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Als Bündische Jugend wurden die in den 1920er Jahren gegründeten Sammelbewegungen jugendlicher Männer und Frauen bezeichnet. Sie waren in Bezug auf politische Ausrichtung wie auch konfessionelle Zusammensetzung in sich jeweils relativ homogen strukturiert, insgesamt jedoch sehr heterogen. Den in der Bündischen Jugend organisierten Jugendlichen ging es darum, außerhalb von Elternhaus, Schule und Beruf ihre Freizeit selbstbestimmt zu gestalten. Wichtige Merkmale waren dabei Gruppenerlebnisse (Sport, Spiel, Singen, Musizieren) und Naturerfahrungen (Wandern, Zeltlager). Das NS-Regime tolerierte die Existenz dieser Bünde neben Hitlerjugend (HJ) und Bund Deutscher Mädel (BDM) nicht. Nach Kriegsende und demokratischem Neuanfang gründeten sich in Westdeutschland einige Bünde neu und knüpften an ihre Tätigkeiten vor 1933 an, allerdings verloren sie durch eine allgemein vielfältigere Jugendkultur und nicht zuletzt infolge der 1968er-Bewegung an Bedeutung. Sie blieben aber weiter existent. Wichtiges Zentrum der Bündischen Jugend in Bayern war Burg Lauenstein | Als Bündische Jugend wurden die in den 1920er Jahren gegründeten Sammelbewegungen jugendlicher Männer und Frauen bezeichnet. Sie waren in Bezug auf politische Ausrichtung wie auch konfessionelle Zusammensetzung in sich jeweils relativ homogen strukturiert, insgesamt jedoch sehr heterogen. Den in der Bündischen Jugend organisierten Jugendlichen ging es darum, außerhalb von Elternhaus, Schule und Beruf ihre Freizeit selbstbestimmt zu gestalten. Wichtige Merkmale waren dabei Gruppenerlebnisse (Sport, Spiel, Singen, Musizieren) und Naturerfahrungen (Wandern, Zeltlager). Das NS-Regime tolerierte die Existenz dieser Bünde neben Hitlerjugend (HJ) und Bund Deutscher Mädel (BDM) nicht. Nach Kriegsende und demokratischem Neuanfang gründeten sich in Westdeutschland einige Bünde neu und knüpften an ihre Tätigkeiten vor 1933 an, allerdings verloren sie durch eine allgemein vielfältigere Jugendkultur und nicht zuletzt infolge der 1968er-Bewegung an Bedeutung. Sie blieben aber weiter existent. Wichtiges Zentrum der Bündischen Jugend in Bayern war Burg Lauenstein. | ||
== Bündische Jugend – Sammelbezeichnung organisierter Jugendbewegungen == | == Bündische Jugend – Sammelbezeichnung organisierter Jugendbewegungen == | ||
[[Datei:Adler und Falken Pottenstein 1921.jpg|thumb|Adler und Falken in Pottenstein | [[Datei:Adler und Falken Pottenstein 1921.jpg|thumb|Adler und Falken in Pottenstein, 1921. (Archiv der deutschen Jugendbewegung, Signatur: AdJb: F1_80_32)]][[Datei:Reichsjugendtag Gottesdienst St Sebald 1929.jpg|thumb|Gottesdienst in der St. Sebald-Kirche am Sonntag zum Fünften Reichsjugendtag des Jugendbundes des Gewerkschaftsbundes der Angestellten (GdA) in Nürnberg 1929. (Archiv der deutschen Jugendbewegung, Signatur: AdJb F1_387_050)]] | ||
Allgemein zählten in der Weimarer Republik zur Bündischen Jugend Gruppierungen und -vereine, die mehr oder weniger unabhängig von größeren Verbänden wie Parteien, [[Gewerkschaften (19./20. Jahrhundert)|Gewerkschaften]], Kirchen oder Sportvereinen wie auch in Abgrenzung von der staatlich-kommunalen Jugendpflege gemeinschaftliche Unternehmungen von und für junge Menschen organisierten. Das Ziel lag darin, den Jugendlichen auf dem Weg zum erwachsenen Staatsbürger Raum zur Selbsterziehung und -erfahrung in der Gruppe außerhalb der Erziehungsinstanzen Schule und Elternhaus zu ermöglichen. Davon machten nach einer Zählung von 1927 rund 4,1 Mio. Jugendliche unter 21 Jahren Gebrauch, also rund 40 % aller Jugendlichen. | Allgemein zählten in der Weimarer Republik zur Bündischen Jugend Gruppierungen und -vereine, die mehr oder weniger unabhängig von größeren Verbänden wie Parteien, [[Gewerkschaften (19./20. Jahrhundert)|Gewerkschaften]], Kirchen oder Sportvereinen wie auch in Abgrenzung von der staatlich-kommunalen Jugendpflege gemeinschaftliche Unternehmungen von und für junge Menschen organisierten. Das Ziel lag darin, den Jugendlichen auf dem Weg zum erwachsenen Staatsbürger Raum zur Selbsterziehung und -erfahrung in der Gruppe außerhalb der Erziehungsinstanzen Schule und Elternhaus zu ermöglichen. Davon machten nach einer Zählung von 1927 rund 4,1 Mio. Jugendliche unter 21 Jahren Gebrauch, also rund 40 % aller Jugendlichen. | ||
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In einem engeren Verständnis handelte es sich bei der Bündischen Jugend um die bürgerlich geprägten Bünde, die sich auf den [[Wandervogel]] bezogen und den Neubeginn nach 1918, orientiert an den Erfahrungen der Frontsoldaten, unter dem Eindruck des verlorenen Krieges gestalteten; dazu zählten etwa 60.000 "Bündische". Die Begriffe "Bund" und "Bündisch" verbreiteten sich über den engeren Sinn hinaus für alle nicht-formalen, an gemeinsamen Werten und Verhaltensformen orientierten, meist überregional organisierten Gruppierungen junger Menschen – die "[[Jugendbewegung]]". Verbindungen zu Jugendgruppen im europäischen Ausland bestanden in vielen Bünden; auch flossen internationale Anregungen in das Bundesleben ein. Die nicht-formale, unabhängige Konzeption der "Bünde" aber kann als deutsches Spezifikum gelten. Bis in die Gegenwart bezeichnen sich die entsprechenden Jugendorganisationen als "bündisch". | In einem engeren Verständnis handelte es sich bei der Bündischen Jugend um die bürgerlich geprägten Bünde, die sich auf den [[Wandervogel]] bezogen und den Neubeginn nach 1918, orientiert an den Erfahrungen der Frontsoldaten, unter dem Eindruck des verlorenen Krieges gestalteten; dazu zählten etwa 60.000 "Bündische". Die Begriffe "Bund" und "Bündisch" verbreiteten sich über den engeren Sinn hinaus für alle nicht-formalen, an gemeinsamen Werten und Verhaltensformen orientierten, meist überregional organisierten Gruppierungen junger Menschen – die "[[Jugendbewegung]]". Verbindungen zu Jugendgruppen im europäischen Ausland bestanden in vielen Bünden; auch flossen internationale Anregungen in das Bundesleben ein. Die nicht-formale, unabhängige Konzeption der "Bünde" aber kann als deutsches Spezifikum gelten. Bis in die Gegenwart bezeichnen sich die entsprechenden Jugendorganisationen als "bündisch". | ||
Bündische Gruppen bildeten sich auch in den bayerischen Mittel- und Großstädten, einerseits aus bereits bestehenden Wandervogel- und Pfadfindergruppen heraus, andererseits ganz neu z. B. innerhalb der katholischen und der evangelischen Kirche bzw. von dieser ausgehend, als Naturfreundejugend der Arbeiterschaft, im [[Jugendherbergen|Jugendherbergswerk]] usw. Einige Burgen wurden Treff- und Mittelpunkt bestimmter Jugendbünde. So versammelten sich die "Adler und Falken" wiederholt im fränkischen Kronach mit der Burg [[Ort:ODB_S00050062|Lauenstein]]{{#set:OID=ODB_S00050062}} | Bündische Gruppen bildeten sich auch in den bayerischen Mittel- und Großstädten, einerseits aus bereits bestehenden Wandervogel- und Pfadfindergruppen heraus, andererseits ganz neu z. B. innerhalb der katholischen und der evangelischen Kirche bzw. von dieser ausgehend, als Naturfreundejugend der Arbeiterschaft, im [[Jugendherbergen|Jugendherbergswerk]] usw. Einige Burgen wurden Treff- und Mittelpunkt bestimmter Jugendbünde. So versammelten sich die "Adler und Falken" wiederholt im fränkischen Kronach mit der Burg [[Ort:ODB_S00050062|Lauenstein]]{{#set:OID=ODB_S00050062}}. Für katholisch-bündische Kreise ("[[Quickborn]]") wurde die Burg [[Ort:ODB_S00004193|Rothenfels]][[PND::ODB_S00004193| ]] zur Jugendburg. Mit der Burg [[Ort:ODB_S00023955|Prunn]]{{#set:OID=ODB_S00023955}} verbindet sich eine bedeutende Reform des [[Pfadfinder|Pfadfindertums]] ("Neupfadfinder"). | ||
== Merkmale der Bündischen Jugend == | == Merkmale der Bündischen Jugend == | ||
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Ein Beispiel für eine überbündische Initiative war die Gründung der "Vereinigung zum Erwerb, Wiederaufbau und Erhalt der Burg Ludwigstein bei Witzenhausen an der Werra e. V.", der es 1920 gelang, die im Nordhessischen gelegene Burg zu einem Ehrenmal der gefallenen Wandervögel und Begegnungsort der bündischen Jugend auszubauen. Auch das 1922 hier gegründete "Reichsarchiv der deutschen Jugendbewegung" erwies sich als langlebiges und erfolgreiches Projekt. (Abb.) | Ein Beispiel für eine überbündische Initiative war die Gründung der "Vereinigung zum Erwerb, Wiederaufbau und Erhalt der Burg Ludwigstein bei Witzenhausen an der Werra e. V.", der es 1920 gelang, die im Nordhessischen gelegene Burg zu einem Ehrenmal der gefallenen Wandervögel und Begegnungsort der bündischen Jugend auszubauen. Auch das 1922 hier gegründete "Reichsarchiv der deutschen Jugendbewegung" erwies sich als langlebiges und erfolgreiches Projekt. (Abb.) | ||
Einen bedeutsamen Zusammenschluss stellte die 1926 gegründete "Deutsche Freischar – Bund der Wandervögel und Pfadfinder" mit dem "Zwiespruch" als wöchentlich erscheinender Zeitschrift dar. Ausgangspunkt dafür war ein Pfadfindertreffen im August 1919. Auf der Burg Prunn bei [[Ort:ODB_S00023920|Riedenburg]]{{#set:OID=ODB_S00023920}} im Altmühltal | Einen bedeutsamen Zusammenschluss stellte die 1926 gegründete "Deutsche Freischar – Bund der Wandervögel und Pfadfinder" mit dem "Zwiespruch" als wöchentlich erscheinender Zeitschrift dar. Ausgangspunkt dafür war ein Pfadfindertreffen im August 1919. Auf der Burg Prunn bei [[Ort:ODB_S00023920|Riedenburg]]{{#set:OID=ODB_S00023920}} im Altmühltal versammelten sich mehr als 250 Führer des Deutschen Pfadfinderbundes, um sich von der bisherigen militaristischen Prägung der Pfadfinder zu verabschieden und auf das "Prunner Gelöbnis" zu verständigen. | ||
Die Impulse für das Neupfadfindertum, in denen das Ideal des Ritters eine wichtige Rolle spielte, kamen vom "Regensburger Kreis" um [[Person:122939417|Franz Ludwig Habbel]]{{#set:PND=122939417}} (1894–1964), [[Person:117465291|Ludwig Voggenreiter]]{{#set:PND=117465291}} (1898–1947) und [[Person:117476226|Karl Sontag]]{{#set:PND=117476226}} (1828–1900). An die Stelle stark äußerlicher Erziehungsformen setzten sie stattdessen auf die Verknüpfung pfadfinderischer Grundsätze mit einer Organisation in altersübergreifenden Stämmen und betonten die Bedeutung von Selbsterziehung und Naturverbundenheit. Mit dieser wichtigen Neuorientierung fanden die Pfadfinder Anschluss an die Wandervogel- bzw. die bündische Bewegung, die schließlich 1926 im gemeinsamen "Bund der Wandervögel und Pfadfinder" (BdWuP) mündete. Damit ging die Abwendung von dem englisch geprägten, internationalen, "scoutistischen" Pfadfindertum einher. | Die Impulse für das Neupfadfindertum, in denen das Ideal des Ritters eine wichtige Rolle spielte, kamen vom "Regensburger Kreis" um [[Person:122939417|Franz Ludwig Habbel]]{{#set:PND=122939417}} (1894–1964), [[Person:117465291|Ludwig Voggenreiter]]{{#set:PND=117465291}} (1898–1947) und [[Person:117476226|Karl Sontag]]{{#set:PND=117476226}} (1828–1900). An die Stelle stark äußerlicher Erziehungsformen setzten sie stattdessen auf die Verknüpfung pfadfinderischer Grundsätze mit einer Organisation in altersübergreifenden Stämmen und betonten die Bedeutung von Selbsterziehung und Naturverbundenheit. Mit dieser wichtigen Neuorientierung fanden die Pfadfinder Anschluss an die Wandervogel- bzw. die bündische Bewegung, die schließlich 1926 im gemeinsamen "Bund der Wandervögel und Pfadfinder" (BdWuP) mündete. Damit ging die Abwendung von dem englisch geprägten, internationalen, "scoutistischen" Pfadfindertum einher. | ||
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