittelalterliche Lehenswesen zentralen Begriffe "vassi", "vasalli" und "milites" tauchen dort vor dem 9. Jahrhundert kein einziges Mal auf. Lediglich der 788 abgesetzte Herzog Tassilo III. (reg. 748-788, gest. nach 794) wird, allerdings nur in fränkischen Annalen, als Vasall Karls des Großen (reg. 768-810, Kaiser ab 800) bezeichnet. Den Adalschalken (lateinisch "servi principis"), einer im 8. Jahrhundert genannten Gruppe herzoglicher Gefolgsleute, kamen möglicherweise ähnliche Funktionen wie mit Benefizien ausgestatteten Vasallen zu; dies lässt sich allerdings nicht belegen.

Vasallen erscheinen als solche urkundlich erstmalig 819. Die meisten tauchen als Königsvasallen auf, gefolgt von solchen der bayerischen Bischöfe, Grafen oder anderer Adeliger. Herzogliche Vasallen konnte es keine mehr geben, da kein eigenständiges bayerisches Herzogtum mehr existierte. Die Vasallen hatten eine hohe soziale Stellung. Die meisten von ihnen stammten aus der Schicht der rechtsfähigen Freien, einige wenige auch aus der damals höchsten Gesellschaftsschicht der "nobiles" (Adelige). Welche Dienste die Vasallen zu leisten hatten, geht aus den Quellen nicht hervor. Es kann allenfalls vermutet werden, dass es sich vor allem um kriegerische Dienste handelte.

Das Benefizium – das dingliche Element

Die dingliche Seite des Lehensverhältnisses wird im Sinne des Rechtsverhältnisses in den Traditionsbüchern als "beneficium", der Leihevorgang selbst dagegen mit dem Verb "praestare" bezeichnet. Benefizia sind - anders als die Vasallität - bereits in der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts bezeugt. Als Personen, die Benefizia vergaben, werden am häufigsten Bischöfe genannt, was wohl der Überlieferungslage geschuldet ist. Zeugnisse gibt es auch über herzogliche und königliche Benefizia. Schließlich konnten sicher auch die Adeligen Benefizia verteilen. Empfänger waren in erster Linie einfache Kleriker, etwa Diakone oder Priester, und höhere Geistliche (vor allem Bischöfe, vereinzelt Archipresbyter oder Pröpste). Auch Mönche sind als Inhaber von Benefizia nachweisbar. Darüber hinaus konnte sehr wahrscheinlich jeder Laie freien Standes ein Benefizium erhalten; so lassen sich auch Grafen, Ehepaare, Frauen und Geschwister als Empfänger herauskristallisieren. Schließlich wurden sogar dem König kirchliche Lehen verliehen (z. B. Ludwig dem Deutschen [reg. 843-876] von St. Emmeram) – ein Beweis dafür, dass es sich um kein streng hierarchisch geordnetes System handelte.

Bischöfliche Benefizia waren meist kleinere grundherrschaftliche Güter wie Fron- oder Bauernhöfe, aber auch Kirchen ("Eigenkirchen") und seltener Klöster. Als Gegenleistung wird meist die Zahlung eines Zinses angegeben. Zu leistende Dienste werden nur allgemein als "servitium" angesprochen, aber nicht näher spezifiziert. Der Empfänger eines Benefiziums war auch zur Treue gegenüber dem Bischof verpflichtet. Bischöfliche Benefizia wurden nahezu ausschließlich auf Lebenszeit verliehen. Im Gegensatz dazu waren solche des Herzogs auch ausdrücklich mit Erbrecht ausgestattet. Ebenfalls konnten die aus dem Fiskalgut stammenden herzoglichen im Unterschied zu den aus Kirchengut stammenden bischöflichen Benefizia mit Zustimmung des Herzogs veräußert oder verschenkt werden.

Verbindung von Vasallität und Benefizium?

Vasallität und das Benefizium sind im frühmittelalterlichen Bayern keine Verbindung miteinander eingegangen: Die Vergabe eines Benefiziums wurde nie mit dem Vasallendienst begründet; genauso wenig ist der umgekehrte Fall bekannt. Neuere Arbeiten betonen deshalb, dass es höchst zweifelhaft sei, ob man für das Frühmittelalter in Bayern überhaupt von einem "Lehenswesen im herkömmlichen Sinne" (Deutinger) sprechen kann.

Das hochmittelalterliche Lehenswesen

Die lange Epoche vom 10. bis zum 13. Jahrhundert gilt nach der traditionellen Lehre (Ganshof, Mitteis) als die klassische Zeit des Lehenswesens. Die Lehensbindung galt als das entscheidende verfassungsgeschichtliche Element des Hochmittelalters. Diese Sichtweise ist mittlerweile wohl nicht mehr haltbar (Reynolds; Tagungsband Dendorfer/Deutinger). Zunächst ist zu betonen, dass im Reich keinesfalls ein einheitliches Lehenswesen existierte, vielmehr sind in den verschiedenen Regionen höchst unterschiedliche und vielfältige Ausprägungen feststellbar. Aktuelle Forschungen deuten weiterhin an, dass nördlich der Alpen und rechts des Rheines vor dem 12. Jahrhundert lehensrechtliche Strukturen, die auf der Verbindung von Vasallität und Benefizium beruhten, kaum bzw. noch gar nicht fassbar gemacht werden können (Tagungsband Dendorfer/Deutinger). Somit gilt mittlerweile das 12. Jahrhundert als entscheidender Einschnitt in der Geschichte des Lehenswesens; die ältere Forschung ist dahingehend auf den Prüfstand zu stellen.

Gleiches gilt auch für Bayern: Erst seit Mitte des 12. Jahrhunderts gewinnt hier ein Lehenswesen bzw. Lehensrecht im klassischen Sinne etwas klarere Konturen (Seibert). Die Verbindung von Vasallität und Benefizium wurde offenbar erst im Laufe des 12. und 13. Jahrhunderts für ein Lehensverhältnis konstitutiv. Insbesondere für Bayern ist allerdings zu betonen, dass sich neuere Forschungen erst am Anfang befinden und daher immer mit äußerster Vorsicht argumentiert werden muss.

10. und 11. Jahrhundert

Für das 10. und 11. Jahrhundert ist man im Hinblick auf die Quellen vor allem auf die Traditionsbücher angewiesen, die allerdings diesbezüglich noch nicht systematisch ausgewertet sind. Charakteristisch für die ersten Jahre Bayerns unter den Luitpoldingern ist die groß angelegte Säkularisation der bayerischen Kirchengüter unter Herzog Arnulf (reg. 907-937). Der Vorgang ist anhand klösterlicher Entfremdungslisten, die auch Benefizia enthalten, nachvollziehbar. Die ältere Forschung stellte die These auf, die Säkularisation habe dazu geführt, dass aus Kirchengut herzogliche Lehen entstanden seien: Arnulf habe kirchliche Lehen an sich gezogen und sie an verschiedene Adelsfamilien weiterverliehen. Dies wurde als für die Geschlossenheit Bayerns unterstützendes Element gewertet (Mitteis).

Im 11. Jahrhundert stand Bayern ganz im Dienste des Reiches; 53 Jahre lang übten die deutschen Könige quasi selbst die Herrschaft über Bayern aus. Wie etwaige Lehensbeziehungen der bayerischen Herzöge oder kirchlicher Institutionen oder auch die bewusste Lehenspolitik Kaiser Konrads II. (reg. 1024-1039, Kaiser ab 1027) ausgesehen haben könnten, entzieht sich unserer Kenntnis. Gesichert ist nur der allgemeine Befund, dass das Lehenswesen auf die Dauer zur Sicherung der Adelsherrschaft in Bayern führte. Die meisten Geschlechter verfügten über wenig Eigenbesitz, weshalb sie erst durch größere Lehen vom König, vom Herzog oder von der Kirche eine bedeutende Verbesserung ihrer Position erreichen konnten. Als Vasallen waren sie dabei vor allem zum Kriegsdienst verpflichtet.

Das "Jahrhundert der Welfen"

Bessere Erkenntnisse lassen sich bereits über das 12. Jahrhundert, in dem die staufischen Könige und Kaiser eine äußerst aktive Lehenspolitik betrieben, gewinnen. Erst jetzt setzt eine verstärkte Verschriftlichung von Lehensbeziehungen ein. Auf Reichsebene werden gewohnheitsrechtliche Normen schriftlich erfasst. In Bayern treten erste schriftliche Zeugnisse auf, die sich direkt auf lehensrechtliche Bindungen beziehen.

Große Unsicherheiten bestehen indes über die Herrschaft der Welfen. Als gesichert gilt, dass die Welfenherzöge zu den meisten Dynasten bzw. Magnaten Lehensbeziehungen unterhielten, aber nicht, welcher Natur diese waren. Sicher hatte das herzogliche Lehenswesen unter Heinrich dem Löwen (reg. in Bayern 1156-1180) nur geringe Bedeutung, da er sich kaum in Bayern aufhielt und es für ihn nur ein Nebenland war. Die aufstrebenden Wittelsbacher hingegen schufen sich durch die Belehnung von Edelfreien ein eigenes Lehensgefolge. Als bedeutendste überlieferte Quelle des 12. Jahrhunderts ist der Falkensteiner Codex anzusehen, eine Mischung aus Traditions- und Urbarbuch und Lehensverzeichnis (Noichl). Der Codex enthält ein Verzeichnis der Lehensherren der Grafen von Falkenstein (nach Falkenstein, Gde. Flintsbach am Inn, Lkr. Rosenheim). Darunter befanden sich mehrere Herzöge, Pfalzgrafen, Markgrafen, Grafen, Bischöfe und ein Abt. Ebenfalls sind dort Lehen verzeichnet, die der Graf unterverliehen hat (sog. Afterlehen).

Die Rolle des Lehenswesens beim Aufbau der wittelsbachischen Herzogsmacht

1180 belehnte Kaiser Friedrich I. Barbarossa (reg. 1152-1190) die Wittelsbacher mit dem Herzogtum Bayern und damit auch mit dem herzoglichen Kammergut. Ein Element des von ihnen zielstrebig begonnenen Ausbaus der herzoglichen Territorialmacht bestand darin, die Dynastengeschlechter, die auffallend schnell ausstarben, zu beerben (etwa die Andechs-Meranier, die Bogen, die Falkensteiner oder die Wasserburger). Nach dem ihnen nun zustehenden landesherrlichen Heimfallsrecht zogen die Wittelsbacher die erledigten herzoglichen Lehen dieser Geschlechter ein und nahmen sie in eigene Verwaltung. Als bedeutend schwieriger gestaltete sich dagegen die Einziehung der Kirchenlehen der ausgestorbenen Geschlechter. Der Widerstand der Bischöfe wurde nach längeren Auseinandersetzungen gebrochen. Allein die Augsburger konnten sich dauerhaft widersetzen.

Das Lehenswesen des Spätmittelalters

Quellen und Forschungslage

Gibt es bis in das 13. Jahrhundert hinein nur wenige Zeugnisse über das Lehenswesen, kann man im Spätmittelalter, insbesondere im 15. Jahrhundert, quellenmäßig "aus dem Vollen schöpfen". Erst jetzt lassen sich genaue Erkenntnisse über die Strukturen des bayerischen Lehenswesens gewinnen.

  • Urkunden über eine Belehnung wurden in Ausnahmefällen bereits im 13. Jahrhundert ausgestellt. Sie setzten sich erst im Laufe des 15. Jahrhunderts endgültig durch. Hierbei ist zwischen den "Lehenbriefen", die der Lehensherr seinem Vasallen ausstellte, und den "Lehenreversen" zu unterscheiden.
  • Im 14. Jahrhundert setzt auch die Überlieferung von eigenen Amtsbüchern zum Lehenswesen, den Lehenbüchern, ein.
  • Eine weitere wichtige Quelle sind kleine Zettel, auf denen Kanzleischreiber Belehnungen protokollartig notierten oder Vasallen selbst ihre Lehen nannten und um Neubelehnung baten.

Trotz dieser um ein vielfaches größeren Quellenbasis steht die Forschung erst noch am Anfang. So ist bisher nur das Lehenswesen der bayerischen Herzöge ansatzweise untersucht (Bader, Klebel, Kutter, Wild); die Strukturen weiterer Lehenhöfe - zu nennen sind für Altbayern die vier Hochstifte Freising, Passau, Regensburg und Salzburg, verschiedene Reichsstifte wie Nieder- und Obermünster, Landklöster und mindestens 50 Adelsgeschlechter (z. B. die Ortenburger, Toerring, Frauenberger zum Haag, Preysing) - dagegen erst rudimentär (z. B. Holzfurtner, Klein).

Das spätmittelalterliche herzogliche Lehenswesen

Das Lehenswesen des Spätmittelalters ist in Bayern – zumindest was die bayerischen Herzöge angeht – nach gewohnheitsrechtlichen und landrechtlichen Gepflogenheiten praktiziert worden. So sind im Oberbayerischen Landrecht Kaiser Ludwigs des Bayern (reg. 1294-1347, als König ab 1314) von 1346 mehrere Abschnitte dem Lehenswesen gewidmet. Lehen verwaltete im Wesentlichen die herzogliche Kanzlei. Die Lehengerichtsbarkeit oblag dem Hofgericht.

Der Lehensakt

Zu einer Belehnung kam es vor allem dann, wenn entweder der Herrenfall (Tod des Lehensherrn) oder der Mannfall (Tod des Vasallen) eintrat. In solchen Fällen hatten die Vasallen ihre Lehen binnen Jahr und Tag "zu muten", d.h. die Belehnung musste vom Lehensherrn erneuert werden. Die Belehnung wurde gegen eine Gebühr vorgenommen, "Ehrung", "Reichnis" oder "Schenkung" genannt. Die Verleihung der Lehensobjekte geschah immer noch nach den althergebrachten Gewohnheiten, deren Reihenfolge sich allerdings verändert hatte. Der Lehensakt, der entweder bei Hofe, auf Rundreisen des Herzogs von diesem selbst, aber auch durch Vertreter wie z. B. Rentmeister, Landschreiber oder auch Pfleger vorgenommen werden konnte, bestand aus drei Teilen: Aus den Lehenurkunden wird deutlich, dass zuerst die Investitur in das Lehen erfolgte. Anschließend war die Mannschaft zu leisten. Da diese zweite Komponente aus den überlieferten Urkunden nicht hervorgeht, kam ihr sicher keine große Bedeutung mehr zu. Zuletzt hatte der Vasall den Lehenseid zu schwören und/oder ein Treueversprechen zu leisten.

Rechte und Pflichten der Vasallen und der Lehensherren

Die mittelalterlichen Rechtsspiegel wie der Sachsen- oder der Schwabenspiegel sahen ein strikt auf direkte männliche Nachkommen begrenztes (deszendentes) Erbrecht der Vasallen vor. In Altbayern gestalteten sich die Verhältnisse indes recht liberal. Bereits im Oberbayerischen Landrecht sind auch Frauen als Lehenerben vorgesehen. Tatsächlich konnten in Altbayern anlässlich eines Mannfalls direkte weibliche Nachkommen des Vasallen und unter bestimmten Umständen auch Seitenverwandte (etwa Cousins) oder Geschwister Lehen erben. Mit Zustimmung des Herzogs konnten die Vasallen ihre Lehen auch verkaufen. Vielfach wurden vom Herzog ausgegebene Lehen auch an Aftervasallen weiterverliehen.

Die Aussagen der Urkunden zu den Lehensdiensten sind recht allgemein gehalten: Die Vasallen sollen zum Wohlergehen bzw. zum Nutzen des Herzogs als Lehensherrn beitragen, Schaden von ihm wenden und keine Lehen verschweigen. Ob und in welchem Umfang Rat und Hilfe geleistet worden ist, kann aus den Quellen heraus nicht beantwortet werden. Kriegsdienste der Vasallen spielten praktisch keine Rolle mehr. Nur aus einigen Verleihungen von Burgen gehen konkretere Verpflichtungen wie eine Öffnungs- oder Residenzpflicht hervor.

Auch die konkreten Pflichten des Lehensherrn bleiben im Dunkeln. Außer der Pflicht, dem Vasallen Schutz und Schirm zu bieten und ihm in Notsituationen zu helfen, geht aus den Quellen dazu nichts hervor. Heimgefallene Lehen konnte der Herzog einbehalten, es bestand also weiterhin kein Leihezwang für ihn.

Lehensobjekte und -subjekte

Besonders charakteristisch für das spätmittelalterliche Lehenswesen der Wittelsbacher Herzöge ist das niedrige soziale Niveau der Vasallenschaft und der geringe Wert der zu Lehen gehenden Objekte. Die Struktur der Vasallenschaft veränderte sich. So war der Anteil der Adeligen nur noch gering. Der größte Teil der Vasallen stammte seit dem 14. Jahrhundert aus der bäuerlichen Bevölkerung. Im Unterschied zu den von Adeligen gehaltenen Ritterlehen werden die bürgerlichen oder bäuerlichen Lehen als Beutellehen bezeichnet, da das bei einer Belehnung fällige "Reichnis" in einen Beutel zu legen war. Der Begriff "Beutellehen" erscheint in den Quellen freilich erst Ende des 15. Jahrhunderts. Beutellehen leiteten sich entweder aus Ritterlehen ab oder aus Eigengütern, die sich an die Rechtsform eines Lehen angenähert hatten und nicht mehr präzise von diesen unterschieden wurden. Da Lehen gleichzeitig auch zu Eigen- oder Urbargütern umgewandelt werden konnten, ist das Lehenswesen teilweise nicht mehr präzise von anderen bäuerlichen Leiheformen oder Eigen unterscheidbar (Holzfurtner, Faußner).

Bedeutendere Lehensobjekte wie Gerichtsrechte, Burgen, Zoll- oder Bergbauregale oder auch Ämter wurden kaum noch verliehen. Die übergroße Mehrheit der Lehensobjekte waren landwirtschaftliche Güter, die meist von den bäuerlichen Vasallen selbst bewirtschaftet wurden, und Rechte. In erster Linie sind Höfe bzw. Teilhöfe (beispielsweise ein halber oder viertelter Hof) mit dazugehörigem zu bewirtschaftendem Agrarland wie Wiesen oder Äckern und Zehntrechte verliehen worden. Auch die mit Urbargut verwandten, von Bauern gehaltenen Zinslehen spielten zumindest im Herzogtum Bayern-München eine Rolle. Aus Zinslehen hatten die Vasallen eine jährliche Abgabe an den Lehensherren zu entrichten.

Bedeutung des herzoglichen Lehenswesens im Spätmittelalter

Die Bedeutung des Lehenswesens für das spätmittelalterliche Herzogtum Bayern ist insgesamt als eher gering einzuschätzen. Es hatte den Charakter einer keineswegs herausgehobenen Rechtsform unter vielen, die sich sogar teilweise mit anderen Rechtsformen vermengte. Das persönliche Element des Lehenswesens, die Bindung des Vasallen an den Lehensherrn, trat gegenüber dinglichen Komponenten wie der selbständigen Bearbeitung der verliehenen Güter durch die bäuerlichen Vasallen oder auch den bei den Belehnungen anfallenden Taxen zurück. Der Adel im 14. und 15. Jahrhundert war über das Ämterwesen, seine Tätigkeit im herzoglichen Rat, die Landsässigkeit und die Geschlossenheit des bayerischen Territoriums bereits so weit an den Herzog gebunden, dass eine zusätzliche lehensrechtliche Bindung nicht mehr zwingend erforderlich war.

Ausblick auf die Neuzeit

Nach der Wiedervereinigung Bayerns 1506 wurde auch das herzogliche Lehenswesen institutionell-verwaltungsmäßig neu strukturiert. Für die Rentämter wurden Lehenpröpste und für die Landgerichte Lehenknechte bzw. Unterlehenpröpste eingesetzt. Die Oberaufsicht ging 1550 auf die neu eingerichtete Hofkammer (mit dem dort installierten Amt des Oberlehenpropstes) über. Seit 1779 war die Obere Landesregierung und schließlich seit 1808 der Oberste Lehenhof zuständig, der dem Ministerium für auswärtige Angelegenheiten unterstand.

Die Entstehung des neuzeitlichen Behördenstaates spiegelt sich auch in den Quellen wider. So wurden seit dem 16. Jahrhundert Ritter- und Beutellehen eindeutig voneinander geschieden, was jeweils eigene Lehenbücher zur Folge hatte. Ritterlehen verlieh der Herzog bei Hofe, Beutellehen die jeweiligen Lehenpröpste. Der sich ausweitende Schriftverkehr schlug sich auch in der systematischen Führung von nach Lehenobjekten gegliederten Sachakten nieder. Im 18. Jahrhundert setzte schließlich eine rege Lehengesetzgebung ein.

Gleichzeitig sank allerdings die Bedeutung des Lehenswesens weiter. Für die Lehensherren entwickelte es sich zu einer reinen Einnahmequelle; das persönliche Element spielte keine Rolle mehr. Einzig die wenigen vom Kurfürsten verliehenen Lehen außerhalb Bayerns, "Ritterlehn außer Lands" genannt, waren von einem gewissen territorialpolitischen Interesse. Seitens des bayerischen Adels werden im 17. und 18. Jahrhundert Bestrebungen erkennbar, Lehen in persönliches Eigentum überzuführen (zu allodifizieren). Davon betroffen waren auch Beutellehen, die sich Adelige über Niedergerichtsrechte aneignen konnten. Der Kurfürst versuchte dem entgegenzutreten, allerdings mit mäßigem Erfolg.

Im Zuge der Umgestaltung Bayerns und der Auflösung des Alten Reiches seit Anfang des 19. Jahrhunderts wurden schließlich fast alle Lehen während eines länger dauernden Prozesses allodifiziert. Das im Zusammenhang mit der bayerischen Verfassung von 1808 erlassene Lehenedikt sah vor, nur noch Kronämter und größere, von Adeligen gehaltene Liegenschaften als Lehen zu erhalten und alles Übrige in persönliches Eigentum überzuführen. Nach den Bestimmungen der Deutschen Bundesakte von 1815 blieben jedoch auch kleinere, von adeligen Standesherren verliehene Ritterlehen bestehen. Vollständig aufgelöst wurden zunächst nur die Beutellehen. Erst 1848 erließ der bayerische Staat ein Gesetz, das die Ablösung sämtlicher Lehen regelte. Davon ausgenommen waren wiederum nur die Kronämter und besondere königliche Lehen-Dotationen. Sie bestanden noch bis 1919/20, als das Lehenswesen endgültig abgeschafft wurde, fort.

Literatur

  • Matthias Bader, Das Lehenswesen Herzog Heinrichs XVI. des Reichen von Bayern-Landshut. Eine schriftgutkundliche Studie zur Herrschafts- und Verwaltungspraxis eines Territorialfürstentums in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts (Studien zur bayerischen Verfassungs- und Sozialgeschichte 30), München 2013.
  • Jürgen Dendorfer, Was war das Lehnswesen? Zur politischen Bedeutung der Lehnsbindung im Hochmittelalter, in: Eva Schlotheuber (Hg.), Denkweisen und Lebenswelten des Mittelalters (Münchner Kontaktstudium Geschichte 7), München 2004, 43-64.
  • Jürgen Dendorfer/Roman Deutinger (Hg.), Das Lehnswesen im Hochmittelalter. Forschungskonstrukte – Quellenbefunde – Deutungsrelevanz (Mittelalter-Forschungen 34), Ostfildern 2010. (darin vor allem die Beiträge von Hubertus Seibert, Non predium, sed beneficium esset … Das Lehnswesen im Spiegel der bayerischen Privaturkunden des 12. Jahrhunderts [mit Ausblicken auf Tirol], 143-162; Gertrud Thoma, Leiheformen zwischen Grundherrschaft und Lehnswesen. Beneficia, lehen und feoda in hochmittelalterlichen Urbaren, 367-386, und Roman Deutinger, Das hochmittelalterliche Lehnswesen. Ergebnisse und Perspektiven, 463-473)
  • Hans Constantin Faußner, Vom salmannischen Eigen zum Beutellehen. Zum bäuerlichen Grundeigentum im bayerisch-österreichischen Rechtsgebiet, in: Forschungen zur Rechtsarchäologie und rechtlichen Volkskunde 12 (1990), 11-37.
  • François-Louis Ganshof, Was ist das Lehnswesen? Darmstadt 6. Auflage 1983 (franz. Erstausgabe: Qu'est-ce que la féodalité?, Brüssel 1944).
  • Ernst Klebel, Territorialstaat und Lehen, in: Hans Patze (Hg.), Studien zum mittelalterlichen Lehenswesen (Vorträge und Forschungen 5), Lindau/Konstanz 1960, 195-228.
  • Christoph Kutter, Die Münchner Herzöge und ihre Vasallen. Die Lehenbücher der Herzöge von Oberbayern-München im 15. Jahrhundert. Ein Beitrag zur Geschichte des Lehenswesens, Diss. masch. München 1993.
  • Woldemar Lippert, Die deutschen Lehnbücher. Beitrag zum Registerwesen und Lehnrecht des Mittelalters, Leipzig 1903 (ND Aalen 1970).
  • Heinrich Mitteis, Lehnrecht und Staatsgewalt. Untersuchungen zur mittelalterlichen Verfassungsgeschichte, Weimar 1933 (ND Köln/Wien 1974).
  • Steffen Patzold, Das Lehnswesen (Beck'sche Reihe 2745), München 2012.
  • Susan Reynolds, Fiefs and Vasalls. The Medieval Evidence Reinterpreted, Oxford 1994.
  • Bärbel Schneiderfritz, Die letzte Phase des bayerischen Lehenswesens im beginnenden neunzehnten Jahrhundert, Diss. masch. München 1967.
  • Karl-Heinz Spieß, Art. Lehn(s)recht, Lehnswesen, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte. 2. Band, Sp. 1725-1741.
  • Karl-Heinz Spieß (Hg.), Ausbildung und Verbreitung des Lehnswesens im Reich und in Italien im 12. und 13. Jahrhundert (Vorträge und Forschungen 76), Ostfildern 2013.
  • Karl-Heinz Spieß, Das Lehnswesen in Deutschland im hohen und späten Mittelalter, Stuttgart 3. Auflage 2011.
  • Max Spindler, Die Anfänge des bayerischen Landesfürstentums (Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte 26), München 1937.
  • Joachim Wild u. a. (Hg.), Die Fürstenkanzlei des Mittelalters. Anfänge weltlicher und geistlicher Zentralverwaltung in Bayern (Ausstellungskataloge der Staatlichen Archive Bayerns 16), Neustadt a. d. Aisch 1983. (Abschnitt "Lehenswesen", 147-156)

Quellen

Weiterführende Recherche

Externe Links

Verwandte Artikel

Lehensrecht, Lehenrecht, Lehnrecht, Lehenwesen, Lehnswesen

Empfohlene Zitierweise

Matthias Bader, Lehenswesen in Altbayern, publiziert am 16.09.2013; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Lehenswesen_in_Altbayern> (13.10.2024)