Bischofsernennung (19./20. Jahrhundert)
Aus Historisches Lexikon Bayerns
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Nach der Säkularisation konnte Bayern, wie andere katholische Staaten Europas, im Konkordat von 1817 das Nominationsrecht des bayerischen Königs für alle (Erz-)Bistümer durchsetzen. Seit dem Übergang Bayerns von der Monarchie zur Republik 1918 und dem Bayerischen Konkordat von 1924 hat dagegen der Papst eine sehr weitgehende Freiheit bei der Ernennung der bayerischen Bischöfe.
Ausgangslage nach der Säkularisation
Mit dem Ende der alten Reichskirche in der Säkularisation von 1802/03 wurden die deutschen Domkapitel, deren Bischofswahlrecht das Wormser Konkordat von 1122 garantiert hatte, aufgelöst. Bis zur Neuregelung der Diözesanverhältnisse bestand damit eine erhebliche Rechtsunsicherheit, weswegen zwischen 1803 und 1821 mehrere Bischofsstühle in Deutschland teilweise jahrelang vakant blieben (in Bayern: Freising ab 1803, Würzburg und Bamberg ab 1808, Augsburg ab 1812).
Das königliche Ernennungsrecht und das Bayerische Konkordat von 1817
Das Bayerische Konkordat von 1817 sah in seinem Art. IX ein vertraglich gesichertes königliches Nominationsrecht vor, das dem König durch päpstliches Indult vom 13. November 1817 verliehen wurde. Das Recht, die Bischöfe seines Landes zu ernennen, erhielt während des 19. Jahrhunderts nur die katholische Dynastie der Wittelsbacher zugestanden. Während die Habsburger in Österreich derartige Rechte teilweise schon seit dem 15. Jahrhundert besaßen, konnten andere deutsche (protestantische) Herrscherhäuser, in deren Staaten Bischofsitze lagen (Preußen, Württemberg, Baden), dieses Privileg nicht erlangen.
Es war bei den Vertragsverhandlungen umstritten, ob dem bayerischen König ein solches Ernennungsrecht zukommen sollte. Anfangs bevorzugte der Nuntius ein Wahlrecht der Domkapitel, das seit dem IV. Laterankonzil 1215 die gemeinrechtliche kanonische Besetzungsform war. Der bayerische König sah in einem Nominationsrecht für die Bistümer in Bayern aber ein von der Krone nicht zu trennendes Recht. Hierzu konnte er sich auf die Praxis in anderen europäischen Ländern mit katholischen Herrscherhäusern berufen, vor allem auf Frankreich, wo dieses Recht bereits seit 1516 bestand und im Napoleonischen Konkordat 1801 bestätigt wurde.
Anfangs erwog man in den Konkordatsverhandlungen, ein Nominationsrecht König Max I. Joseph (1756-1825, König 1806-1825) persönlich zu gewähren oder auf bestimmte bayerische Bistümer zu beschränken. Konkordatsrechtlich verbindlich wurde am Ende aber ein königliches Nominationsrecht für alle bayerischen (Erz-)Bistümer (München-Freising mit Augsburg, Passau und Regensburg, Bamberg mit Eichstätt, Speyer und Würzburg), gültig für den König sowie alle seine katholischen Nachfolger.
Inhalt und Praxis des königlichen Nominationsrechtes zwischen 1817 und 1918
In der Zeit von 1817 bis 1918 bereitete die Anwendung des königlichen Nominationsrechts zwar teilweise erhebliche Probleme, diese konnten aber schiedlich-friedlich beigelegt werden. Die Schwierigkeiten resultierten nicht zuletzt aus dem Umstand, dass "das Konkordat nicht als selbständiges Gesetz, sondern als bloßer drittrangiger Annex zur Verfassung und zum Religionsedikt veröffentlicht werden sollte" (Listl, Die konkordatäre Entwicklung, 437). In der Tegernseer Erklärung vom 15. September 1821 versicherte König Max I. Joseph, dass das Konkordat als Staatsgesetz angesehen und vollzogen werden solle. Damit war auf der Grundlage eines Formelkompromisses die rechtliche Grundlage für das kooperative, nicht immer spannungsfreie Miteinander zwischen Staat und Kirche geschaffen. Durch die Unsicherheiten bei der Anwendung des Konkordats verzögerte sich aber die Besetzung der Bischofsstühle bis 1821.
Das königliche Ernennungsrecht bedeutete nicht, dass mit der Benennung eines Kandidaten an den Papst und der Übersendung des königlichen Ernennungsdekrets die Besetzung eines Bischofstuhls abgeschlossen war. Der königlichen "Nominatio" hatte die päpstliche "Institutio" zu folgen. Erst mit der Einsetzung durch den Papst, gegebenenfalls der Bischofsweihe (Ordination) und der Besitzergreifung (Inthronisation) wurde das bischöfliche Amt wirklich übertragen und war der Nominierte zu bischöflichen Amtshandlungen in seinem Bistum befugt.
Bei seiner Entscheidung über die Einsetzung eines vom bayerischen König Nominierten hatte der Papst zwar keine völlige Entscheidungsfreiheit, doch konnte er prüfen, ob die kanonischen Eigenschaften bei dem Betreffenden vorlagen. Dies führte in der Praxis dazu, dass Rom nicht selten Nominierte ablehnte. Die Folge waren rechtliche Verwicklungen, da mit der Publikation des königlichen Ernennungsdekrets die Übertragung der Pfründe verbunden sein sollte. Praktische Lösung des Problems war, dass der Nominierte resignierte oder die königliche Ernennung zurückgenommen wurde.
Unklar war, ob der königlichen Nomination eine Fühlungnahme mit dem Hl. Stuhl vorausgehen sollte. Eine solche erfolgte etwa bei der Nomination des damaligen Speyrer Bischofs Michael von Faulhaber (1869-1952) im Jahre 1917 zum Erzbischof von München und Freising. Dies war aber die Ausnahme.
Die Nominationen des Jahres 1917 waren die letzten, die der bayerische König vornahm. Als königliches Vorrecht musste das Nominationsrecht in dem Moment erlöschen, als die Staatsform 1918 wechselte. Damit endete die Geschichte eines Rechtsinstituts, das im Königreich Bayern zwischen 1817 und 1918 zu keinen Konflikten größeren Ausmaßes geführt hatte, Bayern vielmehr neben Österreich als einen der "stolzesten Träger der Bischofsnomination" (Stutz) auswies.
Das Bayerische Konkordat 1924 und die Bischofsernennungen
Das Bayerische Konkordat vom 29. März 1924 regelt in seinem Art. 14 § 1, dass der Papst für die bayerischen Diözesen, zu denen nach wie vor das Bistum Speyer gehört, das freie Ernennungsrecht hat. Er ist dabei nur an die Listen gebunden, die von den bayerischen (Erz-)Bischöfen und den Dom- bzw. Metropolitankapiteln dem Heiligen Stuhl im dreijährigen Turnus (daher Triennallisten) unabhängig von konkreten Besetzungsfällen nach Rom gegeben werden. Im Falle der Vakanz hat dann noch das konkrete Dom- bzw. Metropolitankapitel dem Heiligen Stuhl eine zusätzliche Liste Stuhl zu übermitteln. Das Konkordat von 1924 verpflichtet den Papst dazu, nur einen Kandidaten zum Bischof zu ernennen, der auf einer dieser Listen einmal aufgeführt worden ist. Praktische Probleme oder Konflikte sind anscheinend bis jetzt nicht aufgetreten.
Nuntius Pacelli und das Kapitelswahlrecht
Das Konkordat trug damit den Regelungen des Codex Iuris Canonici von 1917 Rechnung, modifizierte diese aber durch die Berücksichtigung der eingereichten Listen. Damit verhalf die bayerische Regelung dem universalkirchenrechtlichen Petitum zum Durchbruch, dass dem Papst das bischöfliche Ernennungsrecht zukommen müsse.
Die Frage der Bischofsernennungen verzögerte die Konkordatsverhandlungen, weil Mitglieder der bayerischen Dom- bzw. Metropolitankapitel zusammen mit der bayerischen Staatsregierung ein Kapitelwahlrecht durchsetzen wollten. In seiner Note vom 26. Mai 1923 widersetzte sich Nuntius Eugenio Pacelli (1876-1958, seit 1939 Pius XII.) diesem Ansinnen und schrieb: "Der Heilige Stuhl wird beim Abschluß neuer Vereinbarungen nirgends in der Welt seine Freiheit in der Ernennung der Bischöfe einschränken lassen. Nur um Bayern einen besonderen Beweis Seines Wohlwollens zu geben, ist Er bereit, als äußerstes Zugeständnis den bayerischen Domkapiteln zu gewähren, dass sie alle drei Jahre direkt an den Heiligen Stuhl eine Liste von Kandidaten einreichen, die sie für das bischöfliche Amt als würdig und geeignet erachten; unter diesen – und den von den Hochwürdigsten Herren Bischöfen bezeichneten – behält sich der Heilige Stuhl freie Auswahl vor." (Listl, Die Besetzung der Bischofstühle, 38)
Diese Linie ließ sich in anderen deutschen Ländern nicht durchhalten. So sieht etwa das Preußenkonkordat von 1929 ein Wahlrecht des Domkapitels vor und weicht vom universalkirchenrechtlichen System des freien Ernennungsrechtes des Papstes nicht unerheblich ab. Die Regelung des bischöflichen Ernennungsrechtes im Bayerischen Konkordat von 1924 ist bis heute ein Solitär geblieben, obgleich sie den universalkirchenrechtlichen Vorstellungen am nächsten kommt.
Literatur
- Michael Hirschfeld, Die Bischofswahlen im Deutschen Reich 1887 bis 1914. Ein Konfliktfeld zwischen Staat und katholischer Kirche vom Ende des Kulturkampfes bis zum Ersten Weltkrieg, Aschendorff u. Münster 2012.
- Joseph Listl, Die konkordatäre Entwicklung von 1817 bis 1988, in: Walter Brandmüller (Hg.), Handbuch der bayerischen Kirchengeschichte. Dritter Band: Vom Reichsdeputationshauptschluß bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil, Sankt Ottilien 1991, 427-463.
- Joseph Listl, Die Besetzung der Bischofsstühle: Bischofsernennungen und Bischofswahlen in Deutschland, in: Anton Ziegenaus/Walter Baier (Hg.), Sendung und Dienst im bischöflichen Amt. Festschrift der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Augsburg für Bischof Josef Stimpfle zum 75. Geburtstag, Sankt Ottilien 1991, 29-68.
- Klaus Mörsdorf, Das neue Besetzungsrecht der bischöflichen Stühle unter besonderer Berücksichtigung des Listenverfahrens (Kölner rechtswissenschaftliche Abhandlungen 6), Köln 1933.
- Anton Scharnagl, Das königliche Nominationsrecht für die Bistümer in Bayern 1817-1918, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Kanonistische Abteilung 48 (1928), 228-263.
Weiterführende Recherche
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Empfohlene Zitierweise
Ansgar Hense, Bischofsernennung (19./20. Jahrhundert), publiziert am 16.05.2006; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Bischofsernennung (19./20. Jahrhundert)> (8.12.2024)