Pfalz-Sulzbach, Fürstentum
Aus Historisches Lexikon Bayerns
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Fürstentum im heutigen Regierungsbezirk Oberpfalz, das aus einer 1615 vollzogenen Nutzungsteilung der Herzogsbrüder von Pfalz-Neuburg hervorging. Streitigkeiten um die landesherrlichen Rechte und die Kirchenhoheit mündeten in die Verselbständigung Pfalz-Sulzbachs zu einem eigenen Fürstentum (1656). Das 1652 eingeführte Simultaneum schrieb erstmals in einem Territorium des Reichs ein gleichberechtigtes Nebeneinander von katholischer und evangelischer Konfession fest. Angesichts der wissenschaftlichen Interessen des Pfalzgrafen Christian August (reg. 1632/45-1708) erlangte der Sulzbacher Hof kulturelle Strahlkraft von europäischer Dimension und die Stadt Bedeutung als wirkmächtiger Druckort religiöser Werke. Als Erbe der Kurpfalz und Kurbayerns gliederte der Sulzbacher Pfalzgraf Karl Theodor (reg. 1733/41-1799) das Fürstentum schließlich in den pfälzisch-bayerischen Territorienkomplex ein.
Politische Geschichte
Pfalz-Sulzbach wurde im Jahr 1615 als Deputatfürstentum errichtet. Die Einkünfte sollten August (reg. 1615-1632), dem zweitgeborenen Sohn Herzog Philipp Ludwigs von Pfalz-Neuburg (reg. 1569-1614), zum standesgemäßen Unterhalt dienen. In der brüderlichen Erbeinigung von 1615 wurden ihm die drei sog. Erbämter Sulzbach, Flossenbürg, Vohenstrauß und ein Anteil am Gemeinschaftsamt Parkstein-Weiden (eine sog. Halbscheid) zur Nutzung und Verwaltung übertragen. Obwohl seinem älteren Bruder Wolfgang Wilhelm von Pfalz-Neuburg (reg. 1614-1653) in der Erbeinigung die Landeshoheit zugesprochen worden war, kam es in der Folgezeit zum erbitterten Streit über die landesherrlichen Rechte und die Durchführung der von Wolfgang Wilhelm 1627/28 eingeführten Gegenreformation in den Sulzbacher Erbämtern. Auch im Westfälischen Frieden 1648 blieben diese Fragen ungeklärt. Sie konnten erst unter Augusts Sohn Christian August (reg. 1632/45-1708) und seinem Pfalz-Neuburger Vetter Philipp Wilhelm (reg. 1653-1690) gelöst werden. Im Kölner Vergleich vom 12. Februar 1652 wurde der religiöse Ausgleich erzielt, indem in den Sulzbacher Erbämtern das Simultaneum eingeführt wurde, die gleichberechtigte Religionsausübung und die gemeinsame Nutzung von Kirchen und kirchlichen Einrichtungen. Dieser Vergleich war ein wichtiger Schritt zur Unabhängigkeit Sulzbachs von Pfalz-Neuburg.
Im Neuburger Vergleich vom 15. Januar 1656 verzichtete Philipp Wilhelm von Pfalz-Neuburg endgültig auf die Souveränitätsrechte und die Kirchenhoheit. Trotz kaiserlicher Bestätigung dieses Vertrags (1656) gelang es den Sulzbacher Pfalzgrafen bis zum Ende des Alten Reiches nicht, Sitz und Stimme auf dem Reichstag zu erlangen. Die Aufnahme in den bayerischen Reichskreis erfolgte 1697.
Unter Pfalzgraf Theodor Eustach (reg. 1708-1732) wurde der merkantilistische Landesausbau forciert. Es gelang, mehrere Landsassengüter (u. a. Altenstadt bei Vohenstrauß, Großalbershof und Eschenfelden) aufzukaufen, die als landesherrliche Domänen bewirtschaftet wurden. 1709 entstand eine Pulvermühle bei Sulzbach, 1710 entstanden zwei Papiermühlen zu Vohenstrauß (Lkr. Neustadt a. d. Waldnaab) und Sigras (Gde. Edelsfeld, Lkr. Amberg-Sulzbach). In den Jahren 1717 und 1719 wurde das Hammerwerk mit Hochofen Weiherhammer (Lkr. Neustadt a. d. Waldnaab) errichtet.
Die kurze Herrschaft Pfalzgraf Johann Christians blieb Episode (reg. 1732-1733). Pfalzgraf Karl Theodor (reg. 1733/41-1799) erbte 1742 die Kurpfalz und 1777 Kurbayern. Das Fürstentum Pfalz-Sulzbach sank damit zum Nebenland herab. Seine Eigenständigkeit endete mit der sog. Konsolidierung der Herzogtümer der Oberen Pfalz, von Pfalz-Neuburg und Pfalz-Sulzbach im Jahre 1791.
Territorium
Das Fürstentum Pfalz-Sulzbach erstreckte sich im heutigen Regierungsbezirk Oberpfalz vom Gebiet der ehemaligen Reichsstadt Nürnberg im Westen bis zur Grenze des Königreichs Böhmen im Osten. Es wurde wiederholt von auswärtigem Territorium unterbrochen, unter anderem von dem zum Hochstift Bamberg gehörenden Amt Vilseck. Bei seiner Gründung 1615 bestand es aus den drei Ämtern Sulzbach, Flossenbürg, Vohenstrauß und einem Anteil am Gemeinschaftsamt Parkstein-Weiden (einer sog. Halbscheid). Es umfasste somit die nördlichen Territorien des Herzogtums Pfalz-Neuburg. 1714 konnte die zweite Halbscheid des Amtes Parkstein-Weiden von Pfalz-Neuburg erworben werden. 1765 wurde das Pflegamt Pleystein dem Fürstentum Pfalz-Sulzbach eingegliedert. Im Jahr 1802, unmittelbar vor ihrem Aufgehen in die neuen bayerischen Landgerichte, hatten diese fünf Sulzbacher Ämter eine Bevölkerung von zusammen 31.170 Einwohnern.
Verwaltung
Bereits 1615 bzw. 1616 wurden als zentrale Kollegialbehörden ein Hofrat (im 18. Jahrhundert als Regierung bezeichnet) und eine Hofkammer eingerichtet. 1623 folgte das Lehenpropstamt, 1656 schließlich das Oberstforstmeisteramt. Unter der Regierungszeit Theodor Eustachs bestand eine Direktion zur Verwaltung der landesherrlichen Güter und Manufakturen.
Während der Minderjährigkeit Karl Theodors leitete von 1733 bis 1741 der Obervormundschaftsrat die Pfalz-Sulzbacher Regierungsgeschäfte. 1742 wurden Regierung und Hofkammer zum "kombinierten Regierungs- und Hofkammerkollegium" vereinigt und der Geheimen Konferenz in Mannheim (ab 1778 in München) unterstellt. Eine eigene Religionsbehörde wurde für das Fürstentum erst mit dem Ende der staatlichen Eigenständigkeit 1791 in Form der Simultaneischen Religions- und Kirchendeputation eingerichtet (bis 1807). Im Zuge der Konsolidierung der Herzogtümer der Oberen Pfalz, von Pfalz-Neuburg und Pfalz-Sulzbach wurden die Sulzbacher Zentralbehörden sukzessive aufgelöst und nach Amberg verlegt: 1791 Regierung und Hofkammer, 1793 das Oberstforstmeisteramt und 1803 das Lehenpropstamt.
Landstände
Die Landstände des Pfalz-Sulzbacher Territoriums setzten sich aus den Angehörigen des Adels und den Vertretern der Städte und Märkte zusammen. Ihre rechtliche Position basierte auf den Privilegien und Freiheiten der Pfalz-Neuburger Landschaft. Mit dem Neuburger Vergleich von 1656 wurden die Pfalz-Sulzbacher Landstände ihrer Pflicht gegenüber Pfalz-Neuburg enthoben. Der einzige Landtag fand im Jahr 1661 in Sulzbach statt. In der Folge konnte sich keine Landschaftsverwaltung herausbilden. Es lassen sich allein drei von den Landsassen gewählte Deputierte nachweisen, die als Sprecher nach außen und gegenüber dem Landesherrn auftraten. Formell bestand die Pfalz-Sulzbacher Landschaft bis zur Abschaffung der Ständeversammlung im Jahr 1808 fort.
Kultur- und religionsgeschichtliche Bedeutung
Die kulturelle Ausstrahlung Pfalz-Sulzbachs ist verbunden mit der Person Pfalzgraf Christian Augusts, der selbst starkes Interesse an theologischen und theosophischen Fragen hatte. Um ihn bildete sich ein Gelehrtenhof, dessen namhafte Vertreter sich mit Alchemie, Kabbala, Hermetik, Naturmystik sowie dem Neuplatonismus beschäftigten. Hierzu zählten Christian Knorr von Rosenroth (1636-1689) und Franciscus Mercurius van Helmont (1618-1699). Durch sein vielfältiges Beziehungsnetz nahm dieser ansonsten provinzielle Sulzbacher Hof an der zeitgenössischen Entwicklung des europäischen Denkens teil.
Mit dem 1652 eingeführten Simultaneum wurde das erste Mal in einem Territorium des Deutschen Reiches ein Modell des gleichberechtigten Nebeneinanders von katholischer und evangelischer Konfession verwirklicht. Die religiöse Toleranz des Sulzbacher Pfalzgrafen schloss auch die Juden mit ein, denen 1666 die Ansiedlung in der Residenzstadt Sulzbach und 1684 im Markt Floß (Lkr. Neustadt a. d. Waldnaab) erlaubt wurde. Privilegien für christliche und hebräische Druckereien ermöglichten den Aufstieg Sulzbachs zu einem herausragenden Druckort für christliche Erbauungs- und Belehrungsliteratur und hebräische Werke, dessen Einfluss besonders im 18. Jahrhundert weit über den deutschen Raum hinausreichte.
Quellen- und Archivsituation
Die zentral- und unterbehördliche Überlieferung des Fürstentums Pfalz-Sulzbach wurde in den Jahren 1995 bis 2005 im Staatsarchiv Amberg zusammengeführt und dort nach den historischen Fonds wiederhergestellt. Ausgenommen hiervon blieben die Teile des landesherrlichen Archivs (Staatsarchiv Amberg, Pfalz-Sulzbach, Geheime Registratur), die nach 1790 in das Urkundenarchiv des Fürstentums Pfalz-Neuburg integriert wurden (jetzt: Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Pfalz-Neuburg Urkunden), sowie die Archivalien, die nach 1799 in das Geheime Hausarchiv (jetzt: Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Abteilung III Geheimes Hausarchiv) gelangten.
Forschungsstand
Mit Georg Christoph Gacks (1793-1867) "Geschichte des Herzogtums Sulzbach nach seinen Staats- und Religionsverhältnissen" von 1847 gibt es eine frühe fundierte Darstellung zur Geschichte Pfalz-Sulzbachs. Die Forschung der letzten Jahrzehnte konzentrierte sich vor allem auf die Geistes- und Religionsgeschichte des 17. Jahrhunderts. Zentrale Publikationsreihen sind die "Schriftenreihe des Stadtmuseums und Stadtarchivs Sulzbach-Rosenberg" sowie "Morgen-Glantz. Zeitschrift der Christian Knorr von Rosenroth-Gesellschaft". Der Ausstellungskatalog zum Jubiläum "350 Jahre Wittelsbacher Fürstentum Pfalz-Sulzbach" fasst den aktuellen Forschungsstand zusammen.
Die Herrscher des Fürstentums Pfalz-Sulzbach
Name | Regierungsdaten |
August | 1615-1632 |
Christian August | 1632/45-1708 |
Theodor Eustach | 1708-1732 |
Johann Christian Joseph | 1732-1733 |
Karl Theodor | 1733-1799 |
Literatur
- Italo Michele Battafarano (Hg.), Morgen-Glantz. Zeitschrift der Christian Knorr von Rosenroth-Gesellschaft, Sulzbach-Rosenberg 1 (1991) ff. (Forschungen zu Biographie, Werk und Bedeutung Christian Knorrs von Rosenroth)
- Manfred Finke, Sulzbach im 17. Jahrhundert. Zur Kulturgeschichte einer Residenz, Regensburg 1998.
- Stanislaus Fischer, Geschichte des Herzogtums Sulzbach, 1835 (Bayerische Staatsbibliothek Cgm 5366).
- Johannes Hartmann (Hg.), 350 Jahre Wittelsbacher Fürstentum Pfalz-Sulzbach. "Die Mitten im Winter grünende Pfaltz". Aufsatzteil und Katalog zur Sonderausstellung des Stadtmuseums Sulzbach-Rosenberg und des Staatsarchivs Amberg vom 2. Juni bis 16. September 2006 in Sulzbach-Rosenberg (Schriftenreihe des Stadtmuseums und Stadtarchivs Sulzbach-Rosenberg 22), Sulzbach-Rosenberg 2006.
- Klaus Jaitner, Der Pfalz-Sulzbacher Hof in der europäischen Ideengeschichte des 17. Jahrhunderts, in: Wolfenbütteler Beiträge 8 (1988), 273-404.
- Klaus Jaitner, Politische Geschichte des Fürstentums Pfalz-Sulzbach von 1614 bis 1790, in: Johannes Hartmann (Hg.), Eisenerz und Morgenglanz. Geschichte der Stadt Sulzbach-Rosenberg (Schriftenreihe des Stadtmuseums und Stadtarchivs Sulzbach-Rosenberg 12), Sulzbach-Rosenberg 1999, 129-152.
- Heribert Sturm, Das wittelsbachische Herzogtum Sulzbach (Weidner Heimatkundliche Arbeiten 17), Weiden 1980.
- Wilhelm Volkert, Das Fürstentum Pfalz-Neuburg und seine Nebenlinien vom 16. bis zum 18. Jahrhundert, in: Max Spindler/Alois Schmid (Hg.), Handbuch der bayerischen Geschichte. 3. Band, 3. Teilband: Geschichte der Oberpfalz und des Bayerischen Reichskreises bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, München 3. Auflage 1995, 124-141.
- Volker Wappmann, Durchbruch zur Toleranz. Die Religionspolitik des Pfalzgrafen Christian August von Sulzbach 1622-1708, Neustadt an der Aisch 1995.
Weiterführende Recherche
Externe Links
Empfohlene Zitierweise
Jochen Rösel, Pfalz-Sulzbach, Fürstentum, publiziert am 19.04.2010; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Pfalz-Sulzbach,_Fürstentum> (7.10.2024)