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Kommunalwahlen (nach 1945)

Aus Historisches Lexikon Bayerns

Kommunalwahl 1966 in Augsburg. (Stadtarchiv Augsburg, 40100/Fotosammlung/FS_FA_A_13644)

von Martin Gross

Kommunalwahlen werden von Medien, Wählern und vielen politischen Akteuren häufig als nach- oder zweitrangige Wahlen angesehen. Jedoch zeichnen sich gerade die Kommunalwahlen in Bayern durch Besonderheiten aus, die ihren Stellenwert für einzelne Politiker deutlich erhöhen. Spätestens seit den 1990er Jahren schälten sich zunehmend stärkere Wettbewerbssituationen zwischen den politischen Parteien, freien Wählergemeinschaften und unabhängigen Listen heraus. Die Muster des Parteienwettbewerbs und der Koalitionsbildung im Anschluss an Kommunalwahlen ähneln dabei immer mehr denjenigen auf Bundes- und Landesebene.

Kommunalwahlen bis 1946

Als Vorläufer der Gemeinde- und Stadträte in Bayern können die Vertretungskörperschaften angesehen werden, die 1818 durch das Gemeindeedikt geschaffen wurden. Allerdings war nur ein überschaubarer Personenkreis privilegierter, männlicher Bürger wahlberechtigt. Die Stimmabgabe erfolgte mündlich und öffentlich. Die geheime Wahl wurde erst mit der Gemeindeordnung von 1869 festgeschrieben. Diese Gemeindeordnung bestand bis zum Ende der Monarchie.

Erst in der Weimarer Republik fanden ab 1919 Kommunalwahlen statt, bei denen Frauen und Männer wahlberechtigt waren und die Zahlung direkter Steuern nicht mehr als Wahlrechtsvoraussetzung galt. Die Grundsätze der allgemeinen, unmittelbaren, gleichen und geheimen Wahl wurden hierbei zunächst im Gesetz zur gemeindlichen Selbstverwaltung vom 22. Mai 1919 und anschließend in der Gemeindeordnung vom 17. Oktober 1927 festgelegt. Die letzten Kommunalwahlen in Bayern vor der nationalsozialistischen Machtergreifung fanden 1929 statt. In der NS-Zeit wurden Gemeinderäte und Kreistage nicht mehr gewählt, sondern ihre Mitglieder durch Instanzen des Staats und der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) bestimmt.

Die ersten Kommunalwahlen in Bayern nach dem Ende der NS-Diktatur wurden in mehreren Etappen durchgeführt. Am 27. Januar 1946 wurden die Gemeinderäte in Gemeinden mit weniger als 20.000 Einwohnern gewählt. Am 28. April folgten die Wahlen für die Kreistage, während am 26. Mai 1946 die Kommunalwahlen in den Stadtkreisen und in Gemeinden mit mehr als 20.000 Einwohnern stattfanden.

Verfassungsrechtliche Grundlagen

Foto der Urnenauszählung bei der Kommunalwahl 1956 in Forchheim. (StadtAFo, Bildsammlung, Nr. 7, S. 58)
Wahlschein für die Bezirkstagswahl 1954 in Oberbayern. Der Wahlschein wurde als Notizzettel für die Stimmauszählung verwendet. (Archiv des Bezirks Oberbayern, Bezirksverwaltung Nr. 159)

Artikel 11 (2) der Verfassung des Freistaates Bayern von 1946 bestimmt unter anderem, dass die Gemeinden "das Recht [haben], ihre eigenen Angelegenheiten im Rahmen der Gesetze selbst zu ordnen und zu verwalten, insbesonders ihre Bürgermeister und Vertretungskörper zu wählen". Dies wird in Artikel 17 der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern von 1952 weiter konkretisiert, indem festgelegt wird, dass "die Gemeindebürger […] den Gemeinderat und mit der Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen den ersten Bürgermeister [wählen]". Die entsprechenden Regelungen zur Wahl der Kreistage und Landräte finden sich in Artikel 12 der Landkreisordnung für den Freistaat Bayern von 1952.

Die bayerischen Kommunalwahlen umfassen die Wahlen zu den Gemeinde- und Stadträten, den Kreis- und Bezirkstagen sowie die Bürgermeister- und Landratswahlen. Die Gemeinden haben bei ihren Wahlen einen gewissen Spielraum bei der Einteilung der Wahlkreise in Stimmbezirke, während dies bei den Bezirkstagswahlen direkt vom Landesgesetzgeber vorgegeben wird. Die Einteilung der Wahlkreise und Stimmbezirke bei den Kommunalwahlen wird in Artikel 11 im Gesetz über die Wahl der Gemeinderäte, der Bürgermeister, der Kreistage und der Landräte (Gemeinde- und Landkreiswahlgesetz – GLKrWG) geregelt. Die Wahlen zu den Bezirkstagen, die als dritte kommunale Ebene in Bayern gelten, werden über das Gesetz über die Wahl der Bezirkstage von 1954 geregelt. Die Einteilung der Wahlkreise und Stimmbezirke bei den Bezirkstagswahlen erfolgt dort in Artikel 2.

Das Kommunalwahlsystem in Bayern

Das bayerische Kommunalwahlsystem beruht auf einer Verhältniswahl mit offenen Listen. Zu den Kommunalwahlen zugelassene Parteien und andere politische Gruppierungen präsentieren ihre Kandidaten in Form einer Liste als Wahlvorschlag. Die Wähler können eine dieser Listen direkt ankreuzen und damit alle ihre verfügbaren Stimmen dieser Liste geben. Sie können aber auch kumulieren (d. h. bis zu drei Stimmen einer Kandidatin oder einem Kandidaten geben) und/oder panaschieren (d. h. ihre Stimmen auf mehrere Listen verteilen). Zusätzlich besteht die Möglichkeit, einzelne Kandidaten auf der Liste durchzustreichen, sodass diese dann keine Stimmen bekommen, wenn ausschließlich eine Liste angekreuzt wurde.

Eine Besonderheit des bayerischen Kommunalwahlsystems ist, dass den zur Wahl antretenden politischen Gruppierungen die Möglichkeit des Vorkumulierens eingeräumt wird. Dies bedeutet, dass Kandidierende auch doppelt oder dreifach auf einer Liste stehen können. Kreuzt ein Wähler eine gesamte Liste an, werden die jeweils zur Verfügung stehenden Stimmen von oben nach unten auf der Liste verteilt. Kandidierende, die doppelt oder dreifach auf der Liste stehen, profitieren hierbei in größerem Maße als Kandidierende, die nur einmal aufgeführt sind. Auf den Stimmzetteln befinden sich erst die dreifach aufgeführten, dann die doppelt aufgeführten Kandidierenden, bevor dann die Namen derjenigen Kandidierenden erscheinen, die nur einmal auf der Liste stehen.

Die Anzahl der Stimmen, die die Wähler vergeben können, entspricht der Anzahl der Gemeinde- bzw. Stadtratsmitglieder in der jeweiligen Gemeinde. Dies gilt entsprechend auch für die Kreisräte. Festgelegt ist diese Zusammensetzung in Artikel 31 (2) der Gemeinde- sowie in Artikel 24 (2) der Landkreisordnung. Als Besonderheit sticht hier ins Auge, dass sich die Größe der jeweiligen Stadträte in Nürnberg (70 Sitze) und in München (80 Sitze) bei gravierenden Schwankungen der Einwohnerzahlen nicht ändern würden, sondern explizit in der Gemeindeordnung festgelegt sind. Darüber hinaus wird Gemeinden mit weniger als 3.000 Einwohnern die Möglichkeit eingeräumt, bis zu doppelt so viele Stimmen bei den Kommunalwahlen zuzulassen, d. h. in Gemeinden bis zu 1.000 Einwohnern könnten nach Beschluss der Gemeinde auch bis 16 Stimmen vergeben werden, in der Gemeindegrößenklasse von 1.001 bis 2.000 Einwohnern bis zu 24 Stimmen, und in der Gemeindegrößenklasse von 2.001 bis 3.000 Einwohnern bis zu 28 Stimmen.

Gemeinden mit ... Anzahl
der Gemeinde-
ratsmitglieder
bis zu 1.000 Einwohnern 8
1.001 bis zu 2.000 Einwohnern 12
2.001 bis zu 3.000 Einwohnern 14
3.001 bis zu 5.000 Einwohnern 16
5.001 bis zu 10.000 Einwohnern 20
10.001 bis zu 20.000 Einwohnern 24
20.001 bis zu 30.000 Einwohnern 30
30.001 bis zu 50.000 Einwohnern 40
50.001 bis zu 100.000 Einwohnern 50
100.001 bis zu 200.000 Einwohnern 60
Stadt Nürnberg 70
Landeshauptstadt München 80
Landkreise mit ... Anzahl der
Kreisräte
bis zu 75.000 Einwohnern 50
75.001 bis zu 150.000 Einwohnern 60
150.000 und mehr Einwohnern 70

Die Wahlperiode beträgt sechs Jahre. Seit 1992 ist in Artikel 28 Absatz 1 Satz 3 des Grundgesetzes geregelt, dass alle Bürger der Europäischen Union bei Kommunalwahlen in Deutschland wahlberechtigt sind. Nähere Ausführungsbestimmungen legen die Bundesländer fest. So sind in Bayern nur diejenigen Personen wahlberechtigt, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, ihren Lebensmittelpunkt in den letzten beiden Monaten vor der Kommunalwahl im jeweiligen Wahlkreis hatten, und nicht vom Wahlrecht nach Artikel 2 des Gemeinde- und Landkreiswahlgesetzes ausgeschlossen sind.

Seit 1946 wurden nur vereinzelt Änderungen am bayerischen Kommunalwahlsystem vorgenommen. So durften beispielsweise bis 2007 Ehegatten, Eltern und Kinder sowie Geschwister nicht zur selben Zeit Gemeinderäten in Gemeinden mit weniger als 10.000 Einwohnern angehören. Des Weiteren reicht seit den Kommunalwahlen 2014 ein Nebenwohnsitz in Bayern aus, um das passive Wahlrecht zu besitzen. Eine Kandidatur auf Grundlage eines bayerischen Nebenwohnsitzes ist allerdings nur in einer einzigen Gemeinde möglich, Mehrfachkandidaturen sind vom Gesetzgeber ausgeschlossen worden.

Die Umrechnung der Stimmen in Sitze wurde bis 2010 nach dem d’Hondt’schen Höchstzahlverfahren (benannt nach dem belgischen Juristen Victor d’Hondt, 1841-1901) durchgeführt. Bei den Kommunalwahlen 2014 wurde das Hare-Niemeyer-Verfahren (benannt nach dem britischen Juristen Thomas Hare [1806-1891] und dem deutschen Mathematiker Horst F. Niemeyer [1931-2007]) angewendet, das seit 1994 auch bei den bayerischen Landtagswahlen verwendet wird. Seit den Kommunalwahlen 2020 ergibt sich die Sitzverteilung aus den ausgezählten Stimmen anhand des Divisorverfahrens mit Standardrundung nach Sainte Laguë (benannt nach dem französischen Mathematiker Jean-André Sainte-Laguë, 1882-1950).

Seit den Kommunalwahlen 2020 sind Listenverbindungen verschiedener politischer Gruppierungen verboten. Allerdings ist es seitdem unter bestimmten Voraussetzungen möglich, dass politische Gruppierungen mit mehreren Listen antreten dürfen. Dies wurde beispielsweise von der Christlich-Sozialen Union (CSU) und ihrer Jugendorganisation, der Jungen Union (JU), genutzt, um damit den Anteil christlich-sozialer Gemeinde- und Stadtratsmitglieder zu steigern.

Abstimmungsbekanntmachung zur Wahl der Stadtratsmitglieder in Bamberg am 27. März 1960. (Stadtarchiv Bamberg, PS 2096)

Das bayerische Kommunalwahlsystem erlaubt den Wählern einerseits vielfältige Auswahlmöglichkeiten, da diese durch die Möglichkeit des Kumulierens und Panaschierens einen großen Einfluss auf die Zusammensetzung der Gemeinde-, Stadt- und Kreisräte nehmen können. Andererseits führt die hohe Anzahl an Stimmen, die vergeben werden können, auch dazu, dass der Anteil falsch ausgefüllter Stimmzettel deutlich höher liegt als in Wahlsystemen mit starren Listen. Nicht umsonst wird teilweise von einem "geradezu idealtypisch kompliziert[en]" (Fuchs) Wahlsystem gesprochen, das aber nichtsdestotrotz ermöglicht, den Persönlichkeitsfaktor der Kandidaten stärker bei der Wahlentscheidung der Wähler miteinfließen zu lassen als dies beispielsweise bei der Bundestagswahl möglich ist.

Oberbürgermeister, Bürgermeister und Landräte werden ebenfalls auf sechs Jahre gewählt. Durch das vorzeitige Ausscheiden von Amtsinhabern sind jedoch nicht alle diese Wahlen an die Gemeinde-, Stadtrats- und Kreistagswahlen gekoppelt. Bei den Wahlen nach dem absoluten Mehrheitswahlrecht ist derjenige Kandidat gewählt, der im ersten Wahlgang mehr als die Hälfte aller Stimmen erhält. Ist dies nicht der Fall, findet zwei Wochen später eine Stichwahl zwischen den beiden Kandidaten statt, die im ersten Wahlgang die meisten Stimmen erhielten.

Das Wahlsystem zur Wahl der Bezirkstage in den sieben bayerischen Regierungsbezirken ist hingegen stark an das System der gleichzeitig stattfindenden Landtagswahlen angelehnt und weist als wesentliche Gemeinsamkeit mit dem kommunalen Wahlsystem vor allem das Fehlen einer Fünfprozent-Sperrklausel auf. Bei den Bezirkstagwahlen verfügt jeder Wähler über zwei Stimmen: mit einer Stimme wird der Direktkandidat gewählt, mit der zweiten Stimme eine offene Parteiliste. Eine Besonderheit ist, dass die Anzahl der Bezirkstagsitze doppelt so hoch wie die Anzahl der Direktkandidaten ist. Während alle mit einfacher Mehrheit gewählten Direktkandidaten in den Bezirkstag einziehen, setzt sich der Bezirkstag insgesamt anhand der Summe der Erst- und Zweitstimmen zusammen. Auf Grundlage dieses Stimmenanteils erhalten die politischen Gruppierungen proportional dazu ihre Sitze im Bezirkstag. Wie auf Bundes- und Landesebene kann es dadurch zu Überhang- und Ausgleichsmandaten kommen, wenn eine Gruppierung mehr Direktmandate gewinnt als ihr nach dem Stimmenanteil zustehen würde. Infolgedessen steht – im Unterschied zu den Gemeinde- und Stadträten – die Gesamtanzahl der Sitze im Bezirkstag nicht bereits vor der Wahl fest, sondern ergibt sich erst aus dem konkreten Wahlergebnis.

Die bayerischen Kommunalwahlen 2020 waren eine Besonderheit, da sie während der Frühphase der COVID-19-Pandemie abgehalten wurden. Der Anteil der Briefwahlstimmen stieg im Vergleich zu 2014 stark an. Die Stichwahlen am 29. März 2020 stellten dann ein Novum in der bundesdeutschen Geschichte dar, da sie die ersten Wahlen waren, die als reine Briefwahlen durchgeführt wurden.

Wahlbeteiligung und politische Landschaft

Die Wahlbeteiligung bei den bayerischen Kommunalwahlen sank kontinuierlich von über 80 % in den 1950er Jahren auf den historischen Tiefpunkt von 55  % bei den Kommunalwahlen 2014. Im Durchschnitt liegt die Wahlbeteiligung in kreisangehörigen Gemeinden höher als in kreisfreien Städten. Die Wahlbeteiligung bei den Kreistagswahlen liegt wiederum einige Prozentpunkte unter der Wahlbeteiligung der Gemeinde- und Stadtratswahlen.

Mit Blick auf die Kommunalwahlergebnisse ist Bayern zweigeteilt: die politische Landschaft unterscheidet sich gravierend zwischen den Wahlergebnissen in kreisfreien Städten und den Wahlergebnissen zu den Kreistagen auf der einen Seite und den Wahlergebnissen in kreisangehörigen Gemeinden auf der anderen Seite.

In den kreisfreien Städten und Kreistagen zeigt sich nach umkämpften Anfangsjahren, in denen vor allem lokale Wählergruppierungen stark waren, seit Mitte der 1950er Jahre eine deutliche Dominanz der CSU. Insbesondere die Kommunalwahlen 1978 stechen hierbei hervor, bei denen die Christsozialen in den kreisfreien Städten und Kreistagen auf 53 % der Stimmen kamen. Keiner anderen Partei gelang es bisher, der CSU hier auch nur annähernd die Vormachtstellung streitig zu machen. Diese Stärke der CSU begründet sich allerdings vor allem in ihrer Stärke bei den Kreistagswahlen, wo sie mit einem sehr großen Abstand vor allen anderen politischen Gruppierungen liegt. In den kreisfreien Städten konnte die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) bereits seit den 1960er Jahren der CSU große Konkurrenz um die Vormachtstellung in den Stadträten machen. Bei den Kommunalwahlen 2020 gelang dies vor allem auch den Grünen, die die SPD als zweitstärkste Partei in den kreisfreien Städten und Kreistagen überholten. Die Grünen konnten seit ihrem erstmaligen Antreten bei Kommunalwahlen in Bayern 1984 ihren Wählerstimmenanteil kontinuierlich steigern.

In den kreisangehörigen Gemeinden lagen seit den 1970er Jahren freie Wählervereinigungen bei Gemeinderatswahlen im Durchschnitt beständig zwischen 30 und 40 %. Aus den freien Wählervereinigungen ging 1997 der Verein "FW Freie Wähler Bayern e.V." hervor, der sich dezidiert als kommunalpolitische Gruppierung ansah, bevor er 2011 als Landesvereinigung Bayern in der Partei "Freie Wähler" aufging. Erst ab diesem Zeitpunkt werden die Freien Wähler auch gesondert in der offiziellen Wahlstatistik aufgeführt, während sie zuvor unter "Sonstige" als unabhängige Wählergruppierung einsortiert wurden. Mit deutlichem Abstand zweitstärkste Kraft ist seit den 1970er Jahren die CSU vor der SPD.

Die drastische Reduktion der Gemeindeanzahl von 7.073 auf 2.052, von 143 auf 71 Landkreise und von 48 auf 25 kreisfreie Städte im Rahmen der kommunalen Gebietsreform zwischen 1969 und 1978 änderte an diesem Bild nur wenig. Zwar lässt sich ein starker Anstieg der CSU-Stimmenanteile gegenüber den SPD-Stimmenanteilen in kreisangehörigen Gemeinden seit Anfang der 1970er Jahre feststellen, allerdings ist diese Auseinanderentwicklung der beiden 'Volksparteien' in Bayern nicht auf die kommunale Ebene beschränkt, sondern zeigt sich im selben Ausmaß auch bei Landtags-, Bundestags- und Europawahlen.

Die Gemeindegröße spielt bei der Erklärung unterschiedlicher Wahlergebnisse auf kommunaler Ebene in Bayern in mehrfacher Hinsicht eine entscheidende Rolle. Zum einen treten die politischen Parteien vor allem in den größeren Gemeinden und Städten flächendeckend an, während sie in den Klein- und Kleinstgemeinden – mit Ausnahme der CSU – nicht einmal in jeder zweiten Gemeinde Kandidaten zur Wahl aufstellen. Das politische Angebot für die Wähler fällt somit sehr unterschiedlich aus. Zum anderen ist die Kommunalpolitik mit steigender Einwohnerzahl der Gemeinden zunehmend politisierter und polarisierter. Dies spiegelt sich in sehr unterschiedlichen Wahlergebnissen zwischen kleinen Gemeinden und größeren Städten wider.

Wie unterschiedlich die Wahlergebnisse bei bayerischen Kommunalwahlen ausfallen können, lässt sich auch in den Landkreisen erkennen, in denen sich zwar allgemeine Entwicklungen wie der lang anhaltende Dualismus von CSU und SPD oder das starke Abschneiden von Flüchtlingsparteien in den 1950er Jahren niederschlagen, die aber gleichzeitig eigenartige Spezifika aufweisen.

Blickt man nicht ausschließlich auf die Gemeindegrößenklassen und die Landkreise, sondern auch auf die Regierungsbezirke, so zeigen sich signifikante regionale Unterschiede bei den jeweiligen Bezirkswahlen. Wie bei den gemeinsam stattfindenden Landtagswahlen wurde die CSU bei (fast) allen Bezirkswahlen stärkste Kraft, bis 2003 überwiegend mit einem Stimmanteil von über 50 %. Hinter ihr rangierte bis in die 2010er Jahre mit mehr (Altbayern, Unterfranken, Schwaben) oder weniger (Mittel- und Oberfranken) großem Abstand die SPD, die seitdem von Grünen und Freien Wählern überholt wurde. Die jahrzehntelang anhaltende Dominanz der Bezirkstage durch zwei Parteien – CSU und SPD – kam dadurch zu einem endgültigen Abschluss. Dieser Dualismus wurde nur ansatzweise bis Anfang der 1960er Jahre in Ober- und vor allem in Niederbayern durch die Bayernpartei (BP) in Frage gestellt. Die Freie Demokratische Partei (FDP) erhielt bei den meisten Bezirkswahlen mit Ausnahme von Mittelfranken selten mehr als 5 %.

Bei den Oberbürgermeisterwahlen in München 1993 kandierte erfolglos für die CSU der Bayerische Umweltminister Peter Gauweiler (geb. 1949), der 1982-1986 dort bereits das Kreisverwaltungsreferat leitete. (HSS-ACSP/Pl S : 3330)

Personen und Themen bei bayerischen Kommunalwahlen

Der Persönlichkeitsfaktor spielt bei bayerischen Kommunalwahlen eine große Rolle, nicht zuletzt durch die Möglichkeiten für die Wähler, Kandidaten mehr als eine Stimme zu geben oder diese auch von der Liste zu streichen. Vor Ort "bekanntere" Kandidaten gewinnen hierbei mehr Stimmen als "unbekanntere" Kandidaten. Deshalb stellen die größeren politischen Parteien Personen auf, die bereits in der Landes- und Bundespolitik tätig sind. Diese dienen mit ihrem überregionalen Bekanntheitsgrad dann als "Zugpferde".

Auch bei den reinen Personenwahlen (Bürgermeister- und Landratswahlen) zeigt sich, dass der Persönlichkeitsfaktor eine große Rolle spielt: Amtsinhaber werden sehr häufig wiedergewählt. Persönliche Merkmale spielen allerdings auch bei der Aufstellung der Listen durch die politischen Gruppierungen zu den Kommunalwahlen eine Rolle. Die bayerische Kommunalpolitik ist seit jeher vor allem von Männern geprägt. Dies liegt nicht nur daran, dass viele politische Gruppierungen mehr Männer als Frauen auf ihre Listen setzen, auch die Wähler entscheiden sich tendenziell eher für ältere Männer ohne Migrationshintergrund, dafür aber mit einem akademischen Titel und kommunalpolitischer Erfahrung. Tendenziell nimmt der Anteil weiblicher Gemeinderäte oder Kreistagsmitglieder seit den 1960er Jahren aber langsam zu. Dieser Anstieg ist nicht zuletzt den Grünen und der SPD zu verdanken, die versuchen, ihre Wahllisten paritätisch mit Männern und Frauen zu besetzen. Jedoch lässt sich auch zeigen, dass es der CSU in stärkerem Maße als früher gelingt, Kandidatinnen erfolgreich in die kommunalpolitischen Gremien zu wählen.

Der Begriff der "zweitrangigen Wahlen" zur Beschreibung bayerischer Kommunalwahlen ist vor allem bei einem Blick auf die relevanten Themen bei Kommunalwahlen angemessen. Häufig sind es bundes- oder landespolitische Themen, die dort bei der Wahlentscheidung eine Rolle spielen. Diese Themen können einen lokalen Bezug haben, wie beispielsweise Fragen des bezahlbaren Wohnraums, die ärztliche Versorgung, der Infrastruktur hinsichtlich des Straßenausbaus oder des Öffentlichen Personennahverkehrs. Allerdings sind dies alles Themen, die rechtlich vorwiegend auf Landes- und Bundesebene geregelt werden und bei denen die Kommunalebene kaum ein Mitspracherecht besitzt.

Kommunalwahlkampf in Herzogenaurach, 1984. (Stadtarchiv Herzogenaurach)

Programmatisch-ideologisch lassen sich die politischen Gruppierungen, die zu den Kommunalwahlen 2014 und 2020 antraten, zumindest in den bayerischen Großstädten mit mehr als 100.000 Einwohnern auf Basis ihrer Wahlprogramme nach dem üblichen Muster des bundes- und landespolitischen Parteienwettbewerbs einordnen: auf einer allgemeinen Links-Rechts-Skala lassen sich DIE LINKE, Bündnis 90/Die Grünen und die SPD links der politischen Mitte verorten, während sich die Freien Wähler, BP, CSU, FDP und die Alternative für Deutschland (AfD) auf der rechten Seite befinden. Die linke, ökologische Position der Grünen wird ebenfalls von der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP) geteilt, während insbesondere die AfD die Positionierung der in den 1970er und 1980er Jahren in größerem Maße angetretenen Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) und der Republikaner einnimmt.

Skandale und Wahlfälschungen

Wie auf Bundes- und Landesebene, so finden sich auch in der bayerischen Kommunalpolitik vereinzelt Beispiele wie Kommunalpolitiker von ihrer NS-Vergangenheit eingeholt wurden. So wurde 1978 der dritte Bürgermeister der Gemeinde Grafrath (Lkr. Fürstenfeldbruck) aufgefordert, sein Amt niederzulegen, nachdem seine Zugehörigkeit zum 1. SS-Totenkopf-Regiment der Wachmannschaft im Konzentrationslager Dachau bekannt wurde.

Wahlfälschungen, die sich entscheidend auf den Ausgang bayerischer Kommunalwahlen ausgewirkt haben, sind nicht bekannt. Zuweilen kam es aber in einzelnen Gemeinden zu Unregelmäßigkeiten bei manchen Wahlvorgängen. Bei den Kommunalwahlen 1956 erreichte ein Kandidat nicht die erforderliche Stimmenanzahl, um einen Sitz im Gemeinderat in Laaber (Lkr. Regensburg) zu gewinnen. Daher fälschte er bei der Auszählung der Stimmen 50 Stimmzettel zu seinen Gunsten, was wiederum ein Leichtes war, da er Schriftführer bei der Gemeinderatswahl war. Nach Auffliegen des Wahlbetrugs wurde der Kandidat zu einer mehrmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt.

Aufgrund von Fälschungen der Briefwahlunterlagen musste im Landkreis Straubing-Bogen bei den Kommunalwahlen 2014 der gesamte Kreistag nochmals gewählt werden und darüber hinaus in der dem Landkreis-zugehörigen Gemeinde Geiselhöring auch noch der Stadtrat und der Bürgermeister. Bei den Kommunalwahlen 2020 nominierte die AfD teilweise an Alzheimer erkrankte und hochbetagte Personen für Gemeinderatswahlen, ohne dass diese Personen Kenntnis darüber hatten.

Der größte Wahlfälschungsskandal bei bayerischen Kommunalwahlen fand 2002 in Dachau statt. Mehrere tausend Wahlscheine stellten sich im Nachgang der Stadtrats-, Kreistags- und Oberbürgermeisterwahlen als gefälscht zugunsten einiger Kandidierender der CSU heraus. Zwei CSU-Politiker wurden Monate später wegen Wahlfälschung und versuchter Wahlfälschung in einer Vielzahl von Fällen verurteilt. Die Stadtrats-, Kreistags- und Oberbürgermeisterstichwahlen wurden annulliert und es fanden Nachwahlen statt, bei denen die CSU allerdings nur geringe Verluste hinnehmen musste und erneut die Stichwahlen zum Amt des Oberbürgermeisters gewann.

Literatur

  • Jaromír Balcar, Bayern im Bund. 5. Band: Politik auf dem Land. Studien zur bayerischen Provinz 1945 bis 1972 (Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte 56), München 2004.
  • Georg Fuchs, Kommunalpolitik im Freistaat Bayern, in: Andreas Kost/Hans-Georg Wehling (Hg.), Kommunalpolitik in den deutschen Ländern. Eine Einführung. Wiesbaden 2., aktualisierte und überarbeitete Auflage 2010, 40-62.
  • Martin Gross/Michael Jankowski, Dimensions of political conflict and party positions in multi-level democracies: evidence from the Local Manifesto Project, in: West European Politics 43 (2020), 74-101.
  • Martin Gross/Dominic Nyhuis/Sebastian Block/Jan A. Velimsky, Electoral Campaigns and Parliamentary Practice: Do Parties Pursue the Issues They Campaigned On?, in: Swiss Political Science Review 30 (2024), 89-107.
  • Manuel Kronschnabel, Kommunalpolitik und -parlamente in Bayern. Zersplittert und eingeschränkt funktionsfähig?, Baden-Baden 2020.
  • Peter März, Kommunalpolitik im Freistaat Bayern, in: Andreas Kost (Hg.), Kommunalpolitik in den deutschen Ländern. Eine Einführung. Wiesbaden 2003, 41-63.
  • Raphael Magin, Kommunalwahlsysteme zwischen Konkordanz- und Konkurrenzdemokratie. Ein Vergleich der 16 Bundesländer, in: Markus Freitag/Adrian Vatter (Hg.), Vergleichende subnationale Analysen für Deutschland. Münster 2010, 97-130.
  • Jan Pollex/Sebastian Block/Martin Gross/Dominic Nyhuis/Jan A. Velimsky, Ein zunehmend bunter Freistaat: Die Analyse der bayerischen Kommunalwahlen im März unter besonderer Berücksichtigung der kreisfreien Städte, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen 52 (2021), 78-94.
  • Manfred Wegmann (Bearb.), Die kommunalen Ebenen in Bayern. Kommunal-Ordnungen und Wahlen (Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit A 88), 7. aktualisierte Auflage München 2007.
  • Lisa Wendling/Martin Gross, Politische Vielfalt in kleinen Gemeinden: Eine Analyse der bayerischen Kommunalwahlen 2020. Arbeitspapier (2024).

Quellen

Externe Links

Empfohlene Zitierweise

Martin Gross, Kommunalwahlen (nach 1945), publiziert am 28.06.2024, in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Kommunalwahlen_(nach_1945)> (24.10.2024)