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Bismarckdenkmäler

Aus Historisches Lexikon Bayerns

Das Bismarck-Denkmal in München von Fritz Behn (1878-1970) am ursprünglichen Standort vor dem Deutschen Museum. (Bayerische Staatsbibliothek, Fotoarchiv Hoffmann)

von Jakob Hort

Vor dem Hintergrund des Bismarck-Kultes entstanden im Deutschen Reich rund 500 Bismarck-Denkmäler in Form von Türmen, Standbildern, Büsten und Säulen zum Gedenken an den ehemaligen Reichskanzler Otto von Bismarck (1815-1898). War die Bismarck-Begeisterung in Bayern vor der Jahrhundertwende eher verhalten, nahm sie bis zum Ende der Weimarer Republik stark zu und spiegelt so auch den Wandel bayerischen Reichsbewusstseins und Selbstverständnisses wider. Insgesamt entstanden in Bayern von 1877 bis 1934 38 Bismarck-Denkmäler, in weiteren sieben tritt er als Teil eines Denkmalensembles in Erscheinung.

Die Wurzeln des Bismarckkults und der Wandel des Bismarckbildes bis 1945

Kern der Bismarckverehrung war der Gedanke der Deutschen Einheit. Der Name des Reichskanzlers Otto von Bismarck (1815-1898) wurde zunächst mit dem Begriff des "Reichsgründers" verknüpft und schließlich zu einem Symbol für das Reich selbst. Zwei Zäsuren waren für den Denkmalsbau kennzeichnend: zum einen seine Entlassung 1890, mit der seine historische Rolle bei der Reichsgründung gegenüber den Jahren seines innenpolitischen Konfrontationskurses wieder in den Vordergrund trat, zum anderen sein Tod 1898, mit dem Bismarck weiter von seiner historischen Gestalt gelöst und zum mythischen Übervater der Nation stilisiert werden konnte. Durch den offenen Bruch mit seinen Nachfolgern und Wilhelm II. (1859-1941, reg. 1888-1918) an die Spitze anti-wilhelminischer Strömungen gerückt, wurde Bismarck schließlich zur zentralen Identifikations- und Integrationsfigur des gesamten konservativen bis völkisch-nationalen Lagers. Ungebrochen zugkräftig blieb der Bismarckkult in der Weimarer Republik. Zum einen wurde dabei, mit abnehmender Tendenz, die gemäßigte Form des Bismarckgedenkens in der Tradition der letzten Jahre des Kaiserreichs fortgesetzt. Zum anderen wurden Bismarckfeiern zunehmend von der antidemokratischen Rechten instrumentalisiert, die damit große Teile des Bürgertums im Kampf gegen die Republik mobilisieren konnte. In ähnlicher Weise diente Bismarck zuletzt zu Beginn des "Dritten Reiches" noch einmal zur propagandistischen Legitimation des neuen Regimes, bevor ihn schließlich der Führerkult weitgehend aus dem öffentlichen Gedächtnis verdrängte.

Bismarck in Bayern

Zentren der Bismarckverehrung in Bayern waren die protestantischen fränkischen Landesteile und die größeren Städte, während die Abneigung in den altbayerisch-katholischen Gebieten lange Zeit erhalten blieb. Dies spiegelt sich in der regionalen Verteilung der 30 größeren Bismarckdenkmäler wider: Während in den fränkischen Gebieten rund die Hälfte und in der Bayerischen Pfalz ein Viertel der Denkmäler errichtet wurden, weitere vier in gemischtkonfessionellen Orten Schwabens, findet sich in der Oberpfalz und in Oberbayern - außer dreien im Raum München – nur ein, in Niederbayern gar kein Bismarckdenkmal. Das katholische Bürgertum fand nach den Erfahrungen des Kulturkampfs zum Großteil erst spät zu Bismarck, als die Hochkonjunktur der Denkmalserrichtungen bereits vorüber war. In der Arbeiterschaft hingegen konnte der Bismarckkult, nicht zuletzt wegen der Sozialistengesetze, zu keiner Zeit Fuß fassen.

Initiatoren und Träger der Denkmalsprojekte waren das städtische Bildungs- und Besitzbürgertum, organisatorische Basis die nationalliberalen Vereine und protestantische Burschenschaften. Ihre öffentliche Verehrung Bismarcks war ein Bekenntnis zum Nationalstaat, das sich mit der Bewahrung einer bayerischen Eigenidentität vereinbaren ließ. Anders als der ebenso monarchisch ausgerichtete Hohenzollernkult trat die Bismarckverehrung nicht in Konkurrenz zum dynastischen Kult der Wittelsbacher, ermöglichte vielmehr durch ihre antikaiserliche Tendenz, zugleich national und anti-wilhelminisch aufzutreten.

Plattform des Bismarckkults waren die Denkmäler und die dort regelmäßig abgehaltenen Feiern zu Bismarcks Geburtstag am 1. April sowie die vor allem in München mit großem Aufwand inszenierten Bismarckfeiern zu seinen runden Geburtstagen 1885 und 1895 sowie anlässlich seines Todes 1898. Mehr noch als Sedanfeiern oder Kaisergeburtstage prägten sie das bürgerliche Reichsbewusstsein in Bayern und förderten maßgeblich den Integrationsprozess in das kleindeutsche Kaiserreich. Angesichts der zentralistischen Weimarer Reichsverfassung wandelte sich seit 1919 die Interpretation Bismarcks, der nun zunehmend als Freund und Bewahrer bayerischer Eigenständigkeit rezipiert wurde.

Bismarckdenkmäler - die vier Typen und ihre Deutung

Der Wandel des Bismarckbildes korrespondierte mit ikonographischen Veränderungen der Bismarckdenkmäler. Hier lassen sich vier idealtypische Formen unterscheiden, die alle auch in Bayern zu finden sind:

  • Bismarck als Bestandteil eines National-, Sieges- oder Kriegerdenkmals, dargestellt im Relief oder Medaillon (Friedensengel München, Edenkoben, Erlangen, Nördlingen) oder als Büste (Walhalla).
  • Bismarck allein auf einem Sockel, als klassisches Standbild oder Büste, oder als Bismarck-Brunnen mit Figur (München-Pasing, Bad Reichenhall). Beide Typen, um möglichst realistische Darstellung bemüht, galten dem Staatsmann und Politiker Bismarck als Reichsgründer und wurden zum Teil schon zu Lebzeiten errichtet. So ehrte Bad Kissingen bereits 1877 als erste Stadt überhaupt ihren prominenten Kurgast mit einem Standbild im öffentlichen Raum.
  • Bismarck als mythische Heldengestalt, als wachsamer Hüter des Reiches (Rolandsfigur in München nach dem Vorbild des Hamburger Bismarckdenkmals).
  • Das rein architektonische Bismarckmonument, in der Regel als Turm, gesteigert in der archaisch-monumentalen Bismarcksäule mit Feuerschale.

Der Bismarckturm am Starnberger See

Bismarckturm am Starnberger See um 1900 (aus: Der Bismarckturm am Starnberger See, München 1900, 32)

Prototyp dieser neuen Denkmalsgeneration war der Bismarckturm in Assenhausen am Starnberger See, der 1899 fertiggestellt wurde. Das monumentale Denkmal, das Münchner Bismarckanhänger um Franz von Lenbach (1836-1904) als Reaktion auf Bismarcks Entlassung seit 1890 vorantrieben, zeichnete sich durch den Verzicht auf eine bildliche Darstellung Bismarcks aus und wurde, als Wallfahrtsort konzipiert, in der freien Natur errichtet. Als Denkmal der staatenbündisch verfassten Nation, das die Gleichheit aller Stämme und ihre brüderliche Verbundenheit in Reliefs zum Ausdruck brachte, war es eine bewusste Absage an die borussische Reichsgründungsideologie und den wilhelminischen Stil.

Die "Bismarcksäulen" - Denkmalsbewegung

Nach Bismarcks Tod 1898 bildete sich eine Denkmalsbewegung, die zur massenhaften Errichtung von Bismarcktürmen und –säulen im ganzen Reich führte. Sie ging zurück auf einen Aufruf der deutschen Studentenschaft, die den Bau von "Bismarcksäulen" zum Programm erhob und ihn ideologisch fundierte: Das Konzept des Starnberger Bismarckturmes - ein abstraktes, als Symbol gedachtes Denkmal als Pilgerziel in freier Natur - wurde radikalisiert und bereichert durch die Idee der massenhaften Verbreitung und der regelmäßigen kultischen Feiern mit Entzündung von Feuerschalen an der Spitze der Denkmäler. In einem Wettbewerb wurde der Entwurf "Götterdämmerung" von Wilhelm Kreis (1873-1955), der in urtümlichen, vermeintlich germanischen Formen gehalten war, zur Ausführung bestimmt. Katholische Burschenschaften beteiligten sich zunächst nicht an der Bewegung, insbesondere da sie das Konzept der reichsweiten Entzündung der Denkmäler zur Sonnwende als heidnischen Brauch zurückwiesen. Obwohl Bismarcksäulen von 1899 bis 1911 in Bayern dementsprechend nur in überwiegend protestantischen Orten (Landstuhl, Augsburg, Ansbach, Würzburg, Fürth, Weißenburg i. Bay. und – zu dieser Zeit nicht bayerisch - Coburg) errichtet wurden, ist dieser Typus zusammen mit den Bismarcktürmen auch in Bayern insgesamt am zahlreichsten vertreten.

Orte bayerischer Bismarckdenkmäler (mit Erbauungszeit)

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Bismarckdenkmäler in Bayern
Ort Erbauungszeit Typ
Bad Kissingen 1877 Standbild
Neustadt a.d. Weinstraße-Königsbach 1894 Bismarckstein
Kaiserslautern 1895 Standbild
Bad Reichenhall 1896 Brunnen m. Büste
Zweibrücken 1896 Standbild
Starnberger See 1896-1899 Bismarckturm
Augsburg 1897 Büste
Edenkoben 1898 Bismarckstein
Lappersdorf 1899 Bismarckturm
Landstuhl 1899-1900 Bismarcksäule
Neustadt a.d. Weinstraße-Haardt um 1900 Standbild (nicht mehr vorhanden)
Neustadt a.d. Weinstraße-Haardt um 1900 Bismarckstein
Coburg 1900-1901 Bismarcksäule (erst 1920 bayerisch)
Augsburg 1901-1905 Bismarcksäule
Gunzenhausen 1901 Obelisk
Ansbach 1903 Bismarcksäule
Bad Dürkheim/ Kallstadt 1903 Bismarckturm
Neustadt a. d. Weinstraße 1904 Standbild
Warmensteinach 1905 Bismarckturm
Würzburg 1905 Bismarcksäule
Fürth 1908 Bismarcksäule
Wildbad-Kreuth/ Glashütte 1908 Büste
Memmingen 1908 Bismarckturm
Landau 1910 Bismarckturm
Lauf 1910-1911 Bismarckturm
Weißenburg 1910-1911 Bismarcksäule
Königsberg i. Franken 1911 Bismarckstein (erst 1920 bayerisch)
Pirmasens 1912 Monument m. Brunnen
Nürnberg 1913-1914 Reiterstandbild
München-Pasing 1914 Brunnen m. Standbild
Hof 1914-1921 Bismarckturm
Bad Kissingen 1914-1928 Bismarckturm
Rothenburg o.d.T. 1925 Bismarckstein
München 1931-1934 Rolandsfigur
Lindau 1931 Monument


Weitere Denkmäler mit Bismarckdarstellung als Assistenzfigur oder nachträglich nach Bismarck benannt
Ort Erbauungszeit Typ
Kirchheimbolanden 1874 hölzerner Pavillion
Dannenfels 1880-1883 Moltkebogen mit Bismarckfigur
Bad Bergzabern 1895 hölzerner Aussichtsturm
München (Friedensengel) 1896-1899 Siegesdenkmal m. Medaillon
Erlangen 1897 Medaillon
Edenkoben 1899 Siegesdenkmal m. Medaillon
Nördlingen 1902 Relief am Kriegerdenkmal
Walhalla 1908 Nationaldenkmal m. Büste
Kirchheimbolanden unbekannt Kaisertempel m. Büste
Lichtenfels 1933 Turm (umbenannt)

Literatur

  • Hans-Walther Hedinger, Bismarck-Denkmäler und Bismarck-Verehrung, in: Ekkehard Mai/Stephan Waetzoldt (Hg.), Kunstverwaltung, Bau- und Denkmalpolitik im Kaiserreich (Kunst, Kultur und Politik im Deutschen Kaiserreich 1), Berlin 1981, 277-314.
  • Jakob Hort, Bismarck in München. Formen und Funktionen der Bismarckrezeption (1885-1934), Frankfurt 2004.
  • Hans-Michael Körner, Bismarck-Denkmäler in Bayern, in: Ders./Katharina Weigand, Denkmäler in Bayern (Hefte zur Bayerischen Geschichte und Kultur 19), Augsburg 1997, 20-24.
  • Kai Krauskopf, Bismarckdenkmäler. Ein bizarrer Aufbruch in die Moderne, Ebenhausen bei München 2002.
  • Michael MacGuire, Bismarck in Walhalla. The cult of Bismarck and the politics of national identity in Imperial Germany 1890-1915, Ann Arbor 1993.
  • Thomas Nipperdey, Nationalidee und Nationaldenkmal in Deutschland im 19. Jahrhundert, in: Historische Zeitschrift 206 (1968), 529-585.
  • Sieglinde Seele, Lexikon der Bismarck-Denkmäler. Türme, Standbilder, Büsten, Gedenksteine und andere Ehrungen, Petersberg 2005.
  • Katharina Weigand, 1. Juli 1899: Die Enthüllung des Bismarck-Denkmals am Starnberger See, in: Alois Schmid/Katharina Weigand (Hg.), Bayern nach Jahr und Tag. 24 Tage aus der bayerischen Geschichte, München 2007, 350-367.

Weiterführende Recherche

Externe Links

Bismarckdenkmal, Bismarckturm, Bismarcksäule, Bismarckbüste, Bismarck-Begeisterung

Empfohlene Zitierweise

Jakob Hort, Bismarckdenkmäler, publiziert am 17.07.2006; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Bismarckdenkmäler> (28.03.2024)