Niederbayern-Straubing-Holland, Herzogtum (1353-1425)
Aus Historisches Lexikon Bayerns
Herzogtum, das aus der Teilung des niederbayerischen Landesteils im Jahr 1353 hervorging. Es bestand aus zwei Komplexen: dem Kerngebiet an der Donau um Straubing und den unter Kaiser Ludwig dem Bayern (reg. als Herzog von Bayern 1294-1347, König ab 1314) an die Wittelsbacher gekommenen, niederländischen Lehen. Bereits Herzog Albrecht I. (reg. 1347-1404) verlegte Residenz und Verwaltung nach Den Haag. Durch eine geschickte Politik brachte er die straubingisch-holländische Linie der Wittelsbacher zu Ansehen und Einfluss. Mit Unterstützung niederbayerischer Gefolgsleute reformierte er Verwaltung und Wirtschaft in den niederländischen Territorien. Den niederbayerischen Landesteil verwalteten vor allem Viztume, die aber in enger Verbindung zu den Herzögen standen. Auf wirtschaftlichem und kulturellem Gebiet fand ein reger Austausch statt. 1425 starben die straubingisch-holländischen Wittelsbacher in männlicher Linie aus. Das Kernland um Straubing erbten die Teilherzöge von München, Landshut und Ingolstadt, die nördlichen Territorien gingen an die Herzöge von Burgund über.
Politische Voraussetzungen
Der wittelsbachische Kaiser Ludwig IV. der Bayer (reg. als Herzog 1294-1347, als König ab 1314) nützte seine Stellung als deutscher König, um eine energische Hausmachtpolitik zu betreiben. Als im September 1345 Wilhelm IV. (reg. 1337-1345), der letzte Graf von Hennegau, Holland, Seeland und Friesland aus dem Haus Avesnes, kinderlos starb, griff Kaiser Ludwig zu. Er hatte am 25. Februar 1324 in zweiter Ehe Margaretha (Ende 13. Jh.-1356), die älteste Schwester Wilhelms IV., geheiratet. Sie erbte den Hennegau, ein Lehen des Bistums Lüttich. Kaiser Ludwig übertrug ihr auch die Reichslehen Holland, Seeland und Friesland. Nach dem Tod Ludwigs teilten seine Söhne das Land 1349 in zwei große Komplexe auf: Oberbayern mit der Mark Brandenburg und der Grafschaft Tirol sowie Niederbayern samt den niederländischen Lehen. Am 3. Juni 1353 teilten die niederbayerischen Herzöge Stephan II. (reg. 1347-1375), Wilhelm I. (reg. 1347-1358) und Albrecht I. (reg. 1347-1404) im Regensburger Vertrag "ir land, ir lewt, pirg, stet und gemainleichen all ir gült, die zu dem Nidern Bayern gehoren" unter sich auf. Stephan wurde Herrscher im südlichen Teil Niederbayerns mit Landshut als Residenzstadt. Den nördlichen Teil Niederbayerns mit Straubing als Hauptstadt bekamen seine Halbbrüder Wilhelm und Albrecht. Da sie aus der Ehe mit Margaretha stammten, galten sie zudem als Erben der mütterlichen Länder Hennegau, Holland, Seeland und Friesland. Sie führten künftig den Titel eines Pfalzgrafen bei Rhein und Herzogs zu Bayern, Grafen zu Hennegau, zu Holland, zu Seeland und der Herrlichkeit zu Friesland.
Geographische Lage
Das neue Herzogtum war ein zersplittertes Territorium. Es bestand im Norden aus dem agrarisch bestimmten Hennegau (der heute teils zu Belgien, teils zu den Niederlanden gehört), aus den Grafschaften Holland und Seeland, deren Aufstieg zur großen See- und Handelsmacht sich gerade anbahnte, sowie der Herrschaft (West-)Friesland (heute die niederländischen Provinzen Nord- und Südholland, Seeland und Friesland). Der bayerische Teil des neuen Herzogtums zog sich an der Donau entlang von Dietfurt a. d. Altmühl (Lkr. Neumarkt i. d. Oberpfalz) über Kelheim, Abbach (Lkr. Kelheim), Wörth a. d. Donau (Lkr. Regensburg), Straubing nach Hengersberg (Lkr. Deggendorf), Vilshofen (Lkr. Passau) und Schärding (Oberösterreich), umspannte den Bayerischen Wald (mit Waldmünchen, Furth im Wald, Kötzting, Viechtach, Regen) und dehnte sich nach Simbach a. Inn (Lkr. Rottal-Inn), Eichendorf (Lkr. Dingolfing-Landau), Landau a. d. Isar, Dingolfing, Kirchberg (Gde. Hohenthann, Lkr. Landshut) und Langquaid (Lkr. Kelheim) aus. Es war ein überwiegend fruchtbares Bauernland, durch das sich wichtige Verkehrs- und Handelswege, unter anderem entlang der Donau und von den Alpen nach Böhmen, zogen.
Das Herzogtum unter Albrecht I.
Wilhelm I. konzentrierte sich auf den Norden, was auch seine Heirat mit der englischen Königsnichte Mathilde von Lancaster (1339-1362) unterstrich. Seinem jüngeren Bruder Albrecht I. überließ er die Regentschaft in Niederbayern. Albrechts persönliche Herrschaft in Straubing endete aber rasch. 1357 wurde Wilhelm infolge eines Schlaganfalls regierungsunfähig (er erhielt den Beinamen der "dolle Graaf", der verrückte Graf). Die Stände des Hennegaus und Hollands riefen Albrecht als Statthalter und "Ruuward" (Ruhewahrer) in ihr Land.
Albrecht tauschte die Straubinger Residenz – hier hatte er gerade erst begonnen, sich ein fürstliches Schloss zu erbauen – konsequent mit dem Norden; es lockten wohl die reicheren Möglichkeiten dynastischer Machtentfaltung. Er wurde Regent in einem innenpolitisch unruhigen Land, in dem sich nicht nur die Friesen gegen die wittelsbachische Herrschaft wehrten. Die eher bürgerlich und seestädtisch orientierte Gruppe der "Kabeljaue" lag im Konflikt mit der von alten Adelsgeschlechtern dominierten Partei der "Hoeks" (Haken). Albrecht gelang es aber, die Spannungen durch eine ausgleichende Politik allmählich abzubauen. Die Konflikte lebten kurzfristig wieder auf, als sich Albrecht nach dem Tod seiner Frau Margarethe (1342-1386) eine junge Geliebte aus der Partei der Kabeljaus nahm und es sogar zum Zerwürfnis mit seinem Sohn Wilhelm II. (reg. 1404-1417) kam, der auf der Seite des hoekschen Adels stand.
1389 starb Herzog Wilhelm I. Albrecht war nun erst offiziell Herrscher im Norden. Er befand sich, um Neutralität nach innen und außen bemüht, auf dem Höhepunkt seiner Macht und seines Ansehens. Albrecht hatte Heiratsbande und Bündnisse mit den Königen von England und Frankreich, mit den Herzögen von Burgund und Geldern, mit den Häusern Habsburg und Luxemburg geknüpft. Am glanzvollsten war die Doppelhochzeit zu Cambrai am 12. April 1385: Albrechts Sohn Wilhelm II. heiratete Margaretha von Burgund (gest. 1441), die Tochter Herzog Philipps des Kühnen von Burgund (reg. 1363-1404). Albrechts Tochter Margarethe (1363-1423) ehelichte Johann Ohnefurcht (reg. 1404-1419), den Erben des Großherzogtums Burgund.
Im Norden: Reform der Verwaltung und Förderung der Wirtschaft
Als Albrecht 1358 in den Norden ging, begleiteten ihn etliche erfahrene Gefolgsleute aus Niederbayern, unter ihnen der Adelige Peter Chamerauer und der Geistliche Rabno von Mauren, welche die holländische Verwaltung reformierten. Einen besonderen Rang genossen in der holländischen Verwaltung die Deichgrafen, die in einem vom Wasser geprägten und bedrohten Land für den Schutz von Mensch, Vieh und Boden verantwortlich waren. Albrecht I., obwohl im meerfernen Bayern aufgewachsen, erkannte rasch die Bedeutung der Wasserbehörden und förderte sie großzügig. Das "Hooghemraadschap" (Wasserbehörde) von Delfland führt das Wappen der Herzöge von Straubing-Holland bis heute als Hoheitszeichen.
Beim Herrschaftsantritt der bayerischen Herzöge bestimmten zwar noch weitgehend Ackerbau, Viehzucht, Fischfang und Jagd den Lebensunterhalt der Bevölkerung. Seit Mitte des 14. Jahrhunderts setzte aber - vor allem in den Grafschaften Holland und Seeland - ein rasches Wirtschaftswachstum ein. Gefördert durch herzogliche Privilegien entwickelten sich die vielen, relativ kleinen Städte, zum Beispiel Dordrecht, Leiden, Haarlem, Gouda, Delft und Middelburg zu Wirtschaftszentren. Um 1400 erlebte der bisher küstennahe und an kleine Absatzgebiete gebundene Fischfang eine spürbare Belebung. Die Produktion des Salzherings ermöglichte die Ausdehnung der Fanggebiete und den Einsatz größerer Schiffe. Fischhandel und Schiffsbau blühten auf.
Albrecht wählte das ländliche Den Haag in der Grafschaft Holland als festen Verwaltungs- und Wohnsitz. Hier in "des Graven Hage" war noch unter den alten Grafen von Holland gegen Ende des 13. Jahrhunderts aus einem Jagdhaus eine fürstliche Residenz erstanden. Unter Albrecht erlebten Siedlung und Schloss einen neuen Aufschwung. Den Haag und sein Hof wurden zum lebendigen Zentrum, wo einheimische, französische, burgundische und verstärkt bayerische Einflüsse zusammentrafen. Man stand im intensiven kulturellen Austausch mit den führenden Residenzen Europas und prägte den "internationalen Stil" des 14. und beginnenden 15. Jahrhunderts mit.
Im Süden: Verwaltung "aus der Ferne" und Straubing als Hauptstadt
Das Teilherzogtum Niederbayern-Straubing wurde als Nebenland überwiegend von Viztumen und Pflegern verwaltet. Dies führte zu einer starken Stellung der Landstände, der Städte, Märkte, Prälatenklöster und insbesondere der Adeligen. Für die "Fürsten in der Ferne" (de Boer, Ein Dreieck wird gespannt, 33) bedeutete ihr väterliches Stammland eine wichtige Finanzquelle und eine südliche Machtbasis in Königsnähe. Sie sicherten die Grenzen, bestätigten die Rechte der Städte, schützten den Besitz der Bürger, unterstützten den wirtschaftlichen Aufschwung. Sie hielten das Herzogtum auch aus den Auseinandersetzungen heraus, die wegen der bayerischen Landesteilung des Jahres 1392 zwischen den Herzögen von München, Landshut und Ingolstadt entstanden.
Für die Regierung eines territorial so zersplitterten Gebildes wie dem Herzogtum Niederbayern-Straubing-Holland war ein ständiges Hin und Her von Boten, Diplomaten und Verwaltungsleuten unabdingbar. Eine derartige Reise dauerte etwa drei bis vier Wochen. Auch die Fürsten selbst besuchten gelegentlich ihren bayerischen Landesteil. Holländische Handwerker und Musiker zogen nach Straubing. Niederbayerische Kaufleute machten im Norden ihre Geschäfte. Ein reger Kulturtransfer machte sich bemerkbar. So führte z. B. Albrecht I. in Straubing das holländische "Papageienschießen" ein, ein Vergnügungsspiel, bei dem Bürger, Ritter und Fürsten auf einen hölzernen Vogel schossen. Es breitete sich in ganz Bayern aus.
Besonders förderten die Herzöge "Straubing, unser hauptstat unsers landes ze Beyrn". Die Stadt gewann in den Jahren des Herzogtums Niederbayern-Straubing-Holland ihre bis heute charakteristische Gestalt. Fast alle bedeutenden Baudenkmäler gehen auf diese Zeit zurück. Albrecht I. gab 1356 das mächtige Herzogsschloss in Auftrag, das zugleich wehrhafte Residenz und Verwaltungszentrale wurde. Mitte 1368 errichteten die Beschuhten Karmeliten auf Bitten Albrechts I. in Straubing ein "Clösterl". Die Karmelitenkirche, ein gotischer Hallenbau, birgt einen der wertvollsten Kunstschätze Straubings, das rotmarmorne Hochgrab Herzog Albrechts II. (reg. als Statthalter 1387-1397). Der zweitälteste Sohn Albrechts I. war seit 1387 Statthalter in Niederbayern. Unter seiner Regentschaft wurde die Hauptstadt Straubing zu einem wirklichen Residenzort. Auf der Heimreise von Holland, wo Albrecht seinem Vater im Kampf gegen die Friesen beigestanden hatte, starb er am 21. Januar 1397 in Kelheim. Ihm folgte als Statthalter Johann III. (reg. 1404-1425), der dritte Sohn Albrechts I. Dieser hatte Johann zur Erweiterung seiner Machtbasis 1389/90 zum erwählten Bischof von Lüttich gemacht.
Welche wirtschaftliche Blüte die Zeit das Herzogtums Straubing-Holland für die Bürger darstellte, beweist die mächtige Hallenkirche St. Jakob in Straubing, deren Bau um 1400 begonnen wurde. In der St. Bartholomäus-Kapelle hinter dem Hochaltar befindet sich ein Meisterwerk spätgotischer Grabmalkunst: die Grabplatte des Ratsherrn und Kaufmanns Ulrich Kastenmayr (gest. 1431). Er war Geldgeber der Straubinger Herzöge und reiste öfter nach Den Haag. Sein Sohn Hans (gest. 1437) übte das wichtige Amt des Landschreibers aus. Auch das Straubinger Rathaus geht in diese Zeit zurück. Es war ursprünglich ein Kaufmannsgebäude, das 1382 von den Bürgern erworben und zum Rathaus umgestaltet wurde, unter anderem durch den Einbau eines großen Versammlungs- und Festsaals.
Das Herzogtum unter Wilhelm II. und der Kampf um den Norden zwischen Jakobäa (1401-1436) und Johann III.
Am 13. Dezember 1404 starb nach 46 Jahren Herrschaft Herzog Albrecht I., ein "recht heer" (gerechter Herrscher), der "eerlic" (redlich) regiert hatte (de Boer/Cordfunke, Graven van Holland, 109). Das Herzogtum Niederbayern-Straubing-Holland spaltete sich nun auf. Im Süden trat Albrechts jüngster Sohn Johann III. als neuer Landesherr auf. Die nördlichen Territorien fielen dem ältesten Sohn Herzog Wilhelm II. zu. Er übernahm die Regierung in einer Herrschaft, die sein Vater innerlich gefestigt, wirtschaftlich gefördert und vor allem mittels einer klugen Familienpolitik zu europäischem Ansehen geführt hatte. Wilhelm, energisch und ehrgeizig, ritterlich und prachtliebend, setzte selbstbewusst das Machtspiel seines Vaters fort. Er starb überraschend am 31. Mai 1417.
Gegen Wilhelms Tochter und Erbin Jakobäa (1401-1436) nahm ihr Onkel Johann III. den Kampf um die Herrschaft auf. Jakobäa hatte nur wenige Wochen vorher ihren Ehemann verloren, den französischen Dauphin Johann von Touraine (1398-1417). Johann wird sowohl als mutiger Mann mit "politischem Scharfblick" wie als "glänzender Ritter" und "Freund der Wissenschaften und Künste" – er war der erste Förderer des berühmten Malers Jan van Eyck (um 1390-1441) – charakterisiert (Straub, Straubinger Erbe, 221). Im Jahr 1418 gab Johann, der sich nie zum Priester hatte weihen lassen, sein Bistum auf. Er heiratete die Luxemburgerin Elisabeth von Görlitz (1390-1451), eine Nichte von König Sigismund (reg. 1410-1437, als Kaiser ab 1433). Dieser belehnte Johann III. 1418 mit der Herrschaft über Holland, Seeland und Friesland. Jakobäa erhoffte sich durch die Ehe mit Johann IV. von Brabant (reg. 1415-1427) Unterstützung, dieser übertrug jedoch sein Recht zur Mitregierung an Johann III.
Der Streit um die Herrschaft ließ auch die innenpolitischen Differenzen zwischen den Hoeks, die zu Jakobäa standen, und den Kabeljaus, die Johann bevorzugten, wieder aufschwelen. Als Johann III. die Stadt Leiden und damit die letzte jakobäatreue Bastion erobert hatte, floh Jakobäa 1421 nach London. Hier heiratete sie, die sich von ihrem zweiten Ehemann Johann von Brabant losgesagt hatte, Humphrey (1391-1447), Bruder König Heinrichs V. (reg. 1413-1422) und Herzog von Gloucester. Sie hoffte, mit englischer Unterstützung ihr Erbe zurückerobern zu können. Im Herbst 1424 kehrte Jakobäa mit einem Heer in den Hennegau zurück. Ihr Gegner und Onkel Johann erlag am Dreikönigstag 1425 einem Mordanschlag. Mit ihm starb das Herzoghaus Niederbayern-Straubing-Holland in männlicher Linie aus.
Aufgehen der nördlichen Territorien im Herzogtum Burgund
Als Nachfolger in Hennegau, Holland, Seeland und Friesland hatte Johann III. seinen Neffen Philipp III. von Burgund (reg. 1419-1467) bestimmt. Gegen diesen mächtigen Vetter konnte sich Jakobäa trotz unermüdlicher Gegenwehr nicht mehr behaupten - noch dazu, da die Unterstützung von englischer Seite durch die Annullierung der Ehe mit Humphrey von Gloucester ausblieb und Johann von Brabant als rechtmäßiger zweiter Ehemann seine Regierungsrechte an Philipp übertrug. Die "selbstbewusste, aber glücklose Fürstin" (Straub, Straubinger Erbe, 222) musste am 3. Juli 1428 im Vertrag von Delft die Mitregierung Philipps und im Falle ihres kinderlosen Todes dessen Nachfolgerecht zugestehen.
1432 heiratete Jakobäa heimlich den Gouverneur in Friesland, Frank van Borselen (gest. 1470), den sie 1425 während ihrer durch Philipp von Burgund veranlassten Haft kennen gelernt hatte. Als Philipp den angesehenen Ritter Borselen gefangennahm, verzichtete Jakobäa um den Preis seiner Freilassung am 12. April 1433 im Haager Vertrag auf ihre Herrschaftsrechte. Nur drei Jahre später, am 9. Oktober 1436, starb sie an Tuberkulose. Mit ihr, die nie nach Bayern gekommen war, starb auch die Wittelsbacherdynastie Niederbayern-Straubing-Holland aus. Holland, Seeland, Friesland und Hennegau gingen im Reich der burgundischen Herzöge auf, die seit der Mitte des 14. Jahrhunderts konsequent ihre Machtbasis in Richtung Norden vergrößert hatten.
Anspruch auf das niederbayerische Gebiet, für das kein weibliches Nachfolgerecht galt, hatten nach dem Tod Johanns III. seine wittelsbachischen Vettern Ludwig VII. der Bärtige von Bayern-Ingolstadt (reg. 1413-1443), Heinrich XVI. der Reiche von Bayern-Landshut (reg. 1393-1450) sowie die Brüder Ernst I. (reg. 1397-1438) und Wilhelm III. von Bayern-München (reg. 1397-1435). Nach mehrjährigen Erbstreitigkeiten setzte König Sigismund im Jahr 1429 eine Aufteilung nach der Zahl der Häupter fest (Preßburger Spruch). An den nördlichen Territorien zeigten die bayerischen Herzöge 1425 kein Interesse.
Herzog Albrecht IV. (reg. 1465-1508) und Herzog Ludwig IX. der Reiche (reg. 1450-1479) erinnerten 1477, als der letzte Burgunderherzog Karl der Kühne (reg. 1467-1477) gestorben war, an die niederländischen Erbrechte und leiteten Verhandlungen ein, allerdings zu spät und vergeblich. Die Stände des Hennegaus und Hollands lehnten eine Wiederbelebung der wittelsbachischen Herrschaft ab. Durch die Ehe Kaiser Maximilians I. (reg. 1486-1519) mit der Tochter Karls des Kühnen wurden die Territorien habsburgisch.
Im Bayerischen Erbfolgekrieg 1777/78 erhob Österreich Anspruch auf Niederbayern-Straubing, weil König Sigismund 1426 Herzog Albrecht von Österreich (reg. 1404-1439, als König 1438/39) eine Eventualbelehnung für dieses Gebiet erteilt hatte. Im Frieden von Teschen musste Österreich 1779 zwar seinen Anspruch auf Niederbayern-Straubing aufgeben, erhielt aber zum Ausgleich das Innviertel zugesprochen. Zum letzten Mal bezog sich Kurfürst Karl Theodor (reg. 1742-1799) auf die Vorgänge, als er erwog, den Habsburgern sein ungeliebtes Erbe Bayern im Tausch gegen die Niederlande anzubieten.
Quellen- und Forschungslage
Für die niederbayerische Geschichte gab zuletzt das Jubiläum "650 Jahre Herzogtum Straubing-Holland" Impulse für eine neue und vertiefte Auseinandersetzung mit dem Herzogtum. In den Niederlanden beschäftigt sich besonders Dick de Boer an der Universität Groningen mit der Herrschafts- und Verwaltungsgeschichte und den Biographien der Herrscherpersönlichkeiten - eine grundlegende Biographie von Albrecht I. ist in Bearbeitung. Kaum erforscht ist die Geschichte der Grafschaft Hennegau in dieser Zeit, obwohl es das nördliche "Stammland" und zunächst bevorzugter Aufenthaltsort der Herzöge war. Die Teilung in ein französisches und belgisches Gebiet erschwert hier den Zugang zu Quellen.
Die wichtigsten Quellen zum Herzogtum befinden sich im Nationalarchiv Den Haag und im Bayerischen Hauptstaatsarchiv München in verschiedenen Beständen, wobei besonders die Rechnungsbücher der Schatzmeister und Landschreiber hervorzuheben sind (für Holland zum Teil bereits ediert, für Niederbayern nur lückenhaft überliefert). Erhalten hat sich im Bayerischen Hauptstaatsarchiv zum Beispiel das Urbarbuch des Herzogtums Niederbayern-Straubing von 1364, das mit seiner kunstvollen Ausgestaltung das hohe Niveau von Schrift und Malerei der Straubinger Kanzlei beweist (Staatsverwaltung 1075). Holländische Pendants hierzu finden sich im Nationalarchiv Den Haag im Bestand Graven van Holland, zum Beispiel das reich verzierte Rechnungsbuch von 1420 des Schatzmeisters Heinrich V. Nothafft von Wernberg (1370-1439) (Nr. 1274).
In den holländischen und niederbayerischen Stadtarchiven finden sich Urkunden zu den stadtherrlichen Regierungsakten der Herzöge. Sowohl in Niederbayern als auch in Holland legen die jeweiligen Gemeinden auf diese Epoche ihrer Geschichte bislang noch wenig Augenmerk. Vor allem in kleineren Kommunen ist die Zugehörigkeit zum Herzogtum Bayern-Straubing-Holland kaum oder vielfach nicht bewusst und bekannt.
Name | Lebenszeit | Regierungszeit | Regentschaft | Ehepartner |
---|---|---|---|---|
Wilhelm I. | 1330-1389 | 1347/1353-1358 (1389) | Regent Herzogtum | Mechteld von Lancaster |
Albrecht I. | 1336-1404 | 1347/1353-1404 | Regent Herzogtum | 1. Ehe: Margarethe von Liegnitz-Brieg, 2. Ehe: Margarethe von Kleve |
Wilhelm II. | 1365-1417 | 1404-1417 | Regent Hennegau, Holland, Seeland, Friesland | Margarethe von Burgund |
Albrecht II. | 1368-1397 | 1387-1397 | Statthalter Niederbayern | |
Johann III. | 1374-1425 | 1397-1404/1417 | Statthalter/Regent Niederbayern | Elisabeth von Görlitz |
1418-1425 | Regent Herzogtum | |||
Jakobäa | 1401-1436 | 1417-1433 | Regentin Hennegau, Holland, Seeland, Friesland | 1. Ehe: Johann von Touraine, 2. Ehe: Johann IV. von Brabant, 3. Ehe: Humphrey von Gloucester, 4. Ehe: Frank van Borselen |
Dokumente
- Regensburger Vertrag vom 3. Juni 1353. Edition aus: Franz Michael Wittmann (Bearb.), Monumenta Wittelsbacensia. Urkundenbuch zur Geschichte des Hauses Wittelsbach. 2. Abteilung von 1293 bis 1397 (Quellen und Erörterungen zur bayerischen und deutschen Geschichte 6), München 1861, 499-504, Nr. 358. (Bayerische Staatsbibliothek, Bavar. 2171 a-6).
Literatur
- Dick E. H. de Boer, Ein Dreieck wird gespannt. Der Weggang Albrechts von Bayern-Straubing in die Niederlande im Licht der Territorienbildung, in: Jahresbericht des Historischen Vereins für Straubing und Umgebung 89 (1987), 33-56.
- Dick E. H. de Boer/Erik H.P. Cordfunke, Graven van Holland. Portretten in woord en beeld (880-1580), Zutphen 2. Auflage 1997.
- Dick E. H. de Boer, Mittelpunkt in der Ferne. Die Rolle Straubings in der holländisch-bayrischen Verwaltung um 1390, in: Alfons Huber/Johannes Prammer (Hg.), 1100 Jahre Straubing 897-1997, Straubing 1998, 119-148.
- Rainer Alexander Gimmel, Das Grabmal für Ulrich Kastenmayr in der Straubinger Pfarrkirche St. Jakob, in: Jahresbericht des Historischen Vereins für Straubing und Umgebung 116 (2014), 137-182.
- Alfons Huber/Johannes Prammer (Hg.), 650 Jahre Herzogtum Niederbayern-Straubing-Holland. Vortragsreihe des Historischen Vereins für Straubing und Umgebung, Straubing 2005.
- Dorit-Maria Krenn, Das Herzogtum Straubing-Holland (1353–1425/1429), in: Bayern-Ingolstadt. Bayern-Landshut. 1392–1506. Glanz und Elend einer Teilung, Ingolstadt 1992, 111-122.
- Dorit-Maria Krenn/Joachim Wild, "fürste in der ferne". Das Herzogtum Niederbayern-Straubing-Holland 1353-1425. Haus der Bayerischen Geschichte (Hefte zur bayerischen Geschichte und Kultur 28), Augsburg 2003 (mit Liste der wichtigsten Literatur, 47; abrufbar in zwei PDF-Dateien, 2,6 MB und 2,5 MB).
- Dorit-Maria Krenn, Straubing unter den Herzögen von Bayern-Straubing-Holland und Bayern-München, in: Franz Niehoff (Hg.), Das Goldene Jahrhundert der Reichen Herzögen (Schriften aus den Museen der Stadt Landshut 34), Landshut 2014, 56-79.
- Markus Retzer, Die Verwaltung des Herzogtums Niederbayern-Straubing-Holland (Regensburger Beiträge zur Regionalgeschichte 26), Regensburg 2020.
- Friedrich Schneider, Herzog Johann von Baiern. Erwählter Bischof von Lüttich und Graf von Holland (13731425). Ein Kirchenfürst und Staatsmann am Anfang des XV. Jahrhunderts, Berlin 1913, Nachdruck Vaduz 1965.
- Theodor Straub, Das Straubinger Erbe und seine Eingliederung in die Teilherzogtümer (1425-1429), in: Max Spindler/Andreas Kraus (Hg.), Handbuch der bayerischen Geschichte. 2. Band: Das alte Bayern. Der Territorialstaat vom Ausgang des 12. Jahrhunderts bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, München 2. Auflage 1988, 267-270.
- Joachim Wild, Die Herzöge von Straubing und Ingolstadt. Residenzstädte auf Zeit, in: Alois Schmid/Katharina Weigand (Hg.), Die Herrscher Bayerns. 25 historische Porträts von Tassilo III. bis Ludwig III., München 2. Auflage 2006, 118-129.
- Joachim Wild, Holland. Die Wittelsbacher an der Nordsee (13461436), in: Alois Schmid/Katharina Weigand (Hg.), Bayern mitten in Europa. Vom Frühmittelalter bis ins 20. Jahrhundert, München 2005, 92-106.
Quellen
- Boris Blahak, Das Rechnungsbuch des Straubinger Landschreibers Hans Kastenmayr (1424/25), Magisterarbeit masch. Regensburg 1997.
- Friedrich J. Böhmer/Wilhelm Altmann (Hg.), Regesta Imperii XI. Die Urkunden Kaiser Sigmunds (1410-37), Innsbruck 1896-1900, Nachdruck Hildesheim 1968.
- Boer, Dick E. H. de u. a. (Hg.), De rekeningen van de grafelijkheid van Holland uit de Beierse periode. 2 Serien, s’Gravenhage/Den Haag 1980-1997.
- Johannes Mondschein (Bearb.), Fürstenurkunden zur Geschichte der Stadt Straubing (Verhandlungen des Historischen Vereins für Landshut 25), Landshut 1903.
- Fridolin Solleder (Bearb.), Urkundenbuch der Stadt Straubing, Straubing 1911-1918.
Weiterführende Recherche
Externe Links
Bayern-Straubing-Holland, Herzogtum
Empfohlene Zitierweise
Dorit-Maria Krenn, Niederbayern-Straubing-Holland, Herzogtum (1353-1425), publiziert am 30.11.2009; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Niederbayern-Straubing-Holland,_Herzogtum_(1353-1425) (14.12.2024)