Pfalz-Neuburg, Herzogtum: Politische Geschichte
Aus Historisches Lexikon Bayerns
Das kleine, stark zergliederte Fürstentum begründete Kaiser Maximilian I. (reg. 1486-1519) am Ende des Landshuter Erbfolgekriegs (1503-1504/5) für die beiden Söhne Elisabeths von Bayern-Landshut (1478-1504), als Ausgleich für die gescheiterten Bemühungen um die Durchsetzung der weiblichen Erbfolge im Landshuter Teilherzogtum. Nach glanzvollem Auftakt, Einführung der Reformation (1542) und Existenzkrise unter dem Renaissancefürsten Ottheinrich (reg. 1522-1557) festigten die Herzöge in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts das Fürstentum. So war der Grundstein für das Ausgreifen an den Rhein gelegt: 1614 traten die Herzöge von Pfalz-Neuburg das Erbe in den Herzogtümern Jülich und Berg an, 1685 in der Kurpfalz. Angesichts der politischen Anlehnung an Bayern war Pfalz-Neuburg 1613 zum katholischen Glauben zurückgekehrt. Das Haus Pfalz-Neuburg gehörte auf seinem Höhepunkt zu den einflussreichsten im Reich, erlosch jedoch 1742 in der männlichen Linie. Karl Theodor (reg. 1742-1799) aus der Nebenlinie Pfalz-Sulzbach übernahm das Fürstentum und trat 1777/78 auch das Erbe im Kurfürstentum Bayern an. Pfalz-Neuburg war seitdem mit Bayern verbunden.
Entstehung des Fürstentums
Das Fürstentum Pfalz-Neuburg verdankt seine Entstehung dem Kölner Schiedsspruch König Maximilians I. (reg. 1486-1519) von 1505, der den Landshuter Erbfolgekrieg beendete. Zum Krieg war es gekommen, weil die Herzöge von Bayern-München nicht akzeptierten, dass ihr Verwandter, der söhnelose Herzog Georg der Reiche von Bayern-Landshut (reg. 1479-1503), die weibliche Erbfolge für sein Land durchsetzen wollte. Nach Reichsrecht und nach den Wittelsbacher Hausverträgen wären die Münchner Herzöge erbberechtigt gewesen. Mit Unterstützung König Maximilians setzten diese ihre Ansprüche im Landshuter Erbfolgekrieg (1504/05) durch. Jedoch sollten nach dem Willen des Königs die beiden inzwischen verwaisten Enkel Herzog Georgs nicht ganz leer ausgehen. Für Ottheinrich (1502-1559) und Philipp (1503-1548), die Kinder Elisabeths von Bayern-Landshut (1478-1504) und ihres Gatten Rupprecht von der Pfalz (1481-1504), wurde ein kleines Fürstentum neu geschaffen.
Name und Territorium
Das neue Fürstentum wurde wegen der Abstammung seiner Fürsten aus dem Hause der Pfälzer Wittelsbacher auch "Junge Pfalz" genannt. Es erhielt nur ein stark zergliedertes Territorium. Dieses umfasste gemäß dem Ingolstädter Vertrag von 1509 die Landesteile im "Oberland" an der Donau um Neuburg a. d. Donau (Lkr. Neuburg-Schrobenhausen) sowie um Lauingen (Donau) und Höchstädt a. d. Donau (beide Lkr. Dillingen a. d. Donau). Hinzu kamen ein größerer Teil auf dem bayerischen Nordgau mit Burglengenfeld und Schwandorf (beide Lkr. Schwandorf) sowie zwei weitere Teile in der Oberpfalz mit Sulzbach (Lkr. Amberg-Sulzbach) und Weiden i. d. Opf. (Lkr. Weiden i. d. Opf.) und schließlich die drei Ämter Hilpoltstein, Heideck und Allersberg (alle Lkr. Roth) im Vorland der fränkischen Alb. Ein weiterer Landesteil an der niederbayerischen Donau wurde gegen Geld abgetreten. Von der Haupt- und Residenzstadt Neuburg a. d. Donau wurde der Name des Territoriums abgeleitet. Da die Fürsten von Pfalz-Neuburg aufgrund ihrer Herkunft sowohl den Pfalzgrafen- als auch den Herzogstitel führten und weil ihr Territorium aus dem Herzogtum Bayern hervorgegangen war, wurde Pfalz-Neuburg auch als Herzogtum bezeichnet.
Glanz und Krise unter Pfalzgraf Ottheinrich (reg. 1522-1557)
Unter seinen ersten Pfalzgrafen erlebte das neue Fürstentum einen glanzvollen Auftakt. Ottheinrich, der seit 1522 gemeinsam und von 1535 bis 1541 in Herrschaftsteilung mit seinem Bruder Philipp dem Streitbaren regierte, war eine der schillerndsten Herrscherpersönlichkeiten seiner Zeit. Als idealtypischer Renaissancefürst schuf er in Neuburg – wie auch später in Heidelberg – bedeutende Bauwerke. Ottheinrich war ein großer Kunstmäzen. Herausragende Werke der bildenden Kunst, der Malerei, der Musik und der Buchkunst wurden von ihm in Auftrag gegeben oder gekauft. Seine Interessen erstreckten sich auch auf die Astronomie und die Alchemie. Er bereiste Europa und das Heilige Land und beschäftigte sich intensiv mit Fragen der Religion.
1542 trat er zum evangelischen Glauben über und führte in Pfalz-Neuburg die Reformation ein. Dieser Schritt führte das junge Fürstentum zusammen mit der katastrophalen Haushaltspolitik in eine existenzielle Krise. Während es beim Staatsbankrott 1544 noch durch die Schulden- und Verwaltungsübernahme der Landstände gerettet werden konnte, musste Ottheinrich 1546 ins Exil fliehen, als kaiserliche Truppen Pfalz-Neuburg im Schmalkaldischen Krieg (1546/47) besetzten. Erst durch den Passauer Vertrag von 1552 erhielt Ottheinrich sein Fürstentum zurück.
Übergang an die Linie Pfalz-Zweibrücken und Konsolidierung des Fürstentums
1556 erbte Ottheinrich die Kurpfalz und residierte fortan in Heidelberg. Das Fürstentum Pfalz-Neuburg überließ er 1557 seinem Vetter und Gläubiger Pfalzgraf Wolfgang von Zweibrücken (reg. 1557-1569). Dessen gut zehnjährige Regierungszeit in Pfalz-Neuburg prägten außenpolitische Unternehmungen, vor allem zur Unterstützung der Hugenotten in Frankreich.
Nach seinem Tod erhielt der älteste Sohn Philipp Ludwig (reg. 1569-1614) die Junge Pfalz. Mit ihm begann eine Phase des inneren Landesausbaus, verbunden mit einer Sanierung der Staatsfinanzen. Es gelang, das Fürstentum zu festigen und an der Seite der protestantischen Reichsstände zu etablieren. Sowohl konfessionell als auch politisch stand Pfalz-Neuburg dem benachbarten Herzogtum Bayern distanziert gegenüber.
Ausgriff an den Niederrhein und Rekatholisierung unter Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm (reg. 1614-1653)
Die 1574 geschlossene Ehe Pfalzgraf Philipp Ludwigs mit Herzogin Anna von Jülich-Kleve-Berg (1552-1632) legte den Grundstein für eine reiche Erbschaft des Hauses Neuburg am Niederrhein. Der gemeinsame Sohn Wolfgang Wilhelm (reg. 1614-1653) behauptete im Jülich-Klevischen Erbfolgestreit ab 1609 seine Ansprüche weitgehend gegen andere Erbschaftsanwärter. Im Vertrag von Xanten 1614 erhielt er die Herzogtümer Jülich und Berg, während Kleve, Mark und weitere Herrschaften an die brandenburgischen Hohenzollern fielen. Dieser Teilerfolg war möglich geworden, weil Wolfgang Wilhelm mit Bayern einen mächtigen Verbündeten besaß. Bedingung für die bayerische Unterstützung war die Rückkehr zum katholischen Glauben, die Wolfgang Wilhelm 1613 - noch vor seiner Eheschließung mit der bayerischen Prinzessin Magdalene (1587-1628) - vollzog. Das Fürstentum wurde von einem protestantischen Musterland zu einem Bollwerk der Gegenreformation.
Höhepunkt des Hauses Pfalz-Neuburg und Erlöschen der Stammlinie
Im Dreißigjährigen Krieg schonte keine der Kriegsparteien das katholische Fürstentum, obwohl sich Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm um Neutralität bemühte. Der Wiederaufbau gelang dem Sohn und Nachfolger Philipp Wilhelm (reg. 1653-1690). Er erreichte auch die Beilegung der konfessionellen Streitigkeiten mit Pfalz-Sulzbach sowie die Absicherung des Besitzstandes in Jülich und Berg. Philipp Wilhelm hatte mit seiner zweiten Ehefrau Elisabeth Amalia Magdalena von Hessen-Darmstadt (1635-1709) 17 Nachkommen. Es gelang ihm, seine Töchter mit Königen und Prinzen in ganz Europa zu verheiraten. Die nachgeborenen Söhne machten teils glänzende Karrieren in der Reichskirche. Aufgrund dieser Verbindungen zählte das Haus Neuburg in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts zu den einflussreichsten im Reich und in Europa. In die Glanzzeit des Hauses fällt auch der Ausbau der Neuburger Residenz zu einem Barockschloss 1665-68 sowie das erneute Erbe der Kurpfalz 1685. Trotz der acht erwachsenen Söhne Philipp Wilhelms erlosch jedoch die Familie bereits mit dieser Generation in männlicher Linie.
Übergang an Karl Theodor aus der Nebenlinie Pfalz-Sulzbach (reg. 1742-1799)
Weder Johann Wilhelm (reg. in Jülich und Berg ab 1679, Kurfürst von der Pfalz 1690-1716), der hauptsächlich in Düsseldorf residierte und dort wegen seines Mäzenatentums große Popularität genoss, noch seinem jüngeren Bruder, dem in Mannheim residierenden Kurfürst Karl Philipp (reg. 1716-1742), wurde ein Thronfolger geschenkt. Nach Karl Philipps Tod 1742 trat deshalb Karl Theodor (reg. in Sulzbach ab 1741, Kurfürst 1742-1799) aus der Neuburger Nebenlinie Pfalz-Sulzbach das Erbe in den Ländern Pfalz-Neuburg, Jülich-Berg und Kurpfalz an.
Aufgehen des Fürstentums im modernen Bayern
Das Aussterben der bayerischen Linie der Wittelsbacher führte dazu, dass unter Karl Theodor ein Großteil der wittelsbachischen Länder wieder vereinigt wurde. 1777/78 trat der Kurfürst seine Herrschaft in München an. Pfalz-Neuburg war damit in Personalunion mit Bayern verbunden, blieb aber formal als Fürstentum mit seiner Landschaft und - bis auf die Jahre 1791 bis 1795 - mit einer eigenen Regierung (bis 1802) in Neuburg bestehen. 1799 wurde das Fürstentum Neuburg zur Provinz "Neuburg" erklärt. Erst die Konstitution von 1808 beendete formal jede Pfalz-Neuburger Eigenstaatlichkeit. Lediglich bei der Einteilung des Königreichs Bayern in Kreise, die späteren Regierungsbezirke, blieb eine Reminiszenz an das Fürstentum erhalten: Der Regierungsbezirk Schwaben, zu dem das Kernland um Neuburg bis 1971 gehörte, hieß von 1837 bis 1939 "Schwaben und Neuburg".
Die Herzöge von Pfalz-Neuburg
Name | Lebensdaten | Regierungszeit | Bemerkung |
---|---|---|---|
Kurfürst Ottheinrich | 1502-1559 | 1522-1557 | Kurfürst ab 1556 |
Pfalzgraf Philipp | 1503-1548 | 1522-1541 | |
Pfalzgraf Wolfgang von Zweibrücken | 1526-1569 | 1557-1569 | |
Pfalzgraf Philipp Ludwig | 1547-1614 | 1569-1614 | |
Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm | 1578-1653 | 1614-1653 | |
Kurfürst Philipp Wilhelm | 1615-1690 | 1653-1690 | Kurfürst ab 1685 |
Kurfürst Johann Wilhelm | 1658-1716 | 1690-1716 | |
Kurfürst Karl Philipp | 1661-1742 | 1716-1742 | |
Kurfürst Karl Theodor | 1724-1799 | 1742-1799 |
Literatur
- Susanne Bäumler u. a. (Hg.), Von Kaisers Gnaden. 500 Jahre Pfalz-Neuburg. Katalog zur Bayerischen Landesausstellung 2005 (Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur 50), Regensburg 2005.
- Hans Schmidt, Philipp Wilhelm von Pfalz-Neuburg (1615-1690) als Gestalt der deutschen und europäischen Politik des 17. Jahrhunderts. 1. Band: 1615-1658, Düsseldorf 1973.
- Horst H. Stierhof/Max Oppel (Hg.), 475 Jahre Fürstentum Pfalz-Neuburg. Ausstellung im Schloß Grünau bei Neuburg an der Donau. 20. Juni 1980-19. Oktober 1980, München 1980.
- Wilhelm Volkert, Das Fürstentum Pfalz-Neuburg und seine Nebenlinien vom 16. bis zum 18. Jahrhundert, in: Max Spindler/Andreas Kraus (Hg.), Handbuch der Bayerischen Geschichte. 3. Band, 3. Teil, München 1995, 124-141.
- Barbara Zeitelhack (Hg.), Pfalzgraf Ottheinrich. Politik, Kunst und Wissenschaft im 16. Jahrhundert (Neuburger Kollektaneenblatt 151), Regensburg 2002.
Weiterführende Recherche
Externe Links
Verwandte Artikel
- Kölner Schiedsspruch, 30. Juli 1505
- Landstände Pfalz-Neuburgs
- Lechsgemünd-Graisbach, Grafen von
- Pfalz-Neuburg, Herzogtum: Territorium und Verwaltung
- Pfalz-Sulzbach, Fürstentum
Junge Pfalz, Jungpfalz, Fürstentum Neuburg
Empfohlene Zitierweise
Markus Nadler, Pfalz-Neuburg, Herzogtum: Politische Geschichte, publiziert am 09.06.2009; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Pfalz-Neuburg,_Herzogtum:_Politische_Geschichte (31.10.2024)