Bund Oberland, 1921-1923/1925-1930
Aus Historisches Lexikon Bayerns
Paramilitärischer Verband, am 31. Oktober 1921 in München hervorgegangen aus dem ehemaligen Freikorps Oberland. Erkennungszeichen waren die alten Reichsfarben Schwarz-Rot-Weiß und das Edelweiß. Der Bund verfolgte antirepublikanische, völkische Ziele, kooperierte unter der Leitung von Friedrich Weber (1892-1955) eng mit der NSDAP und trat 1923 dem Deutschen Kampfbund bei. Er war 1923 an Sabotageakten im Ruhrgebiet und an den Münchner Putschversuchen vom 1. Mai und 9. November 1923 beteiligt. Daraufhin verboten, existierte der Bund als Deutscher Schützen- und Wanderbund weiter. Nach der Wiederzulassung am 14. Februar 1925 kam das endgültige Aus 1930. Viele leitende Mitglieder wechselten daraufhin zu NSDAP, SS und SA.
Die Entstehung des Bundes Oberland aus dem Freikorps Oberland 1921
Der Bund Oberland war die Nachfolgeorganisation des Freikorps Oberland, eines der aktivsten Freikorps der bayerischen Wehrbewegung von 1919 bis 1921. Noch im Mai 1921 hatte dieses Freikorps im sog. Volkstumskampf in Oberschlesien international - nicht zuletzt durch seine Brutalität - für Schlagzeilen gesorgt. Nach seiner Rückkehr von diesem Einsatz war es ebenso wie die anderen Bestandteile der Wehrbewegung dem Auflösungsbefehl gegen die Einwohnerwehren vom Juni 1921 zum Opfer gefallen.
Bereits am 31. Oktober 1921 entstand jedoch, ähnlich wie bei anderen Wehrorganisationen, eine Ersatz- und Auffangorganisation: der Bund Oberland. Der prekären Situation entsprechend, wurden in den Vorstand des neuen Bundes nicht die alten Freikorpsführer um Ernst Horadam (1883-1956) und die Brüder Ludwig und Josef ("Beppo") Römer (1892-1944) gewählt, sondern "bürgerliche" Kräfte um den Münchner Eisenbahninspektor Friedrich Knauf (geb. 1873). Die beiden so entstehenden Richtungen aber sollten in der Folgezeit fortgesetzt um die politisch-ideologische Positionierung des Bundes ringen.
Programm
Die im Herbst 1921 veröffentlichten programmatischen Verlautbarungen enthielten als Grundgedanken den Kampf gegen den Versailler Vertrag und betonten die unbedingte Reichstreue des Bundes sowie die Bedeutung der Versöhnung aller Klassen und Schichten als Vorbedingung für jegliche "nationale Befreiung". Realiter konzentrierte sich der Bund jedoch zunächst auf die - geheime - Fortsetzung seiner Wehrarbeit.
Sonderstellung innerhalb der vaterländischen Bewegung
Die betonte Reichstreue des Bundes verursachte bald deutliche Spannungen zu der stärker föderalistisch ausgerichteten Mehrheitsorganisation der bayerischen Vaterländischen, dem Bund Bayern und Reich. Dessen Führer Otto Pittinger (1878-1926) wurde vom Bund Oberland wiederholt offen des Separatismus' bezichtigt. Dementsprechend suchte Oberland auch den Anschluss an den antiföderalistischen Flügel der nationalen Bewegung in Bayern, vertreten vor allem durch den Hauptmann Ernst Röhm (1887-1934) und Adolf Hitler (1889-1945).
Andererseits fallen bereits in diese Zeit erste Kontakte der soldatischen Aktivisten des Bundes mit kommunistischen Kreisen. Die vor allem von Beppo Römer betriebene Fühlungnahme mit dem Ziel eines radikal gegen das Versailler System gewendeten "nationalen Kommunismus" bzw. "nationalen Bolschewismus" brachte Oberland endgültig den Ruf des Exoten innerhalb der vaterländischen Bewegung ein.
Die Abspaltung des Bundes Treu-Oberland 1922
Gegen diese zunehmenden "linken" Strömungen versuchte nun auch die "bürgerlich" ausgerichtete offizielle Bundesleitung um Knauf vorzugehen. Knauf ließ am 23. September 1922 in einem Überrumpelungsstreich den Konkurs der Organisation anmelden und gründete am selben Tag gemeinsam mit dem aus Darmstadt zugezogenen Zollbau-Architekten Rudolf Schäfer (geb. 1885) den Bund Treu-Oberland (später Blücherbund). Die Kreisstelle München widersetzte sich jedoch dem Vorgehen Knaufs. Eine Generalversammlung lehnte die Neugründung ab und schloss Knauf von der Oberland-Mitgliedschaft aus. Per Gerichtsbeschluss wurde auch der Konkursantrag für den Bund rückgängig gemacht. Zum neuen Vereinsvorsitzenden wurde der aus Frankfurt am Main stammende Veterinärarzt Dr. Friedrich Weber (1892-1955) gewählt.
Beitritt zur Arbeitsgemeinschaft vaterländischer Kampfverbände
Weber geriet nun, auch auf Grund seiner privaten Beziehungen zu dem völkischen Verleger Friedrich Julius Lehmann (1864-1935), zunehmend in den Bannkreis Hitlers. Zugleich hatte der Sieg der soldatisch-antibürgerlichen Richtung innerhalb der Organisation zu einer erneuten "nationalrevolutionären" Radikalisierung geführt. So trat der Bund Anfang Februar 1923 folgerichtig der Arbeitsgemeinschaft vaterländischer Kampfverbände Röhms bei, die sich explizit als oppositionelle Abspaltung von der regierungsnahen "weiß-blauen" Mehrheitsströmung der vaterländischen Bewegung verstand.
Der Bund Oberland am 1. Mai 1923
Bereits am 1. Mai 1923 spielte Oberland in diesem Rahmen eine zwielichtige Rolle. Angesichts der durch die Maidemonstration der SPD auf der Theresienwiese und den nationalsozialistischen Aufmarsch auf dem Oberwiesenfeld in München entstandenen angespannten Lage hatte der Bund Oberland Stellung am Maximilianeum bezogen und den ganzen Tag über gehalten. Die Bundesleitung begründete dies mit der Funktion des Bundes als Teil der offiziellen Notpolizei. In der Öffentlichkeit herrschte jedoch mehrheitlich die Ansicht, dass Oberlands Loyalitäten zur Arbeitsgemeinschaft und zu den Nationalsozialisten stärker zu veranschlagen seien als jene zur bayerischen Regierung und ihrer Polizei.
Beitritt zum Deutschen Kampfbund
Auf dieser Linie lag dann auch der engere Zusammenschluss des Bundes mit der SA Hitlers und der "Reichskriegsflagge" Ernst Röhms zu dem am 1./2. September 1923 in Nürnberg gegründeten Deutschen Kampfbund. Der Kampfbund übertrug bereits am 25. September die alleinige politische Führung dem NSDAP-Vorsitzenden Hitler. Trotz dieser Radikalisierung versuchte der neu ernannte Generalstaatskommissar Gustav von Kahr (BVP, 1862-1934) für seine Pläne einer nationalen Diktatur in Bayern wie im Reich auch die Mitglieder des Kampfbundes zu gewinnen. Als Kahr dann jedoch auf Grund mangelnder Unterstützung aus Norddeutschland Ende Oktober zögerlicher wurde, entschloss sich Hitler, ihn mit Gewalt zur Durchführung eines Putsches zu nötigen. Die Oberland-Führung sagte ihm ihre Unterstützung zu.
Beteiligung am Hitlerputsch
Verabredungsgemäß marschierten daher Kontingente der Oberländer am Abend des 8. November am Bürgerbräukeller und in der Münchner Innenstadt auf. Mitglieder des Bundes unter Ludwig Oestreicher (geb. 1886) nahmen im Laufe des Putsches jüdische Geiseln. Sie ließen jedoch eine zielstrebige Führung weitgehend vermissen. Der Putsch scheiterte dann auch am Dilettantismus seiner Führer. Bis zum Abend des 9. November waren die Oberländer - wie die übrigen Putschisten - weitgehend unblutig entwaffnet.
Weber hatte sich dabei in der unmittelbaren Umgebung Hitlers aufgehalten und an dessen "Marsch zur Feldherrnhalle" beteiligt. Nach dem Schusswechsel dort wurde er von der Bayerischen Landespolizei verhaftet und erlitt einen Nervenzusammenbruch.
Vom Verbot 1923 zur Neugründung 1925
Noch in der Nacht zum 9. November 1923 hatte Kahr die am Putschversuch beteiligten Bünde und Organisationen, ausdrücklich auch Oberland, für aufgelöst erklärt. Bundesführer Weber wurde ebenso wie Hitler im Mai 1924 des Hochverrats für schuldig befunden und zu fünf Jahren Festungshaft verurteilt. Er wurde zur Abbüßung seiner Strafe gemeinsam mit den anderen Putschisten nach Landsberg gebracht.
Erneut stand jedoch eine Auffangorganisation bereit, um die "Oberland-Arbeit" fortzuführen: der am 20. Juli 1923 - offiziell als Dachorganisation der völkischen Sport- und Wanderbewegung - gegründete Deutsche Schützen- und Wanderbund. In seinem Rahmen wurden auch fortan Wehrübungen durchgeführt, nunmehr getarnt als "Wanderungen". Bereits Anfang 1925 wandelte sich die Situation erneut. Nach der vorzeitigen Entlassung Webers aus der Haft im Rahmen einer allgemeinen Amnestie wurde am 14. Februar 1925 auch das Verbot des Bundes Oberland aufgehoben. Am 13. März fand in München die offizielle Oberland-Neugründung statt.
Annäherung an die "Widerstandsbewegung" Ernst Niekischs seit 1926
Allerdings traten nun wieder die grundsätzlichen Widersprüche zwischen der "bürgerlichen" und der "nationalrevolutionären" Richtung innerhalb des Bundes deutlicher hervor - dies umso mehr, als auf Grund der allmählichen Beruhigung der allgemeinen politischen Situation auch Oberland kontinuierlich an Einfluss und Mitgliedern verlor.
Vor allem die Nürnberger Ortsgruppe des Bundes um den Journalisten Dr. Joseph Drexel (1896-1976) nahm seit 1926 - unter Anknüpfung an die früheren nationalkommunistischen Regungen - Kontakt mit dem ehemaligen Sozialdemokraten, begeisterten Revolutionsführer und prominenten Nationalbolschewisten Ernst Niekisch (1889-1967) und seinem "Widerstandskreis" auf. Niekisch propagierte die Loslösung Deutschlands aus dem Kreis der kapitalistischen Westmächte und die politische, kulturelle und wirtschaftliche Hinwendung zur Sowjetunion. In ihr sah er die einzige Möglichkeit, das Versailler System zu sprengen. Anders als die Kommunisten trat er jedoch für Klassenversöhnung und Re-Agrarisierung als Mittel zu einer nationalen Selbstfindung des deutschen Volkes ein.
Nicht zuletzt um der Verbreitung dieser Ideen im Bunde gegenzusteuern, stellte die Führung um Weber schließlich auf der Jahresversammlung im Dezember 1929 den Antrag, den finanziell und mitgliedermäßig stark geschwächten Bund geschlossen in die NSDAP zu überführen. Dies wurde abgelehnt, was Weber zum Anlass nahm, sich von der Bundesleitung zurückzuziehen. Neuer Vorsitzender wurde General a.D. Adolf Aechter (1864-1934). Bereits ein Jahr später jedoch verhinderten die südbayerischen und österreichischen Gruppen des Bundes dessen Wiederwahl und verhalfen mit knapper Mehrheit dem österreichischen Heimwehrführer Rüdiger Fürst zu Starhemberg (1899-1956) zum Vorsitz. Daraufhin trat die große Mehrheit der reichsdeutschen Gruppen aus dem Bund aus.
Ein Teil derselben wiederum beschloss im Januar 1931 in Nürnberg unter der Führung des Regierungsrates Karl Tröger (gest. 1945), eine neue Organisation aufzubauen, die Oberlandkameradschaften. Diese nur noch ca. 500 Mann umfassenden Formationen gerieten nun endgültig in das nationalbolschewistische Fahrwasser Niekischs. Sie bildeten seit Oktober 1932 als so genannte "Widerstandskameradschaften" die Basis für dessen Bewegung, die - trotz ihrer heftigen Kritik an Hitlers "bürgerlicher" Orientierung - von den NS-Machthabern erst im Sommer 1934 verboten wurde. In der Folgezeit fanden ehemalige Oberland-Mitglieder sowohl den Weg in die NSDAP wie auch in den Widerstand gegen das Hitler-Regime, teilweise auch zur KPD und später zur SED.
Kameradschaft Freikorps und Bund Oberland
Eine Kernmannschaft ehemaliger Freikorpskämpfer sammelte sich nach 1945 erneut um Ernst Horadam und begründete 1951 die "Kameradschaft Freikorps und Bund Oberland". Diese Organisation spielt bis in die Gegenwart hinein eine prominente Rolle im rechtsextremen Spektrum der Bundesrepublik Deutschland und erregt insbesondere durch ihre alljährlich abgehaltenen "Annaberg-Gedenkfeiern" am Ort des 1945 von den Amerikanern zerstörten "Oberland"-Denkmals bei Schliersee bundesweit Aufsehen.
Literatur
- Hans Fenske, Konservativismus und Rechtsradikalismus in Bayern nach 1918, Bad Homburg u. a. 1969.
- Kameradschaft Freikorps und Bund Oberland (Hg.)/Peter Schuster (Bearb.), Für das stolze Edelweiß. Bildband zur Geschichte des Freikorps' und Bundes Oberland, München 1996. (Publikation der heute noch fortbestehenden rechtsradikalen Kameradschaft Freikorps und Bund Oberland).
- Hans Jürgen Kuron, Freikorps und Bund Oberland, Diss. Univ. Erlangen 1960.
- Armin Mohler, Die Konservative Revolution in Deutschland 1918-1932. Ein Handbuch, Darmstadt 4. Auflage (Haupt- und Ergänzungsband in einem Band) 1994.
- Horst G. W. Nußer, Konservative Wehrverbände in Bayern, Preußen und Österreich 1918-1933. Mit einer Biographie von Forstrat Georg Escherich 1870-1941. 2 Bände, München 1973.
- Michael Pittwald, Ernst Niekisch. Völkischer Sozialismus, nationale Revolution, deutsches Endimperium, Köln 2002.
- Oliver Schröm/Andrea Röpke, Stille Hilfe für braune Kameraden. Das geheime Netzwerk der Alt- und Neonazis. Ein Inside-Report, Berlin ²2002.
Quellen
- Ernst Deuerlein (Hg.), Der Hitlerputsch. Bayerische Dokumente zum 9. November 1923, Stuttgart 1962.
Weiterführende Recherche
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Empfohlene Zitierweise
Christoph Hübner, Bund Oberland, 1921-1923/1925-1930, publiziert am 04.07.2006; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Bund_Oberland,_1921-1923/1925-1930> (15.10.2024)