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Bayerische Teilungen

Aus Historisches Lexikon Bayerns

von Julian Holzapfl

Im Mittelalter kam es in Bayern 1255, 1349/1353 und 1392 zu drei großen Landesteilungen. 1255 wurden Ober- und Niederbayern getrennt. Nach ihrer Wiedervereinigung 1340 wurden die beiden großen Landesteile 1349 erneut getrennt, 1353 dann Niederbayern nochmals geteilt. 1392 entstanden die drei Teilherzogtümer Bayern-Ingolstadt, Bayern-Landshut und Bayern-München. Die mit Reichsrecht eigentlich nicht vereinbaren Landesteilungen waren die Folge eines veränderten Herrschaftsverständnisses im Spätmittelalter, das u. a. einen Anspruch aller legitimen männlichen Erben auf Teilhabe an der Herrschaft vorsah. Gleichzeitig ging das Bewusstsein für die unverbrüchliche Einheit von Land, Bevölkerung und Herrscherhaus, das "Haus Bayern", nie vollständig verloren. Seit einer ab den 1480er Jahren bewusst eingesetzten Bayern-Münchner Geschichtspolitik beurteilte die Geschichtsschreibung die Landesteilungen bis in das 20. Jahrhundert hinein durchwegs negativ. In den letzten Jahrzehnten stellte die Forschung dagegen zunehmend heraus, dass die Schaffung kleinerer Herrschaftseinheiten zu Modernisierungsschüben mit positiven Wirkungen auf Kultur, Verwaltung und Wirtschaft geführt habe.

Oberbayern und Niederbayern nach der Teilung von 1255 unter Ludwig II. dem Strengen und Heinrich XIII. (in: Reinhard Stauber/Gerhard Tausche/Richard Loibl, Niederbayerns Reiche Herzöge [Hefte zur Bayerischen Geschichte und Kultur 38], Augsburg 2009, 8)

Die erste Landesteilung 1255

Zur ersten bayerischen Landesteilung kam es, als die Söhne Herzog Ottos II. (reg. 1231-1253) sich nach kurzer gemeinsamer Regierungszeit nicht auf eine einvernehmliche Verteilung der Besitz- und Herrschaftsrechte einigen konnten. Ludwig II. (der Strenge) (reg. 1253-1294) erhielt zusätzlich zur prestigeträchtigen und reichspolitisch wichtigen, ob ihrer geringen territorialen Masse aber nicht sehr einträglichen Pfalz am Rhein das obere Bayern, Heinrich XIII. (reg. 1253-1290) das niedere Bayern. Aus dem "Oberland" und dem "Niederland", ursprünglich rein geographischen Bezeichnungen, wurden damit politische Gebilde, die sich als äußerst langlebig erweisen sollten. An der Grenze zwischen den beiden Landesteilen haben spätere Binnenteilungen bis 1505 nichts mehr geändert. Vor allem in folgenden Bereichen entsprechen das historische "Oberland" und "Niederland" seit 1255 jedoch nicht den heutigen Regierungsbezirken Oberbayern und Niederbayern: Zum Niederland gehörte der Chiemgau, das Gebiet am Inn südlich von Mühldorf bis auf die Höhe von Au am Inn und Gars (beide Lkr. Mühldorf am Inn), schließlich ein weit nach Westen ausgreifendes Gebiet um die Gerichtsorte Erding, Moosburg und Kranzberg (beide Lkr. Freising). Zu Oberbayern gehörte der heute dem Regierungsbezirk Schwaben zugeschlagene Nordwestteil des Herzogtums um Aichach und Friedberg (beide Lkr. Aichach-Friedberg) ebenso wie die 1269 aus staufischem Erbe erworbenen Gerichte Höchstädt, Lauingen und Gundelfingen an der Donau (alle Lkr. Dillingen an der Donau) und der wittelsbachische Besitz am Lechrain, schließlich auch der Westteil der bayerischen Besitzungen im Nordgau.

1310 teilten die beiden Söhne Herzog Ludwigs II., Ludwig IV. (reg. 1294-1347, als Herzog von Bayern 1314-1347, als römisch-deutscher König, seit 1328 als Kaiser, genannt "der Bayer") und Rudolf I. (reg. 1294-1317) ihren oberbayerischen Herrschaftsbereich erneut. Rudolf erhielt einen Landesteil um die Residenzstadt Ingolstadt. Die Teilung hatte zwar nur bis 1313 Bestand, wurde aber zum Vorbild für spätere Teilungen des oberbayerischen Landesteils, nicht zuletzt, weil Ingolstadt zum ersten mal zur - neben München und Landshut dritten - Residenzstadt erhoben wurde. Nach 1313 verwalteten Rudolf und Ludwig Oberbayern gemeinsam, bis 1317 Ludwig Rudolf aus der Regierung wieder verdrängte.

Bayern und die Pfalz nach der Teilung durch Ludwig den Bayern im Hausvertrag von Pavia 1329. (in: Bäumler/Brockhoff/Henker, Von Kaisers Gnaden, 2005, 30)

1329 folgte mit dem Hausvertrag von Pavia die historisch folgenreichste Teilung der bayerischen Territorien: Die Erben Herzog Rudolfs I. erhielten die Pfalzgrafschaft bei Rhein und einen Teil des bayerischen Nordgaus, nämlich die spätere, bis 1628 kurpfälzische Oberpfalz.

1340 gelang Ludwig IV. die Wiederangliederung Niederbayerns, über das er schon seit längerem die politische Kontrolle erlangt hatte, und damit die vorübergehende Wiedervereinigung des altbayerischen Herzogtums mit Ausnahme des pfälzischen Nordgaus.

Die zweite Landesteilung 1349/1353

Niederbayern-Landshut und Niederbayern-Straubing nach der Teilung von 1353. (in: Reinhard Stauber/Gerhard Tausche/Richard Loibl, Niederbayerns Reiche Herzöge, [Hefte zur Bayerischen Geschichte und Kultur Band 38], Augsburg 2009, 9)

Nach dem Tod Kaiser Ludwigs IV. begannen unter seinen Söhnen 1349 die Teilungen von neuem. Neben der Verteilung der außerbayerischen Territorien, die zumeist bald wieder verloren gehen sollten, wurde im Landsberger Vertrag auch Niederbayern in den Grenzen von 1255 wieder von Oberbayern getrennt. Als der niederbayerische Landesteil, der an die drei Herzöge Stephan II. (reg. 1347-1375), Wilhelm I. (reg. 1347-1358) und Albrecht I. (reg. 1347-1404) gefallen war, 1353 weiter aufgetrennt wurde, entstanden neue politische Einheiten: Stephan II. erhielt den größeren Teil Niederbayerns mit der Hauptstadt Landshut, die beiden jüngeren Brüder erhielten zusätzlich zu den niederländischen Grafschaften (die über die Ehefrau Kaiser Ludwigs des Bayern an Bayern gefallen waren) noch die Residenz Straubing mit einem breiten Streifen Landes entlang der Donau, von der Höhe Kelheims bis vor die Tore Passaus, westlich von Schärding (Österreich) ins Innviertel, im Süden bis Dingolfing (Lkr. Dingolfing-Landau), im Bayerischen Wald bis an die Grenze des Pfälzer Gebiets reichend. Der später aus Münchner Sicht geprägte verniedlichende Begriff "Straubinger Ländchen" darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch hier ein territorial erheblicher und wirtschaftlich gewichtiger Landesteil entstanden war.

Die dritte Landesteilung 1392

Die vier Herzogtümer nach der Teilung von 1392. (in: Bäumler/Brockhoff/Henker, Von Kaisers Gnaden, 2005, 37)
Die Aufteilung des Straubinger Erbes 1429. (in: Bäumler/Brockhoff/Henker, Von Kaisers Gnaden, 2005, 45)

Der Neuaufteilung Bayerns von 1392 war 1363 zunächst eine teilweise Wiedervereinigung vorausgegangen. Nach dem erbenlosen Tod Herzog Meinhards (reg. 1361-1363), des letzten Herzogs der oberbayerisch-tirolischen Linie der Wittelsbacher, brachte Stephan II. auch den oberbayerischen Landesteil an sich. Nach dessen Tod 1375 einigten sich seine Söhne Stephan III. (reg. 1375-1413), Friedrich (reg. 1375-1393) und Johann II. (reg. 1375-1397) zunächst auf eine gemeinsame Landesherrschaft. Als die Konkurrenzkämpfe, vor allem um die Residenz München, zuletzt nicht nur zu Uneinigkeit, sondern sogar zu gegenseitiger Gewalt führten, blieb 1392 als einziger Ausweg eine neuerliche Teilung: Niederbayern wurde zum Herzogtum Bayern-Landshut, das Herzog Friedrich zugesprochen wurde. Von Oberbayern wurde das Herzogtum Bayern-Ingolstadt abgetrennt und per Los Herzog Stephan III. zugeteilt. Es war dies das zerrissenste und in seiner politischen Topographie unglücklichste der mittelalterlichen Teilherzogtümer, bestand es doch aus zwei untereinander unverbundenen Gebietsteilen: Im Nordwesten die Gerichte an der Donau, Neuburg (Lkr. Neuburg-Schrobenhausen) und Ingolstadt, Schrobenhausen (Lkr. Neuburg-Schrobenhausen), Aichach und Friedberg (beide Lkr. Aichach-Friedberg), im Südosten das Land "vor dem Gebirge" im Chiemgau und "im Gebirge" mit den Gerichten Rattenberg, Kufstein und Kitzbühel (alle Österreich). Dazu kamen noch kleinere Gebietsfetzen auf dem Nordgau, umgeben vom Pfälzer Territorium. Das restliche, erheblich besser zusammenhängende und regierbare Gebiet wurde zum Herzogtum Bayern-München. Bayern-Straubing als vierter Landesteil blieb unangetastet in seinem Bestand von 1353.

Der Weg zur Landeseinheit

Neue Teilungen gab es von diesem Punkt ab nicht mehr. Wenn nur mehr Angliederungen und Wiedervereinigungen folgten, darf das jedoch noch nicht als historischer Konsolidierungskurs gedeutet werden, sondern ist einerseits ein Ergebnis dynastischer Zufälle, andererseits immer mit gewaltsamen und für Land und Leute zerstörerischen Konflikten verbunden. 1425 endete mit dem letzten Straubinger Herzog Johann III. (reg. 1417-1425) die Linie Straubing-Holland. Während die niederländischen Gebiete ohne ernsthafte bayerische Gegenwehr an die burgundischen Herzöge verloren gingen, wurde der Straubinger Landesteil erst nach mehrjährigen Verhandlungen unter den verbliebenen Herzogtümern aufgeteilt: Bayern-Ingolstadt wurde mit dem Gebiet um Dingolfing und Geiselhöring (Lkr. Straubing-Bogen), sowie mit Schärding und den Gebieten rechts des Inns abgefunden, und wurde so endgültig zu einem territorialen Flickenteppich. Bayern-Landshut konnte sein Gebiet durch die Gegend um Vilshofen (Lkr. Passau), Plattling (Lkr. Deggendorf) und Landau (Lkr. Digolfing-Landau) südlich sowie Hengersberg (Lkr. Deggendorf), Tittling (Lkr. Passau) und Schönberg (Lkr. Freyung-Grafenau) nördlich der Donau erweitern. Bayern-München schließlich erhielt mit dem restlichen "Straubinger Ländchen" weite Gebiete im Bayerischen Wald und südlich der Donau, mithin den mit Abstand größten Anteil.

1447 endete mit dem Tod Herzog Ludwigs VII. (des Gebarteten) (reg. 1413-1443) auch das Herzogtum Bayern-Ingolstadt. Um eine Benachteiligung wie beim Straubinger Erbfall auszuschließen, schuf Herzog Heinrich XVI. (der Reiche) (reg. 1393-1450) durch die handstreichartige Besetzung vollendete Tatsachen und sicherte für Bayern-Landshut sogar die historisch oberbayerischen Gebiete am nördlichen Lech und an der Donau. Einzig das Pfleggericht (Markt) Schwaben (Lkr. Ebersberg) konnte der Münchner Herzog Albrecht III. (reg. 1438-1460) sich, verbrieft im Erdinger Vertrag von 1450, auf dem Verhandlungswege sichern.

Die Pfalz mit der Oberpfalz, Pfalz-Neuburg und Bayern nach dem Landshuter Erbfolgekrieg. (in: Bäumler/Brockhoff/Henker, Von Kaisers Gnaden, 2005, 105)

Der Rest des 15. Jahrhunderts ist von den beiden territorial geschlossenen Herzogtümern Bayern-Landshut und Bayern-München geprägt. Nach Jahrzehnten vergleichsweise friedlicher Koexistenz führte die politische Anlehnung Herzog Georgs (des Reichen) (reg. 1479-1503) an die Kurpfalz zu Spannungen, das von ihm testamentarisch bestimmte Erbrecht seines pfälzischen Schwiegersohns schließlich zum Landshuter Erbfolgekrieg (1504-05). An seinem Ende steht die territoriale Wiedervereinigung eines um Gebietsabtretungen vor allem an Kaiser Maximilian I. (reg. 1486-1519) und das neu geschaffene Fürstentum Pfalz-Neuburg verkleinerten bayerischen Herzogtums, die durch die Primogeniturordnung von 1506 auf Dauer festgeschrieben wurde.

Recht und Unrecht der Teilungen

Mit dem geltenden Reichsrecht waren die bayerischen Landesteilungen nicht vereinbar. Bereits Kaiser Friedrich Barbarossa (reg. 1152-1190) hatte 1158 erstmals ein Reichsgesetz erlassen, das unter anderem festlegte, dass Herzogtümer, Grafschaften und Markgrafschaften nicht geteilt werden durften. Der Sachsenspiegel bestimmt für die Fahnlehen, also die von weltlichen Reichsfürsten innegehabten Reichslehen, dass sie nur ganz und nicht mehrfach verliehen werden dürfen (Landrecht 20 § 5). Noch deutlicher wird der um 1275 entstandene Schwabenspiegel mit dem Rechtsgrundsatz "Man kann kein Fürstenamt mit Recht zwei Männern verleihen" (121b). Indem die deutschen Könige und Kaiser mehrere bayerische Fürsten gleichzeitig belehnten, akzeptierten und legalisierten sie schließlich diese Rechtsbrüche.

Patrimoniales Herrschaftsverständnis und die Fiskalisierung von Herrschaftsrechten

Dies war nicht nur der relativen politischen Schwäche des spätmittelalterlichen deutschen Königtums geschuldet. Vor allem zwei Faktoren ließen Landesteilungen im spätmittelalterlichen Bayern, wie in anderen deutschen Territorien auch, geradezu unvermeidlich werden: zum einen ein Wandel im Verständnis von Landesherrschaft, nach dem Einkünfte aus den beherrschten Ländern nicht mehr als Zubehör und Ausstattung des innegehabten Fürstenamtes verstanden wurden, sondern umgekehrt der hergebrachte und sukzessive erweiterte Besitzstand der fürstlichen Familie ("Patrimonium") als eigentliche Grundlage der Herrschaft über Land und Leute betrachtet wurde. Auf dieser ideologischen Basis war es nur logisch, dass, zum zweiten, die Weitergabe und Verteilung von Herrschaft innerhalb der Fürstenfamilie einer gleichsam privaten erbrechtlichen Logik folgte. Das germanische Recht kannte nicht wie das Römische Recht die gewillkürte Erbfolge und die Dispositionsfreiheit des Erblassers, sondern ging von der unhintergehbaren gemeinschaftlichen Anwartschaft der Sippe, und damit normalerweise jedes einzelnen männlichen Nachkommen, aus. Auf die Fürstenfamilie angewandt, forderte es also im Grundsatz eine gleichwertige Ausstattung aller erbberechtigten Söhne. Gleichzeitig war die standesgemäße Versorgung jedes regierungsfähigen Familienmitglieds mit laufenden Einkünften ohne die Abtretung oder Teilung von Herrschaftsrechten über Land und Leute kaum denkbar. Die berechenbaren Erträge jedes einzelnen Land- oder Pfleggerichts aus nutzbaren Herrschaftstiteln wiederum waren die Währung, nach der der "Wert" der Landesteile bemessen wurde. Gelungen war eine Landesteilung nach diesem Herrschaftsverständnis dann, wenn sie für jeden Herrscher die gleichen Einkünfte erbrachte.

"Haus Bayern" und "Land und Leute"

Dabei wurde das Bewusstsein einer unverbrüchlichen historischen Einheit von Land, Bevölkerung und Herrscherhaus - zusammengefasst im vielschichtigen zeitgenössischen Begriff "Haus Bayern" - den zentrifugalen Tendenzen der Erbteilungen jedoch nicht völlig untergeordnet. Ausnahmslos waren Teilungsverträge gleichzeitig Familienverträge, die im Falle des Aussterbens einer Linie das bevorzugte Erbrecht der jeweils anderen ausdrücklich festlegten. Nicht selten blieben zudem einzelne Hoheitsrechte von der Teilung ausgenommen und wurden weiter gemeinsam wahrgenommen: 1255 waren dies beispielsweise die den bayerischen Herzögen noch verbliebenen Hoheitsrechte in der Stadt Regensburg. Ebenso wenig darf die Rolle der Landschaft(en) übersehen werden: Die betroffene Landschaft musste Teilungen zustimmen, Ausschüsse der Landschaft arbeiteten Teilungsvorschläge aus und fungierten als Schiedsgremien. Die Landstände standen einerseits also für die Interessen "des Landes" und entgegen dem reinen fürstlichen Eigennutz. Andererseits entwickelten gerade auch die Landschaften der Teilherzogtümer ein Eigenbewusstsein: Nach der Angliederung des "Straubinger Ländchens" an Bayern-München beispielsweise blieb eine eigenständige Landschaft des Niederlands noch für Jahrzehnte bestehen.

Forschungsgeschichte und historische Bewertung

Die zeitgenössischen Chronisten beklagten, wenn sie über die Teilungen und das spannungsreiche Nebeneinander der Teilherzogtümer berichteten, immer wieder die Verheerungen dieser Epoche. Doch gibt es kaum Anhaltspunkte dafür, dass sie das Aufbrechen der territorialen Einheit des Herzogtums als Übel an sich ansahen. Diesen Grundgedanken brachte erst die spezifische Bayern-Münchner Geschichtspolitik seit den 1480er Jahren ins Spiel: Der Münchner Herzog Albrecht IV. (reg. 1465-1508), der seine Herrschaft gegen familienrechtlich mitberechtigte Brüder durchsetzen musste, setzte nach außen gleichzeitig auf territoriale Vergrößerung und ein aggressives Gegengewicht gegen die niederbayerisch-pfälzische Allianz. Die aus dieser Strategie geborene Rhetorik der Landeseinheit unter Münchener Führung wurde in der Folge von Chronisten wie Aventin (1477-1534) in einen historischen Topos überführt, der die staatliche Einheit unter einem einzigen Herrscher als Flucht- und Zielpunkt der bayerischen Geschichte etablierte. Von der fürstennahen Chronistik des 16. Jahrhunderts zog sich dieser rote Faden bis zu den Geschichtserzählungen der Volksaufklärer und vaterländischen Geschichtsschreiber des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts. An dieser Deutung hielten zunächst auch die Vertreter der als eigenständigen historischen Disziplin etablierten und methodisch verwissenschaftlichten Landesgeschichte fest. In den letzten Jahrzehnten sind die Teilherzogtümer dagegen gerade nicht als defizitäre Teile eines organischen Ganzen, sondern als proto-staatliche Gebilde je eigenen Rechts und Charakters in den Blick genommen worden. Bei diesen Untersuchungen kamen immer wieder Aspekte der kulturellen Verdichtung, der administrativen Durchdringung und der wirtschaftlichen Modernisierung gerade der kleineren Herrschaftseinheiten zum Vorschein, die es plausibel erscheinen ließen, die Landesteilungen sogar als ausgesprochene Modernisierungsschübe zu deuten. Damit ist man von der Beurteilung der Landesteilungen als Grundkatastrophen der spätmittelalterlichen Landesgeschichte schon fast bei einer Deutung als Bereicherung angelangt.

Vor allem ein Vorbehalt bleibt aber gegen ein zu positives Gesamturteil: Der nach wie vor gültige Hinweis auf den konflikt- und gewaltreichen Charakter vor allem der Zeit nach 1392 und auf die für Land und Leute zerstörerischen Fehden und Kämpfe der verfeindeten Herrscher.

Literatur

  • Beatrix Ettelt, Der Teilungsvertrag von 1392, in: Bayern-Ingolstadt, Bayern-Landshut 1392-1506. Glanz und Elend einer Teilung, Ingolstadt 1992, 9-17.
  • Reinhard Härtel, Über Landesteilungen in deutschen Territorien des Spätmittelalters, in: Herwig Ebner (Hg.), Festschrift Friedrich Hausmann, Graz 1977, 179-205.
  • Wilhelm Störmer, Die wittelsbachischen Landesteilungen im Spätmittelalter (1255-1505), in: Suzanne Bäumler/Evamaria Brockhoff/Michael Henker (Hg.), Von Kaisers Gnaden. 500 Jahre Pfalz-Neuburg (Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur 50), Augsburg 2005, 17-23.

Quellen

Archivbestände

Über die Teilung von 1255 ist eine Teilungsurkunde - die es wahrscheinlich gegeben hat - nicht überliefert. Der jeweilige territoriale Besitzstand lässt sich jedoch aus einem um 1280 entstandenen Urbar des oberbayerischen Landesteils (Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Kurbayern Äußeres Archiv 4735) rekonstruieren. Die späteren Teilungen wurden jeweils durch von den Beteiligten gemeinsam ausgestellte und teilweise von den Landständen mitbezeugte Urkunden ("Teilbriefe") dokumentiert. Im königlichen allgemeinen Reichsarchiv, dem Vorläufer des heutigen Bayerischen Staatsarchivs, sind die erhaltenen Originale im Bestand "Herzogliche Länderteilungen" zusammengefasst worden. Im Zuge von Beständebereinigungen ist dieser Bestand zwar inzwischen aufgelöst, das noch benutzbare Repertorium führt als Findbehelf aber zu den gültigen Bestellsignaturen des Bayerischen Hauptstaatsarchivs. Als "familienrechtliche" Dokumente lagern Teilungsurkunden und Hausverträge teilweise auch im Geheimen Hausarchiv des Hauses Wittelsbach (Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Abt. III).

Gedruckte Quellen

  • Karl Ludwig Ay, Altbayern von 1180-1550 (Dokumente zur Geschichte von Staat und Gesellschaft in Bayern I/2), München 1977, 150-194, Quellen Nr. 107-137.
  • Hans Rall, Wittelsbacher Hausverträge des späten Mittelalters. Die haus- und staatsrechtlichen Urkunden der Wittelsbacher von 1310, 1329, 1392/93, 1410 und 1472 (Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte 71), München 1987.

Weiterführende Recherche

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Empfohlene Zitierweise

Julian Holzapfl, Bayerische Teilungen, publiziert am 11.02.2013; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Bayerische_Teilungen (19.03.2024)