Mittlere Isar AG
Aus Historisches Lexikon Bayerns
Die seit Beginn des 20. Jahrhunderts reifenden Pläne für die Nutzung der reichen Wasserkräfte Bayerns zur Elektrizitätserzeugung im großen Stil traten unmittelbar mit dem Ende des Ersten Weltkrieges in die Realisierungsphase ein. Nachdem noch 1918 mit dem Bau des Walchenseekraftwerks begonnen worden war, wurde in zwei Bauabschnitten von 1920 bis 1924 und von 1926 bis 1929 ebenfalls in einem Akt aktiver staatlicher Arbeitsmarktpolitik der energietechnische Ausbau der Isar zwischen München und Moosburg durch die Betriebsgesellschaft Mittlere Isar AG vollzogen.
Gründung und Kapitalausstattung
Die Mittlere Isar AG wurde am 5. Januar 1921, am gleichen Tag wie die Walchenseewerk AG, in München durch Vertreter der bayerischen Staatsministerien und der Bayerischen Staatsbank ins Leben gerufen. Als erster Vorstandsvorsitzender fungierte der in der Obersten Baubehörde tätige Ministerialrat Franz Krieger (geb. 1876), dem Aufsichtsrat standen zunächst der Bauunternehmer Franz Wörner (1859-1937) und der 1. Vizepräsident des Bayerischen Landtages, Erhard Auer (SPD, 1874-1945), vor.
Am 28. Januar 1921 beschloss der Landtag die Übernahme einer umfassenden Staatsbürgschaft für Schuldverschreibungen der Mittleren Isar AG. Das Gründungskapital der Gesellschaft belief sich auf 75 Mio. Mark, die zunächst praktisch vollständig der bayerische Staat zeichnete. Die zunehmende Inflation machte bis Ende 1923 eine schrittweise Erhöhung des Aktienkapitals auf 1,9 Mrd. Mark notwendig. Im Zuge dieser Aufstockung erwarb die Deutsche Reichsbahn durch Vertrag zwischen dem Reichsverkehrsministerium und der Mittleren Isar AG vom 21./23. November 1923 ein Neuntel des Aktienkapitals.
Die technischen Anlagen und ihre Baugeschichte
Bis zu 8.100 Arbeiter waren gleichzeitig beim Bau der Betriebsanlagen beschäftigt. Sie bestehen aus einem 54 km langen Werkkanal, der das Isarwasser bei München-Oberföhring in südöstlicher Richtung ableitet und erst bei Moosburg wieder in das natürliche Flussbett zurückführt, mehreren Speicherseen und einer Kraftwerkstreppe, in der der Höhenunterschied zwischen Kanalanfang und -ende von 88 Metern stufenweise zur Gewinnung elektrischer Energie genutzt wird.
1920 bis 1924 entstanden das große Einlaufwehr bei Oberföhring und die Kraftwerke Finsing, Aufkirchen und Eitting. Der Kanal endete zunächst oberhalb der Ortschaft Berglern, von wo das Wasser über den Semptflutkanal in die Isar zurückströmte. Zum Jahresbeginn 1925 nahmen diese Anlagen die Stromlieferung auf.
In einem zweiten Bauabschnitt zwischen 1926 und 1929 wurde der Kanal bis Moosburg verlängert und bei Pfrombach eine vierte Staustufe errichtet. Die ursprüngliche Turbinenleistung aller vier Kraftwerke zusammen betrug 160.000 PS; damit konnten knapp 500 Mio. kWh elektrischer Energie jährlich erzeugt werden (Walchenseewerk: 180 Mio. kWh/Jahr).
Fusion mit der Bayernwerk AG 1942
In der NS-Zeit verschaffte sich das Reich massiven Einfluss auf die bayerische Elektrizitätswirtschaft. Nachdem die reichseigene Vereinigte Industrie-Unternehmungen AG (VIAG) 1939 bereits große Teile des Aktienkapitals der Bayernwerk AG übernommen hatte, übertrug der bayerische Staat am 3. Juli 1942 auch Aktien der Mittleren Isar AG über 6,2 Mio. RM an die VIAG, die damit ein Drittel des Gesamtkapitals von 27 Mio. RM hielt.
Hauptabnehmer des von der Mittleren Isar AG erzeugten Stromes war - neben der Reichsbahn - stets die Bayernwerk AG. In diese wurde die Mittlere Isar AG nach Fertigstellung ihrer Betriebsanlagen Schritt für Schritt integriert. Nachdem bereits seit April 1931 die Verwaltungen beider Gesellschaften im gleichen Gebäude logierten, ging die Betriebsführung der Mittleren Isarwerke mit dem 1. April 1932 an das Bayernwerk über. Seit 14. Juni 1933 bestand dann ein Interessengemeinschafts- und Betriebsführungsvertrag zwischen der Mittleren Isar AG, der Walchenseewerk AG und der Bayernwerk AG. Aufgrund eines Beschlusses von Vorstand und Aufsichtsrat des Bayernwerks vom 23. September 1942 wurde die Mittlere Isar AG schließlich zusammen mit der Walchenseewerk AG ganz mit der Bayernwerk AG (heute E.ON) fusioniert; der entsprechende Eintrag in das Handelsregister erfolgte am 24. März 1943.
Die Anlagen an der mittleren Isar sind - teils in erweiterter oder modifizierter Gestalt - bis heute in Betrieb. Folge des Kanalbaus war, dass der Pegel der Isar zwischen München und Moosburg deutlich sank. Im Rahmen von Renaturierungsprojekten vereinbarten das bayerische Umweltministerium und E.on 2002, die Restwassermenge der Isar vor allem in den Sommermonaten zu erhöhen.
Literatur
- Gottfried Kerscher, "100 000 weiss schäumende Isarhengste" - die Frühgeschichte der Gewinnung von Energie aus Wasserkraft am Beispiel der Werke an der Isar, in: Jahrbuch der Bayerischen Denkmalpflege 43 (1989) (1994), 134-162.
- Fritz Lutz, Natur und Technik der Mittleren Isar. Wanderfahrten in die Isarlandschaft nördlich Münchens, München 1961.
- Manfred Pohl, Das Bayernwerk 1921-1996, München/Zürich 1996.
Quellen
- Der Ausbau der Mittleren Isar (Das Bayerland 39, Heft 20), München 1928.
- Franz Krieger, Die "Mittleren-Isar"-Werke, in: Das Bayerland. Illustrierte Halbmonatsschrift für Bayerns Land und Volk 33 (1922), 209-223.
- Veröffentlichungen der Mittlere Isar A.G., München, Heft 1-6, München u. a. 1924-1933.
Weiterführende Recherche
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Empfohlene Zitierweise
Stephan Deutinger, Mittlere Isar AG, publiziert am 07.05.2007; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Mittlere_Isar_AG (2.11.2024)