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Reichsritterschaft

Aus Historisches Lexikon Bayerns

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Im Zentrum des Kupferstichs steht ein Wappenschild, das den Hl. Georg, den Patron der Ritter zeigt. Gehalten wird der Schild von einem "wilden Mann" mit ritterlichen Insignien (Schwert, Lanze, Helm, Schild) und einem gepanzerten Pferd. Die beiden Fahnen zeigen erneut den Hl. Georg sowie den Reichsadler, der auch darüber als Wappen erscheint - Ausdruck der Verbindung zwischen den Reichsrittern und dem Reich. Die rechte Spalte zeigt die Wappen der Kantone des Ritterkreises Franken, die linke die des schwäbischen Ritterkreises. Unter dem zentralen Wappenfeld finden sich die Kantone des rheinischen Ritterkreises. (Frontispiz aus Burgermeister, Codex diplomaticus equestris. 2. Band, 1. Teil)

von Kurt Andermann

In der Reichsritterschaft schloss sich im 16. Jahrhundert der Niederadel Frankens, Schwabens und des Rheinlandes zusammen. Vorläufer waren zahlreiche regionale Rittereinungen und -gesellschaften des Spätmittelalters. Die Reichsritter besaßen zwar die Reichsunmittelbarkeit, waren aber nicht im Reichstag und in den Reichskreisen vertreten. Sie organisierten sich in Kantonen, die sich in drei Ritterkreise - Franken, Schwaben, Rheinland - zusammenfanden. Teile der Reichsritterschaft schlossen sich der Reformation an. Bereits in den 1790er Jahren mediatisierte Preußen Teile der fränkischen Reichsritterschaft. Endgültig ging die Reichsritterschaft 1806 unter.

Umfang und Gliederung

Die Kreise und Kantone der Reichsritterschaft. (Veränderte Abbildung auf Grundlage von: Kurt Andermann, In Angelegenheiten der Ritterschaft. Das Leben des Reichsritters Philipp von Gemmingen-Guttenberg [1702-1785] im Spiegel seiner Guttenberger Chronik, Obrigheim 1986, 18-19)
Frontispiz, der die Verbindung von Reichsritterschaft - repräsentiert durch die Wappen der Kantone - und dem Reich - symbolisiert durch den Reichsadler - darstellt. Um seinen Hals trägt der Adler die Kette des Ordens vom Goldenen Vlies, der ebenfalls die Verbindung zum habsburgischen Reichsoberhaupt symbolisiert. Das über dem Adler und der Reichskrone schwebende Auge Gottes bindet Reich und Ritterschaft in eine übernatürliche Ordnung ein. Unter dem Adler ist ein Turnier dargestellt, was im 18. Jahrhundert als romantisierender Rückbezug auf das Mittelalter zu sehen ist. (Frontispiz aus Hattstein, Die Hoheit des teutschen Reichsadels. 2. Band)

Die freie Reichsritterschaft war ein Phänomen der frühneuzeitlichen Reichsverfassung in den einst königsnahen Landschaften im Westen und in der Mitte Oberdeutschlands. Auf dem Reichstag war die Ritterschaft nicht vertreten, und auch an der Organisation der Reichskreise hatte sie keinen Anteil. In Anlehnung an die Reichskreise gliederte sie sich in die seit 1577 im "Corpus liberae et immediatae imperii nobilitatis" locker zusammengeschlossenen Ritterkreise Schwaben, Franken und am Rhein.

Zum schwäbischen Ritterkreis gehörten die fünf Orte bzw. Kantone

  1. Donau (Kanzlei zunächst in Ulm, später in Ehingen)
  2. Hegau-Allgäu-Bodensee mit den Bezirken Hegau und Bodensee (Radolfzell) sowie Allgäu (Wangen)
  3. Neckar-Schwarzwald (Tübingen) mit dem assoziierten Ort Ortenau (Offenburg)
  4. Kocher (Esslingen)
  5. Kraichgau (Wimpfen, seit 1620 Heilbronn)

Der fränkische Ritterkreis bestand aus den sechs Kantonen

  1. Odenwald (Heilbronn, dann Adelsheim, seit 1764 Kochendorf)
  2. Gebirg (Bamberg)
  3. Rhön-Werra (Schweinfurt) mit je einem saalischen, mainischen, hennebergischen und buchischen Quartier
  4. Steigerwald (Erlangen)
  5. Altmühl (seit 1703 Wilhermsdorf)
  6. Baunach (Rügheim, seit 1778 Nürnberg)

Im rheinischen Ritterkreis waren die drei Kantone Oberrhein (Mainz), Mittelrhein (Friedberg) und Niederrhein (Koblenz) verbunden.

Sonderrollen spielten an den Rändern die Ritterschaft im Unterelsass und die vogtländische Ritterschaft in Oberfranken. Erstere war lange Zeit abseits gestanden und versuchte erst nach dem Westfälischen Frieden, unter dem Eindruck der Annexion des Elsass durch Frankreich, sich dem rheinischen Ritterkreis anzuschließen. Die vogtländische Ritterschaft stand zwar in Verbindung mit der fränkischen Ritterschaft, musste sich aber korporativ verfasst schon zu Beginn des 17. Jahrhunderts der Landeshoheit des Markgrafen von Brandenburg-Kulmbach unterwerfen.

Anderen Teilen der fränkischen Ritterschaft gelang es im 16. Jahrhundert, aus den Landtagen der Hochstifte Würzburg und Bamberg auszuscheiden und sich so der bischöflichen Besteuerung und Landesherrschaft zu entziehen.

Entstehung und Entwicklung

Anders als in der älteren Literatur mitunter zu lesen, war die Reichsritterschaft als Korporation keineswegs nur ein Zusammenschluss von Familien der einstigen Reichsministerialität, sondern eine Gründung gegen den Verdichtungs- und Durchdringungsprozess im Zuge der Herausbildung frühmoderner Staatlichkeit. In ihr fand sich der Ritteradel sowohl reichs- wie kirchen-, fürsten- und sonstigen adelsministerialischen als auch edelfreien Ursprungs zusammen, soweit es ihm gelungen war, sich und seinen Besitz der Superiorität benachbarter Territorien zu entziehen und die Eigenständigkeit seiner Herrschaft zu behaupten.

Gleichwohl gab es vielfältige Vorformen der Reichsritterschaft, die ins späte Mittelalter zurückreichen, so etwa die Burgmannschaft der Reichsburg Friedberg in der Wetterau (später mittelrheinische Reichsritterschaft), die Ganerbschaft der Burg Drachenfels im Wasgau (oberrheinische Reichsritterschaft), die Rittergesellschaft "mit dem Esel" (Kraichgauer und Odenwälder Reichsritterschaft) oder die Gesellschaft "mit St. Jörgenschild" in Schwaben (Hegauer Reichsritterschaft), die ab 1488 im Schwäbischen Bund aufging. Überhaupt dürfen die zahlreichen Rittereinungen und -gesellschaften des 14. und 15. Jahrhunderts schon in Anbetracht der Kontinuität der beteiligten Geschlechter großteils als Vorläufer der späteren Reichsritterschaft gelten. Darüber hinaus hatte die Zugehörigkeit zu den Lehnhöfen größerer Fürsten einen prägenden Einfluss.

Nach wiederholten Verboten, so vor allem 1356 in der Goldenen Bulle und nochmals 1396 durch König Wenzel (reg. im Reich 1376-1400), erteilte König Sigmund (reg. 1411-1437) 1422 dem ritterschaftlichen Adel des gesamten Reiches das Privileg, sich korporativ zusammenschließen zu dürfen. Die bereits im 14. Jahrhundert feststellbare und im 15. Jahrhundert verbreitete Beteiligung von Grafen und Herren an den Gesellschaften des Ritteradels nahm dann in dem Maße ab, in dem die hochadligen Dynasten sich in eigenen Korporationen formierten und schließlich als Reichsstände etablierten. Die Autonomie des Niederadels hingegen wurde nicht zuletzt durch die zunehmende Kriminalisierung der bewaffneten Selbsthilfe (Fehde), vor allem aber durch die Reichslandfriedensgesetzgebung und ihre konsequente Umsetzung seit 1495 immer mehr infrage gestellt.

Schließlich begünstigte die reichspolitische Konstellation im zweiten Viertel des 16. Jahrhunderts die Annäherung zwischen dem Kaiser und den Rittern, denen es bisher gelungen war, sich ihrer Einbindung in die Reichs- und Kreistage und damit ihrer Veranlagung zu den Reichssteuern zu entziehen. Nachdem die Türken Ofen (Buda, heute Teil von Budapest) eingenommen hatten, konnte der Ritteradel König Ferdinands (reg. als römisch-deutscher König 1531-1564, als Kaiser ab 1558) Drängen auf eine Beteiligung an einem "Gemeinen Pfennig" 1542 und 1544 nicht länger widerstehen. Der Schmalkaldische Krieg 1546/47, die Fürstenrevolte 1552, neuerliche Steuerforderungen sowie die Politik von Reichskreisen und Fürsten taten hernach ein übriges, den ad hoc entstandenen Zusammenschluss der Ritter zu perpetuieren. So erwuchsen aus der zur Erhebung von Türkensteuern geschaffenen, zunächst noch ganz bescheidenen Organisation (Kommissare, Ausschüsse, Einnehmer) die korporativen und administrativen Strukturen der unmittelbaren freien Reichsritterschaft, die zwar auch flächenstaatliche Elemente aufwiesen, bis zum Schluss aber vor allem personenverbandlich geprägt blieben.

Die Glaubensspaltung konnte der defensiv konzipierten Organisation des reichsunmittelbaren Adels keinen erkennbaren Schaden zufügen. Die schwäbischen Ritterkantone Donau und Hegau-Allgäu-Bodensee blieben von Anfang an nahezu geschlossen bei der alten Kirche. Die Kantone Neckar-Schwarzwald, Kocher, Unterelsass, Ober- und Mittelrhein sowie die sechs fränkischen Orte waren konfessionell gemischt. Ganz evangelisch war um die Mitte des 16. Jahrhunderts nur der Kanton Kraichgau. Nach dem Dreißigjährigen Krieg konvertierten mit Rücksicht auf die Erfordernisse des Pfründenerwerbs in der Reichskirche zahlreiche davor evangelische Geschlechter zum katholischen Bekenntnis.

In der Reichsverfassungsordnung nach dem Westfälischen Frieden von 1648 hatte die Reichsritterschaft ihren festen Platz und überstand so noch anderthalb Jahrhunderte lang allerlei Anfechtungen. Sie konnte jedoch in dem Modernisierungsprozess, wie er sich in den großen Fürstenstaaten vollzog, umso weniger mithalten, als ihre administrative Durchdringung im Einzelnen wie im Ganzen gering blieb. Zwei große Reformversuche in den Jahren 1771/72 und 1790 scheiterten.

Nachdem Preußen als Landesherr von Brandenburg-Ansbach bereits in den 1790er Jahren Maßnahmen gegen die Reichsritterschaft ergriffen hatte, die Gebiete links des Rheins um die gleiche Zeit infolge der Französischen Revolution weggebrochen waren und einige Fürsten nach dem Frieden von Lunéville (1802) eigenmächtige, jedoch erfolglose "Ritterstürme" inszeniert hatten, ging 1805/06 mit dem Alten Reich im Zuge der allgemeinen Mediatisierung auch die Reichsritterschaft unter. Ihre Restitution auf dem Wiener Kongress kam nicht zustande. Die einstigen Reichsritter und ihr zuvor reichsunmittelbarer Besitz wurden in die neuen Staaten eingegliedert und mussten sich diesen unterwerfen; besonders rigide verfuhr dabei anfangs Württemberg. Vereinzelte Widerständigkeit war freilich nur von kurzer Dauer; zwangsläufig arrangierte man sich mit den neuen Verhältnissen und setzte unter gewandelten Verhältnissen die bewährte Tradition des Hof- und Staatsdiensts fort.

Organisation

Am ältesten und intensivsten war die Organisation der Reichsritterschaft auf der Ebene der einzelnen Orte, die schließlich nach Schweizer Vorbild als Kantone bezeichnet wurden. Beschlüsse fasste man dort ursprünglich auf Plenarkonventen, jedoch gewannen mit zunehmender Konsolidierung der Strukturen die autorisierten Exekutivorgane der Kantone (Ausschüsse, Direktorium) eine immer größere Bedeutung. Im Plenum wurden dann vor allem noch die Amtsträger (Hauptmann bzw. Direktor, Truhenmeister etc.) gewählt und wichtige Entscheidungen diskutiert und beschlossen. Nicht zuletzt unter dem Eindruck von Krisen, die ein rasches Tätigwerden erforderten, delegierte man Routineangelegenheiten schon bald an Ausschüsse und Gremien von zumeist vier bis sechs Ritterräten. Ritterräte und Direktor oder Hauptmann bildeten gemeinsam das Direktorium. Zur Erledigung der täglichen Geschäfte gab es seit dem späteren 17. Jahrhundert in jedem Kanton eine Kanzlei mit Rittertruhe (Kasse), Registratur und Archiv. An der Spitze der Kanzlei stand gewöhnlich ein hauptamtlicher Syndikus oder Konsulent. Die eingenommenen Steuern und sonstigen Gelder verwaltete der Truhenmeister, bei dem es sich in der Regel um ein Mitglied des Direktoriums handelte. Die Kantone hatten das Recht der Exekution gegen Mitglieder, die bei der Steuerzahlung säumig waren; sie organisierten allfällige Vormundschaften und bildeten wo nötig kaiserliche Debitkommissionen zur Regelung von Schuldenwesen. Obrigkeitliche Funktionen nahmen sie nur sehr zurückhaltend wahr. Den Direktoren kam die Jurisdiktion über die Mitglieder zu, außerdem regulierten sie das Verhältnis zu den Untertanen und schlichteten Konflikte.

Auf der nächsthöheren Ebene der Ritterkreise vollzog sich der Zusammenschluss zuerst in Schwaben, wo man bereits 1560 eine gemeinschaftliche Ordnung vereinbarte. Dort konnte sich auch ein ständiges Direktorat des Kantons Donau herausbilden. Für die rheinische Ritterschaft, die eine Ritterordnung erst 1651 erhielt, kam der Reichsburg Friedberg (Wetteraukreis, Hessen) eine stabilisierende, zentralörtliche Funktion zu. Am geringsten blieb stets die Kohärenz in dem besonders ausgedehnten fränkischen Ritterkreis (Ritterordnung von 1591), der über keinen Mittelpunkt mit vergleichbarer Bindekraft verfügte.

Zu einem Generalkorrespondenztag versammelten sich die Reichsritter aller Ritterkantone und -kreise erstmals 1575 (Schwäbisch Gmünd). Zwei Jahre später beschlossen sie in Mergentheim die Einrichtung eines jährlich reihum wechselnden Generaldirektoriums für alle drei Kreise; jedoch galt dieses Prinzip nur bis 1596 und wurde aus praktischen Gründen wieder aufgegeben. Gleichwohl fanden zunächst noch zahlreiche weitere Generalkorrespondenztage in allen drei Ritterkreisen statt; das Generaldirektorium wurde für die Zeit zwischen den Zusammenkünften vom jeweils gastgebenden Ritterkanton wahrgenommen. Ab dem 17. Jahrhundert wurden die Generalkorrespondenztage immer seltener; den letzten gab es 1790 in Heilbronn. Eine eigene Bürokratie entwickelte das Generaldirektorium nicht. Es hatte weder eine eigene Kasse noch eine Weisungsbefugnis gegenüber Kreisen und Kantonen; seine Aufgaben bestanden vielmehr allein in der Ausschreibung von Generalkorrespondenztagen und in der Besorgung von Gesandtschaften im Namen der gesamten Ritterschaft an den Kaiser, an Reichsstände und an die höchsten Reichsgerichte sowie in der Kontrolle über den Vollzug der gemeinsam gefassten Beschlüsse.

Mitgliedschaft

Mitglieder in der freien Reichsritterschaft wurden anfangs die in der jeweiligen Region eingesessenen Adeligen, deren Standesgenossenschaft allgemein anerkannt war. Mit zunehmender Konsolidierung und wachsendem Prestige der Organisation drängten alsbald auch "neue" Familien hinein, sei es durch Heirat und Erbschaft, sei es durch den Erwerb von traditionell immatrikulierten Rittergütern. Freilich wurde bei weitem nicht jeder Interessent akzeptiert und rezipiert; vielmehr erwehrte man sich unerwünschter Genossen mittels intern vereinbarter und durchgesetzter Vorkaufsrechte, mittels eines beim Kaiser erwirkten Retraktrechts (Schwaben 1624) und schließlich mittels Ahnenproben, wie diese bei Dom- und Stiftskapiteln schon davor üblich waren.

In Einzelfällen ließ es sich gleichwohl nicht vermeiden, dass immatrikulierte Rittergüter in "fremde" Hände gelangten: Handelte es sich dabei um Fürsten oder sonstige Übergenossen, führte dies gewöhnlich zu langwierigen Konflikten bezüglich des Besteuerungsrechts. Nicht standesgemäßen Güterbesitzern musste man - was selten vorkam - zwar den wirtschaftlichen Ertrag ihres Besitzes zugestehen, verwehrte ihnen aber im Übrigen die volle Rezeption und Partizipation und war nach Möglichkeit um baldigen Auskauf bemüht.

Erlangten Angehörige der Reichsritterschaft im Gefolge einer Standeserhöhung die Reichsstandschaft, konnten diese in der Frühphase ihre Güter noch aus dem ritterschaftlichen Verband herauslösen (z. B. in Franken Schwarzenberg und Seinsheim). Später vermochte die Korporation den Verbleib der Güter in der Rittermatrikel und damit in der ritterschaftlichen Steuergemeinschaft durchzusetzen, was dazu führte, dass entsprechende Familien an den Grafenbänken der jeweiligen Reichskreise nicht als Realisten, sondern als sog. Personalisten partizipierten (z. B. in Schwaben Neipperg und Rechberg, in Franken Giech).

Der Mitgliederbestand war zu allen Zeiten einer starken Fluktuation unterworfen, weshalb einigermaßen präzise Zahlenangaben kaum möglich sind (vgl. Riedenauer).

Rittergüter, wirtschaftliche Situation, Karrieren

Reichsfreies "Rittergut" konnte grundsätzlich jeder Besitz sein, der nicht landesherrlicher Besteuerung unterworfen war. Dazu gehörten Burgen und Schlösser mit oder ohne zugehörige Herrschaftsrechte, Dörfer und kleine Städte in ritterschaftlichem Besitz mit vogteilichen, gerichtlichen und sonstigen Befugnissen, Liegenschaften und Nutzbarkeiten aller Art, Zehntrechte und vieles andere mehr. Ob es sich dabei um Allod (Eigengut) oder Lehen handelte, war ohne Belang.

Der Wert respektive die Erträge derartiger Güter konnten höchst unterschiedlich sein. Insofern ist es auch gänzlich unzutreffend, von einer verbreiteten Verarmung des ritterschaftlichen Adels auszugehen. Tatsächlich gab es in Kreisen der Reichsritterschaft zahlreiche Konkurse, aber daneben sind auch die Erfolgsgeschichten nicht zu vergessen. Der Erfolg oder Misserfolg einzelner Familien, der selbstverständlich stets Konjunkturen unterworfen war, hing von vielerlei unterschiedlichen Faktoren ab, von der jeweiligen generativen Situation, vom Teilungs- und Heiratsverhalten, von persönlicher Fähigkeit oder Unvermögen, aber auch davon, ob und in welchem Umfang es gelang, durch den Verkehr am Kaiserhof oder an fürstlichen Höfen sowie durch die Partizipation an den begehrten Pfründen und Karrierechancen der Reichskirche zusätzliche Ressourcen zu erschließen. Nicht zuletzt war das Zusammenwirken von Reichsritterschaft und adlig geprägter Reichskirche geeignet, voneinander zu profitieren und sich gegenseitig zu stabilisieren. Allerdings gab es wirtschaftlichen Erfolg mitnichten allein bei den katholischen Reichsrittern; auch und gerade im evangelischen Reichsadel gibt es eine ganze Reihe von Personen und Familien, die sich im größeren und kleineren Kreditgeschäft betätigten - nicht zuletzt Reichsstädte waren am Ende des Alten Reiches bei Reichsrittern verschuldet.

Zur Erforschung der Reichsritterschaft

Da die freie Reichsritterschaft unter die großen Curiosa in der Verfassung des Alten Reiches zu rechnen ist, fand sie in der Historiographie des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nur wenig Verständnis und Interesse. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg begann sich die historische und rechtshistorische Forschung stärker der Ritterschaft und ihrer Organisation zuzuwenden. Schließlich inspirierten die wegweisenden Untersuchungen von Volker Press (1939-1993) - dem nicht zuletzt die Einsicht zu verdanken ist, dass die ritterschaftliche Verfassung als solche aus dem Ringen um die Frage der Besteuerung des Adels erwachsen ist - zu einer ganzen Reihe einschlägiger Arbeiten, vor allem zur Geschichte einzelner Ritterkantone. Das Thema ist aber noch längst nicht erschöpfend behandelt.

Literatur

  • Kurt Andermann/Sönke Lorenz (Hg.), Zwischen Stagnation und Innovation. Landsässiger Adel und Reichsritterschaft im 17. und 18. Jahrhundert (Schriften zur südwestdeutschen Landeskunde 56), Ostfildern 2005.
  • William D. Godsey Jr., Nobles and Nation in Central Europe. Free Imperial Knights in the Age of Revolution, 1750 to 1850, Cambridge 2004.
  • Dieter Hellstern, Der Ritterkanton Neckar-Schwarzwald 1560 bis 1805. Untersuchungen über die Korporationsverfassung, die Funktionen des Ritterkantons und die Mitgliedsfamilien (Veröffentlichungen des Stadtarchivs Tübingen 5), Tübingen 1971.
  • Gustav Knetsch, Die landständische Verfassung und reichsritterschaftliche Bewegung im Kurstaat Trier, vornehmlich im 16. Jahrhundert (Historische Studien 75), Berlin 1909.
  • Gert Kollmer, Die schwäbische Reichsritterschaft zwischen Westfälischem Frieden und Reichsdeputationshauptschluß. Untersuchung zur wirtschaftlichen und sozialen Lage der Reichsritterschaft in den Ritterkantonen Neckar-Schwarzwald und Kocher (Schriften zur südwestdeutschen Landeskunde 17), Stuttgart 1979.
  • Herbert Obenaus, Recht und Verfassung der Gesellschaften mit St. Jörgenschild in Schwaben. Untersuchungen über Adel, Einung, Schiedsgericht und Fehde im 15. Jahrhundert (Veröffentlichungen des Max Planck-Instituts für Geschichte 7), Göttingen 1961.
  • Alfred Overmann, Die Reichsritterschaft im Unterelsaß bis zum Beginn des Dreißigjährigen Krieges, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 50 (1896), 570-637 und 51 (1897), 41-82.
  • Volker Press, Die Ritterschaft im Kraichgau zwischen Reich und Territorium, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 122 (1974), 35-98.
  • Volker Press, Kaiser Karl V., König Ferdinand und die Entstehung der Reichsritterschaft (Institut für Europäische Geschichte Mainz. Vorträge 60), Wiesbaden 2. Auflage 1980.
  • Volker Press, Reichsritterschaften, in: Kurt G. A. Jeserich/Hans Pohl/Georg-Christoph von Unruh (Hg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte. 1. Band: Vom Spätmittelalter bis zum Ende des Reiches, Stuttgart 1983, 679-689.
  • Michael Puchta, Mediatisierung "mit Haut und Haar, Leib und Leben". Die Unterwerfung der Reichsritter durch Ansbach-Bayreuth (1792-1798), Göttingen 2012.
  • Andreas Ranft, Adelsgesellschaften. Gruppenbildung und Genossenschaft im spätmittelalterlichen Reich (Kieler Historische Studien 38), Sigmaringen 1994.
  • Erwin Riedenauer, Kontinuität und Fluktuation im Mitgliederbestand der fränkischen Reichsritterschaft. Eine Grundlegung zum Problem der Adelsstruktur in Franken, in: Gesellschaft und Herrschaft. Festgabe für Karl Bosl, München 1969, 87-152.
  • Cord Ulrichs, Vom Lehnhof zur Reichsritterschaft. Strukturen des fränkischen Niederadels am Übergang vom späten Mittelalter zur frühen Neuzeit (Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Beiheft 134), Stuttgart 1997.

Quellen

  • Johann Gottfried Biedermann, Geschlechts-Register der reichsfrei unmittelbaren Ritterschaft Landes zu Franken [...]. 6 Bände, Bayreuth, Bamberg, Kulmbach und Nürnberg 1747-1751 [Stammtafelwerk für die einzelnen Kantone des fränkischen Ritterkreises]

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Empfohlene Zitierweise

Kurt Andermann, Reichsritterschaft, publiziert am 09.05.2011; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Reichsritterschaft> (19.03.2024)