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Deutscher Tag/Deutsche Tage

Aus Historisches Lexikon Bayerns

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von Bruno Thoß

Nach Beendigung der nachrevolutionären Kämpfe knüpften Rechtsparteien und Wehrverbände an Formen vaterländischer Festveranstaltungen aus der späten Kaiserzeit an. Die militärische Niederlage von 1918 und ihre revolutionären Folgen wurden als Niedergang empfunden. Auf den sog. Deutschen Tagen sollte deshalb ab 1920 in feierlicher Form das "nationale Bewusstsein" reaktiviert und öffentlich im Rahmen einer rechten Einheitsfront dokumentiert werden.

"Deutsche Tage" als Ausdrucksform rechter Einheitsfronten

Nach der politischen Rechtsverlagerung im Gefolge des Kapp-Putsches bot sich ab 1920 die selbsternannte "Ordnungszelle Bayern" als idealer Aufmarschraum für ein wiedererstarktes, bürgerlich-nationales Lager an. Die neue Veranstaltungsform der "Deutschen Tage", maßgeblich organisiert vom Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbund, richtete sich dabei in gleicher Weise gegen die Einschränkungen des Versailler Vertrages wie gegen die als "Erfüllungspolitiker" diffamierten demokratischen Regierungen. Dazu versammelten sich in loser Folge an Wochenenden Parteien und Verbände der antidemokratischen Rechten, um Region für Region auf großen Massenveranstaltungen Flagge zu zeigen. Wortführer waren die bürgerlichen Honoratioren und Verbandsführer des öffentlich zur nationalen Einheitsfront zusammenrückenden Verbändelagers jenseits der etablierten Parteien.

Der Durchbruch der Radikalen: Coburg, 14./15. Oktober 1922

Teilnehmerkarte der NSDAP beim Deutschen Tag in Coburg am 14./15. Oktober 1922. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv, hoff-6524)

Eine neue Qualität erlangten die "Deutschen Tage" in der sich national aufheizenden Stimmmung 1922/23. Jetzt verlagerten sich auf den Veranstaltungen selbst wie in ihrem öffentlichen Nachwirken die Gewichte zusehens von den rechtskonservativen Veranstaltern hin zu einer aktionsbereiten radikalen Rechten. Beim dritten "Deutschen Tag" in Coburg (nach Weimar, 1.-3. Oktober 1920, und Detmold, 14.-17. Oktober 1921, der erste in Bayern) gelang es dem Führer der jungen Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP), Adolf Hitler (1889-1945), erstmals überregional, durch Zusammenziehen von 650 geschlossen auftretenden Mitgliedern seiner paramilitärischen Sturm-Abteilungen (SA) erfolgreich die Regie zu übernehmen. Gegen die zurückhaltenderen rechtskonservativen Veranstalter eskalierte er den Aufmarsch in der "roten Hochburg" gezielt zu einer von der SA ausgelösten Straßenschlacht. In der späteren Parteilegende wurde der "Zug nach Coburg" zum Durchbruch einer Strategie der gewaltsamen Rückgewinnung deutscher Städte hochstilisiert (Hitler, Mein Kampf, 614-619).

Die Vorbereitung für den "Marsch auf Berlin": Nürnberg, 1./2. September 1923

Aufmarsch am Hauptmarkt beim Deutschen Tag in Nürnberg am 1./2. September 1923; links im Bild Adolf Hitler (mit Trenchcoat und Spazierstock). (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv, hoff-6565)
SA-Trupp beim Deutschen Tag in Bayreuth am 30. September 1923. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv, hoff-6570)

Ermutigt durch solche Erfolge suchten die radikalen Verbändeführer um Hitler im "Ruhrkampf" seit Januar 1923 die Führung der bayerischen Wehrverbände insgesamt in die Hände zu bekommen. Einen Rückschlag musste ihre "Arbeitsgemeinschaft vaterländischer Kampfverbände" jedoch am 1. Mai 1923 hinnehmen, als sie die jährlichen Aufmärsche der Arbeiterorganisationen zu einer gewaltsamen Machtprobe nunmehr auch in der Landeshauptstadt München zu nutzen suchte. Die folgende Schwächephase mit ihren juristischen Nachspielen ließ sich erst wieder überwinden, als das Kabinett Stresemann im Spätsommer den Abbruch des "Ruhrkampfes" einleiten musste.

Bei der größten Sedansfeier der Nachkriegszeit am 1./2. September 1923 in Nürnberg rief der Mentor der aktionsbereiten Verbände, General Erich Ludendorff (1865-1937), vor der imposanten Kulisse von über 100.000 Teilnehmern offen zur Wiederherstellung des deutschen "Machtgedankens" auf. Hinter den Kulissen gelang es seinem "Trommler" Hitler, mit dem "Deutschen Kampfbund" eine paramilitärische Aktionsfront zu bilden, die sich nach dem Vorbild des faschistischen Italien einen "Marsch auf Berlin" und die Errichtung einer "nationalen Diktatur" zum Ziel setzte.

Nach dem gescheiterten Hitlerputsch vom 8./9. November 1923 wechselten die Nationalsozialisten zu einer Strategie der "legalen" Machtübernahme; die "Deutschen Tage" verloren darin ihre Bedeutung als Heerschauen der Wehrverbände.

"Deutsche Tage" in Bayern 1922/23
Coburg 14.-15. Oktober 1922
Nürnberg 1.-2. September 1923
Hof 16. September 1923
Bayreuth 30. September 1923
Bamberg 20. Oktober 1923

Literatur

  • Werner Maser, Die Frühgeschichte der NSDAP. Hitlers Weg bis 1924, Frankfurt am Main/Bonn 1965.
  • Bruno Thoß, Der Ludendorff-Kreis 1919-1923. München als Zentrum der mitteleuropäischen Gegenrevolution zwischen Revolution und Hitler-Putsch, München 1978.

Quellen

  • Adolf Hitler, Mein Kampf, München 13. Auflage 1932.

Weiterführende Recherche

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Empfohlene Zitierweise

Bruno Thoß, Deutscher Tag/Deutsche Tage, publiziert am 27.07.2006; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Deutscher_Tag/Deutsche_Tage> (19.03.2024)