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Wasserkraftwerke

Aus Historisches Lexikon Bayerns

Traditionelle Wasserkraftnutzung: Wasserrad an der Schönach in Hohenfurch (Lkr. Weilheim-Schongau). (Foto: Bayer. Landesamt für Umwelt)
Donaustaustufe des Laufwasserkraftwerks Ingolstadt. (Bildrechte E.ON Wasserkraft GmbH, Bildautor Rolf Sturm)

von Martin Popp

Zur Erzeugung von Strom aus Wasserkraft sind zwei Faktoren unerlässlich: Wasserabfluss und Gefälle. Vor allem in Südbayern bieten hohe Jahresniederschläge und günstige topographische Verhältnisse gute Voraussetzungen. Die Nutzung der Wasserkraft hat in Bayern eine lange Tradition und hohen Stellenwert. Ihr liegt eine erprobte und ausgereifte Technik mit hohen Wirkungsgraden zugrunde, die in Bayern durchschnittlich etwa 15 % der Gesamtstromerzeugung leistet. Obwohl Wasserkraftwerke durch die Nutzung des regenerativen Energieträgers Wasser ökologisch viele Vorteile besitzen, bedeuten ihre Errichtung und ihr Betrieb für lokale und überregionale Ökosysteme einen Einschnitt und sind stets verbunden mit entsprechenden Beeinträchtigungen (beispielsweise Verlust von Kulturlandschaft durch Aufstauung, Trennung zusammenhängender Ökosysteme, Umsiedlung von Menschen).

Bedeutung und Struktur der Wasserkraft in Bayern

Wasserschöpfrad: Solche der Bauweise nach tiefschlächtigen Wasserräder haben den Vorteil, dass sie unempfindlich gegen Treibgut sind, da sie ihre Antriebskraft weit unter der Wasseroberfläche holen. Wasserschöpfräder wurden nicht nur zur Bewässerung landwirtschaftlicher Flächen benutzt, wie dieses Beispiel zur Bewässerung der Wiesen an den Ufern der Regnitz bei Forchheim zeigt. Abb aus: Das Bayerland. Illustrierte Wochenschrift für Bayerns Land und Volk, 25. Jg., Nummer 24, 14. März 1914. (Bayerische Staatsbibliothek, 4 Bavar. 198 ta-25)

In Bayern sind rund 4.150 Wasserkraftanlagen in Betrieb (Stand: 2013). Mit einer Ausbauleistung (maximale elektrische Leistung) von insgesamt knapp 3.000 Megawatt (MW) erzeugen sie im Mittel ca. 13 Mrd. Kilowattstunden (kWh) Strom pro Jahr. Die Wasserkraft leistet einen Anteil von durchschnittlich etwa 15 % an der Gesamtstromerzeugung in Bayern. Dieser Anteil ist insbesondere vom natürlichen Wasserdargebot im jeweiligen Jahr abhängig. Die Wasserkraft ist die Hauptsäule des regenerativen Stroms im Freistaat und vermeidet pro Jahr rechnerisch rund 10 Mio. Tonnen CO2. Über 92 % des bayerischen Wasserkraftstroms stammt aus mehr als 200 großen Wasserkraftanlagen (gem. Definition: Anlagen mit Ausbauleistung über 1 MW). Die knapp 4.000 mittleren und kleineren Anlagen liefern die restlichen rund 8 % des Wasserkraftstroms, wobei über die Hälfte dieser Anlagen Kleinstanlagen unter 25 kW sind. 70 % der installierten Anlagenleistung werden von der E.ON Wasserkraft (EWK), der Verbund AG und den Bayerischen Elektrizitätswerken (BEW) betrieben.

Die historische Entwicklung der Wasserkraftnutzung

Bereits in vorchristlicher Zeit hat der Mensch versucht, die Wasserkraft zu nutzen. So sind im Vorderen Orient im 7. Jahrhundert v. Chr. Wasserräder nachgewiesen, mit denen Wasser aus dem Fluss zur Bewässerung landwirtschaftlicher Kulturen geschöpft wurde. Auch die Römer setzten seit dem 2. Jahrhundert v. Chr. Wasserräder ein. Im südfranzösischen Barbegal bei Arles wurde seit dem 3. Jahrhundert nach Christus die Kraft des Wassers in einem Mühlenkomplex für den Antrieb von 16 Mühlen genutzt. Seit 537 nutzten sie bspw. während der Belagerung durch die Goten Mühlen auf Schiffen im Tiber, um mit Hilfe der Kraft des fließenden Wassers Getreide zu mahlen. Die Verbreitung von Wasserrädern zum Antrieb mechanischer Werkzeuge ist in Mitteleuropa seit dem 9. Jahrhundert bekannt. Zahlreiche Flur- und Ortsnamen haben Bezug zu Mühlen. Sie unterstreichen die bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts große wirtschaftliche Bedeutung dieser einst weit verbreiteten Form der Wasserkraftnutzung.

Von der Mühle zum Wasserkraftwerk

Querschnitt und Grundriss einer Fourneyron-Turbine. Abb. aus: Meyers Konversationslexikon, 4. Auflage (1885-1890), Bd. 16, 428. (Gemeinfrei via Wikimedia Commons)

1827 erfand der französische Ingenieur Benoît Fourneyron (1802-1867) die erste Wasserturbine. Anders als beim Wasserrad, das durch horizontal fließendes Wasser angetrieben wird, wird das Wasser von oben auf eine Art Propeller geleitet, der dadurch rotiert. Durch größere Wassermengen und höhere Gefälle erhöhte sich damit die Leistungsfähigkeit deutlich. Der anglo-amerikanische Ingenieur James B. Francis (1815-1892) entwickelte 1849 die Wasserturbine zur gleichnamigen Francis-Turbine weiter. Das Wasser wird hierbei durch verstellbare Leitschaufeln seitlich auf das Laufrad der Turbine geleitet. Zur besseren Verteilung des Wasserzuflusses auf die Turbine wird ein schneckenförmiges Spiralgehäuse verwendet. Dieser Turbinentyp wird bis heute in vielen Wasserkraftwerken verwendet. Durch die Erfindung des elektrodynamischen Generators 1866 durch Werner von Siemens (1816-1892) eröffnete sich eine ganz neue Möglichkeit der Wasserkraftnutzung – die Umwandlung in elektrischen Strom.

Ein zweiter Turbinentyp, die Pelton-Turbine, ist speziell zur Ausnutzung von sehr großen Fallhöhen geeignet. Sie geht auf den Bergbauingenieur Lester A. Pelton (1829–1908) zurück. Er entwickelte eine Schaufel aus zwei flachen Schalen, die in der Mitte der Laufschaufel zusammengefügt sind – das Peltonrad. Diese Freistrahl-Turbine wurde 1882 in den USA erstmals zur Stromerzeugung eingesetzt. Zudem gelang es 1882, elektrische Energie über knapp 60 km von Miesbach nach München mittels Gleichstrom-Fernübertragung (damals noch unter großen Verlusten) zu transferieren.

Die Wasserräder wurden nun durch Turbinen abgelöst; über Generatoren wurde elektrischer Strom erzeugt. Die gewonnene Energie, die bisher stets vor Ort direkt in Arbeit umgesetzt werden musste, konnte nun abgeleitet werden. Industrie- und Gewerbebetriebe mussten nicht mehr in unmittelbarer Nachbarschaft der Wasserkraftanlagen errichtet werden. Das Wasser wurde so als "weiße Kohle" zum Motor der wirtschaftlichen Entwicklung. 1913 erfand der Österreicher Viktor Kaplan (1876-1934) ein weiteres Turbinenkonzept. Diese Turbine ähnelt einer Schiffsschraube mit verstellbaren Schaufeln. Je nach Bauform können sowohl Leit-, als auch Laufschaufeln der Kaplanturbine verstellt werden. Man spricht dann von einer doppelt regulierten Turbine. Dadurch lassen sich sehr hohe Wirkungsgrade erzielen, auch bei schwankenden Zuflüssen oder Fallhöhen. Diese Turbinen werden heute sehr oft in Laufwasserkraftwerken eingesetzt.

Eine Blütezeit der kleinen Wasserkraftanlagen begann; schon in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gab es in Bayern mehr als 11.000 Anlagen. Die zunehmend leichte Verfügbarkeit des elektrischen Stroms auch aus anderen Energiequellen bedeutete jedoch für viele kleine Wasserkraftanlagen im Laufe der Zeit das Aus. So kam es Mitte des 20. Jahrhunderts bis etwa 1970 zu einem regelrechten Anlagensterben.

Der Ausbau der Wasserkraft an den großen Flüssen im 20. Jahrhundert

Karte des Mittleren-Isar-Kanals und seiner Kraftwerke. (Karte von Vuxi lizensiert durch CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons)

An den großen Flüssen in Bayern setzte der systematische Ausbau der Wasserkraft Anfang des 20. Jahrhunderts ein. Zunächst war es technisch einfacher, das Wasser aus dem Fluss in einen Kanal auszuleiten und zum Kraftwerk zu führen. Solche Ausleitungen mit Wasserkraftanlagen sind heute insbesondere noch an Iller, Lech, Isar, Inn und Alz in Betrieb. Ab den 1930er Jahren begann sich ein neues Konzept durchzusetzen: Die Wasserkraftanlagen mit Wehranlage wurden nun direkt im Fluss errichtet. Mit dieser Bauweise wurden die großen Flüsse, wie der Lech vom Forggensee bis vor Augsburg, die Isar zwischen Landshut und Plattling (Lkr. Deggendorf), der Inn in Bayern mit Ausnahme des Innkanalbereichs zwischen Jettenbach (Lkr. Mühldorf am Inn) und Töging (Lkr. Altötting) und die Donau zwischen Ulm und Straubing in Staustufenketten umgewandelt. Zugunsten der Schifffahrt und zur Erzeugung elektrischen Stroms wurde der Main von der Mündung in den Rhein bis Bamberg mit Staustufen, Schleusen und Kraftwerken ausgebaut.

Chronologische Entwicklung des Wasserkraftausbaus in Bayern

Donaustaustufe und Kraftwerk Jochenstein (Lkr. Passau): Das 1952-1956 auf der bayerisch-österreichischen Grenze errichtete Kraftwerk erzeugt heute (2013) rund 850 Mio. kWh Strom jährlich. (Foto: Bayer. Landesamt für Umwelt)
Luftbild der 175 m langen Donaustaustufe Kachlet mit dem Kraftwerk. (Bildrechte E.ON Wasserkraft GmbH, Bildautor Rolf Sturm)
Generatorenraum des Kraftwerks Kachlet: Zu sehen sind die Generatoren der Fa. Siemens-Schuckertwerke, die etwa 300 Mio. kWh Jahresleistung Strom erzeugen. (Bildrechte E.ON Wasserkraft GmbH, Bildautor Rolf Sturm)
Lechkraftwerke Langweid (Lkr. Augsburg). (Foto: Bayerische Elektrizitätswerke GmbH)
Lechkraftwerke Gersthofen (Lkr. Augsburg) bei Nacht. (Foto: Bayerische Elektrizitätswerke GmbH)

bis 1870

Wassernutzungsanlagen lassen sich in Bayern bis ins frühe Mittelalter nachweisen. Das Lechkraftwerk der Papierfabrik in Schongau (Lkr. Weilheim-Schongau) ist z. B. bereits seit 1390 in Betrieb. Die Stadt Schweinfurt bekam nachweislich 1397 das Recht zur Nutzung der Wasserkraft des Mains zugesprochen. 1850 gab es in Bayern 6.400 Wassertriebwerke mit einer Gesamtausbauleistung von 60 kW.

1871–1900

Das Steigbachwerk bei Immenstadt (Lkr. Oberallgäu) ist eine der ältesten Turbinenanlagen und die erste Hochdruckanlage in Bayern mit einer Fallhöhe von 175 m. Bereits 1880 leistete es 270 kW. Als erste größere Wasserkraftanlage für die Überlandstromversorgung entstand um 1890 das Isarkraftwerk Höllriegelskreuth (Lkr. München) mit 1.400 kW Ausbauleistung. Um die Wende zum 20. Jahrhundert gab es in Bayern 10.200 Wasserkraftanlagen mit einer Gesamtausbauleistung von 150 MW, davon mehr als 20 Anlagen mit jeweils über 350 kW Ausbauleistung.

1901–1918

1907 würdigte die K. Oberste Baubehörde (OBB) in der Schrift "Die Wasserkräfte Bayerns" die Bedeutung der heimischen Wasserkraft und propagierte die Prüfung der noch verfügbaren Potenziale. Bis zum Ersten Weltkrieg wurde eine Vielzahl von Anlagen errichtet. Durch 35 Anlagen mit einer Leistung von jeweils über 350 kW verdreifachte sich so das Potenzial in dieser Anlagenkategorie.

1919–1926

Die 1908 gegründete "Abteilung für Wasserkraftausnützung und Elektrizitätsversorgung" der OBB griff die Gedanken von Oskar von Miller (1855-1934) hinsichtlich eines Generalplans der Bayerischen Wasserkraftwerke auf und gab 1921 die Denkschrift "Die Wasserkraftwirtschaft in Bayern" heraus. Die Fortschreibung vorhandener Untersuchungen sowie aufwändige Einzelerhebungen mit erstmaliger Erfassung aller bayerischen Wasserkraftanlagen führten schließlich 1926 zur Dokumentation der "Wasserkraftausnützung in Bayern". Danach zählte man einschließlich der damals noch zu Bayern gehörenden Rhein-Pfalz 11.603 Wasserkraftanlagen mit einer Ausbauleistung von 687 MW. Weitere rund 2.000 MW Ausbauleistung waren für erschließbar angesehen worden. Trotz erheblicher wirtschaftlicher Schwierigkeiten wurden in der relativ kurzen Zeit von 1919 bis 1926 50 größere Wasserkraftanlagen mit einer Ausbauleistung von insgesamt 380 MW errichtet bzw. erweitert. Besonders erwähnenswert ist das Walchenseekraftwerk, das mit ca. 200 m Fallhöhe und einer Ausbauleistung von 124 MW auch heute noch 2,5 % der gesamten Energie aus Wasserkraft in Bayern erzeugt. Ebenso begann man nach einem Landtagsbeschluss von 1919 im Jahre 1921 mit dem Bau des Mittleren Isar-Kanals, um die etwa 87 m Gefälle zwischen München und Moosburg energetisch in drei Wasserkraftwerken zu nutzen.

1927–1945

1929 konnte der 51 km lange Mittlere Isar-Kanal fertig gestellt werden. Bedingt durch die Wirtschaftskrise wurden in den 1930er Jahren verhältnismäßig wenige neue Wasserkraftanlagen errichtet. Während des Zweiten Weltkrieges trieb man vor allem den Ausbau an Iller und Lech voran. Bis 1945 wurden insgesamt weitere 39 größere Anlagen mit einer Ausbauleistung von 349 MW in Betrieb genommen bzw. erweitert.

1946–1960

Eine 1951 vorgelegte "Denkschrift über den Ausbau der öffentlichen Elektrizitätsversorgung in Bayern (Zehnjahresplan 1951–1960)" sah im betrachteten Zeitraum eine Erweiterung der Ausbauleistung um ca. 1.200 MW vor. Diese Vorgaben sind - wenn auch in zeitlich etwas anderer Abfolge - zum größten Teil erfüllt worden. Bis 1960 sind weitere 54 große Anlagen errichtet bzw. wesentlich erweitert worden. Der Zugewinn an Ausbauleistung betrug damit 560 MW. In diese Zeit fällt auch der Bau von Pumpspeicherkraftwerken mit zusammen 300 MW Leistung.

1961–1973

Zwischen 1961 und 1973 wurden 30 größere Anlagen mit einer Ausbauleistung von 341 MW neu errichtet. Die weiteren Möglichkeiten zum Wasserkraftausbau erschienen aus energiewirtschaftlichen Gründen allerdings nicht ausbauwürdig, da Mineralöl preisgünstig zur Verfügung stand. In den 1960er Jahren führten große gewerbliche Umstrukturierungen zudem auch zur Stilllegung und Beseitigung vieler kleinerer Triebwerke. Die Ölkrise 1973 führte dann allerdings zu einem Umdenken; weitere Projekte zur Nutzung der Wasserkraft wurden auch in Bayern angegangen.

1974–1987

An den großen Flüssen wurden zwischen 1974 und 1987 weitere 24 Wasserkraftanlagen mit einer Leistung von 280 MW in Betrieb genommen. 1976 konnte das größte bayerische Pumpspeicherkraftwerk Langenprozelten (Lkr. Main-Spessart) fertiggestellt werden. Bei den meisten neuen Anlagen beteiligte sich der Staat an den Investitionskosten, da die Staustufen neben der Energiegewinnung auch der fortschreitenden Sohlerosion in den ausgebauten Flüssen entgegenwirken sollten. Diese Kombination erwies sich an Lech, Isar und Wertach volkswirtschaftlich und wasserbautechnisch als sinnvoll.

ab 1988

Seit Ende der 1980er Jahre wurden noch weitere 15 große Wasserkraftanlagen mit einer Leistung von zusammen 132 MW in Betrieb genommen. Die drei leitungsstärksten Anlagen waren dabei die Innstaustufe Oberaudorf-Ebbs und die Donaustaustufen Vohburg (Lkr. Pfaffenhofen a.d.Ilm) und Straubing.

Die gesellschaftliche Bedeutung der Wasserkraft in Bayern

Als die Wasserkraft die Dampfmaschine ersetzte, wurde sie mehr und mehr zur Triebfeder für die weitere wirtschaftliche Entwicklung. Sie wurde für eine dauerhaft verfügbare und sichere Energieversorgung immer wichtiger. Diese Bedeutung spiegelt sich nicht zuletzt auch in der prächtigen Industriearchitektur der Wasserkraftwerke aus dieser Zeit wider. In den 1950er Jahren hatte Wasserkraftstrom einen Anteil von etwa 80% an der Gesamtstromerzeugung in Bayern und war somit entscheidend für die Versorgungssicherheit. Daher beteiligte sich auch der Staat an großen Anlagen (z. B. Forggensee 1954). Zur gesicherten Rechtsstellung wurden die wasserrechtlichen Konzessionen für die Anlagen nicht selten auf bis zu 100 Jahre ausgesprochen. Für größere Anlagen konnte in den Rechtsbescheiden auch ein sog. Heimfallanspruch für den Staat etabliert werden, welcher der öffentlichen Hand das grundsätzliche Recht zur teilweise unentgeltlichen Übernahme und Weiternutzung der Anlagen nach Auslauf der Konzessionsdauer einräumt.

Mit dem Aufkommen neuer und billiger Energieträger wie Öl und Kernkraft begann die Bedeutung der Wasserkraftstromerzeugung ab den 1960er Jahren stetig zu schwinden. Sie wurde zu einem Energieträger unter vielen und verlor ihre frühere Vormachtstellung im Strommix. Als ab den 1980er Jahren ökologische Themen mehr und mehr an Bedeutung gewannen, spiegelte sich dies sowohl in der öffentlichen Wahrnehmung der Wasserkraft als auch in den Genehmigungsdauern für Wasserkraftwerke wider. Seither werden diese Rechte in der Regel auf maximal 30 Jahre ausgesprochen, um nach Ablauf der Frist die Anlagen unter gewässerökologischen Gesichtspunkten wieder umfassend auf den Prüfstand stellen zu können.

Wasserkraft im Spannungsfeld von regenerativer Energie und Gewässerökologie

Beispiel einer alten, oft zu steilen und daher nur eingeschränkt funktionsfähigen Fischtreppe, hier an der Isar bei Pullach (Lkr. München). (Foto von Rufus46 lizensiert durch CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons)
Beispiel einer nach modernen Gesichtspunkten bemessenen Fischaufstiegshilfe in Form eines sog. Vertical-Slot-Pass. Die Beckendimensionen, das Gefälle und die Strömungsverhältnisse müssen der Größe und Leistungsfähigkeit der einschlägigen Fischarten angepasst sein. (Foto: privat)
Eine Variante einer Fischaufstiegshilfe ist das sog. Umgehungsgerinne, das das Querbauwerk im Gewässer (bspw. Wasserkraftwerk) umgeht und in der Regel sehr naturnah gestaltet ist. Es dient dadurch Fischen nicht nur als Wanderhilfe, sondern schafft durch seine besondere Gestaltung auch neue Gewässerstrukturen und fördert die Entstehung von Sekundärbiotopen. (Foto: privat)

Die regenerative Stromerzeugung aus Wasserkraft ist als CO2-freie Form der Energiegewinnung ein ausgereifter, sicherer und wichtiger Eckpfeiler eines zukunftsfähigen Energiemix in Bayern. Als Beitrag zur Versorgungssicherheit und zum Klimaschutz erscheint sie von unverzichtbarem Wert. Aus dem Blickwinkel der Gewässerökologie werden jedoch auch kritische Aspekte deutlich: Wasserkraftanlagen greifen stark in das Ökosystem Fließgewässer ein. So reduziert sich mit dem Aufstau die natürliche Eigendynamik eines Flusses und aus ehemals frei fließenden Gewässern werden Flusssysteme mit seeähnlichen Lebensbedingungen (v. a. mit geringer Strömung). An Staustufen ist der natürliche Transport von Geröll und Kies im Fluss oft unterbunden und durch Ablagerung von Feinsedimenten verlieren an kiesigen Untergrund angepasste Gewässerorganismen wichtigen Lebensraum (z. B. Laichplätze für Fische).

Die Wehranlagen, soweit sie nicht mit Umgehungsgerinnen oder Fischpässen (Fischtreppen) ausgestattet sind, unterbinden die Wanderung von Fischen, die oft getötet werden, wenn sie stromabwärts die Turbinen passieren. In manchen Stauhaltungen haben sich aber auch wertvolle Flachwasserzonen und Inseln zu Lebensräumen aus zweiter Hand entwickelt. Bei den nach 1980 errichteten Staustufen an Inn, Lech, Isar und Donau wurden umfangreiche Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen durchgeführt.

Heute zeigen viele Projekte, dass Lösungen zum Vorteil aller möglich sind. Insbesondere für kleine und mittlere Wasserkraftanlagen bietet das Erneuerbare-Energien-Gesetz des Bundes (EEG) einen monetären Anreiz, da Wasserkraftanlagen eine zusätzlich erhöhte Stromvergütung erhalten, wenn durch Modernisierungen auch ökologische Verbesserungen geschaffen werden.

Weitere Potenziale der Wasserkraft und ökologische Verbesserungen

Die Bedeutung und die Entwicklungsfähigkeit der bayerischen Wasserkraft wurde 2006 durch ein Eckpunktepapier der Staatsregierung mit den großen Erzeugern dokumentiert. Für die staatlichen Gewässer wurde eine nachhaltige Wasserkraftnutzung unter Berücksichtigung der wasserwirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Gewässerfunktionen formuliert – insbesondere verbunden mit der Verbesserung der Durchgängigkeit und der Mindestwasserabflüsse. Die EWK und die BEW haben neben einem Gesamtdurchgängigkeitskonzept für alle von ihnen genutzten großen Flüsse im Herbst 2009 eine Potenzialstudie vorgelegt. Diese setzt im Gegensatz zu früheren Untersuchungen weniger auf den Neubau als vielmehr auf die Leistungssteigerung vorhandener Anlagen durch Modernisierung und Erweiterung. Damit sind technisch und wirtschaftlich mögliche Reserven dargestellt. Die Potenzialstudie ersetzt nicht eine gesellschaftliche Standortdiskussion sowie das wasserrechtliche Genehmigungsverfahren im Einzelfall.

Auch bei der "kleinen Wasserkraft" liegen Reserven, wenngleich diese hinsichtlich ihres energetischen Beitrages sowie bei der Einsparung von CO2 eher untergeordnet sind. Gerade bei den kleinen Anlagen zeigt sich der Grundsatzkonflikt mit dem Erhalt von freien Fließgewässern besonders stark. Der Wasserkraftnutzung sind gewässerökologische Grenzen gesetzt. Nach den verbindlichen Vorgaben der europäischen Wasserrahmenrichtlinie (Richtlinie 2000/60/EG) aus dem Jahr 2000 sollen die Oberflächengewässer als Bewirtschaftungsziel einen ökologisch guten Zustand bzw. das gute ökologische Potenzial erreichen. Letzteres gilt für erheblich veränderte oder künstliche Gewässer und beschreibt einen Zustand, nachdem alle Maßnahmen zur Verbesserung der Gewässerstruktur durchgeführt wurden, die ohne signifikante Beeinträchtigung vorhandener Gewässernutzungen (z. B. Wasserkraft) möglich sind.

Obwohl die Turbinentechnik seit über 100 Jahren eingesetzt und bewährt ist, gibt es weiteres technisches Entwicklungspotenzial. Dies betrifft sowohl die Optimierung vorhandener Systeme als auch Neuentwicklungen von Turbinen– und Anlagentypen, die die Anforderungen insbesondere zum Fischschutz und zur Geschiebedurchgängigkeit besser erfüllen können. Als heimischer, erneuerbarer und CO2-freier Energieträger mit dezentraler Erzeugungsstruktur trägt die Wasserkraft wesentlich zur Versorgungssicherheit Bayerns bei. Sowohl die weltweite Klimadiskussion als auch die sog. Energiewende mit einem Ausstieg aus der Kernenergie haben die Nutzung regenerativer Energien insgesamt weiter in den Fokus gerückt. Durch die naturräumlichen Gegebenheiten wird dabei die Wasserkraft in Bayern wohl auch in Zukunft eine entscheidende Rolle spielen.

Literatur

  • Manfred Braun/Eberhard Leuner, Erhaltung und Wiederherstellung von Altgewässern in Bayern (Schriftenreihe des Landesfischereiverbandes Bayern 3), München 1999.
  • Jürgen Giesecke/Emil Mosonyi, Wasserkraftanlagen, Planung, Bau und Betrieb, Berlin/Heidelberg 1997.
  • E.ON Wasserkraft (Hg.), Gewaltige Kräfte am Lech. Regenerative Energie aus Wasserkraft, Landshut 2008.
  • Helmut Hilz, Ausbau der Inn-Wasserkräfte 1906/07-1945, 1988.
  • Landesfischereiverband Bayern e.V./Bund Naturschutz in Bayern e.V./Landesbund für Vogelschutz in Bayern e.V. (Hg.), Fließgewässerschutz Wasserkraftnutzung. Zielkonflikt in der Umweltpolitik? Berichte vom Symposium am 23. und 24. April 1998 im Deutschen Museum in München, München 1998.
  • Lechwerke AG (LEW) (Hg.), Der Lech. Landschaft. Natur. Geschichte. Wirtschaft. Wasserkraft, Augsburg 2011.
  • Ulrich Pulg, Position zur Wasserkraft, in: Thesenpapier des Landesfischereiverbands Bayern e.V. (LFV Bayern) 5 (2007).
  • Philipp Strohmeier, Kartierung der biologischen Durchgängigkeit schwäbischer Fließgewässer (Schriftenreihe des Landesfischereiverbandes Bayern 7), München 2002.

Quellen

  • Karin Dütsch (Hg.), Wasser. Bayerns kostbares Nass, Bamberg 2008.
  • K. Oberste Baubehörde im K. Staatsministerium des Inneren, Bericht über den Stand der Elektrizitätsversorgung in Bayern am Ende des Jahres 1913.
  • K. Oberste Baubehörde im K. Staatsministerium des Inneren, Die Ausnutzung der Wasserkräfte Bayerns, Entwicklung in den Jahren 1908 und 1909, Februar 1910.
  • K. Oberste Baubehörde im K. Staatsministerium des Inneren, Die Wasserkräfte Bayerns, Oktober 1907.
  • Oberste Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern, Ausbau der öffentlichen Elektrizitätsversorgung in Bayern von 1951 mit 1961, Mai 1957.
  • Oberste Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern, Bericht über den gegenwärtigen Stand und den weiteren Ausbau der bayerischen Elektrizitätsversorgung, Juni 1950.
  • Oberste Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern (Hg.), Bericht über den Wasserkraftausbau in Bayern, München 1988.
  • Oberste Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern, Denkschrift über den Ausbau der öffentlichen Elektrizitätsversorgung in Bayern (Zehnjahresplan 1951-1960), Juli 1951.
  • Oberste Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern, Die Wasserkraftwirtschaft in Bayern, September 1921.
  • Oberste Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern, Generalplan der Wasserkräfte in Bayern, Februar 1947.
  • Oberste Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern, Generalplan der Wasserkräfte in Bayern, Februar 1950.
  • Oberste Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern, Wasserkraftausnützung in Bayern, München 1926.

Weiterführende Recherche

Externe Links

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Empfohlene Zitierweise

Martin Popp, Wasserkraftwerke, publiziert am 16.07.2013; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Wasserkraftwerke> (11.10.2024)