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Haus der Bayerischen Geschichte: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Historisches Lexikon Bayerns

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==Vorgeschichte==
==Vorgeschichte==
Erste Initiativen zur Gründung eines Hauses der Bayerischen Geschichte gab es in den 1950er Jahren. Sie sind im Kontext von NS-Diktatur und Zweitem Weltkrieg, den daraus resultierenden Umwälzungen sowie den Bemühungen um die neuerliche Findung eines staatlichen Selbstverständnisses zu sehen. Treibendes Element war ein mitgliederreicher Freundeskreis, der nach einigen Umbildungen bis heute als eingetragener Verein besteht und über 2.000 Mitglieder (Stand: 2020) zählt. Begründet wurde er 1962 als "Kuratorium für die Errichtung des Hauses der Geschichte in München" durch die Initiative des Generals der Gebirgstruppe a.D. Rudolf Konrad (1891-1964). Die im Kuratorium tonangebenden Militärs um Konrad beabsichtigten eine Dauerausstellung zur bayerischen Geschichte mit stark militärhistorischer Ausrichtung. Als Kristallisationskern diente der Kuppelbau des zerbombten [[Bayerisches Armeemuseum, Ingolstadt|Bayerischen Armeemuseums]] am Münchner Hofgarten, heute Mittelteil der [[Staatskanzlei]].
Erste Initiativen zur Gründung eines Hauses der Bayerischen Geschichte gab es in den 1950er Jahren. Sie sind im Kontext von NS-Diktatur und Zweitem Weltkrieg, den daraus resultierenden Umwälzungen sowie den Bemühungen um die neuerliche Findung eines staatlichen Selbstverständnisses zu sehen. Treibendes Element war ein mitgliederreicher Freundeskreis, der nach einigen Umbildungen bis heute als eingetragener Verein besteht und über 2.000 Mitglieder (Stand: 2020) zählt. Begründet wurde er 1962 als "Kuratorium für die Errichtung des Hauses der Geschichte in [[Ort:ODB_S00008915|München]]{{#set:OID=ODB_S00008915}}" durch die Initiative des Generals der Gebirgstruppe a.D. [[Person:102556457X|Rudolf Konrad]]{{#set:PND=102556457X}} (1891-1964). Die im Kuratorium tonangebenden Militärs um Konrad beabsichtigten eine Dauerausstellung zur bayerischen Geschichte mit stark militärhistorischer Ausrichtung. Als Kristallisationskern diente der Kuppelbau des zerbombten [[Bayerisches Armeemuseum, Ingolstadt|Bayerischen Armeemuseums]] am Münchner Hofgarten, heute Mittelteil der [[Staatskanzlei]].


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Ein breiterer konzeptueller Ansatz ergab sich aus dem bereits 1961 gestellten Antrag der [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) (nach 1945)|SPD]]-[[Landtagsfraktionen (seit 1946)|Fraktion]] im [[Bayerischer Landtag (nach 1945)|Landtag]], namentlich durch Wilhelm Hoegner (SPD, 1887–1980, [[Bayerischer Ministerpräsident|Ministerpräsident]] 1945–1946, 1954–1957), eine "Stätte geschichtlicher Selbstdokumentation des bayerischen Staates" zu errichten. Im nämlichen Antrag erschien auch erstmals die Bezeichnung "Haus der bayerischen Geschichte", abgekürzt HdBG. Bereits ein Jahr später, am 20. November 1962, beschloss der Ministerrat formell die Errichtung eines Hauses der Bayerischen Geschichte – in räumlicher Anbindung an einen Neubau der Staatskanzlei. Dieser Ansatz war seiner Zeit voraus. Selbst auf Bundesebene gelang es erst 1986, das "Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland" in Bonn (Nordrhein-Westfalen) zu gründen. Vergleichsweise sei noch auf das "Haus der Geschichte Österreich" verwiesen, das erst 2018 eröffnet wurde.
Ein breiterer konzeptueller Ansatz ergab sich aus dem bereits 1961 gestellten Antrag der [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) (nach 1945)|SPD]]-[[Landtagsfraktionen (seit 1946)|Fraktion]] im [[Bayerischer Landtag (nach 1945)|Landtag]], namentlich durch [[Person:118551922|Wilhelm Hoegner]]{{#set:PND=118551922}} (SPD, 1887–1980, [[Bayerischer Ministerpräsident|Ministerpräsident]] 1945–1946, 1954–1957), eine "Stätte geschichtlicher Selbstdokumentation des bayerischen Staates" zu errichten. Im nämlichen Antrag erschien auch erstmals die Bezeichnung "Haus der bayerischen Geschichte", abgekürzt HdBG. Bereits ein Jahr später, am 20. November 1962, beschloss der Ministerrat formell die Errichtung eines Hauses der Bayerischen Geschichte – in räumlicher Anbindung an einen Neubau der Staatskanzlei. Dieser Ansatz war seiner Zeit voraus. Selbst auf Bundesebene gelang es erst 1986, das "Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland" in Bonn (Nordrhein-Westfalen) zu gründen. Vergleichsweise sei noch auf das "Haus der Geschichte Österreich" verwiesen, das erst 2018 eröffnet wurde.


In Bayern geriet die Idee bald in Konflikt mit den Direktoren der staatlichen Museen. Sie fürchteten, dafür Exponate aus ihren Häusern abgeben zu müssen. Die Landeshistoriker Max Spindler (1894–1986) und Karl Bosl (1908–1993) sowie ihre Schulen lavierten zwischen dem nicht mehr zeitgemäßen Konzept des "Nationalmuseums" und dem kaum konkretisierten des "Sozialmuseums". Schließlich gab es sogar eine politische und städtebauliche Kontroverse um das Projekt im Rahmen des Neubaus der Staatskanzlei am Münchner Hofgarten. Im Verbund mit der Staatskanzlei hätte das HdBG mit einer festen Ausstellung realisiert werden sollen. Dieser Plan scheiterte schließlich an der Verkleinerung des Baus wegen der archäologischen und denkmalpflegerischen Befunde (Hofarkaden der Renaissance-Residenz der [[Wittelsbacher (19./20. Jahrhundert)|Wittelsbacher]]). Von den ursprünglich geplanten drei Flügeln wurde nur der mittlere mit dem Kuppelbau des ehemaligen Armeemuseums im Zentrum realisiert und 1993 ausschließlich von der Staatskanzlei bezogen.
In Bayern geriet die Idee bald in Konflikt mit den Direktoren der staatlichen Museen. Sie fürchteten, dafür Exponate aus ihren Häusern abgeben zu müssen. Die Landeshistoriker [[Person:118752081|Max Spindler]]{{#set:PND=118752081}} (1894–1986) und [[Person:118662090|Karl Bosl]]{{#set:PND=118662090}} (1908–1993) sowie ihre Schulen lavierten zwischen dem nicht mehr zeitgemäßen Konzept des "Nationalmuseums" und dem kaum konkretisierten des "Sozialmuseums". Schließlich gab es sogar eine politische und städtebauliche Kontroverse um das Projekt im Rahmen des Neubaus der Staatskanzlei am Münchner Hofgarten. Im Verbund mit der Staatskanzlei hätte das HdBG mit einer festen Ausstellung realisiert werden sollen. Dieser Plan scheiterte schließlich an der Verkleinerung des Baus wegen der archäologischen und denkmalpflegerischen Befunde (Hofarkaden der Renaissance-Residenz der [[Wittelsbacher (19./20. Jahrhundert)|Wittelsbacher]]). Von den ursprünglich geplanten drei Flügeln wurde nur der mittlere mit dem Kuppelbau des ehemaligen Armeemuseums im Zentrum realisiert und 1993 ausschließlich von der Staatskanzlei bezogen.


==Etablierung als staatliche Einrichtung und erste große Ausstellungen==
==Etablierung als staatliche Einrichtung und erste große Ausstellungen==
Zu diesem Zeitpunkt gab es aber das "Haus der Bayerischen Geschichte" in gewisser Weise bereits. 1972 war es in Form zweier Arbeitsgruppen unter Leitung des Historikers und Geschichtsdidaktikers Hubert Glaser (1928–2019) eingerichtet worden. Die eine sollte die Konzeption des HdBG vorantreiben, die andere ein erstes konkretes Ausstellungsprojekt umsetzen. Letzteres Vorhaben, die Umsetzung einer historischen Sonderausstellung, erwies sich als derart zeitgemäß, dass es fast gleichzeitig dreimal in der Bundesrepublik angegangen wurde. 1976 realisierte die Arbeitsgruppe HdBG die große historische Ausstellung "Kurfürst Max Emanuel – Bayern und Europa um 1700" im Neuen und im Alten Schloss in Schleißheim, die mit fast 280.000 Besuchern einen großartigen Erfolg feiern konnte. Erst 1977 folgten in Stuttgart (Baden-Württemberg) die Ausstellungen "Die Zeit der Staufer" und in Berlin 1981 "Preußen – Versuch einer Bilanz". Neu war an allen drei Projekten, dass sie historische Sachverhalte aufzeigen wollten, während bis dahin ästhetisierende kunsthistorische Präsentationen üblich waren.
Zu diesem Zeitpunkt gab es aber das "Haus der Bayerischen Geschichte" in gewisser Weise bereits. 1972 war es in Form zweier Arbeitsgruppen unter Leitung des Historikers und Geschichtsdidaktikers [[Person:133375056|Hubert Glaser]]{{#set:PND=133375056}} (1928–2019) eingerichtet worden. Die eine sollte die Konzeption des HdBG vorantreiben, die andere ein erstes konkretes Ausstellungsprojekt umsetzen. Letzteres Vorhaben, die Umsetzung einer historischen Sonderausstellung, erwies sich als derart zeitgemäß, dass es fast gleichzeitig dreimal in der Bundesrepublik angegangen wurde. 1976 realisierte die Arbeitsgruppe HdBG die große historische Ausstellung "Kurfürst [[Person:11857941X|Max Emanuel]]{{#set:PND=11857941X}} – Bayern und Europa um 1700" im Neuen und im Alten Schloss in Schleißheim, die mit fast 280.000 Besuchern einen großartigen Erfolg feiern konnte. Erst 1977 folgten in Stuttgart (Baden-Württemberg) die Ausstellungen "Die Zeit der Staufer" und in Berlin 1981 "Preußen – Versuch einer Bilanz". Neu war an allen drei Projekten, dass sie historische Sachverhalte aufzeigen wollten, während bis dahin ästhetisierende kunsthistorische Präsentationen üblich waren.


Während die Präsentationen in Stuttgart und Berlin keine Fortsetzung fanden, machte sich die bayerische Arbeitsgruppe sogleich an das nächste Projekt, die sog. Wittelsbacher-Ausstellung (zum Jubiläum 800 Jahre Belehnung Ottos von Wittelsbach mit dem [[Herzogswürde, bayerische|Herzogtum Bayern]]), die dann 1980 an drei Standorten in Landshut und München sowie mit einer begleitenden Wanderausstellung an weiteren 80 Standorten wieder mit großem Erfolg realisiert werden sollte. Zum 1. Oktober 1978 glückte die offizielle Konstituierung des Hauses der Bayerischen Geschichte als selbständige und unmittelbar in das [[Staatsministerium für Unterricht und Kultus (nach 1945)|Kultusministerium]] eingegliederte Behörde durch Ministerratsbeschluss am Ende der Ära von Ministerpräsident Alfons Goppel ([[Christlich-Soziale Union (CSU)|CSU]], 1905–1991, Ministerpräsident 1962–1978). Einen Sitz hatte das HdBG auch zu diesem Zeitpunkt nicht (abgesehen von den Büroräumen in der Wagmüllerstraße im Münchner Lehel), außerdem keine Sammlung, aber einen eigenen Etat.
Während die Präsentationen in Stuttgart und Berlin keine Fortsetzung fanden, machte sich die bayerische Arbeitsgruppe sogleich an das nächste Projekt, die sog. Wittelsbacher-Ausstellung (zum Jubiläum 800 Jahre Belehnung [[Person:124104428|Ottos von Wittelsbach]]{{#set:PND=124104428}} mit dem [[Herzogswürde, bayerische|Herzogtum Bayern]]), die dann 1980 an drei Standorten in [[Ort:ODB_S00021946|Landshut]]{{#set:PND=ODB_S00021946}} und München sowie mit einer begleitenden Wanderausstellung an weiteren 80 Standorten wieder mit großem Erfolg realisiert werden sollte. Zum 1. Oktober 1978 glückte die offizielle Konstituierung des Hauses der Bayerischen Geschichte als selbständige und unmittelbar in das [[Staatsministerium für Unterricht und Kultus (nach 1945)|Kultusministerium]] eingegliederte Behörde durch Ministerratsbeschluss am Ende der Ära von Ministerpräsident [[Person:118540777|Alfons Goppel]]{{#set:PND=118540777}} ([[Christlich-Soziale Union (CSU)|CSU]], 1905–1991, Ministerpräsident 1962–1978). Einen Sitz hatte das HdBG auch zu diesem Zeitpunkt nicht (abgesehen von den Büroräumen in der Wagmüllerstraße im Münchner Lehel), außerdem keine Sammlung, aber einen eigenen Etat.


Besonders abträglich wirkte sich aus, dass bei der gewaltigen Dimension der Wittelsbacher-Ausstellungen zu wenig Wert auf eine adäquate und professionelle Verwaltung der Projektmittel gelegt wurde. Aufgrund der Kostenüberschreitungen kam das HdBG in die Kritik, was schließlich sogar die Schaffung von Planstellen blockierte. Die für Konzeption und Realisierung der Wittelsbacher-Ausstellungen per Zeitvertrag beschäftigten Fachleute konnten in Konsequenz nicht gehalten werden.
Besonders abträglich wirkte sich aus, dass bei der gewaltigen Dimension der Wittelsbacher-Ausstellungen zu wenig Wert auf eine adäquate und professionelle Verwaltung der Projektmittel gelegt wurde. Aufgrund der Kostenüberschreitungen kam das HdBG in die Kritik, was schließlich sogar die Schaffung von Planstellen blockierte. Die für Konzeption und Realisierung der Wittelsbacher-Ausstellungen per Zeitvertrag beschäftigten Fachleute konnten in Konsequenz nicht gehalten werden.
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==Entwicklung der Bayerischen Landesausstellungen==
==Entwicklung der Bayerischen Landesausstellungen==
[[Datei:Aufbruch ins Industriezeitalter-Haus der Bayerischen Geschichte.jpg|thumb|Eindruck aus der Ausstellung "Aufbruch ins Industriezeitalter" (1985). (Haus der Bayerischen Geschichte)]]
[[Datei:Aufbruch ins Industriezeitalter-Haus der Bayerischen Geschichte.jpg|thumb|Eindruck aus der Ausstellung "Aufbruch ins Industriezeitalter" (1985). (Haus der Bayerischen Geschichte)]]
In gewisser Weise schwebte das HdBG in den frühen 1980er Jahren zwischen Etablierung und Einstellung des Projekts, bis sich Ministerpräsident Franz Josef Strauß (CSU, 1915–1988, Ministerpräsident 1978–1988) in seiner zweiten Regierungserklärung 1982 des HdBG annahm und ankündigte, das Haus wegen seiner ressortübergreifenden Aufgabe in die Staatskanzlei zu ziehen. Es sollte die geschichtliche und kulturelle Vielfalt Bayerns allen Bevölkerungsschichten, vor allem der jungen Generation, in allen Landesteilen zugänglich machen, die Gesamtstaatlichkeit Bayerns darstellen und das Geschichtsbewusstsein fördern. Bei Zielsetzung und Konzeption wurde zurückgegriffen auf die Überlegungen Hubert Glasers, der 1981 als Leiter des HdBG zurückgetreten war. Sein Nachfolger wurde der Kunsthistoriker und Soziologe Claus Grimm (geb. 1940, Direktor des HdBG 1983–2007). Ihm gelang es, das HdBG als Behörde im Haushalt des [[Freistaat Bayern|Freistaats]] mit den erforderlichen Planstellen zu etablieren.
In gewisser Weise schwebte das HdBG in den frühen 1980er Jahren zwischen Etablierung und Einstellung des Projekts, bis sich Ministerpräsident [[Person:118619063|Franz Josef Strauß]]{{#set:PND=118619063}} (CSU, 1915–1988, Ministerpräsident 1978–1988) in seiner zweiten Regierungserklärung 1982 des HdBG annahm und ankündigte, das Haus wegen seiner ressortübergreifenden Aufgabe in die Staatskanzlei zu ziehen. Es sollte die geschichtliche und kulturelle Vielfalt Bayerns allen Bevölkerungsschichten, vor allem der jungen Generation, in allen Landesteilen zugänglich machen, die Gesamtstaatlichkeit Bayerns darstellen und das Geschichtsbewusstsein fördern. Bei Zielsetzung und Konzeption wurde zurückgegriffen auf die Überlegungen Hubert Glasers, der 1981 als Leiter des HdBG zurückgetreten war. Sein Nachfolger wurde der Kunsthistoriker und Soziologe [[Person:13313606X|Claus Grimm]]{{#set:PND=13313606X}} (geb. 1940, Direktor des HdBG 1983–2007). Ihm gelang es, das HdBG als Behörde im Haushalt des [[Freistaat Bayern|Freistaats]] mit den erforderlichen Planstellen zu etablieren.


Wie sich bereits zu Zeiten Glasers abgezeichnet hatte, wurde der Schwerpunkt auf die großen Jahresausstellungen gelegt, die ab 1992 nach dem älteren österreichischen Vorbild als "Bayerische Landesausstellungen" bezeichnet wurden. Der vielbeachtete Aufschlag war "Aufbruch ins Industriezeitalter" in Augsburg 1985 (ca. 85.000 Besucher), der in der Auswahl von Ausstellungsorten und Thema eine Fortentwicklung gegenüber den eher dynastischen und altbayerischen Schwerpunkten der Glaser-Zeit darstellte.
Wie sich bereits zu Zeiten Glasers abgezeichnet hatte, wurde der Schwerpunkt auf die großen Jahresausstellungen gelegt, die ab 1992 nach dem älteren österreichischen Vorbild als "Bayerische Landesausstellungen" bezeichnet wurden. Der vielbeachtete Aufschlag war "Aufbruch ins Industriezeitalter" in [[Ort:ODB_S00008854|Augsburg]]{{#set:OID=ODB_S00008854}} 1985 (ca. 85.000 Besucher), der in der Auswahl von Ausstellungsorten und Thema eine Fortentwicklung gegenüber den eher dynastischen und altbayerischen Schwerpunkten der Glaser-Zeit darstellte.


Hinzu traten kleinere Präsentationen wie Wanderausstellungen, aus denen sogar Dauerausstellungen erwuchsen wie "Der [[Verfassungskonvent von Herrenchiemsee, 10.-23. August 1948|Verfassungskonvent]] auf Herrenchiemsee" 1998. Die thematische Vielfalt, die Bespielung aller [[Regierungsbezirke]] sowie der besondere Wert, den das HdBG auf Besucherorientierung und Didaktik legte, wurden dabei zu seinen Leitlinien. Darüber hinaus erkannte es früh den didaktischen Wert von Medien in Ausstellungen und setzte hier bereits in den späten 1980er Jahren Ton, Film und Computer ein. Als wichtiges Hilfsmittel entwickelte sich das Bildarchiv des HdBG, das aktuell über 300.000 Bildquellen (Stand: 2020) zur bayerischen Geschichte verfügt – von originalen Plakaten und Postkarten bis hin zu Fotografien von Denkmälern. In jüngster Zeit sollte es zur Keimzelle der eigenen Sammlung des HdBG werden. Auch das seit den 1980er Jahren bestehende Zeitzeugenprojekt ist ein wichtiger Teil der Bestände. Das HdBG verfügt derzeit (Stand: 2020) über ca. 500 Interviews von Personen der Zeitgeschichte, die über den bayerischen Alltag, politische Weichenstellungen und besondere Ereignisse mündlich berichten.
Hinzu traten kleinere Präsentationen wie Wanderausstellungen, aus denen sogar Dauerausstellungen erwuchsen wie "Der [[Verfassungskonvent von Herrenchiemsee, 10.-23. August 1948|Verfassungskonvent]] auf [[Ort:ODB_S00017907|Herrenchiemsee]]{{#set:OID=ODB_S00017907}}" 1998. Die thematische Vielfalt, die Bespielung aller [[Regierungsbezirke]] sowie der besondere Wert, den das HdBG auf Besucherorientierung und Didaktik legte, wurden dabei zu seinen Leitlinien. Darüber hinaus erkannte es früh den didaktischen Wert von Medien in Ausstellungen und setzte hier bereits in den späten 1980er Jahren Ton, Film und Computer ein. Als wichtiges Hilfsmittel entwickelte sich das Bildarchiv des HdBG, das aktuell über 300.000 Bildquellen (Stand: 2020) zur bayerischen Geschichte verfügt – von originalen Plakaten und Postkarten bis hin zu Fotografien von Denkmälern. In jüngster Zeit sollte es zur Keimzelle der eigenen Sammlung des HdBG werden. Auch das seit den 1980er Jahren bestehende Zeitzeugenprojekt ist ein wichtiger Teil der Bestände. Das HdBG verfügt derzeit (Stand: 2020) über ca. 500 Interviews von Personen der Zeitgeschichte, die über den bayerischen Alltag, politische Weichenstellungen und besondere Ereignisse mündlich berichten.


Aber eines war das HdBG entgegen seiner ursprünglichen Zielsetzung um 2000 immer noch nicht: ein Museum. Deshalb verfügte es weder über Sammlungsauftrag noch Ankaufsetat. Spätestens mit dem Bau der neuen Staatskanzlei und der Verlagerung des HdBG nach Augsburg 1993 waren die Träume vom HdBG als Museum im Kuppelbau am Münchner Hofgarten ausgeträumt. Der neue Direktor, der Historiker und Museumsfachmann Richard Loibl (geb. 1965, Direktor des HdBG seit 2007), ersetzte dementsprechend das Logo des HdBG mit der Kuppel im Zentrum durch ein neues Signet, das die Vielfalt Bayerns und die Präsenz des HdBG im ganzen Land symbolisierte. Die Bayerischen Landesausstellungen erlebten eine Neuausrichtung: Thematisch wurden Persönlichkeiten nicht nur der bayerischen, sondern der europäischen Geschichte in den Mittelpunkt gerückt, ferner Umwelt- und Kulturgeschichte gestärkt. Im Reformationsjahr lieferte das HdBG den zentralen Beitrag Süddeutschlands mit der Landesausstellung "Ritter, Bauern, Lutheraner" in Coburg. Darauf baute die neue Werbestrategie auf, die die Bayerischen Landesausstellungen als Marke etablierte. 2011 wurde mit der Landesausstellung "Götterdämmerung: König Ludwig II." in Herrenchiemsee mit 575.000 Besuchern der Rekord für historische Ausstellungen in der Bundesrepublik seit der Wiedervereinigung aufgestellt. Weitere Höhepunkte waren die in länderübergreifender Kooperation durchgeführten Landesausstellungen "Bayern und Österreich" in Burghausen, Mattighofen (Österreich) und Ranshofen (Österreich) und "Kaiser Karl IV." in Prag (Tschechien) und Nürnberg mit über 300.000 bzw. fast 200.000 Besuchern. Ergänzt wurde das Programm des HdBG durch die neue kleinere Ausstellungsreihe der Bayern-Ausstellungen und die Publikationsreihe "Edition Bayern", die sich beide vor allem der bayerischen Regionen annahmen und auf Kooperation mit den kommunalen Einrichtungen setzten.
Aber eines war das HdBG entgegen seiner ursprünglichen Zielsetzung um 2000 immer noch nicht: ein Museum. Deshalb verfügte es weder über Sammlungsauftrag noch Ankaufsetat. Spätestens mit dem Bau der neuen Staatskanzlei und der Verlagerung des HdBG nach Augsburg 1993 waren die Träume vom HdBG als Museum im Kuppelbau am Münchner Hofgarten ausgeträumt. Der neue Direktor, der Historiker und Museumsfachmann [[Person:137473001|Richard Loibl]]{{#set:PND=137473001}} (geb. 1965, Direktor des HdBG seit 2007), ersetzte dementsprechend das Logo des HdBG mit der Kuppel im Zentrum durch ein neues Signet, das die Vielfalt Bayerns und die Präsenz des HdBG im ganzen Land symbolisierte. Die Bayerischen Landesausstellungen erlebten eine Neuausrichtung: Thematisch wurden Persönlichkeiten nicht nur der bayerischen, sondern der europäischen Geschichte in den Mittelpunkt gerückt, ferner Umwelt- und Kulturgeschichte gestärkt. Im Reformationsjahr lieferte das HdBG den zentralen Beitrag Süddeutschlands mit der Landesausstellung "Ritter, Bauern, Lutheraner" in [[Ort:ODB_S00038698|Coburg]]{{#set:OID=ODB_S00038698}}. Darauf baute die neue Werbestrategie auf, die die Bayerischen Landesausstellungen als Marke etablierte. 2011 wurde mit der Landesausstellung "Götterdämmerung: [[Person:118574892|König Ludwig II.]]{{#set:PND=118574892}}" in Herrenchiemsee mit 575.000 Besuchern der Rekord für historische Ausstellungen in der Bundesrepublik seit der Wiedervereinigung aufgestellt. Weitere Höhepunkte waren die in länderübergreifender Kooperation durchgeführten Landesausstellungen "Bayern und Österreich" in [[Ort:ODB_S00008986|Burghausen]]{{#set:OID=ODB_S00008986}}, Mattighofen (Österreich) und Ranshofen (Österreich) und "Kaiser Karl IV." in Prag (Tschechien) und [[Ort:ODB_S00000094|Nürnberg]]{{#set:OID=ODB_S00000094}} mit über 300.000 bzw. fast 200.000 Besuchern. Ergänzt wurde das Programm des HdBG durch die neue kleinere Ausstellungsreihe der Bayern-Ausstellungen und die Publikationsreihe "Edition Bayern", die sich beide vor allem der bayerischen Regionen annahmen und auf Kooperation mit den kommunalen Einrichtungen setzten.


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==Das Museum der Bayerischen Geschichte==
==Das Museum der Bayerischen Geschichte==
In seiner ersten Regierungserklärung formulierte Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU, geb. 1949, Ministerpräsident 2008–2018) 2008 folgenden Plan: "Wir wollen unsere bayerische Geschichte für die Menschen greifbarer, erlebbarer, unmittelbarer machen … Ich denke auch daran, mittelfristig ein Museum zur bayerischen Geschichte zu verwirklichen." Nach einer Phase intensiver Diskussionen wurden 2012 folgende Eckpunkte vom Ministerrat beschlossen: Es sollte ein Museum des Freistaats Bayern werden, das das Werden des modernen Staates vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart aufzeigt, die politische Geschichte darstellt, die demokratischen Traditionen und die prägenden Kräfte Bayerns sowie seiner Regionen nach modernen kulturhistorischen Fragestellungen präsentiert. Dadurch wurden Konfliktsituationen, wie sie in den 1960er und 1970er Jahren zu den bestehenden großen Museen bestanden, von vornherein umgangen. Besonderer Wert wurde auf den Aspekt des Bürgermuseums gelegt, also auf die Beteiligung der Bevölkerung. Auf diese Weise gelang es innerhalb kurzer Zeit, eine eigene Museumssammlung aufzubauen. Die Federführung des Projekts erhielt das Haus der Bayerischen Geschichte. Die Verbindung mit den "dezentralen" Landesausstellungen versprach eine optimale Einbindung des "zentralen" Museums in den vom Proporz geprägten staatlichen Rahmen. 2010 wurde in Verbindung mit einem wissenschaftlichen Beirat das erste Museumskonzept vorgelegt, 2011 ein Standortwettbewerb mit 25 Bewerbern durchgeführt, noch im gleichen Jahr der Beschluss des Ministerrats zugunsten Regensburgs gefasst, der Architektenwettbewerb im April 2013 abgeschlossen, am 22. Mai 2015 der Grundstein gelegt und am 4. Juni 2019 das Museum eröffnet.
In seiner ersten Regierungserklärung formulierte Ministerpräsident [[Person:119526069|Horst Seehofer]]{{#set:PND=119526069}} (CSU, geb. 1949, Ministerpräsident 2008–2018) 2008 folgenden Plan: "Wir wollen unsere bayerische Geschichte für die Menschen greifbarer, erlebbarer, unmittelbarer machen … Ich denke auch daran, mittelfristig ein Museum zur bayerischen Geschichte zu verwirklichen." Nach einer Phase intensiver Diskussionen wurden 2012 folgende Eckpunkte vom Ministerrat beschlossen: Es sollte ein Museum des Freistaats Bayern werden, das das Werden des modernen Staates vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart aufzeigt, die politische Geschichte darstellt, die demokratischen Traditionen und die prägenden Kräfte Bayerns sowie seiner Regionen nach modernen kulturhistorischen Fragestellungen präsentiert. Dadurch wurden Konfliktsituationen, wie sie in den 1960er und 1970er Jahren zu den bestehenden großen Museen bestanden, von vornherein umgangen. Besonderer Wert wurde auf den Aspekt des Bürgermuseums gelegt, also auf die Beteiligung der Bevölkerung. Auf diese Weise gelang es innerhalb kurzer Zeit, eine eigene Museumssammlung aufzubauen. Die Federführung des Projekts erhielt das Haus der Bayerischen Geschichte. Die Verbindung mit den "dezentralen" Landesausstellungen versprach eine optimale Einbindung des "zentralen" Museums in den vom Proporz geprägten staatlichen Rahmen. 2010 wurde in Verbindung mit einem wissenschaftlichen Beirat das erste Museumskonzept vorgelegt, 2011 ein Standortwettbewerb mit 25 Bewerbern durchgeführt, noch im gleichen Jahr der Beschluss des Ministerrats zugunsten [[Ort:ODB_S00033360|Regensburgs]]{{#set:OID=ODB_S00033360}} gefasst, der Architektenwettbewerb im April 2013 abgeschlossen, am 22. Mai 2015 der Grundstein gelegt und am 4. Juni 2019 das Museum eröffnet.


Wichtigste Planer waren der Frankfurter Architekt Stefan Traxler (geb. 1958) und -  für die Ausstellungsgestaltung - das Stuttgarter Architekturbüro hg merz. Ausgelegt und zertifiziert wurde das neue Museum als Niedrigenergiehaus. Besonderer Wert wurde – der Tradition des HdBG entsprechend – auf einen 1.000 Quadratmeter großen stützenfreien Wechselausstellungsbereich gelegt. In der Dauerausstellung wird auf 2.500 Quadratmeter die Geschichte des modernen Bayern von ca. 1800 bis heute inszeniert und mit modernsten Medien erzählt. Für das Bildarchiv und als neuartiges medienpädagogisches Lernzentrum wurde neben dem Museum ein eigener Bau errichtet, die sog. Bavariathek, die außerdem als Verwaltungsbau dient. Organisatorisch wurde das neue Museum integraler Bestandteil des HdBG. Bereits im ersten Jahr zählte das Haus über eine halbe Million Besucherinnen und Besucher.
Wichtigste Planer waren der Frankfurter Architekt [[Person:1128090805|Stefan Traxler]]{{#set:PND=1128090805}} (geb. 1958) und -  für die Ausstellungsgestaltung - das Stuttgarter Architekturbüro hg merz. Ausgelegt und zertifiziert wurde das neue Museum als Niedrigenergiehaus. Besonderer Wert wurde – der Tradition des HdBG entsprechend – auf einen 1.000 Quadratmeter großen stützenfreien Wechselausstellungsbereich gelegt. In der Dauerausstellung wird auf 2.500 Quadratmetern die Geschichte des modernen Bayern von ca. 1800 bis heute inszeniert und mit modernsten Medien erzählt. Für das Bildarchiv und als neuartiges medienpädagogisches Lernzentrum wurde neben dem Museum ein eigener Bau errichtet, die sog. Bavariathek, die außerdem als Verwaltungsbau dient. Organisatorisch wurde das neue Museum integraler Bestandteil des HdBG. Bereits im ersten Jahr zählte das Haus über eine halbe Million Besucherinnen und Besucher.


Dadurch entstand das neue Haus der Bayerischen Geschichte, das - ein Alleinstellungsmerkmal unter allen europäischen Geschichtshäusern und -museen - die dauerhafte Ausstellung im modernen Museumsbau in Regensburg mit der Präsenz im ganzen Land durch die jährlich stattfindenden Bayerischen Landesausstellungen und die kleineren Bayern-Ausstellungen verbindet.
Dadurch entstand das neue Haus der Bayerischen Geschichte, das - ein Alleinstellungsmerkmal unter allen europäischen Geschichtshäusern und -museen - die dauerhafte Ausstellung im modernen Museumsbau in Regensburg mit der Präsenz im ganzen Land durch die jährlich stattfindenden Bayerischen Landesausstellungen und die kleineren Bayern-Ausstellungen verbindet.
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==Literatur==
==Literatur==


*Ulrich Eckhardt(Hg.), Preußen – Versuch einer Bilanz. Bilder und Texte einer Ausstellung, Berlin 1982.
*Ulrich Eckhardt (Hg.), Preußen – Versuch einer Bilanz. Bilder und Texte einer Ausstellung, Berlin 1982.
*Hubert Glaser (Hg.), Kurfürst Max Emanuel. Bayern und Europa um 1700, 2 Bde., München 1976.
*Hubert Glaser (Hg.), Kurfürst Max Emanuel. Bayern und Europa um 1700, 2 Bde., München 1976.
*Claus Grimm u. a. (Hg.), Aufbruch ins Industriezeitalter (Ausstellung zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte Bayerns von 1750-1850), 4 Bde., München 1985.
*Claus Grimm u. a. (Hg.), Aufbruch ins Industriezeitalter (Ausstellung zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte Bayerns von 1750-1850), 4 Bde., München 1985.
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==Externe Links==
==Externe Links==


*[http://www.ahf-muenchen.de/Mitglieder/Institutionen/HausBayerGesch.shtml AHF: Das Haus der Bayerischen Geschichte]
*[http://www.hdbg.de/basis/ Internetpräsenz des Hauses der Bayerischen Geschichte]


*[http://www.hdbg.de/basis/index.php Internetpräsenz des Hauses der Bayerischen Geschichte]
*[http://www.hdbg.de/basis/ausstellungen/archiv.html Haus der Bayerischen Geschichte: Archiv der Ausstellungen 1976-2020]


*[http://www.hdbg.de/ausstellungen/index_extern.shtml Datenbank des Hauses der Bayerischen Geschichte zu historischen und kulturgeschichtlichen Ausstellungen 1945-2004]
*[http://www.hdbg.de/basis/das-haus/chronik.html Haus der Bayerischen Geschichte: Chronik]


*[http://www.hdbg.de/basis/07_das-haus_gruendung.php Haus der Bayerischen Geschichte: Die Gründung]
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HdBG
HdBG

Version vom 4. Februar 2021, 18:02 Uhr

Eindruck aus der Ausstellung "Kurfürst Max Emanuel. Bayern und Europa um 1700" im Neuen Schloss Schleißheim, 1976. (Bayerisches Nationalmuseum München / Walter Haberland)

von Richard Loibl

Das seit 1972 errichtete Haus der Bayerischen Geschichte (HdBG) ist die Einrichtung des Freistaates Bayern für Präsentation, Dokumentation und Vermittlung der bayerischen Geschichte. Wichtigste Medien sind die Landesausstellungen, die ausgewählte Themen der bayerischen Geschichte an wechselnden Standorten in allen Landesteilen darstellen. Seit 2019 zeigt das Museum der Bayerischen Geschichte in Regensburg als integraler Bestandteil des HdBG in seiner Dauerausstellung die Geschichte des modernen Bayern seit 1800.

Vorgeschichte

Erste Initiativen zur Gründung eines Hauses der Bayerischen Geschichte gab es in den 1950er Jahren. Sie sind im Kontext von NS-Diktatur und Zweitem Weltkrieg, den daraus resultierenden Umwälzungen sowie den Bemühungen um die neuerliche Findung eines staatlichen Selbstverständnisses zu sehen. Treibendes Element war ein mitgliederreicher Freundeskreis, der nach einigen Umbildungen bis heute als eingetragener Verein besteht und über 2.000 Mitglieder (Stand: 2020) zählt. Begründet wurde er 1962 als "Kuratorium für die Errichtung des Hauses der Geschichte in München" durch die Initiative des Generals der Gebirgstruppe a.D. Rudolf Konrad (1891-1964). Die im Kuratorium tonangebenden Militärs um Konrad beabsichtigten eine Dauerausstellung zur bayerischen Geschichte mit stark militärhistorischer Ausrichtung. Als Kristallisationskern diente der Kuppelbau des zerbombten Bayerischen Armeemuseums am Münchner Hofgarten, heute Mittelteil der Staatskanzlei.

Ein breiterer konzeptueller Ansatz ergab sich aus dem bereits 1961 gestellten Antrag der SPD-Fraktion im Landtag, namentlich durch Wilhelm Hoegner (SPD, 1887–1980, Ministerpräsident 1945–1946, 1954–1957), eine "Stätte geschichtlicher Selbstdokumentation des bayerischen Staates" zu errichten. Im nämlichen Antrag erschien auch erstmals die Bezeichnung "Haus der bayerischen Geschichte", abgekürzt HdBG. Bereits ein Jahr später, am 20. November 1962, beschloss der Ministerrat formell die Errichtung eines Hauses der Bayerischen Geschichte – in räumlicher Anbindung an einen Neubau der Staatskanzlei. Dieser Ansatz war seiner Zeit voraus. Selbst auf Bundesebene gelang es erst 1986, das "Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland" in Bonn (Nordrhein-Westfalen) zu gründen. Vergleichsweise sei noch auf das "Haus der Geschichte Österreich" verwiesen, das erst 2018 eröffnet wurde.

In Bayern geriet die Idee bald in Konflikt mit den Direktoren der staatlichen Museen. Sie fürchteten, dafür Exponate aus ihren Häusern abgeben zu müssen. Die Landeshistoriker Max Spindler (1894–1986) und Karl Bosl (1908–1993) sowie ihre Schulen lavierten zwischen dem nicht mehr zeitgemäßen Konzept des "Nationalmuseums" und dem kaum konkretisierten des "Sozialmuseums". Schließlich gab es sogar eine politische und städtebauliche Kontroverse um das Projekt im Rahmen des Neubaus der Staatskanzlei am Münchner Hofgarten. Im Verbund mit der Staatskanzlei hätte das HdBG mit einer festen Ausstellung realisiert werden sollen. Dieser Plan scheiterte schließlich an der Verkleinerung des Baus wegen der archäologischen und denkmalpflegerischen Befunde (Hofarkaden der Renaissance-Residenz der Wittelsbacher). Von den ursprünglich geplanten drei Flügeln wurde nur der mittlere mit dem Kuppelbau des ehemaligen Armeemuseums im Zentrum realisiert und 1993 ausschließlich von der Staatskanzlei bezogen.

Etablierung als staatliche Einrichtung und erste große Ausstellungen

Zu diesem Zeitpunkt gab es aber das "Haus der Bayerischen Geschichte" in gewisser Weise bereits. 1972 war es in Form zweier Arbeitsgruppen unter Leitung des Historikers und Geschichtsdidaktikers Hubert Glaser (1928–2019) eingerichtet worden. Die eine sollte die Konzeption des HdBG vorantreiben, die andere ein erstes konkretes Ausstellungsprojekt umsetzen. Letzteres Vorhaben, die Umsetzung einer historischen Sonderausstellung, erwies sich als derart zeitgemäß, dass es fast gleichzeitig dreimal in der Bundesrepublik angegangen wurde. 1976 realisierte die Arbeitsgruppe HdBG die große historische Ausstellung "Kurfürst Max Emanuel – Bayern und Europa um 1700" im Neuen und im Alten Schloss in Schleißheim, die mit fast 280.000 Besuchern einen großartigen Erfolg feiern konnte. Erst 1977 folgten in Stuttgart (Baden-Württemberg) die Ausstellungen "Die Zeit der Staufer" und in Berlin 1981 "Preußen – Versuch einer Bilanz". Neu war an allen drei Projekten, dass sie historische Sachverhalte aufzeigen wollten, während bis dahin ästhetisierende kunsthistorische Präsentationen üblich waren.

Während die Präsentationen in Stuttgart und Berlin keine Fortsetzung fanden, machte sich die bayerische Arbeitsgruppe sogleich an das nächste Projekt, die sog. Wittelsbacher-Ausstellung (zum Jubiläum 800 Jahre Belehnung Ottos von Wittelsbach mit dem Herzogtum Bayern), die dann 1980 an drei Standorten in Landshut und München sowie mit einer begleitenden Wanderausstellung an weiteren 80 Standorten wieder mit großem Erfolg realisiert werden sollte. Zum 1. Oktober 1978 glückte die offizielle Konstituierung des Hauses der Bayerischen Geschichte als selbständige und unmittelbar in das Kultusministerium eingegliederte Behörde durch Ministerratsbeschluss am Ende der Ära von Ministerpräsident Alfons Goppel (CSU, 1905–1991, Ministerpräsident 1962–1978). Einen Sitz hatte das HdBG auch zu diesem Zeitpunkt nicht (abgesehen von den Büroräumen in der Wagmüllerstraße im Münchner Lehel), außerdem keine Sammlung, aber einen eigenen Etat.

Besonders abträglich wirkte sich aus, dass bei der gewaltigen Dimension der Wittelsbacher-Ausstellungen zu wenig Wert auf eine adäquate und professionelle Verwaltung der Projektmittel gelegt wurde. Aufgrund der Kostenüberschreitungen kam das HdBG in die Kritik, was schließlich sogar die Schaffung von Planstellen blockierte. Die für Konzeption und Realisierung der Wittelsbacher-Ausstellungen per Zeitvertrag beschäftigten Fachleute konnten in Konsequenz nicht gehalten werden.

Entwicklung der Bayerischen Landesausstellungen

Eindruck aus der Ausstellung "Aufbruch ins Industriezeitalter" (1985). (Haus der Bayerischen Geschichte)

In gewisser Weise schwebte das HdBG in den frühen 1980er Jahren zwischen Etablierung und Einstellung des Projekts, bis sich Ministerpräsident Franz Josef Strauß (CSU, 1915–1988, Ministerpräsident 1978–1988) in seiner zweiten Regierungserklärung 1982 des HdBG annahm und ankündigte, das Haus wegen seiner ressortübergreifenden Aufgabe in die Staatskanzlei zu ziehen. Es sollte die geschichtliche und kulturelle Vielfalt Bayerns allen Bevölkerungsschichten, vor allem der jungen Generation, in allen Landesteilen zugänglich machen, die Gesamtstaatlichkeit Bayerns darstellen und das Geschichtsbewusstsein fördern. Bei Zielsetzung und Konzeption wurde zurückgegriffen auf die Überlegungen Hubert Glasers, der 1981 als Leiter des HdBG zurückgetreten war. Sein Nachfolger wurde der Kunsthistoriker und Soziologe Claus Grimm (geb. 1940, Direktor des HdBG 1983–2007). Ihm gelang es, das HdBG als Behörde im Haushalt des Freistaats mit den erforderlichen Planstellen zu etablieren.

Wie sich bereits zu Zeiten Glasers abgezeichnet hatte, wurde der Schwerpunkt auf die großen Jahresausstellungen gelegt, die ab 1992 nach dem älteren österreichischen Vorbild als "Bayerische Landesausstellungen" bezeichnet wurden. Der vielbeachtete Aufschlag war "Aufbruch ins Industriezeitalter" in Augsburg 1985 (ca. 85.000 Besucher), der in der Auswahl von Ausstellungsorten und Thema eine Fortentwicklung gegenüber den eher dynastischen und altbayerischen Schwerpunkten der Glaser-Zeit darstellte.

Hinzu traten kleinere Präsentationen wie Wanderausstellungen, aus denen sogar Dauerausstellungen erwuchsen wie "Der Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee" 1998. Die thematische Vielfalt, die Bespielung aller Regierungsbezirke sowie der besondere Wert, den das HdBG auf Besucherorientierung und Didaktik legte, wurden dabei zu seinen Leitlinien. Darüber hinaus erkannte es früh den didaktischen Wert von Medien in Ausstellungen und setzte hier bereits in den späten 1980er Jahren Ton, Film und Computer ein. Als wichtiges Hilfsmittel entwickelte sich das Bildarchiv des HdBG, das aktuell über 300.000 Bildquellen (Stand: 2020) zur bayerischen Geschichte verfügt – von originalen Plakaten und Postkarten bis hin zu Fotografien von Denkmälern. In jüngster Zeit sollte es zur Keimzelle der eigenen Sammlung des HdBG werden. Auch das seit den 1980er Jahren bestehende Zeitzeugenprojekt ist ein wichtiger Teil der Bestände. Das HdBG verfügt derzeit (Stand: 2020) über ca. 500 Interviews von Personen der Zeitgeschichte, die über den bayerischen Alltag, politische Weichenstellungen und besondere Ereignisse mündlich berichten.

Aber eines war das HdBG entgegen seiner ursprünglichen Zielsetzung um 2000 immer noch nicht: ein Museum. Deshalb verfügte es weder über Sammlungsauftrag noch Ankaufsetat. Spätestens mit dem Bau der neuen Staatskanzlei und der Verlagerung des HdBG nach Augsburg 1993 waren die Träume vom HdBG als Museum im Kuppelbau am Münchner Hofgarten ausgeträumt. Der neue Direktor, der Historiker und Museumsfachmann Richard Loibl (geb. 1965, Direktor des HdBG seit 2007), ersetzte dementsprechend das Logo des HdBG mit der Kuppel im Zentrum durch ein neues Signet, das die Vielfalt Bayerns und die Präsenz des HdBG im ganzen Land symbolisierte. Die Bayerischen Landesausstellungen erlebten eine Neuausrichtung: Thematisch wurden Persönlichkeiten nicht nur der bayerischen, sondern der europäischen Geschichte in den Mittelpunkt gerückt, ferner Umwelt- und Kulturgeschichte gestärkt. Im Reformationsjahr lieferte das HdBG den zentralen Beitrag Süddeutschlands mit der Landesausstellung "Ritter, Bauern, Lutheraner" in Coburg. Darauf baute die neue Werbestrategie auf, die die Bayerischen Landesausstellungen als Marke etablierte. 2011 wurde mit der Landesausstellung "Götterdämmerung: König Ludwig II." in Herrenchiemsee mit 575.000 Besuchern der Rekord für historische Ausstellungen in der Bundesrepublik seit der Wiedervereinigung aufgestellt. Weitere Höhepunkte waren die in länderübergreifender Kooperation durchgeführten Landesausstellungen "Bayern und Österreich" in Burghausen, Mattighofen (Österreich) und Ranshofen (Österreich) und "Kaiser Karl IV." in Prag (Tschechien) und Nürnberg mit über 300.000 bzw. fast 200.000 Besuchern. Ergänzt wurde das Programm des HdBG durch die neue kleinere Ausstellungsreihe der Bayern-Ausstellungen und die Publikationsreihe "Edition Bayern", die sich beide vor allem der bayerischen Regionen annahmen und auf Kooperation mit den kommunalen Einrichtungen setzten.

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Das Museum der Bayerischen Geschichte

In seiner ersten Regierungserklärung formulierte Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU, geb. 1949, Ministerpräsident 2008–2018) 2008 folgenden Plan: "Wir wollen unsere bayerische Geschichte für die Menschen greifbarer, erlebbarer, unmittelbarer machen … Ich denke auch daran, mittelfristig ein Museum zur bayerischen Geschichte zu verwirklichen." Nach einer Phase intensiver Diskussionen wurden 2012 folgende Eckpunkte vom Ministerrat beschlossen: Es sollte ein Museum des Freistaats Bayern werden, das das Werden des modernen Staates vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart aufzeigt, die politische Geschichte darstellt, die demokratischen Traditionen und die prägenden Kräfte Bayerns sowie seiner Regionen nach modernen kulturhistorischen Fragestellungen präsentiert. Dadurch wurden Konfliktsituationen, wie sie in den 1960er und 1970er Jahren zu den bestehenden großen Museen bestanden, von vornherein umgangen. Besonderer Wert wurde auf den Aspekt des Bürgermuseums gelegt, also auf die Beteiligung der Bevölkerung. Auf diese Weise gelang es innerhalb kurzer Zeit, eine eigene Museumssammlung aufzubauen. Die Federführung des Projekts erhielt das Haus der Bayerischen Geschichte. Die Verbindung mit den "dezentralen" Landesausstellungen versprach eine optimale Einbindung des "zentralen" Museums in den vom Proporz geprägten staatlichen Rahmen. 2010 wurde in Verbindung mit einem wissenschaftlichen Beirat das erste Museumskonzept vorgelegt, 2011 ein Standortwettbewerb mit 25 Bewerbern durchgeführt, noch im gleichen Jahr der Beschluss des Ministerrats zugunsten Regensburgs gefasst, der Architektenwettbewerb im April 2013 abgeschlossen, am 22. Mai 2015 der Grundstein gelegt und am 4. Juni 2019 das Museum eröffnet.

Wichtigste Planer waren der Frankfurter Architekt Stefan Traxler (geb. 1958) und - für die Ausstellungsgestaltung - das Stuttgarter Architekturbüro hg merz. Ausgelegt und zertifiziert wurde das neue Museum als Niedrigenergiehaus. Besonderer Wert wurde – der Tradition des HdBG entsprechend – auf einen 1.000 Quadratmeter großen stützenfreien Wechselausstellungsbereich gelegt. In der Dauerausstellung wird auf 2.500 Quadratmetern die Geschichte des modernen Bayern von ca. 1800 bis heute inszeniert und mit modernsten Medien erzählt. Für das Bildarchiv und als neuartiges medienpädagogisches Lernzentrum wurde neben dem Museum ein eigener Bau errichtet, die sog. Bavariathek, die außerdem als Verwaltungsbau dient. Organisatorisch wurde das neue Museum integraler Bestandteil des HdBG. Bereits im ersten Jahr zählte das Haus über eine halbe Million Besucherinnen und Besucher.

Dadurch entstand das neue Haus der Bayerischen Geschichte, das - ein Alleinstellungsmerkmal unter allen europäischen Geschichtshäusern und -museen - die dauerhafte Ausstellung im modernen Museumsbau in Regensburg mit der Präsenz im ganzen Land durch die jährlich stattfindenden Bayerischen Landesausstellungen und die kleineren Bayern-Ausstellungen verbindet.

Literatur

  • Ulrich Eckhardt (Hg.), Preußen – Versuch einer Bilanz. Bilder und Texte einer Ausstellung, Berlin 1982.
  • Hubert Glaser (Hg.), Kurfürst Max Emanuel. Bayern und Europa um 1700, 2 Bde., München 1976.
  • Claus Grimm u. a. (Hg.), Aufbruch ins Industriezeitalter (Ausstellung zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte Bayerns von 1750-1850), 4 Bde., München 1985.
  • Reiner Haussherr (Hg.), Die Zeit der Staufer: Geschichte, Kunst, Kultur, 4 Bde., Stuttgart 1977.
  • Haus der Bayerischen Geschichte (Hg.), 20 Jahre Haus der Bayerischen Geschichte, Augsburg 2003.
  • Richard Loibl, Von der Lederhose zum Laptop – Bayerns Weg in die Moderne. Große Eröffnung: Das Museum der Bayerischen Geschichte, in: Politische Studien 70 (2019), Heft 484, 50-62.
  • Richard Loibl, Christine Ketzer (Red.), Was vorher geschah. Quer durch die bayerische Geschichte mit Christoph Süß (HdBG Magazin Nr. 1), Augsburg 2018.
  • Richard Loibl, Wie alles begann. Kurze Geschichte des Museums (HdBG Magazin Nr. 3), Augsburg 2019.
  • Richard Loibl, Christine Ketzer (Red.), Der Museumsführer. Wie Bayern Freistaat wurde und was ihn besonders macht (HdBG Magazin Nr. 2), Augsburg 2019.
  • Ulla-Britta Vollhardt, Geschichtspolitik im Freistaat Bayern. Das Haus der Bayerischen Geschichte. Idee, Debatte, Institutionalisierung, München 2003.
  • Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur, hg. vom Haus der Bayerischen Geschichte, bisher 68 Bde., München und Augsburg 1983-2019.

Quellen

  • Karl-Ulrich Gelberg/Ellen Latzin (Bearb.), Quellen zur politischen Geschichte Bayerns in der Nachkriegszeit, 2. Band: 1957-1978, München 2005.

Externe Links

HdBG

Empfohlene Zitierweise

Richard Loibl, Haus der Bayerischen Geschichte, publiziert am 03.022021; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Haus_der_Bayerischen_Geschichte> (02.05.2024)