Regionale Staatliche Bibliotheken
Aus Historisches Lexikon Bayerns
Die regionalen Staatlichen Bibliotheken sind Allgemeinbibliotheken überwiegend geisteswissenschaftlicher Prägung. Sie wurden im Zuge der Säkularisation und Mediatisierung zwischen 1803 und 1816 gegründet oder mit veränderter Zielsetzung neu ausgerichtet. Ursprünglich als Einrichtungen der Volksbildung gedacht, entwickelten sie sich im Laufe des 19. Jahrhunderts primär zu Arbeitsstätten historischer Wissenschaft. In Bayern existieren regionale Staatliche Bibliotheken in Amberg, Ansbach, Aschaffenburg, Augsburg, Bamberg, Coburg, Dillingen, Neuburg a.d. Donau, Passau und Regensburg. Sie sind seit 1999 der Bayerischen Staatsbibliothek in München als Fachbehörde für das Bibliothekswesen in Bayern unmittelbar nachgeordnet und Teil des Bibliotheksverbund Bayern (BVB). Die meisten von ihnen sind im Kern ehemalige Fürsten- oder Jesuitenbibliotheken. Heute sind sie Sammlungs- und Dokumentationszentrum der Literatur der jeweiligen Region, dienen der Literatur- und Informationsversorgung von Stadt bzw. Region und der Vermittlung des kulturellen Erbes. Noch heute verwahren sie wertvolle Altbestände an Druck- und Handschriften.
Allgemeines
Die regionalen Staatlichen Bibliotheken sind Allgemeinbibliotheken überwiegend geisteswissenschaftlicher Prägung. In Bayern existieren zehn regionale Staatliche Bibliotheken:
- die Staatliche Bibliothek (Provinzialbibliothek) Amberg
- die Staatliche Bibliothek (Schlossbibliothek) Ansbach
- die Hofbibliothek Aschaffenburg
- die Staats- und Stadtbibliothek Augsburg
- die Staatsbibliothek Bamberg
- die Landesbibliothek Coburg
- die Studienbibliothek Dillingen
- die Staatliche Bibliothek (Provinzialbibliothek) Neuburg a.d. Donau
- die Staatliche Bibliothek Passau
- die Staatliche Bibliothek Regensburg
Die Staats- und Seminarbibliothek Eichstätt wurde im Jahr 1982 in die Bibliothek der katholischen Universität Eichstätt (seit 2001: katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt) integriert.
Die Staatlichen Bibliotheken sind nach der Verordnung über die Gliederung der staatlichen Bibliotheksverwaltung vom 16. Juni 1999 der Bayerischen Staatsbibliothek in München als Fachbehörde für das Bibliothekswesen in Bayern unmittelbar nachgeordnet (seit Dezember 2012 auch die bis dato in kommunaler Trägerschaft stehende Staats- und Stadtbibliothek Augsburg). Gemeinsam mit der Bayerischen Staatsbibliothek, den Universitätsbibliotheken und den Bibliotheken der Hochschulen für angewandte Wissenschaften wirken die zehn regionalen Staatlichen Bibliotheken im Bibliotheksverbund Bayern (BVB) in einem kooperativen Leistungsverbund zusammen. In Bamberg, Passau und Regensburg arbeiten die regionalen Staatlichen Bibliotheken auf der Grundlage von Kooperationsvereinbarungen zur Erzielung von Synergien eng mit den Universitätsbibliotheken zusammen.
Mediatisierung und Säkularisation
Die regionalen Staatlichen Bibliotheken wurden im Zuge der Säkularisation und Mediatisierung zwischen 1803 und 1816 gegründet oder mit veränderter Zielsetzung neu ausgerichtet. Mehrere regionale Staatliche Bibliotheken sind im Kern ehemalige Fürstenbibliotheken: so die Staatlichen Bibliotheken in Ansbach (Gründung 1720) und Aschaffenburg (Gründung 1794) oder die Landesbibliothek Coburg (Gründung 1590, Trägerschaft durch die Coburger Landesstiftung 1920-1945, seit 1973 Trägerschaft durch den Freistaat). Die Staatsbibliothek Bamberg geht auf die alte fürstbischöfliche Hofbibliothek und die Jesuitenbibliothek, später Universitätsbibliothek, aus dem frühen 17. Jahrhundert zurück. Vorgängereinrichtungen der Studienbibliothek Dillingen und der Staatlichen Bibliothek Passau waren die Bibliotheken der jeweiligen im 16. bzw. frühen 17. Jahrhundert gegründeten Universität (Dillingen) bzw. Hochschule (Passau) der Jesuiten. In Amberg und Neuburg a.d. Donau kam es 1803 zur Gründung von Provinzialbibliotheken. In Regensburg, das erst 1810 an Bayern fiel, wurden 1816 die reichsstädtischen Bestände mit Säkularisationsbeständen zusammengefasst.
Gründung und Neuausrichtung der regionalen Staatlichen Bibliotheken
Die Gründung und Neuausrichtung von Bibliotheken an den alten Regierungs- und Bildungszentren folgte dem österreichischen und französischen Vorbild der Provinzialbibliotheken. Maxime der Bibliotheksplanung war, kleinere Sammlungen zu leistungsfähigen Bibliotheken zusammenzuführen und durch die Konzentration Mittel für deren laufenden Unterhalt bereitzustellen. Als zentrale Einrichtungen an größeren Orten zusammengefasst, waren die neuen Bibliotheken im Kontext der Staatswerdung dem Bildungskonzept der Volksaufklärung und dem besonderen Nutzen für die Staatsdiener und die Schulen verpflichtet.
Doch der aus den Ideen der Spätaufklärung gespeiste lebendige, kontinuierliche Bildungsauftrag konnte von dem neuen Bibliothekstyp nicht eingelöst werden. Die Gründe liegen im zunehmenden Veralten des Bestandes mangels Dotierung. Eine Bestandsergänzung aus gelegentlichen Geschenken und Stiftungen sowie aus Erlösen von Dublettenverkäufen bot nicht die Grundlage, dem propagierten Anspruch gerecht zu werden. Aufgrund der reichen Überlieferung an Handschriften und alten Drucken entwickelten sich die regionalen Staatlichen Bibliotheken im Laufe der Zeit statt zu Einrichtungen der Volksbildung primär zu Arbeitsstätten historischer Wissenschaft, genutzt vor allem von Vertretern des Bildungsbürgertums, insbesondere von Gymnasiallehrern, häufig in Zusammenhang mit den aufkommenden Historischen Vereinen. Die regionalen Staatlichen Bibliotheken erlangten jedoch weder zur Gründungszeit noch im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts größere Bedeutung. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg setzten erfolgreiche Anstrengungen ein, die auf die Wiederbelebung der zu veralteten Bücherdepots herabgesunkenen regionalen Staatlichen Bibliotheken zielten. Eine langfristige intensive Förderung durch den Freistaat – in Bezug auf Personalausstattung, Erwerbungsetat und baulich-räumliche Unterbringung – führte in den 1960er und 1970er Jahren zu einem nachhaltigen Aufschwung.
Leistungsprofil der regionalen Staatlichen Bibliotheken
Die zehn regionalen Staatlichen Bibliotheken verfügen über einen Gesamtbestand von 2.678.000 Bänden. Augsburg (529.000), Bamberg (503.000) und Coburg (422.000) stellen die größten Bibliotheken dar, gefolgt von Passau (334.000) und Regensburg (360.000); die Bestandsgröße der kleineren Bibliotheken reicht von Dillingen (164.000) bis Neuburg (55.000). Sie weisen umfangreiche, oft wertvolle, nicht selten unikale Altbestände an Druck- und Handschriftenbeständen sowie Sondersammlungen (vor allem Musica practica [Notendrucke], Karten, Graphiken, Porträts, Nachlässe, Einband- und Exlibrissammlungen) mit vielfach bedeutsamen Provenienzen (Vorbesitzen) auf. So verfügen die Staatlichen Bibliotheken insgesamt allein über 20.600 Handschriften und 10.300 Inkunabeln.
Die regionalen Staatlichen Bibliotheken bilden das Sammlungs- und Dokumentationszentrum der Literatur der jeweiligen Region. Eine ihrer zentralen Aufgaben liegt in der vollständigen Sammlung und Erschließung der - insbesondere auch der außerhalb des Buchhandels erschienenen - Literatur, die in der jeweiligen Region entstanden ist oder einen inhaltlichen Bezug zur Region hat. Diese Literatur wird kooperativ für die Bayerische Bibliographie erfasst. Vier regionale Staatliche Bibliotheken erhalten nach dem Bayerischen Pflichtstückegesetz von 1986 (PflStG) das zweite Pflichtexemplar für den jeweiligen Regierungsbezirk: Augsburg für Schwaben, Bamberg für Oberfranken, Passau für Niederbayern und Regensburg für die Oberpfalz.
Zu ihren Kernaufgaben zählen nach der Verordnung vom 16. Juni 1999 daneben die Literatur- und Informationsversorgung von Stadt und Region für wissenschaftliche Zwecke, berufliche Arbeit und persönliche Fortbildung. In Wahrnehmung dieses Auftrages stellen sie grundlegende und einführende wissenschaftliche Literatur vorrangig in den Geistes- und Sozialwissenschaften bereit. Die regionalen Staatlichen Bibliotheken eröffnen dank der Einbeziehung in den Bibliotheksverbund Bayern und die Virtuelle Bibliothek Bayern ihren Nutzern darüber hinaus in zunehmendem Maße den Zugriff auch auf elektronische Medien.
Aus der Literaturversorgung ist die Vermittlung von Informations- und Medienkompetenz als neues Handlungsfeld erwachsen. Die Vermittlung der Fähigkeit, das in der Bibliothek bereitgestellte Informationspotential optimal auszuschöpfen, hat insbesondere mit Blick auf die gymnasiale Oberstufe, aber auch auf lebenslanges Lernen innerhalb des Aufgabenspektrums der regionalen Staatlichen Bibliotheken mittlerweile einen hohen Stellenwert.
Schließlich stellen sie sich offensiv der Verpflichtung, die aus dem ihnen anvertrauten reichen kulturellen Erbe erwächst: der gezielten Ergänzung ihrer historischen Sammlungen, der Erschließung der Altbestände von der Konversion alter Kataloge in elektronische Form bis zur Tiefenerschließung, z. B. der Erfassung der Provenienzen, und schließlich in der Vermittlung des kulturellen Erbes an die Wissenschaft und die Öffentlichkeit. Hier sind neben einer intensiven individuellen Beratung der Nutzer an erster Stelle Ausstellungen und Ausstellungskataloge, aber auch öffentlichkeitswirksame Aktivitäten wie Vorträge, Lesungen, Konzerte und Präsentationen zu nennen. Eine immer wichtigere Rolle spielt in der Vermittlung des kulturellen Erbes auch die Retrodigitalisierung ausgewählter Bestandssegmente und deren Präsentation in der Bayerischen Landesbibliothek Online (BLO).
Die regionalen Bibliotheken, die sich in der Vernetzung mit anderen Kulturinstitutionen von Stadt und Region zu geistes- und kulturwissenschaftlichen Kompetenzzentren entwickelt haben, nehmen eine wichtige identitätsstiftende Funktion für Stadt und Region wahr.
Literatur
- Fridolin Dressler, "Bibliotheksplanung" im Vorfeld der bayerischen Säkularisation. "Unmaßgebliche Erinnerungen" von Johann Christian von Aretin aus dem Jahre 1802, in: Bibliotheksforum Bayern 12 (1984), 3-22.
- Edgar Lehmann, Klosterbibliothek Kaisheim, in: Bibliotheksräume der deutschen Klöster in der Zeit des Barock. Katalog, Berlin 1996, 454-457.
- Hermann Leskien, Bayern, in: Bernd Hagenau (Hg.), Regionalbibliotheken in Deutschland. Mit einem Ausblick auf Österreich und die Schweiz (Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie. Sonderheft 78), Frankfurt am Main 2000, 377-388.
- Hermann Leskien, Regionalbibliotheken auf dem Weg zur Spezialisierung, in: Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie 46/4 (1999), 297-309.
- Walter Lipp, Die Bibliothek des Klosters Ensdorf im Zeitalter des Spätbarock und der Aufklärung bis zur Auflösung 1802, in: Manfred Knedlik/Alfred Wolfsteiner (Hg.): Literarische Klosterkultur in der Oberpfalz. Festschrift zum 300. Geburtstag von P. Odilo Schreger, Kallmünz 1997, 133-164.
- Walter Lipp/Harald Gieß, Die Staatliche Bibliothek (Provinzialbibliothek) Amberg und ihr Erbe aus den oberpfälzischen Klosterbibliotheken, Amberg 1991.
- Bernhard Lübbers, Tradition und Dynamik. Die Staatliche Bibliothek Regensburg. Eine Regionalbibliothek als Akteur der regionalen Geschichtskultur, in: Josef Memminger (Hg.), Überall Geschichte! Der Lernort Welterbe. Facetten der Regensburger Geschichtskultur, Regensburg 2014, 93-115.
- Rüdiger May, Neuburg (Donau). 1. Staatliche Bibliothek (Provinzialbibliothek), in: Bernhard Fabian (Hg.), Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. 12. Band: Bayern I - R, Hildesheim 1996.
- Franz Xaver Portenlänger, Das Kaisheimer Bibliotheksgestühl in der Provinzialbibliothek zu Neuburg a.d. Donau, in: Neuburger Kollektaneenblatt 191 (1978), 71-114.
- Gerhard Robold, Hans Kilian. Buchdrucker im Dienste Ottheinrichs und der Reformation. Ausstellung der Staatlichen Bibliothek (Provinzialbibliothek) vom 9. September bis 30. Oktober 1994 in der Städtischen Galerie im Rathausfletz Neuburg an der Donau, Schrobenhausen 1994.
- Gerhard Robold/Helga Unger, Die Staatliche Bibliothek Neuburg an der Donau. Information durch Kooperation, in: Bibliotheksforum Bayern 27 (1999), 225-239.
- Bernhard Schemmel, Die Staatlichen Regionalbibliotheken Bayerns und ihre kulturpolitische Bedeutung, in: Bibliotheksforum Bayern 32/2 (2004), 117-132.
- Reinhard H. Seitz, 200 Jahre Provinzialbibliothek/Staatliche Bibliothek Neuburg a.d.Donau 1803-2003, in: Bettina Wagner (Hg.), Bibliotheken in Neuburg an der Donau. Sammlungen von Pfalzgrafen, Mönchen und Humanisten, Wiesbaden 2005, 1-52.
Quellen
Gesetz über die Ablieferung von Pflichtstücken. Pflichtstückegesetz (PflStG) vom 6. August 1986.
Weiterführende Recherche
Externe Links
Empfohlene Zitierweise
Rolf Griebel, Regionale Staatliche Bibliotheken, publiziert am 12.05.2014; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Regionale_Staatliche_Bibliotheken> (5.11.2024)