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J.F. Lehmanns Verlag

Aus Historisches Lexikon Bayerns

1. Jahrgang der Zeitschrift "Volk und Rasse", erschienen im J. F. Lehmanns Verlag, München 1926.
Werbung des J. F. Lehmanns Verlags für die Reihe "Im Felde unbesiegt", München 1923. (Bayerische Staatsbibliothek)
Gottfried Zarnow, "Gefesselte Justiz", Deckblatt der Erstausgabe 1930, erschienen im J. F. Lehmanns Verlag, München 1930.
Titelblatt der Zeitschrift "Volk und Rasse", 8. Jg., Heft 2, April 1933, erschienen im J. F. Lehmanns Verlag München.
Titelblatt der Zeitschrift "Deutschlands Erneuerung", 3. Jg., Heft 1, 1919, erschienen im J. F. Lehmanns Verlag München.
Julius Friedrich Lehmann (aus: Reichshandbuch der deutschen Gesellschaft. 2. Band, Berlin 1931, S. 1089)

von Mario Heidler

Münchner Verlag, gegründet im September 1890 von Julius Friedrich Lehmann (1864-1935). Er entwickelte sich zu einem der bedeutendsten deutschen Fachverlage für Medizin und publizierte seit dem Ersten Weltkrieg zunehmend auch wehrwissenschaftliche sowie rassenkundliche und rassenhygienische Schriften. Seit 1929 unterstützte der Verlag offen die NSDAP. Nach dem Zweiten Weltkrieg 1950 als medizinischer Verlag wiederbegründet, publizierte er weiterhin auch wehrwissenschaftliche Publikationen. Der Lehmanns Verlag wurde 1979 aufgelöst.

Geschichte (1890-1979)

Der J.F. Lehmanns Verlag wurde im September 1890 von Julius Friedrich Lehmann (1864-1935) in München gegründet und hatte seinen Sitz in der Paul-Heyse-Straße 26, seit 1966 am Agnes-Bernauer-Platz 8. Er entwickelte sich bis zum Ersten Weltkrieg vor allem durch seine anatomischen Handatlanten und die "Münchener Medizinische Wochenschrift" zu einem der auch international bedeutendsten deutschen medizinischen Fachverlage.

Seit 1897 erschienen im J.F. Lehmanns Verlag auch zahlreiche politische Flugschriften des nationalistischen Alldeutschen Verbandes und erste wehrwissenschaftliche Publikationen. Nach dem Ersten Weltkrieg verstärkte der Verlag deutlich die Produktion nationalistischer und wehrwissenschaftlicher Schriften, wie er sich auch zum bedeutenden Verlag für rassenkundliches und rassenhygienisches Schrifttum entwickelte. Im "Dritten Reich" wurde der seit dem Tode Lehmanns maßgeblich von Friedrich Schwartz (gest. 1943) geleitete Verlag mehrmals als "Nationalsozialistischer Musterbetrieb" ausgezeichnet und gehörte zu den wenigen als "kriegswichtig" eingestuften Verlagen, die ihre Tätigkeit im Zweiten Weltkrieg nicht einstellen mussten. Nachdem die Alliierten den J.F. Lehmanns Verlag 1945 wegen seiner pronationalsozialistischen Ausrichtung zunächst verboten hatten, nahm er 1950 unter der Leitung des Lehmann-Schwiegersohnes Otto Spatz (1900-1989) wieder den Betrieb als medizinischer Verlag auf. Seit den 1960er Jahren produzierte der Verlag erneut in erheblichem Umfang wehrwissenschaftliche Bücher. Durch seine Nähe zur "Gesellschaft für freie Publizistik", mit deren "Hutten-Medaille" Spatz 1970 ausgezeichnet wurde, stand er auch politisch in einer Kontinuität zur Vorkriegszeit. Bis zu seiner Liquidierung 1979 konnte er aber an seine vormalige Bedeutung nicht mehr anknüpfen.

Der Firmenname J.F. Lehmanns existierte noch bis 1997 weiter, da Lehmann neben seinem Verlag auch eine medizinische Buchhandlung betrieben hatte, die bereits 1894 verkauft, aber unter ihrem alten Namen weitergeführt worden war. 1981 erwarb der Deutsche Ärzte-Verlag vom Verlag Urban & Schwarzenberg deren Rothacker Buchhandlungen. Urban behielt aber die Namensrechte und gab stattdessen den Firmenmantel J.F. Lehmanns Medizinische Buchhandlung kostenfrei an den Deutschen Ärzte-Verlag ab, den dieser für seine Buchhandlungen nutzte. Nachdem der politisch vorbelastete Name wiederholt für Schlagzeilen sorgte, wurden zur Jahreswende 1997/98 die Buchhandlungen in "Lehmanns Fachbuchhandlung" umbenannt.

Politik und Propaganda im J.F. Lehmanns Verlag

Bis 1914 erschienen im Verlag zahlreiche Schriften des Alldeutschen Verbandes. Während des Krieges verbreitete er teilweise entgegen den Zensurbestimmungen die Schriften der so genannten Kriegsziel- und der Kanzlersturzbewegung. Von 1917 bis 1943 erschien die Zeitschrift "Deutschlands Erneuerung", die vor allem in den ersten Jahren der Weimarer Republik eine wichtige Plattform für die extreme Rechte war (Adolf Hitler [1889-1945] zum Beispiel wies die Ortsgruppen der NSDAP an, die Artikel der Zeitschrift als Grundlage für ihre Propaganda zu nehmen). In den Monaten nach der Revolution organisierte der Verlag für den vom Alldeutschen Verband gegründeten Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbund die antisemitische Propaganda. Nicht eindeutig geklärt ist, ob J.F. Lehmann auch 1919 den ersten nationalsozialistischen Verlag, den Deutschen Volksverlag Dr. Ernst Boepple gegründet hatte, der bis Ende der 1920er Jahre für die NS-Bewegung größere Bedeutung als der parteieigene Eher Verlag hatte.

Mit seinen in Absprache mit Erich Ludendorff (1865-1937) entstandenen Kriegserinnerungsbüchern der "Unbesiegt"-Reihe seit 1920 trug der J.F. Lehmanns Verlag nicht nur zur Verbreitung der Dolchstoßlegende bei, sondern bereitete auch den nationalistischen Kriegsbücherboom seit 1928 vor, der maßgeblich zur "Remilitarisierung der öffentlichen Meinung" (Wolfram Wette) beitrug.

Seit 1929 unterstützte der J.F. Lehmanns Verlag offen die auf Reichsebene noch unbedeutenden Nationalsozialisten. Nachdem Lehmann (Mitgliedsnummer 878) und sein Teilhaber Friedrich Schwartz der NSDAP bereits von 1920 bis zu ihrem Verbot angehört hatten, trat Lehmann ihr Ende 1931 erneut bei. In enger Zusammenarbeit mit den Nationalsozialisten führte der Verlag die Kampagnen für die Freilassung der so genannten Fememörder seit 1928 und gegen die vorgeblich politisch gesteuerte Justiz im sozialdemokratisch regierten Preußen durch (vgl. dazu das beim Lehmanns Verlag erschienene Buch von Gottfried Zarnow: Gefesselte Justiz. 2 Bände, München 1930/31). Für sein Engagement ehrte die Partei den Verleger Lehmann 1934 mit dem Adlerschild des Deutschen Reiches und der Goldenen Ehrennadel der Partei.

Rassenhygiene und Rassenkunde

Erste rassenhygienische und rassenkundliche Bücher erschienen bereits vor 1914. In den 1920er Jahren forcierte der Verlag seine Anstrengungen auf diesem Gebiet. Mit der "Zeitschrift für Rassenphysiologie" und dem "Archiv für Rassen- und Gesellschaftsbiologie" schuf er Foren für die akademische Diskussion, wie er auch über personelle Verflechtungen großen Einfluss auf die Deutsche Gesellschaft für Rassenhygiene und Eugenik ausübte. Die "Menschliche Erblehre und Rassenhygiene" von Erwin Baur (1875-1933), Eugen Fischer (1874-1967) und Fritz Lenz (1887-1976) avancierte zum Standardwerk der akademischen Rassenhygiene. Ebenso bemühte sich der Verlag mit der Zeitschrift "Volk und Rasse" sowie zahlreichen populärwissenschaftlichen Büchern um eine Popularisierung des Themas, wobei besonders die Schriften von Hans F.K. Günther (1891-1968) zu erwähnen sind, dessen im Auftrag Lehmanns geschriebene "Rassenkunde des deutschen Volkes" allein 500.000 mal gedruckt wurde. Hohe Auflagen erreichten auch Schriften von Richard Walther Darré (1895-1953) und Ludwig Clauß.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurden die Zeitschriften zu den offiziellen Organen der NS-Rassenpolitik. Auch die offiziellen Kommentare zum "Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" von Arthur Gütt (1891-1949), Ernst Rüdin (1874-1952) und Falk Ruttke und zum "Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre und Gesetz zum Schutze der Erbgesundheit des deutschen Volkes" von Arthur Gütt, Herbert Linden und Franz Maßfeller erschienen im J.F. Lehmanns Verlag.

Literatur

  • Mario Heidler, Die Zeitschriften des J.F. Lehmanns Verlages bis 1945, in: Sigrid Stöckel (Hg.), Die "rechte Nation" und ihr Verleger. Politik und Popularisierung im J. F. Lehmanns Verlag 1890-1979, Berlin 2002, 47-103.
  • Gary D. Stark, Entrepreneurs of Ideology, Chaple Hill 1981.
  • Ders., Der Verleger als Kulturunternehmer: Der J.F. Lehmanns Verlag und Rassenkunde in der Weimarer Republik, in: Archiv für Geschichte des Buchwesens 16 (1976), 291-318.
  • Sigrid Stöckel (Hg.), Die "rechte Nation" und ihr Verleger. Politik und Popularisierung im J. F. Lehmanns Verlag 1890-1979, Berlin 2002.
  • Paul Weindling, Health, race and German Politics between national unification and Nazism, 1870-1945, Cambridge 1989.

Weiterführende Recherche

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Empfohlene Zitierweise

Mario Heidler, J.F. Lehmanns Verlag, publiziert am 11.05.2006; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/J.F. Lehmanns Verlag> (16.04.2024)