Bündische Jugend: Unterschied zwischen den Versionen
Aus Historisches Lexikon Bayerns
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In einem engeren Verständnis handelte es sich bei der Bündischen Jugend um die bürgerlich geprägten Bünde, die sich auf den [[Wandervogel]] bezogen und den Neubeginn nach 1918, orientiert an den Erfahrungen der Frontsoldaten, unter dem Eindruck des verlorenen Krieges gestalteten; dazu zählten etwa 60.000 "Bündische". Die Begriffe "Bund" und "Bündisch" verbreiteten sich über den engeren Sinn hinaus für alle nicht-formalen, an gemeinsamen Werten und Verhaltensformen orientierten, meist überregional organisierten Gruppierungen junger Menschen – die "[[Jugendbewegung]]". Verbindungen zu Jugendgruppen im europäischen Ausland bestanden in vielen Bünden; auch flossen internationale Anregungen in das Bundesleben ein. Die nicht-formale, unabhängige Konzeption der "Bünde" aber kann als deutsches Spezifikum gelten. Bis in die Gegenwart bezeichnen sich die entsprechenden Jugendorganisationen als "bündisch". | In einem engeren Verständnis handelte es sich bei der Bündischen Jugend um die bürgerlich geprägten Bünde, die sich auf den [[Wandervogel]] bezogen und den Neubeginn nach 1918, orientiert an den Erfahrungen der Frontsoldaten, unter dem Eindruck des verlorenen Krieges gestalteten; dazu zählten etwa 60.000 "Bündische". Die Begriffe "Bund" und "Bündisch" verbreiteten sich über den engeren Sinn hinaus für alle nicht-formalen, an gemeinsamen Werten und Verhaltensformen orientierten, meist überregional organisierten Gruppierungen junger Menschen – die "[[Jugendbewegung]]". Verbindungen zu Jugendgruppen im europäischen Ausland bestanden in vielen Bünden; auch flossen internationale Anregungen in das Bundesleben ein. Die nicht-formale, unabhängige Konzeption der "Bünde" aber kann als deutsches Spezifikum gelten. Bis in die Gegenwart bezeichnen sich die entsprechenden Jugendorganisationen als "bündisch". | ||
Bündische Gruppen bildeten sich auch in den bayerischen Mittel- und Großstädten, einerseits aus bereits bestehenden Wandervogel- und Pfadfindergruppen heraus, andererseits ganz neu z. B. innerhalb der katholischen und der evangelischen Kirche bzw. von dieser ausgehend, als Naturfreundejugend der Arbeiterschaft, im [[Jugendherbergen|Jugendherbergswerk]] usw. Einige Burgen wurden Treff- und Mittelpunkt bestimmter Jugendbünde. So versammelten sich die "Adler und Falken" wiederholt im fränkischen Kronach mit der Burg [[Ort:ODB_S00050062|Lauenstein]] | Bündische Gruppen bildeten sich auch in den bayerischen Mittel- und Großstädten, einerseits aus bereits bestehenden Wandervogel- und Pfadfindergruppen heraus, andererseits ganz neu z. B. innerhalb der katholischen und der evangelischen Kirche bzw. von dieser ausgehend, als Naturfreundejugend der Arbeiterschaft, im [[Jugendherbergen|Jugendherbergswerk]] usw. Einige Burgen wurden Treff- und Mittelpunkt bestimmter Jugendbünde. So versammelten sich die "Adler und Falken" wiederholt im fränkischen Kronach mit der Burg [[Ort:ODB_S00050062|Lauenstein]]{{#set:OID=ODB_S00050062}} (Lkr. Kronach). Für katholisch-bündische Kreise ("[[Quickborn]]") wurde die Burg [[Ort:ODB_S00004193|Rothenfels]][[PND::ODB_S00004193| ]] (Lkr. Main-Spessart) zur Jugendburg. Mit der Burg [[Ort:ODB_S00023955|Prunn]]{{#set:OID=ODB_S00023955}} verbindet sich eine bedeutende Reform des [[Pfadfinder|Pfadfindertums]] ("Neupfadfinder"). | ||
== Merkmale der Bündischen Jugend == | == Merkmale der Bündischen Jugend == | ||
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== Burg Lauenstein: Diskussionszentrum der Bündischen Jugend == | == Burg Lauenstein: Diskussionszentrum der Bündischen Jugend == | ||
In der Übergangsphase am Ende und nach dem Ersten Weltkrieg stellte die fränkische Burg Lauenstein ein wichtiges Diskussionszentrum dar. Zunächst hatte 1917 der Verleger [[Person:118678256|Eugen Diederichs]] | In der Übergangsphase am Ende und nach dem Ersten Weltkrieg stellte die fränkische Burg Lauenstein ein wichtiges Diskussionszentrum dar. Zunächst hatte 1917 der Verleger [[Person:118678256|Eugen Diederichs]]{{#set:PND=118678256}} (1867–1930) aus Jena (Thüringen) führende Intellektuelle dorthin eingeladen, darunter den bekannten Soziologen [[Person:118629743|Max Weber]]{{#set:PND=118629743}} (1864–1920), aber auch Mitglieder des "Freistudentischen Bundes" in [[Ort:ODB_S00008915|München]]{{#set:OID=ODB_S00008915}}. 1919 nutzten der "Alt-Wandervogel" sowie der neu gegründete "Jungdeutsche Bund" die Burg Lauenstein für eigene Bundestage. | ||
Der Jungdeutsche Bund unter [[Person:124349323|Frank Glatzel]] | Der Jungdeutsche Bund unter [[Person:124349323|Frank Glatzel]]{{#set:PND=124349323}} (1892–1958) formulierte hier das "Lauensteiner Bekenntnis" und bekannte sich darin zur wahrhaften "Volksgemeinschaft aller Deutschen" und zum völkischen Leben. Einer der Teilnehmer war der selbst ernannte Prophet, Lebensreformer, Kunsthandwerker und Wandervogel [[Person:12940960X|Friedrich Muck-Lamberty]]{{#set:PND=12940960X}} (eigtl. Friedrich Lamberty, 1891–1984). Zu Pfingsten 1920 kam der "Inflationsheilige" Lamberty noch einmal mit einer Gruppe von etwa 50 jungen Leuten von Hartenstein (Sachsen) im Erzgebirge über Burg Lauenstein nach Kronach. Er rief hier die Gründung der "Neuen Schar" aus und zog mit dieser weiter durch Franken und Thüringen, mit dem Ziel der "Sammlung aller jungen Menschen und Kampf für die Volksgemeinschaft gegen alles Gemeine, gegen Ausbeutung". | ||
In der Stadt Kronach traf Mucks "Neue Schar" auf eine große Versammlung von mehr als 1.200 Wandervögel der Vorkriegsgeneration, darunter viele ehemalige "Feldwandervögel", aus unterschiedlichen Bünden kommend, die sich als Frauen und Männer in einem neuen Bund zusammenschlossen, dem "Kronacher Bund der alten Wandervögel" (nach 1928: "Bund der Wandervögel und Kronacher", nach 1930: Ausgründung des "Wandervogel Deutscher Bund" als Jüngerenbund). Ihnen ging es um die Bewahrung der Ideale des Ersten Freideutschen Jugendtages auf dem Hohen Meißner (Hessen) von 1913 im Erwachsenenleben, aber auch um gegenseitige Unterstützung, etwa in Handwerks- und Siedlungsprojekten. Der Gau Bayern des Kronacher Bundes unterhielt eine eigene Zeitschrift. | In der Stadt Kronach traf Mucks "Neue Schar" auf eine große Versammlung von mehr als 1.200 Wandervögel der Vorkriegsgeneration, darunter viele ehemalige "Feldwandervögel", aus unterschiedlichen Bünden kommend, die sich als Frauen und Männer in einem neuen Bund zusammenschlossen, dem "Kronacher Bund der alten Wandervögel" (nach 1928: "Bund der Wandervögel und Kronacher", nach 1930: Ausgründung des "Wandervogel Deutscher Bund" als Jüngerenbund). Ihnen ging es um die Bewahrung der Ideale des Ersten Freideutschen Jugendtages auf dem Hohen Meißner (Hessen) von 1913 im Erwachsenenleben, aber auch um gegenseitige Unterstützung, etwa in Handwerks- und Siedlungsprojekten. Der Gau Bayern des Kronacher Bundes unterhielt eine eigene Zeitschrift. | ||
Auf einer anderen fränkischen Burg, der [[Grumbach und Rothenfels, Adelsfamilie|Burg Rothenfels]] am Main, baute seit 1919 der katholische Jugendbund Quickborn eine Tagungsstätte und Jugendherberge. Diese wurde seitdem mit Bildungsveranstaltungen und Tagungen, seit 1927 unter Leitung des Theologen [[Person:118543105|Romano Guardini]] | Auf einer anderen fränkischen Burg, der [[Grumbach und Rothenfels, Adelsfamilie|Burg Rothenfels]] am Main, baute seit 1919 der katholische Jugendbund Quickborn eine Tagungsstätte und Jugendherberge. Diese wurde seitdem mit Bildungsveranstaltungen und Tagungen, seit 1927 unter Leitung des Theologen [[Person:118543105|Romano Guardini]]{{#set:PND=118543105}} (1885–1968), zu einem Zentrum der unabhängigen katholischen Jugendbewegung. | ||
== Zusammenarbeit der Bündischen Jugend == | == Zusammenarbeit der Bündischen Jugend == | ||
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Ein Beispiel für eine überbündische Initiative war die Gründung der "Vereinigung zum Erwerb, Wiederaufbau und Erhalt der Burg Ludwigstein bei Witzenhausen an der Werra e. V.", der es 1920 gelang, die im Nordhessischen gelegene Burg zu einem Ehrenmal der gefallenen Wandervögel und Begegnungsort der bündischen Jugend auszubauen. Auch das 1922 hier gegründete "Reichsarchiv der deutschen Jugendbewegung" erwies sich als langlebiges und erfolgreiches Projekt. (Abb.) | Ein Beispiel für eine überbündische Initiative war die Gründung der "Vereinigung zum Erwerb, Wiederaufbau und Erhalt der Burg Ludwigstein bei Witzenhausen an der Werra e. V.", der es 1920 gelang, die im Nordhessischen gelegene Burg zu einem Ehrenmal der gefallenen Wandervögel und Begegnungsort der bündischen Jugend auszubauen. Auch das 1922 hier gegründete "Reichsarchiv der deutschen Jugendbewegung" erwies sich als langlebiges und erfolgreiches Projekt. (Abb.) | ||
Einen bedeutsamen Zusammenschluss stellte die 1926 gegründete "Deutsche Freischar – Bund der Wandervögel und Pfadfinder" mit dem "Zwiespruch" als wöchentlich erscheinender Zeitschrift dar. Ausgangspunkt dafür war ein Pfadfindertreffen im August 1919. Auf der Burg Prunn bei [[Ort:ODB_S00023920|Riedenburg]] | Einen bedeutsamen Zusammenschluss stellte die 1926 gegründete "Deutsche Freischar – Bund der Wandervögel und Pfadfinder" mit dem "Zwiespruch" als wöchentlich erscheinender Zeitschrift dar. Ausgangspunkt dafür war ein Pfadfindertreffen im August 1919. Auf der Burg Prunn bei [[Ort:ODB_S00023920|Riedenburg]]{{#set:OID=ODB_S00023920}} im Altmühltal (Lkr. Kelheim) versammelten sich mehr als 250 Führer des Deutschen Pfadfinderbundes, um sich von der bisherigen militaristischen Prägung der Pfadfinder zu verabschieden und auf das "Prunner Gelöbnis" zu verständigen. | ||
Die Impulse für das Neupfadfindertum, in denen das Ideal des Ritters eine wichtige Rolle spielte, kamen vom "Regensburger Kreis" um [[Person:122939417|Franz Ludwig Habbel]] | Die Impulse für das Neupfadfindertum, in denen das Ideal des Ritters eine wichtige Rolle spielte, kamen vom "Regensburger Kreis" um [[Person:122939417|Franz Ludwig Habbel]]{{#set:PND=122939417}} (1894–1964), [[Person:117465291|Ludwig Voggenreiter]]{{#set:PND=117465291}} (1898–1947) und [[Person:117476226|Karl Sontag]]{{#set:PND=117476226}} (1828–1900). An die Stelle stark äußerlicher Erziehungsformen setzten sie stattdessen auf die Verknüpfung pfadfinderischer Grundsätze mit einer Organisation in altersübergreifenden Stämmen und betonten die Bedeutung von Selbsterziehung und Naturverbundenheit. Mit dieser wichtigen Neuorientierung fanden die Pfadfinder Anschluss an die Wandervogel- bzw. die bündische Bewegung, die schließlich 1926 im gemeinsamen "Bund der Wandervögel und Pfadfinder" (BdWuP) mündete. Damit ging die Abwendung von dem englisch geprägten, internationalen, "scoutistischen" Pfadfindertum einher. | ||
Die aus dem "Wandervogel" hervorgegangene "Sächsische Jungenschaft" trat mit einem Wanderprogramm hervor, zu dem ausgedehnte Fahrten bis nach Mittel- und Südosteuropa gehörten; die "Schlesische Jungenschaft" verwirklichte von ihrem Zentrum, dem Boberhaus in Löwenberg (Lwówek Slaski), aus, ein ambitioniertes Bildungs- und Arbeitslagerprogramm. | Die aus dem "Wandervogel" hervorgegangene "Sächsische Jungenschaft" trat mit einem Wanderprogramm hervor, zu dem ausgedehnte Fahrten bis nach Mittel- und Südosteuropa gehörten; die "Schlesische Jungenschaft" verwirklichte von ihrem Zentrum, dem Boberhaus in Löwenberg (Lwówek Slaski), aus, ein ambitioniertes Bildungs- und Arbeitslagerprogramm. | ||
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Zum Ende der Weimarer Republik verstärkte sich die Politisierung der Bündischen Jugend. In der Öffentlichkeit wurde das am zunehmend einheitlichen, paramilitärischen Auftreten in geschlossenen Formationen, etwa bei Aufmärschen oder Lagern, erkennbar. Radikal völkisch gaben sich beispielsweise die "Artamanen", die Arbeitsdienste auf Landgütern, vorwiegend in Ostpreußen, organisierten. | Zum Ende der Weimarer Republik verstärkte sich die Politisierung der Bündischen Jugend. In der Öffentlichkeit wurde das am zunehmend einheitlichen, paramilitärischen Auftreten in geschlossenen Formationen, etwa bei Aufmärschen oder Lagern, erkennbar. Radikal völkisch gaben sich beispielsweise die "Artamanen", die Arbeitsdienste auf Landgütern, vorwiegend in Ostpreußen, organisierten. | ||
Der 1921 gegründete "Sudetendeutsche Wandervogel", vorher: "Deutschböhmischer Wandervogel", in der Tschechoslowakei beteiligte sich am politischen Kampf der deutschen Minderheit. Die 1929 vom charismatischen Schriftsteller [[Person:118564153|Eberhard Koebel]] | Der 1921 gegründete "Sudetendeutsche Wandervogel", vorher: "Deutschböhmischer Wandervogel", in der Tschechoslowakei beteiligte sich am politischen Kampf der deutschen Minderheit. Die 1929 vom charismatischen Schriftsteller [[Person:118564153|Eberhard Koebel]]{{#set:PND=118564153}} (1907–1955, bis 1934 Eberhard Köbel) gegründete "Deutsche Jungenschaft vom 1. November 1929" (d.j.1.11), organisierte ein straffes, aber individuelles Fahrtenleben und wartete mit Neuerungen auf, die bis heute genutzt werden: dem von der Nomadenkultur Lapplands abgeschauten, in einzelnen Bahnen transportablen Feuerzelt, der "Kohte" sowie dem praktischen Lodenanorak, Jungenschaftsjacke "Juja" genannt. | ||
== Das Ende der Bündischen Jugend im NS-Staat == | == Das Ende der Bündischen Jugend im NS-Staat == | ||
Die [[Die "Machtergreifung", 9. März 1933|Machtübernahme der Nationalsozialisten]] 1933 bedeutete das Ende der freien Jugendbünde. Am 17. Juni 1933 löste Reichsjugendführer [[Person:118607804|Baldur von Schirach]] | Die [[Die "Machtergreifung", 9. März 1933|Machtübernahme der Nationalsozialisten]] 1933 bedeutete das Ende der freien Jugendbünde. Am 17. Juni 1933 löste Reichsjugendführer [[Person:118607804|Baldur von Schirach]]{{#set:PND=118607804}} ([[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP), 1920-1923/1925-1945|NSDAP]], 1907–1974, Reichsjugendführer 1933–1945) die zuletzt verbliebene Sammlungsgruppierung der Bündischen Jugend "Großdeutscher Bund" auf und übernahm die Führung aller Jugendverbände. Viele Jugendbünde kamen der Eingliederung durch Selbstauflösung zuvor. Die Indienstnahme der gesamten Jugend in [[Hitlerjugend (HJ), 1926-1945|Hitlerjugend (HJ)]] und Bund Deutscher Mädel (BDM) stellte einen wichtigen Baustein in der langfristigen Kriegsvorbereitung des NS-Regimes dar. | ||
Das Verbot und die Übermächtigung der freien bündischen Szene, die vor allem als Angriff auf das Selbstbestimmungsrecht und den Auslesecharakter erlebt wurde, dürfen nicht darüber hinweg täuschen, dass die ideologische Ausrichtung der meisten Bünde – antidemokratisch und antirepublikanisch, antisemitisch und deutschvölkisch – kein Hemmnis für die Integration in den NS-Staat darstellte. Umgekehrt bedienten sich die Nationalsozialisten vor allem in den Anfängen aus dem großen Reservoir erprobter Angebote für die Jugendarbeit (Aufmärsche, Zeltlager, Liedgut). | Das Verbot und die Übermächtigung der freien bündischen Szene, die vor allem als Angriff auf das Selbstbestimmungsrecht und den Auslesecharakter erlebt wurde, dürfen nicht darüber hinweg täuschen, dass die ideologische Ausrichtung der meisten Bünde – antidemokratisch und antirepublikanisch, antisemitisch und deutschvölkisch – kein Hemmnis für die Integration in den NS-Staat darstellte. Umgekehrt bedienten sich die Nationalsozialisten vor allem in den Anfängen aus dem großen Reservoir erprobter Angebote für die Jugendarbeit (Aufmärsche, Zeltlager, Liedgut). | ||
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Das Verbot der Bünde galt für religiöse Gruppierungen nicht unmittelbar. Die christlichen Kirchen wahrten enge Freiräume für die Jugendarbeit, die aber immer mehr auf innerkirchliche Veranstaltungen begrenzt wurden. Die evangelische Jugend wurde in die Hitlerjugend eingegliedert, durfte sich aber für kirchliche und religiöse Belange in eingeschränktem Rahmen weiterhin versammeln. Die katholischen Jugendbünde wurden aufgrund des Reichskonkordats nicht formal verboten, mussten sich aber auf rein religiöse Aktivitäten beschränken. Die jüdischen Jugendbünde waren zunächst gar nicht von dem Verbot betroffen; vielmehr erlebten sie gerade wegen der Repressalien gegen die jüdische Bevölkerung noch Zulauf, bevor sie 1939 doch verboten wurden. | Das Verbot der Bünde galt für religiöse Gruppierungen nicht unmittelbar. Die christlichen Kirchen wahrten enge Freiräume für die Jugendarbeit, die aber immer mehr auf innerkirchliche Veranstaltungen begrenzt wurden. Die evangelische Jugend wurde in die Hitlerjugend eingegliedert, durfte sich aber für kirchliche und religiöse Belange in eingeschränktem Rahmen weiterhin versammeln. Die katholischen Jugendbünde wurden aufgrund des Reichskonkordats nicht formal verboten, mussten sich aber auf rein religiöse Aktivitäten beschränken. Die jüdischen Jugendbünde waren zunächst gar nicht von dem Verbot betroffen; vielmehr erlebten sie gerade wegen der Repressalien gegen die jüdische Bevölkerung noch Zulauf, bevor sie 1939 doch verboten wurden. | ||
Die meisten ehemals Bündischen passten sich dem Nationalsozialismus an. Daher sind die vereinzelten Beispiele für jugendlichen Eigensinn und Widerstand aus bündischen Kreisen besonders bemerkenswert. Dazu zählt der politische Widerstand der Mitglieder der "Weißen Rose", [[Person:118610309|Hans Scholl]] | Die meisten ehemals Bündischen passten sich dem Nationalsozialismus an. Daher sind die vereinzelten Beispiele für jugendlichen Eigensinn und Widerstand aus bündischen Kreisen besonders bemerkenswert. Dazu zählt der politische Widerstand der Mitglieder der "Weißen Rose", [[Person:118610309|Hans Scholl]]{{#set:PND=118610309}} (1918–1943) und [[Person:118610317|Sophie Scholl]]{{#set:PND=118610317}} (1921–1943), die noch bündische Elemente innerhalb des NS-Jungvolks kennengelernt hatten. Aber auch viele Aktivitäten nonkonformen Beharrens, Aus- und Abweichens, die das Regime bis zum Ende als "bündische Umtriebe" verfolgte und nicht unter seine Kontrolle brachte, gehörten dazu. Beispiele dafür stellen die "Edelweißpiraten" im Raum Köln (Nordrhein-Westfalen), die rheinländische Jungenschaftsgruppe um [[Person:119289903|Michael "Mike" Jovy]]{{#set:PND=119289903}} (1920–1984) oder auch die proletarischen "Leipziger Meuten" dar. Sowohl auf evangelischer wie katholischer Seite, etwa um den Berliner Dompropst [[Person:11857261X|Bernhard Lichtenberg]]{{#set:PND=11857261X}} (1875–1943), riskierten Einzelne oder ganze Gruppen den Widerspruch. | ||
== Neuorganisation nach 1945 == | == Neuorganisation nach 1945 == |