Akademie für Politische Bildung
Aus Historisches Lexikon Bayerns
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Die Akademie für Politische Bildung wurde 1957 auf Beschluss des Bayerischen Landtags als Anstalt des öffentlichen Rechts mit Sitz in Tutzing am Starnberger See gegründet. Ihr Träger ist der Freistaat Bayern. Als staatlich finanzierte Akademie leistet die ansonsten unabhängige Institution seither wichtige überparteiliche politische Bildungsarbeit.
Die "Politische Akademie": ein "Kind der Viererkoalition"
Die Akademie für Politische Bildung in Tutzing (Lkr. Starnberg) wurde zu einer Zeit gegründet, als die Demokratie der jungen Bundesrepublik alles andere als gefestigt war. Das Ende der NS-Diktatur lag gerade einmal zwölf Jahre zurück, und erst allmählich begann die Aufarbeitung dieses dunkelsten Kapitels deutscher Geschichte. Die damaligen politischen Handlungsträger waren sich über die Parteigrenzen hinweg zwar darin einig, dass die politische Bildung weiter Kreise der Bevölkerung unzureichend sei. Uneins war man sich indes über die Art und Weise, wie dieser Missstand beseitigt werden konnte. Die Regierungsparteien der sog. Viererkoalition aus Sozialdemokratischer Partei Deutschland (SPD), Freier Demokratischen Partei (FDP), Bayernpartei (BP) und Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE)/Gesamtdeutscher Block (GB) favorisierten eine neue Einrichtung, die politische Bildung – und gerade nicht "Schulung" – überparteilich, wissenschaftlich fundiert und pädagogisch modern vermittelte. In diesem Geiste wurde nicht nur im Jahre 1957 das Akademiegesetz vom Bayerischen Landtag verabschiedet, vielmehr bildet er seither die elementare Grundlage der konkreten Akademiearbeit.
Der Gründung der Akademie gingen mehr als einjährige parlamentarische Beratungen und intensive Auseinandersetzungen über mögliche Organisationsformen politischer Bildungsarbeit voraus. Auf Initiative Waldemar von Knoeringens (SPD, 1906–1971) waren 1955 im sog. Grünwalder Arbeitskreis namhafte deutsche Wissenschaftler, Pädagogen, Politiker und Beamte zusammengekommen, um Konzeption und institutionelle Absicherung der politischen Bildungsarbeit im Freistaat Bayern zu beraten. Dazu gehörten u. a.:
Name | Lebensdaten | Beruf | Partei | Politische Ämter |
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Walter Becher | 1912-2005 | Journalist | GB/BHE | Landtagsabgeordneter, Fraktionsvorsitzender |
Hellmut Becker | 1913-1993 | Jurist, Bildungsforscher | Präsident des deutschen Volkshochschulverbandes, Mitglied der Bildungskommission des Deutschen Bildungsrates | |
Arnold Bergstraesser | 1896–1964 | Politikwissenschaftler | ||
Fritz Borinski | 1903–1988 | Bildungswissenschaftler | SPD | Mitglied des Kulturausschusses beim Parteivorstand der SPD |
Hildegard Hamm-Brücher | 1921-2016 | Chemikerin | FDP | Stadträtin, Landtagsabgeordnete, Staatssekretärin im Hessischen Kultusministerium sowie im Bundesbildungsministerium, Staatsministerin im Auswärtigen Amt |
Walter Dirks | 1901–1991 | Publizist | CDU | Mitglied des Deutschen Ausschuss für das Erziehungs- und Bildungswesen |
Wilhelm Ebert | 1923-2017 | Lehrer | Präsident des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes | |
Theodor Ellwein | 1897–1962 | Theologe | ||
Thomas Ellwein | 1927–1998 | Politikwissenschaftler | SPD | Präsident des Deutschen Studentenwerkes, Gründungspräsident der Bundeswehrhochschule Hamburg |
Theodor Eschenburg | 1904–1999 | Politikwissenschaftler | Stellv. Innenminister von Württemberg-Hohenzollern, Hochschulrektor | |
Franz Fendt | 1892–1982 | Lehrer | SPD | Staatsminister für Unterricht und Kultus |
Hugo Fink | 1910–1986 | Volkswirt | CSU | Stadtrat, Landtagsabgeordneter, Staatssekretär im Bayerischen Innenministerium |
Günther Frede | 1901–1967 | Politiker | SPD | Lehrer, Ministerialrat, Regierungspräsident in Hildesheim, Bundestagsabgeordneter |
Hans K. Fritzsche | 1914-1999 | Lehrer | CDU | Ministerialrat |
Franz Heubl | 1924–2001 | Jurist | CSU | Landtagsabgeordneter |
Wilhelm Hoegner | 1887–1980 | Jurist | SPD | Staatsminister, Ministerpräsident |
Fritz Koch | 1896–1967 | Jurist | SPD | Staatssekretär, Staatsminister |
Eugen Lemberg | 1903–1976 | Historiker | Präsident des Herder-Forschungsrates | |
Alfred Marchionini | 1899–1965 | Dermatologe | Hochschulrektor | |
Felix Messerschmid | 1904–1981 | Pädagoge | Präsidialmitglied des Deutschen Ausschusses für das Erziehungs- und Bildungswesen | |
Hans Nawiasky | 1880–1961 | Staatsrechtler | Mitverfasser der Verfassung des Freistaates Bayern von 1946, Mitverfasser des Grundgesetzes | |
Johannes Pfefferkorn | 1915–1956 | Referent in der Staatskanzlei, Journalist | SPD | |
Bernhard Pfister | 1900–1987 | Wirtschaftswissenschaftler | ||
Franz Pöschl | 1917–2011 | Offizier | SPD | Oberregierungsrat |
Albert Riemann | geb. 1902 | Oberstudienrat | Landesschulbeirat | |
August Rucker | 1900–1978 | Architekt | Staatsminister | |
Annemarie Schambeck | 1911–1997 | Rundfunkleiterin | ||
Hans Schuster | 1915–2002 | Journalist | ||
Alfons Simon | 1897-1975 | Pädagoge | Bürgermeister | |
Hans-Jochen Vogel | 1926-2020 | Politiker | SPD | Oberbürgermeister in München, Bundestagsabgeordneter, Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, Bundesminister der Justiz |
Robert Wehgartner | 1909–1974 | Politiker | BP | Staatssekretär im Bayerischen Innenministerium |
Erich Weniger | 1894–1961 | Pädagoge | Mitglied des Deutschen Ausschuss für das Erziehungs- und Bildungswesen | |
Melchior Westhues | 1896-1971 | Veterinär | Hochschulrektor | |
Anton Wittmann | 1908–1960 | Politiker | SPD | Landtagsabgeordneter |
Die in Grünwald (Lkr. München) entwickelten Empfehlungen (sog. Grünwalder Gutachten) sind von Hans-Jochen Vogel, damals junger Mitarbeiter in der Bayerischen Staatskanzlei unter dem sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Wilhelm Hoegner (1887–1980), in die Form eines parlamentarischen Gesetzentwurfs gebracht worden. Dessen Einbringung erfolgte im April 1956. Wenig später legte die Oppositionsfraktion der Chirstlich-Sozialen Union (CSU) unter ihrem Sprecher Hanns Seidel (1901–1961) einen konkurrierenden Gesetzentwurf über "die Organisation der politischen Bildung in Bayern" vor. Nach intensiven parlamentarischen Beratungen beschloss der Landtag in seiner 100. Sitzung vom 17. Mai 1957 das "Gesetz über die Errichtung einer Akademie für Politische Bildung" (kurz: Akademiegesetz; Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Nr. 10 vom 31. Mai 1957, 103). Wörtlich heißt es in dessen Präambel: "Der Bestand und die Zukunft des demokratischen Staates und der von ihm gewährleisteten Freiheit hängen von der rechten Einschätzung seiner Werte durch die Staatsbürger und ihrem Willen, sie zu behaupten, ab. Dem Staat erwächst daher die Pflicht, alle Maßnahmen zu unterstützen und zu ergreifen, die der Pflege der politischen Bildung dienen. Zu diesem Zweck wird eine Akademie für Politische Bildung errichtet."
Die Bestellung ihres Gründungsdirektors sollte sich dann allerdings noch geraume Zeit hinziehen. Ende März 1958 entsprach der Ministerrat unter dem seit Oktober 1957 amtierenden Ministerpräsidenten Hanns Seidel dem Vorschlag des Akademiekuratoriums und ernannte Felix Messerschmid (1904–1981) unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Zeit für die Dauer von sechs Jahren zum Gründungsdirektor der Akademie. Im Oktober 1958 nahm die neue Einrichtung in Tutzing ihre Arbeit auf.
Die Akademie
In ihrer Rechtsform ist die Akademie für Politische Bildung in der deutschen Bildungslandschaft wie auch international einmalig. Sie war die erste Institution politischer Bildung in Deutschland, die auf einem eigenen Landesgesetz beruhte. Als Anstalt des öffentlichen Rechts basiert sie weder auf einem privaten Rechtsträger noch ist sie eine Behörde. Es handelt sich um eine Einrichtung des Freistaates Bayern mit einer teils den staatlichen Hochschulen, teils den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten vergleichbaren Rechtsnatur. Die Akademie ist keiner Partei, keiner politischen Richtung und keinem Verband verpflichtet. Normen und Orientierungsrahmen für die Akademiearbeit ergeben sich aus den Prinzipien der freiheitlichen, pluralen, rechtsstaatlichen und repräsentativen Demokratie, wie sie in den Verfassungen von Bund und Freistaat Bayern grundgelegt ist. Demgemäß leistet die Akademie politische Bildungsarbeit auf überparteilicher Grundlage zur Festigung der Demokratie als Staats- und Lebensform. Das konkrete Ziel ihrer Arbeit besteht mithin darin, Bürgerinnen und Bürger zur rationalen politischen Urteilsbildung und zum aktiven politischen Handeln zu befähigen wie auch zur Teilhabe an der Demokratie zu ermuntern.
Arbeitsfelder der Akademie
Im Mittelpunkt der Akademiearbeit steht die Durchführung von Informationsveranstaltungen zur allgemeinen politischen Bildung, von Expertentagungen und Studienkonferenzen sowie von beruflichen Fortbildungslehrgängen. In Tutzing und an anderen Tagungsorten innerhalb Bayerns werden, abseits des hektischen Tagesgeschäftes, politisch-soziale Fragestellungen fakten- und problemorientiert erörtert. Daneben gehört es zu den gesetzlich vorgesehenen Aufgaben der Akademie, pädagogisch brauchbare Formen der politischen Bildungsarbeit zu entwickeln und zu erproben, Schrifttum zur politischen Bildung anzuregen, zu sammeln und selbst herauszugeben sowie die Zusammenarbeit mit Organisationen und Einrichtungen zu suchen, die sich auf dem Gebiet der politischen Bildung betätigen. Die Akademie fungiert als Forum für politische Dialoge, als Bildungseinrichtung für gesellschaftliche Multiplikatoren sowie als Stätte des wissenschaftlichen Diskurses.
Veranstaltungen und Angebote
In ihrer Tagungsstätte in Tutzing am Starnberger See und an anderen Orten in Bayern finden regelmäßig Tagungen, Seminare und Podiumsdiskussionen zu aktuellen und historischen Themen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft statt.
Grundsätzlich stehen die Veranstaltungen der Akademie jedermann offen, ausgenommen Veranstaltungen mit einem zuvor festgelegten Teilnehmerkreis. Neben allgemein ausgeschriebenen Tagungen konzentriert sich die Akademiearbeit auf bestimmte Zielgruppen (z. B. Bundeswehrangehörige, Journalisten, Lehrkräfte, Verbandsvertreter). Brachte es die Akademie in ihrem Eröffnungsjahr 1958 auf insgesamt 56 Tagungen, so konnte nach der Inbetriebnahme des neuen Gästehauses ab 1974 ein kontinuierlicher Anstieg erreicht werden. Im Jahr 1980 wurde mit 109 Tagungen erstmals die Einhundertermarke überschritten. Ein neuerlicher steiler Anstieg ist ab 2011 zu verzeichnen: Von 138 ging es hinauf bis auf den bisherigen Höchststand mit 203 Tagungen im Jubiläumsjahr 2017. In beschränktem Umfang finden darüber hinaus Gasttagungen in Tutzing statt. Die Tagungsstätte der Akademie bietet sieben Veranstaltungsräume für 200, 100, 60, 30, 20 oder zwölf Personen mit moderner Tagungstechnik.
Zum Angebot der Akademie gehören außerdem Kulturveranstaltungen, eine öffentliche Bibliothek, eigene wissenschaftliche Publikationen, der Akademie-Report als gedrucktes Magazin sowie verschiedene digitale Formate, darunter kostenlose Online-Veranstaltungen, Social-Media-Kanäle und der Podcast "Akademie fürs Ohr".
Kooperationspartner der Akademie
Bei der Planung und Durchführung ihrer Veranstaltungen arbeitet die Akademie für Politische Bildung regelmäßig mit verschiedenen Kooperationspartnern aus Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft zusammen. Außerdem ist sie Mitglied in verschiedenen Netzwerken mit dem Ziel, Demokratie und politische Bildung zu fördern. So ist die Akademie u.a. Mitglied in folgenden Gremien:
- Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten e.V.
- Bayerisches Bündnis für Toleranz - Demokratie und Menschenwürde schützen
- Europäische Bewegung Bayern e.V.
- Landesmediendienste Bayern
- ÖKOPROFIT-Klub Starnberg / Tölzer Land / Weilheim-Schongau
- Wertebündnis Bayern - Gemeinsam stark für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene
Zu den ständigen Kooperationspartnern der Akademie zählen neben vielen anderen der Bayerische Landtag, Einrichtungen zur Förderung der politischen Bildung (Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, Bundeszentrale für politische Bildung), Universitäten (z.B. Hochschule für Politik München an der Technischen Universität München, Tel Aviv University, Sorbonne Université Paris), Akademien (z.B. Akademie für Lehrerfortbildung und Personalführung in Dillingen, Bayerische Akademie der Wissenschaften, Evangelische Akademie Tutzing), Diplomatische Vertretungen (z.B. Japanisches Generalkonsulat München, Vertretung der EU-Kommission in München, Vertretung der Regierung von Quebec in München), Medien (ARD-Alpha, ARD.ZDF medienakademie, Bayern 2), Wissenschaftseinrichtungen (z.B. Europäisches Zentrum für Föderalismus-Forschung Tübingen, Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung, Leibniz-Institut für Ost- und Südosteuropaforschung (IOS) Regensburg).
Thematisch-inhaltliche Schwerpunkte
In den Veranstaltungen und wissenschaftlichen Publikationen der Akademie werden Themen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft aufgegriffen und zur Diskussion gestellt.
Die meisten Themen durchziehen die Akademiearbeit über Jahre, bevor sie von anderen abgelöst werden. Einige grundlegende Themen behandelt die Akademie seit ihrer Gründung in den 1950er-Jahren regelmäßig - teils mit unterschiedlichen Zielgruppen. Hinzu treten immer wieder (neue) Themen, die für die jeweilige Zeit mit ihren politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen stehen. Zu den thematischen Schwerpunkten der Akademie sind zu rechnen:
- Demokratie
- Europa
- Digitalisierung
- Bildung
- Zeitgeschichte
- Wirtschaft und Soziales
- Philosophie und Ethik
- Verfassung und Rechtspolitik
- Landes- und Kommunalpolitik
- Parteien, Wahlen und Parlamentarismus
- Politischer und Gesellschaftlicher Wandel
- Ökologie, Klimawandel und Nachhaltigkeit
- Internationale Beziehungen und Sicherheitspolitik
- Medien, Journalismus und Politische Kommunikation
Der Standort in Tutzing
Sitz der Akademie ist das "Haus Buchensee" in Tutzing, die ehemalige Sozialpolitische Schule der Landesversicherungsanstalt (LVA) Oberbayern am westlichen Hangufer des Starnberger Sees. Sie beherbergt Hörsäle und Seminarräume, Aufenthalts- und Speiseräume, ein Bettenhaus, Mitarbeiterbüros, die über 50.000 Medieneinheiten umfassende Akademiebibliothek sowie Wirtschafts- und Nebenräume.
Das Anwesen "Haus Buchensee" verfügt über eine recht bewegte Geschichte: Ursprünglich hatte der königlich-bayerische Baumeister Leo von Klenze (1784–1864) auf der Anhöhe vor Schorn damit begonnen, einen größeren Villenbau für sich zu errichten. Nach seinem Tode erstellte sein Sohn Hippolyt (1814–1880) auf dem über 19 Hektar großen Grundstück eine Sommervilla im klassizistischen Stil, mutmaßlich nach den Plänen seines Vaters. Im Jahr 1866 erhielt er vom Bezirksamt München links der Isar die Genehmigung für den Namen "Buchensee". Nach mehrfachem Eigentümerwechsel (zuletzt: Architekt Ludwig Behr, 1863-1945) erwarb 1938 die Landesversicherungsanstalt Oberbayern das Anwesen, um darauf ein Jugendertüchtigungslager zu errichten. Nach Abschluss der Umbauarbeiten 1942/43 wurde das Haus von der Wehrmacht beschlagnahmt und diente bis Kriegsende als Reservelazarett, danach als Flüchtlingsheim und ab 1947 als (Kreis-)Altenheim. 1952 eröffnete die Landesversicherungsanstalt im "Haus Buchensee" ihre Sozialpolitische Schule. Zeitgleich erfolgte der Anbau eines zweigeschossigen Saalgebäudes und von vier Einzelpavillons. Seit ihrer Gründung 1957 wird das Anwesen von der Akademie genutzt. Neben dem Neubau eines Gästehauses 1973/74 sind seitdem mehrere An- und Umbauten (z. B. Brandschutzsanierung, neue Eingangshalle) vorgenommen worden. Mit der Grundstückseigentümerin Landesversicherungsanstalt Oberbayern (seit Oktober 2005 Deutsche Rentenversicherung Bayern Süd) wurde im Juli 2000 ein Erbpachtvertrag über das Anwesen für die Dauer von 99 Jahren geschlossen.
Organe der Akademie
Die im Akademiegesetz vorgesehenen Organe sind:
- das Kuratorium (Art. 4 bis 8)
- der Direktor (Art. 9 bis 11)
- das Dozentenkollegium (Art. 12 und 13)
- der Beirat (Art. 14 und 15)
Das Kuratorium
Im Gegensatz zum Beirat, der allein beratende Funktionen ausübt, werden im Kuratorium die "eigentlichen Entscheidungen" gefällt. Das Kuratorium hat die Interessen der Akademie zu wahren, wirkt bei der Ernennung des Direktors und der hauptamtlichen Dozenten mit, billigt die Richtlinien der Akademiearbeit und genehmigt den Haushaltsvorschlag sowie den Jahresabschluss (vgl. Art. 7 Akademiegesetz). Es hat zudem zur Aufgabe, die Einhaltung der Richtlinien durch Direktor und Dozenten zu überwachen, Meinungsverschiedenheiten zwischen diesen zu schlichten und die Akademie bei Rechtsgeschäften gegenüber dem Direktor zu vertreten. Laut Akademiegesetz besteht das Kuratorium aus je einem Angehörigen der mit Fraktionsstärke im Bayerischen Landtag vertretenen Parteien. Fraktionen mit mehr als 50 Abgeordneten erhalten einen zusätzlichen Sitz. Weitere zehn Mitglieder werden von Repräsentanten des öffentlichen Lebens, aus Wissenschaft und Bildungswesen des Freistaates gestellt.
Zum Mitglied des Kuratoriums kann nur berufen werden, wer das passive Wahlrecht zum Bundestag besitzt. Der zu Berufende soll in der praktischen Politik, im öffentlichen Leben, in der Wissenschaft oder im Bildungswesen erfahren und bereit sein, sich für die politische Bildung einzusetzen. Er darf der Akademie nicht als Beamter oder Angestellter angehören.
Die Mitglieder des Kuratoriums werden vom Ministerpräsidenten, dem Landesvorsitzenden der im Landtag stärksten Oppositionspartei mit Fraktionsstärke und einer von der bayerischen Rektorenkonferenz benannten Persönlichkeit auf die Dauer von sechs Jahren berufen. Die Berufungen erfolgen auf Grund einstimmiger Beschlüsse. Wiederberufung ist zulässig.
Die Mitgliedschaft im Kuratorium erlischt vor Ablauf der Amtszeit durch Tod, durch Rücktritt und durch Verlust des passiven Wahlrechts zum Bundestag. Bei Mitgliedern, die eine politische Partei repräsentieren, erlischt die Mitgliedschaft, sobald sie der Partei, für die sie berufen sind, nicht mehr angehören. Ist ein Mitglied vorzeitig ausgeschieden, so ist für den Rest seiner Amtszeit ein Ersatzmitglied zu berufen. Bei Mitgliedern, die eine politische Partei repräsentieren, erlischt die Mitgliedschaft außerdem zu dem Zeitpunkt, wenn die Vertretung der Partei im Landtag die Eigenschaft einer Fraktion verliert.
Das Kuratorium gibt sich eine Geschäftsordnung und wählt aus seiner Mitte jeweils für zwei Jahre einen Vorsitzenden sowie dessen Stellvertreter; es ist beschlussfähig, wenn die Mehrheit seiner Mitglieder anwesend ist. Die Mitglieder des Kuratoriums sind ehrenamtlich tätig; sie haben Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen.
Name | Lebensdaten | Partei | Politische Ämter | Amtszeit |
---|---|---|---|---|
Hans Rollwagen | 1892-1992 | SPD | Oberbürgermeister von Bayreuth | 1957-1963 |
Karl Böck | 1916-2009 | Ministerialdirektor im Staatsministerium für Unterricht und Kultus | 1963-1988 | |
Hans Maier | geb. 1931 | CSU | Staatsminister für Unterricht und Kultus | 1988-2013 |
Friedrich Wilhelm Rothenpieler | geb. 1945 | Amtschef des Staatsministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst | seit 2013 |
Direktor/Direktorin
Die Bestellung zum Direktor der Akademie für Politische Bildung setzt die Wahl durch das Kuratorium voraus. Sie bedarf einer Zustimmung von 2/3 des Kuratoriums, ernennen aber muss ihn oder sie die Staatsregierung, also der Ministerpräsident. Eine Amtszeit dauert sechs Jahre, eine Wiederwahl ist möglich.
Der Direktor bzw. die Direktorin vertritt die Akademie nach außen, setzt die Richtlinien für die Arbeit der Akademie um und entscheidet über die Verwendung der Mittel, die der Freistaat Bayern der Akademie zur Erfüllung ihrer Aufgaben zur Verfügung stellt. Dabei sind die für die staatliche Haushaltsführung geltenden Vorschriften zu beachten. Das Staatsministerium für Unterricht und Kultus hat lediglich beim Vollzug des Haushalts die Rechtsaufsicht inne. Ansonsten verwaltet sich die Akademie (aufgrund ihres Status als Anstalt des öffentlichen Rechts) im Rahmen der Gesetze selbst.
Mit Ausnahme des Pädagogen Felix Messerschmid, der als Gründungsdirektor agierte, waren alle Akademiedirektoren renommierte Politologen.
Name | Lebensdaten | Amtszeit | |
---|---|---|---|
Felix Messerschmid | 1904-1981 | 1958-1970 | |
Manfred Hättich | 1925–2003 | 1970-1993 | |
Heinrich Oberreuter | geb. 1942 | 1993-2011 | |
Ursula Münch | geb. 1961 | seit 2011 |
Das Dozentenkollegium
Das Kollegium der Akademie besteht aus qualifizierten Wissenschaftlern unterschiedlicher geistes- und sozialwissenschaftlicher Disziplinen. Neben der wissenschaftlichen Kompetenz wird bei der Personalauswahl größter Wert auf die pädagogische Eignung gelegt. Das Kollegium setzt sich aus Assistenten und Dozenten zusammen und umfasst insgesamt zehn wissenschaftliche Planstellen (einschließlich des Direktors). Seit der Verabschiedung der "Grundsätze der Akademie für Politische Bildung für die Beschäftigung der wissenschaftlichen Mitarbeiter" im Jahr 2000 werden die Wissenschaftlerstellen befristet vergeben. Bei seiner Arbeit wird das Kollegium von Gastdozenten unterstützt.
Der Beirat
Das Akademiegesetz sieht ferner einen Beirat vor, dessen Mitglieder jeweils auf vier Jahre zu wählen sind. Der Beirat setzt sich aus Vertretern politischer, kirchlicher und gesellschaftlicher Gruppen zusammen, die nach der "Wahlordnung für den Beirat der Akademie" (BayGVBl. Nr. 23 vom 19. Dezember 1957, 315–317) bestimmt werden. Er besteht aus je
- einem Angehörigen der mit Fraktionsstärke im Bayerischen Landtag vertretenen Parteien. Parteien, die mit mehr als 50 Abgeordneten im Landtag vertreten sind, erhalten je ein weiteres Mitglied
je einem Vertreter
- der kommunalen Spitzenverbände
- der Katholischen Kirche
- der Evangelischen Kirche
- der Israelitischen Kultusgemeinden
- der Frauenorganisationen
- der Gewerkschaften
- des Bayerischen Bauernverbandes
- der Industrie- und Handelskammern
- der Handwerkskammern
- der bayerischen Universitäten und Hochschulen
- der Hochschule für Politik
- der Lehrerverbände
- der Organisationen der Erwachsenenbildung
- des Landesjugendrings
- des Ringes politischer Jugend
- der Berufsjournalisten
- der Zeitungsverleger
- der Vertriebenenverbände
- des Landessportverbandes
- des Verbandes der Freien Berufe in Bayernund höchstens vier weiteren vom Beirat auf die Dauer von vier Jahren gewählten Persönlichkeiten.
Die Vertreter werden von den einschlägigen Organisationen auf die Dauer von vier Jahren gewählt. Die Vertreter der Kirchen werden von den Kirchen benannt. Wiederwahl und Wiederbenennung sind zulässig. Der Beirat wählt mit Stimmenmehrheit aus der Mitte seiner Mitglieder einen Vorsitzenden und einen Stellvertreter.
Der Vorsitzende ruft den Beirat in angemessenen Zeitabständen, mindestens aber zwei Mal im Jahr, zu ordentlichen Sitzungen zusammen. Auf Antrag eines Drittels der Mitglieder des Beirats findet eine außerordentliche Sitzung statt. Die Mitglieder des Beirats sind ehrenamtlich tätig; sie haben Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen.
Der Beirat hat zur Aufgabe, eine Verbindung zwischen Akademie und Öffentlichkeit zu schaffen sowie dem Direktor beratend zur Seite zu stehen.
Archiv - Bibliothek - Dokumentation
Das Akademiegesetz formuliert als eine Aufgabe der Akademie, "Schrifttum zur politischen Bildung anzuregen, zu sammeln und selbst herauszugeben" - genau genommen sind das gleich drei Forderungen: Das Sammeln des Schrifttums erfolgt in der Akademiebibliothek. Sie dient dem wissenschaftlichen Kollegium zur Recherche und ist auch öffentlich zugänglich. Darin finden sich schwerpunktmäßig die Disziplinen Politik-, Geschichts- und Kommunikationswissenschaft, Philosophie, Wirtschafts-, Rechts- und Religionswissenschaft, Pädagogik und Soziologie. Hinzu kommen noch Biografien- und Festschriften-Sammlungen sowie etwas "schöngeistige Literatur". Den Auftrag, Publikationen anzuregen, erfüllt die Akademie für Politische Bildung in ihren Tagungen, aus denen regelmäßig Schriften hervorgehen. In den ersten Jahren der Akademiearbeit lag der Schwerpunkt auf der Veröffentlichung ausgewählter Vorträge und Aufsätze. Hinzu kamen mehrere Schriftenreihen, zum Teil in Kooperation mit Verlagen. Die im Nomos-Verlag erscheinenden Tutzinger Studien zur Politik umfassen mehr als 20 fachwissenschaftliche Sammelbände, während die Tutzinger Schriften zur politischen Bildung einen erhöhten Praxis- und Unterrichtsbezug aufweisen. Hinzu kommen die Akademie-Kurzanalysen und die Verschriftlichung der Akademiegespräche im Bayerischen Landtag.
Finanzierung
Die Akademie wird im Rahmen einer institutionellen Förderung wesentlich aus Mitteln des bayerischen Staatshaushaltes alimentiert. Artikel 1, Absatz 2 des Akademiegesetzes regelt die Finanzierung folgendermaßen: "Der Freistaat Bayern stellt der Akademie die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Mittel nach Maßgabe der Haushaltsgesetze zur Verfügung." Der Akademiehaushalt ist Bestandteil des Haushalts des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus und unterliegt der Prüfung durch den Obersten Rechnungshof.
Eher bescheidene Mittelzuweisungen durch den Freistaat besonders in ihren Anfangsjahren (1958: 479.960 DM; 1963: 654.000 DM; 1968: 928.900 DM) eröffneten der Akademie zunächst keinerlei finanzielle Spielräume. Zu Beginn der 1970er-Jahre überstieg der Akademiehaushalt dann erstmals die Millionengrenze (1971: 1.215.400 DM). Ein kontinuierlicher Anstieg ließ 1980 die Drei-Millionenmarke (3.033.600 DM), 1991 die Vier-Millionenmarke (4.017.300 DM) und 1995 die Fünf-Millionenmarke (5.512.600 DM) übertreffen. Im Jahr vor dem Übergang von der DM auf den Euro umfasste der Akademiehaushalt etwas mehr als sieben Millionen DM (2001: 7.071.000 DM). Seither hat sich das Haushaltsvolumen zwischen knapp vier bis fünf Millionen Euro eingependelt (2005: 4.269.000 €; 2010: 3.785.000 €; 2015: 4.080.000 €; 2020: 4.620.000 €; 2024: 5.080.000 €). Ein Großteil der Mittel entfallen dabei auf Personalkosten. Einen weiteren großen Posten bilden die über die Jahre erheblich gestiegenen Miet- bzw. Erbpachtkosten für das Anwesen "Haus Buchensee". Beide Posten zusammengenommen machen fast Dreiviertel des Haushaltsvolumens aus.
Stellung innerhalb der bayerischen Akademielandschaft
Innerhalb der bayerischen Akademielandschaft ist die Akademie für Politische Bildung unter finanziellen und personellen Ausstattungsgesichtspunkten wohl im Mittelfeld anzusiedeln. Daran hat auch die deutliche Ausweitung des ehedem überbescheidenen Akademiehaushalts nichts zu ändern vermocht. Unter finanziellen Gesichtspunkten schlagen hier vor allem die hohen Erbbauzinsen zu Buche, die den Bewegungsspielraum arg einengen und mit rund einer halben Mio. € allein schon etwa 13 % des jährlichen Gesamtbudgets ausmachen.
Immerhin konnte inzwischen die umfassende Überholung der überaus rückständigen, für einen zeitgemäßen Akademiebetrieb keineswegs förderlichen Infrastruktur erreicht werden. Insbesondere der 2011 in Betrieb gegangene Hörsaalkomplex hat die Akademie zukunftsfähig gemacht. Gleichzeitig gelang es, die Stellung der Akademie in der bayerischen Öffentlichkeit erheblich auszubauen und zu verstärken. Nichtsdestotrotz gehören insbesondere Multiplikatoren (v. a. Lehrer) zur primären Zielgruppe der Akademie, die das in Tutzinger Veranstaltungen Gehörte und Erlebte vielfach an andere weitergeben.
Literatur
- Steffen H. Elsner/Thomas Schölderle (Bearb.), Publikationen der Akademie für Politische Bildung. Gesamtverzeichnis 1957-2010, Tutzing 2010.
- Karl-Ulrich Gelberg, "Eine Existenzfrage unserer Demokratie". Die Gründung der Akademie für Politische Bildung, München 2007.
- Heinrich Oberreuter (Hg.), Kraftzentrum politischer Bildung. Zur Gründungsgeschichte der Akademie. 50 Jahre Akademie für Politische Bildung, München 2007.
- Heinrich Oberreuter (Hg.)/Steffen H. Elsner (Bearb.), Kristallisationskern politischer Bildung. Zur Geschichte der Akademie 1957 bis 2007. 50 Jahre Akademie für Politische Bildung, München 2009. (mit einer ausführlichen Chronik)
- Heinrich Oberreuter (Hg.), Politische Bildung im Wandel der Zeit. 50 Jahre Akademie für Politische Bildung, München 2007.
- Heinrich Oberreuter (Hg.), Über die Freiheit. Festvorträge zur Gründung und zu den Jubiläen der Akademie. 50 Jahre Akademie für Politische Bildung, München 2008.
- Gerhard Schober, Frühe Villen und Landhäuser am Starnberger See. Zur Erinnerung an eine Kulturlandschaft, Waakirchen-Schaftlach 2. Auflage 1999.
- Michael Schröder (Hg.), Demokratie unter Druck. Herausforderungen für Politik und politische Bildung. Festschrift für Heinrich Oberreuter anlässlich der Verabschiedung als Direktor der Akademie für Politische Bildung Tutzing im Herbst 2011, München 2011.
Quellen
Weiterführende Recherche
Externe Links
Politische Akademie , Tutzinger Akademie, Akademie Tutzing, APB Tutzing, politische Akademie Tutzing
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- Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit
- Evangelische Akademie Tutzing
- Georg-von-Vollmar-Akademie
- Hanns-Seidel-Stiftung
- Katholische Akademie in Bayern
- Staatsministerium für Unterricht und Kultus, Wissenschaft und Bildung
Empfohlene Zitierweise
Steffen H. Elsner, Akademie für Politische Bildung, publiziert am 24.04.2012; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Akademie_für_Politische_Bildung (09.11.2024)