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Kölner Schiedsspruch, 30. Juli 1505

Aus Historisches Lexikon Bayerns

Kölner Schiedsspruch König Maximilians I. (reg. 1486-1519). (Foto: Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Geheimes Hausarchiv Hausurkunden 848)

von Dietmar Heil

Der Landshuter Erbfolgekrieg (1504/1505) um das Erbe Herzog Georgs von Bayern-Landshut (reg. 1479-1503) endete mit dem Kölner Schiedsspruch König Maximilians I. (reg. 1486-1519). Nachdem der Krieg zwischen den Herzögen von Bayern-München und den kurpfälzischen Wittelsbachern zuungunsten der pfälzischen Partei verlaufen war, handelten königliche Gesandte in der ersten Jahreshälfte 1505 eine Teilung des Erbes aus. König Maximilian folgte diesen Vereinbarungen in seinem Spruch vom 15. Juli 1505. Das Haupterbe fiel demnach den Münchner Herzögen zu. Das Herzogtum Bayern war damit nach den spätmittelalterlichen Teilungen wieder vereinigt. Die Söhne der niederbayerischen Erbtochter Elisabeth (1478-1504) wurden mit Besitzungen abgefunden, aus denen das Herzogtum Pfalz-Neuburg entstand. Der habsburgische König sicherte sich erhebliche Gebietsgewinne auf Kosten Bayerns.

Vorgeschichte: Der Landshuter Erbfolgekrieg und die Friedensverhandlungen

Kaiser Maximilian thronend, vor ihm zwei bayerische Herzöge. Abb. aus: Zainer, Andreas: Chronik des Landshuter Erbfolgekriegs, Ingolstadt 1504, 10. (Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 1598 lizenziert via CC BY-NC-SA 4.0)

Herzog Georg der Reiche von Bayern-Landshut (reg. 1479-1503) hinterließ mangels direkter männlicher Erben sein Fürstentum – unter Missachtung des Reichsrechts und der wittelsbachischen Hausverträge – seiner Tochter Elisabeth (1478-1504) und deren Gemahl Ruprecht von der Pfalz (1481-1504). Die Herzöge Albrecht IV. (1447-1508) und Wolfgang von Bayern-München (1451-1514) erhoben als nächste Verwandte in männlicher Linie ebenfalls Anspruch auf das Erbe. König Maximilian I. (reg. 1486-1519) belehnte sie zwar bereits am 9. Dezember 1503 mit dem Fürstentum, doch vorbehaltlich der königlichen Rechte und Ansprüche.

Bei seinen folgenden Bemühungen um eine einvernehmliche Aufteilung Niederbayerns definierte der Habsburger sein "Interesse" genauer. Es umfasste Gebiete in Schwaben, im heutigen Oberösterreich und im Inntal mit einem Gesamtwert von über 10.000 Gulden. Abgesehen vom finanziellen Ertrag berücksichtigte Maximilian damit vor allem die strategischen und wirtschaftlichen Interessen Tirols. Wichtiger noch als das Bergrecht zu Rattenberg war dabei die Sicherung der Lebensmittelversorgung durch die endgültige Verhinderung wittelsbachischer Blockaden im Unterinntal. Die königlichen Forderungen erwiesen sich als Hindernis für eine Einigung. Ausschlaggebend für das Scheitern der Vermittlungsbemühungen und den Ausbruch des Landshuter Erbfolgekrieges war aber die Kompromisslosigkeit der beiden wittelsbachischen Parteien.

Auf dem Augsburger Schiedstag im Februar/März 1504 trugen beide Parteien ihre Argumente vor. Die oberbayerischen Anwälte machten die Hausverträge von 1392 und 1450, das wittelsbachische Hausrecht und das Reichslehensrecht geltend, wodurch die weibliche Erbfolge ausgeschlossen war. Außerdem beriefen sie sich auf die Belehnung von 1503. Die pfälzische Seite beanspruchte wenigstens die Nachfolge in den von Herzog Georg hinterlassenen Allodien. Im Augsburger Entscheid vom 23. April 1504 sprach Maximilian Herzog Albrecht, der zuvor schon sein Einverständnis zu den geforderten Abtretungen an Österreich erklärt hatte, das gesamte Erbe zu. Der König verhängte über Ruprecht als Urheber des Krieges samt seinen Helfern, vor allem seinen Vater Kurfürst Philipp von der Pfalz (reg. 1476-1508), die Reichsacht.

Der Krieg verlief zum Nachteil der kurpfälzisch-niederbayerischen Partei. Im Dezember entsandte Kurfürst Philipp seinen Sohn Friedrich (1482-1556) als Vormund für die Waisen Ottheinrich (1502-1559, reg. in Pfalz-Neuburg ab 1522) und Philipp (1503-1548, reg. in Pfalz-Neuburg ab 1522) zu Waffenstillstandsverhandlungen mit Maximilian – Pfalzgraf Ruprecht und seine Frau Elisabeth waren inzwischen verstorben. Während mehrerer befristeter Stillstände bemühten sich königliche Gesandte im Februar und März 1505 um eine einvernehmliche Teilung des Erbes.

Die jährlichen Einkünfte aus dem niederbayerischen Herzogtum beliefen sich auf etwa 65.000 Gulden. Albrecht IV. erklärte sich damit einverstanden, der Gegenseite ein Territorium nördlich der Donau im Wert von maximal 16.000 Gulden zu überlassen. Friedrich wiederum wollte den Oberbayern ebenfalls ein Gebiet nördlich der Donau mit einem Ertragswert von höchstens 20.000 Gulden zugestehen. Den entscheidenden Durchbruch erzielte der Innsbrucker Hofmarschall Paul von Liechtenstein (um 1460-1513). Seine Verhandlungen mit Herzog Albrecht mündeten Ende März/Anfang April 1505 in eine geheime Absprache. Sie nahm die wesentlichen Bestimmungen des Kölner Spruches vorweg. Albrecht erklärte auf dieser Grundlage sein Einverständnis zu einer gütlichen oder rechtlichen Entscheidung des Königs und machte damit den Weg frei zur Einberufung des Kölner Reichs- und Gerichtstages und zur Beendigung des Erbfolgekrieges.

Verhandlungen des Kölner Schieds- und Gerichtstages (14. Juni bis 30. Juli 1505)

Unmittelbar vor dem Kölner Reichstag begannen am 14. Juni 1505 die Schiedsverhandlungen über die Aufteilung des niederbayerischen Erbes. Angesichts der vorherigen Absprachen Liechtensteins mit Herzog Albrecht IV. gerieten sie zur Farce. Während Pfalzgraf Friedrich nicht weniger als neun Eingaben an den König richtete und mit großem Aufwand über 1000 Belegdokumente von Landshut nach Köln schaffen ließ, begnügten sich die oberbayerischen Gesandten mit einer einzigen Stellungnahme zum Vermittlungsvorschlag König Maximilians. Darin waren bereits drei Tage nach dem Beginn der Verhandlungen die Bestimmungen des Kölner Spruches fixiert. Maximilian ging es nur noch um die formelle Übertragung der Vormundschaft für Ottheinrich und Philipp auf Pfalzgraf Friedrich und dessen Verpflichtungserklärung zum Vollzug des königlichen Entscheids.

Beide Seiten wiederholten ihre bereits auf dem Augsburger Schiedstag im Februar/März 1504 vorgetragenen Argumente. Die oberbayerische Partei bezog sich nun auch auf den Augsburger Spruch vom 23. April 1504. Bei den von den Pfälzern geforderten Allodien hätte es sich laut den vorgelegten Belegdokumenten um einen erheblichen Teil des niederbayerischen Herzogtums einschließlich der Residenzen Landshut und Burghausen gehandelt. Auch wenn König Maximilian bei seiner Entscheidung noch freie Hand gehabt hätte, konnte er keinesfalls seine eigenen richterlichen Kompetenzen untergraben und überging die Argumente Pfalzgraf Friedrichs stillschweigend. Der König blieb mit dem Kölner Spruch vom 30. Juli 1505 in allen wesentlichen Fragen bei der Abrede des Hofmarschalls Liechtenstein.

Die Bestimmungen des Kölner Spruches vom 30. Juli 1505

  • Beendigung des Kriegszustandes [§ 6]
  • Zuweisung von nach Möglichkeit nördlich der Donau gelegenen Gütern (ohne Ingolstadt) aus dem Erbe Herzog Georgs des Reichen von Bayern-Landshut und aus Besitzungen der Herzöge von Oberbayern mit einem jährlichen Ertragswert von 20.000 Gulden einschließlich aller Herrschafts- und sonstiger Rechte sowie weiterer noch zu bestimmender Güter im Wert von 4.000 Gulden an Pfalzgraf Friedrich als Vormund der Söhne Pfalzgraf Ruprechts und Herzogin Elisabeths [§§ 7f.]
  • Zuweisung des restlichen Erbes mit allen Rechten an die Herzöge Albrecht und Wolfgang von Bayern-München [§ 9]
  • Zuweisung der Fahrhabe in den Schlössern Landshut und Burghausen (ohne liturgisches Gerät) an Pfalzgraf Friedrich; im übrigen Übergabe der Fahrhabe an den künftigen Besitzer [§ 10]
  • Aufteilung des Kriegsmaterials und der Getreidevorräte zu gleichen Teilen an beide Parteien [§§ 11f.]
  • Verpflichtung der Parteien zur Bedienung der von ihnen nach dem Tod Herzog Georgs aufgenommenen Schulden [§ 13]
  • Amnestie für alle Untertanen bezüglich des Landshuter Erbfolgekrieges [§ 14]
  • Übernahme der von Herzog Georg hinterlassenen Schulden und Außenstände durch Pfalzgraf Friedrich, allerdings Bedienung der auf Gütern ruhenden Schulden Herzog Georgs durch die Herzöge Albrecht und Wolfgang [§ 15]
  • Aushändigung von Urkunden und anderen Belegdokumenten über deren künftige Besitzungen an die Gegenpartei [§ 16]
  • Reichsbelehnung Pfalzgraf Friedrichs mit dem zu schaffenden Fürstentum als Vormund seiner Neffen Ottheinrichs und Philipps [§ 17]
  • Bestätigung der Freiheiten und Privilegien der Untertanen [§ 18]
  • Übergabe der Güter an die Gegenseite bis zum 29. September 1505, an Pfalzgraf Friedrich im einzelnen: Neuburg, Reichertshofen, Lauingen, Höchstadt, Gundelfingen, Heideck, Sulzbach, Burglengenfeld, Velburg, Hemau, Kallmünz und Weiden [§§ 19f.]
  • Durchführung der Taxation der Güter für weitere Gebietszuweisungen an Pfalzgraf Friedrich bis zum 23. April 1506 [§ 21]
  • Benennung der Taxatoren durch die Parteien und eines Obmannes durch König Maximilian [§ 23]
  • Übereignung der Pfänder Wasserburg, Traunstein, Wald, Trostberg, Mörmoosen und Marquartstein an Pfalzgraf Friedrich bis zum Abschluss der Taxation [§ 22]
  • Entscheidungsbefugnis des Königs bei Uneinigkeit über die Auslegung des Spruches [§ 24]
  • Aufhebung der Acht gegen die Gefolgsleute und Parteigänger Pfalzgraf Ruprechts, Herzogin Elisabeths und ihrer Hauptleute sowie Restitution der Geächteten [§ 25]
  • Vorbehalt des königlichen "Interesses" und der vom König an Dritte überschriebenen Teile des Georgianischen Erbes [§ 26]
  • Vorbehalt der Ansprüche der überlebenden Tochter Herzog Georgs, Margarethe von Bayern-Landshut (1480-1531), die den geistlichen Stand ergriffen hatte [§ 27]
  • Gebot an die Parteien zum Vollzug des Spruches und Androhung einer – nicht spezifizierten – Strafe bei Zuwiderhandlung [§ 28]

Ergebnisse und Bedeutung

Der Kölner Spruch markiert das Ende des Landshuter Erbfolgekrieges (1504/05) und die - wenngleich unter schweren Verlusten erkaufte - Wiedervereinigung Altbayerns. Sie blieb infolge der Primogeniturordnung Albrechts IV. vom 8. Juli 1506 endgültig. Für die pfälzische Partei fiel der Spruch enttäuschend aus. Der Anteil am Erbe Herzog Georgs war gemessen an den Erwartungen deutlich reduziert. Pfalzgraf Friedrich hatte vergeblich gegen die Abfindung mit den zum Teil gar nicht zur Verhandlungsmasse gehörenden, strategisch exponierten und ökonomisch minderwertigen Gebieten nördlich der Donau Widerstand geleistet.

König Maximilian darf als eigentlicher Gewinner seiner Entscheidung gelten: Er hatte sich einen beträchtlichen Anteil am Erbe Herzog Georgs gesichert [§ 26] und konnte seine Forderungen bei den Verhandlungen über den Vollzug des Kölner Spruches sogar noch erweitern. Tirol verbuchte die Gerichte Kufstein, Rattenberg, Kitzbühel und Teile des Zillertales als Zuwächse. Österreich ob der Enns erhielt das - allerdings wenig später an Salzburg veräußerte – Mondsee und St. Wolfgang. An Vorderösterreich kamen – bis zum Verkauf an die Fugger 1507 - Kirchberg und Weißenhorn sowie als direkter Kriegsgewinn von der Pfalz die Landvogteien Hagenau und Ortenau.

Auch die politischen Ziele Habsburgs waren erreicht. Das Haus Wittelsbach war insgesamt geschwächt, die Wiedervereinigung Bayerns gelang nur unter erheblichen Gebietsverlusten. Durch die beabsichtigten Unklarheiten des Spruches – etwa hinsichtlich den der Taxation zugrunde zu legenden Kriterien – blieben die Parteien weiterhin auf Maximilian angewiesen [§ 24], der den Kölner Entscheid in mehreren Deklarationen (Enns 1506, Konstanz 1507) erläuterte. 1507 drohten die Streitigkeiten mit der von Herzog Albrecht geplanten gewaltsamen Rückeroberung des Unterpfands [§ 22] sogar zum erneuten Krieg zu eskalieren. Den Parteien gelang die Beilegung der Streitigkeiten und damit die genaue Formierung des neuen Fürstentums Pfalz-Neuburg erst mit dem Ingolstädter Vertrag vom 13. August 1509.

Literatur

  • Michael Cramer-Fürtig, Landesherr und Landstände im Fürstentum Pfalz-Neuburg. Staatsbildung und Ständeorganisation in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts (Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte 100), München 1995, 19-27.
  • Andreas Kraus, Um die Einheit Altbayerns, in: Max Spindler/Andreas Kraus (Hg.), Handbuch der bayerischen Geschichte. 2. Band, München 2. Auflage 1988, 318-321.
  • Peter Schmid, Der Landshuter Erbfolgekrieg, in: Rudolph Ebneth/Peter Schmid (Hg.), Der Landshuter Erbfolgekrieg. An der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit, Regensburg 2004, 7-20.
  • Peter Schmid, Die Rolle des Landshuter Erbfolgekrieges in der Politik König Maximilians I., in: Christoph Haidacher/Richard Schober (Hg.), Von Wittelsbach zu Habsburg. Maximilian I. und der Übergang der Gerichte Kufstein, Rattenberg und Kitzbühel von Bayern an Tirol 1504-2004. Akten des Symposiums des Tiroler Landesarchivs Innsbruck, 15.-16. Oktober 2004, Innsbruck 2005, 125-144.
  • Reinhard Stauber, Bayerische Wiedervereinigung? Aspekte des Landshuter Erbfolgekriegs, in: Stadt Neuburg a. d. Donau (Hg.), Pfalzgraf Ottheinrich. Politik, Kunst und Wissenschaft im 16. Jahrhundert, Regensburg 2002, 32-54.

Quellen

  • Dietmar Der Reichstag zu Köln 1505(Bearb.), Der Reichstag zu Köln 1505 (Deutsche Reichstagsakten. Mittlere Reihe: Deutsche Reichstagsakten unter Maximilian I. 8), München 2008.

Weiterführende Recherche

Externe Links

Empfohlene Zitierweise

Dietmar Heil, Kölner Schiedsspruch, 30. Juli 1505, publiziert am 18.01.2010; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Kölner_Schiedsspruch,_30._Juli_1505> (19.03.2024)