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Kriminalfälle (19./20. Jahrhundert)

Aus Historisches Lexikon Bayerns

von Christoph Bachmann

Besonders schwere und außergewöhnliche Verbrechen üben auf viele Menschen eine starke Faszination aus. Der Artikel behandelt eine subjektive Auswahl solcher Kriminalfälle in (Ober-)Bayern aus dem 19. und 20. Jahrhundert. Diese herausragenden, zum Teil auch ungelösten Fälle wurden und werden in Literatur und Film immer wieder aufgegriffen.

Einleitung

"Kriminalität" lässt sich nach derzeitigen Definitionen unterschiedlich auslegen. Zum einen werden darunter sämtliche Verletzungen von strafrechtlich definierten Tatbeständen verstanden, aber auch die Gesamtheit der Aktionen und Interaktionen zwischen den für Rechtsetzung und -durchsetzung zuständigen Institutionen einerseits und den für Rechtsbruch verantwortlichen und von Rechtserleidung betroffenen Individuen andererseits. Während sich also die "Straftat" oder der materielle Verbrechensbegriff eher an dem individuellen Verhalten misst, wird mit dem Begriff "Kriminalität" die Summe der Straftaten als Gesamtphänomen bezeichnet. Nicht unter die kriminellen Handlungen werden häufig die Fahrlässigkeitsdelikte gezählt, da der Täter hier ohne Vorsatz und damit nicht a priori kriminell handelt. Kriminalität gilt somit als Antagonist für ein friedliches Zusammenleben von Personen und Gesellschaften.

Trotz dieses fatalen gesellschaftlichen Zusammenhangs haben herausragende Kriminalfälle, kriminelle Energien, aber auch das Leid der anderen viele Menschen schon immer fasziniert. So sollte man glauben, dass ein derartiges Faszinosum in den Archiven reichlich überliefert ist; dies ist leider ein Irrtum, denn die Bewertung von Schriftgut erkannte vor allem im 19. Jahrhundert gerade dieser Überlieferung nur recht wenig Bedeutung zu, weshalb die Überlieferung speziell zu kleineren Delikten für die Zeit vor dem beginnenden 20. Jahrhundert teilweise als sehr dürftig anzusehen ist. Erst die Bewertungsdiskussion der 1920er Jahre gelangte zu der Einsicht, dass die Archive ein möglichst abgerundetes Bild aller politischen, rechtlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Lebensverhältnisse eines Landes bieten müssen. Im Folgenden sollen einige herausragende Fälle, die überregionale Bedeutung beanspruchen dürfen, vorgestellt werden - nicht ohne explizit darauf hinzuweisen, dass eine historische Kriminalitätsgeschichte bei einer wissenschaftlichen Ansprüchen genügenden Darstellung weitaus mehr zu berücksichtigen hat als spektakuläre Einzelfälle aneinanderzureihen.

Adele Spitzeder und ihre "Dachauer Bank"

Der Fall

Adele Spitzeder wurde am 9. Februar 1832 als siebtes Kind des Opernsängers Josef Spitzeder (1796-1832) und als erstes Kind der Opernsängerin Betty Vio (1808-1872) in Berlin geboren. Nach dem frühen Tod ihres Vaters folgten mehrere Umzüge nach Wien und München, wo sie im Alter von 16 Jahren in die Neumayer'sche Erziehungsanstalt kam. Mit etwa 22 Jahren begann Adele, Schauspielunterricht zu nehmen, und debütierte in Coburg mit großem Erfolg, jedoch brachte weder dieses noch einige andere Engagements den großen Durchbruch. In Hamburg-Altona kam für Adele das endgültige Aus: Sie hatte kein Engagement, kein Geld und keine Perspektiven mehr.

So kehrte sie 1868 nach München zurück und zog mit ihrer Freundin Rosa Ehinger in das "Haus Munkert" in der Dienerstraße. Erste Unterstützung fand sie bei ihrer Mutter, die bereit war, ihr monatlich 50 fl. zu zahlen, womit Adele jedoch bei weitem nicht auskam. Sie wandte sich in ihrer chronischen Geldnot an diverse Geldverleiher. Im Frühjahr 1869 begannen ihre Geldgeschäfte, die als (illegales) Schneeballsystem (auch Pyramidensystem oder Ponzi-Spiel) sehr einfach aufgebaut waren: Sie lieh sich Geld, versprach hohe Zinsen, gewährte jedoch keine Sicherheit und nahm weitere Kredite auf, um die von ihr angebotenen Zinsen von monatlich 10 % bezahlen zu können. Wichtig für die Fluktuation des Geschäfts waren von Beginn an die kleinen Zuträger und Vermittler, die zahlreichen kleinen Profiteure, die erst die für den Geschäftserfolg notwendige Massenbewegung anstießen. Spitzeders Kreditinstitut, das niemals im Handelsregister eingetragen war, erhielt schon bald aufgrund der Herkunft der ersten Geldgeber den Namen "Dachauer Bank". Die zunehmende Zahl der Anlagewilligen erforderte bald schon größere Geschäftsräume und sogar mehrere Angestellte, und Spitzeder kaufte das Anwesen Schönfeldstraße Nr. 9 für 54.000 fl. Jetzt erst nahmen die Geschäfte große Dimensionen an, denn die Einlagen betrugen pro Tag zwischen 50.000 und 60.000 fl. Spitzeder begann, einen luxuriösen Lebensstil zu pflegen, flankiert durch öffentlichkeitswirksame Auftritte. Seither trat sie in der Öffentlichkeit immer mit einem kleinen Gefolge auf und zeigte sich gegenüber der Bevölkerung äußerst spendabel, gerade gegenüber den Armen. Ihre größte Tat war in diesem Rahmen die Eröffnung einer "Münchner Volksküche". Dazu hatte Spitzeder die Anwesen Am Platzl Nr. 4 und Falkenturmstraße Nr. 4 gekauft und entsprechend umbauen lassen. Die "Volksküche" eröffnete am 25. September 1872, und gleich am ersten Tag wurden 4.000 Personen verköstigt, während gleichzeitig ebenso viele abgewiesen werden mussten.

An Warnungen in der Presse über die Problematik der Geldeinlagen in der Spitzeder'schen Bank hatte es nie gefehlt; allerdings war ihr juristisch nicht beizukommen. Erst eine Pressekampagne über das Geschäftsgebaren, die Solidität und Liquidität der Spitzederin brachte das Aus für die "Dachauer Bank". Am Morgen des 12. November 1872 hatte sich vor der Schönfeldstraße Nr. 9 eine um ihr Geld besorgte Menschenmenge versammelt, um die Wechsel einzukassieren; bis 4 Uhr nachmittags mussten ca. 180.000 fl. ausbezahlt werden. Um dieselbe Zeit sperrten Militäreinheiten die Straße ab, und eine fünfköpfige Untersuchungskommission begann die richterlich angeordnete Buchprüfung der "Dachauer Bank". Wegen des Verdachts der Überschuldung und des betrügerischen Bankrotts wurde die Bank geschlossen, die Vermögenswerte beschlagnahmt, Spitzeder und Ehinger in das Bezirksgerichtsgefängnis in der Baaderstraße gebracht. Wie groß der Schaden war, den Adele Spitzeder angerichtet hatte, lässt sich aus den Berechnungen des Konkursverwalters ersehen: Das Defizit der Bank belief sich demnach auf über 8 Mio. Gulden und ca. 30.000 Geschädigte. Das ergibt einen durchschnittlichen Anlagebetrag von über 200 fl. Da die überwiegende Zahl der Anleger einfache Dienstboten, Handwerker, Kellnerinnen, Knechte, Näherinnen und Kleinbauern waren, wirkte sich der Verlust des mühevoll Ersparten oft verheerend auf die finanzielle Situation der Betroffenen aus.

Für Ihre Machenschaften wurde Adele Spitzeder am 21. Juli 1873 vom Appellationsgericht München zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Wieder in Freiheit, publizierte sie ihre Lebenserinnerungen und begann mit neuen Geldgeschäften. 1880 kam sie daher wieder in Haft. Von da an gibt es kaum mehr Informationen über die Spitzeder. Wovon sie in München und anderswo gelebt hat, ist nicht mehr nachzuvollziehen. Als sie im Oktober 1895 starb, hinterließ sie nichts als ein paar wertlose Kleider.

Rezeption

Adele Spitzeders Leben wurde mehrfach künstlerisch verarbeitet, so zu Beginn der 1870er Jahre von Gabriel Gailler (1838-1917) zu einem Marionettenstück und 1972 von Martin Sperr (1944-2002) unter der Regie von Peer Raben (1940-2007) zu einem Fernsehspiel mit Ruth Drexel (1930-2009) in der Titelrolle. Das Theaterstück "Die Spitzeder" von Martin Sperr hatte am 11. September 1977 seine Premiere. 2010 erfolgte mit Birgit Minichmayr (geb. 1977) in der Hauptrolle und unter der Regie von Xaver Schwarzenberger (geb. 1946) mit dem Originaltitel "Die Verführerin Adele Spitzeder" eine Verfilmung des Stoffes. Die Erstausstrahlung war am 11. Januar 2012 in der ARD zu sehen.

Ohne Moos nix los. Zwei Raubmörder aus dem Donaumoos

Der Fall

Eduard Gänswürger (1843-1873) und Ferdinand Gump (1844-1873) begannen nach ihrer gemeinsamen Volksschulzeit in Karlskron (Lkr. Neuburg-Schrobenhausen) 1860 eine Schreinerlehre bei Paul Heckersmüller in Reichertshofen (Lkr. Pfaffenhofen a. d. Ilm). Während Gänswürger anstatt zu arbeiten lieber mit Johann "Christlhannes" Schneider aus Winden zum Wildern ging, nahm Gump die Sache ernst. Doch schon bald schloss sich auch Gump den beiden an. Nachdem Gänswürger am 11. Juni 1869 wegen schweren Diebstahls zu neun Jahren Zuchthaus verurteilt worden war, wilderten Gump und Schneider weiter. Zur Finanzierung ihres Lebensunterhalts begingen die beiden zahlreiche größere und kleinere Einbrüche und Diebstähle. Als Gänswürger am 23. September 1872 die Flucht aus dem Münchner Landgerichtgefängnis an der Baaderstraße gelungen war, beging er zusammen mit Gump wieder zahlreiche Überfälle. Am 10. Oktober 1872 überfielen sie den Pfarrhof von Oberlauterbach und erpressten dort unter Androhung von massiver Gewalt das Geldversteck des Pfarrers. Am 11. Dezember 1872 überfielen sie auf der Distriktsstraße bei Meilenhofen (Lkr. Kelheim) die drei Bauern Franz Xaver Gruber, Josef Ettmüller und Franz Ullinger. Bei diesem Überfall, der dem Bargeld der Bauern galt, wurden Gruber und Ettmüller erschossen, Ullinger schwer verletzt.

Dieser Doppelraubmord versetzte die Bevölkerung des Donaumooses in helle Aufregung. Die Behörden reagierten mit einer Großfahndung sowie der Verstärkung von Gendarmeriepatrouillen und Gendarmeriestationen. Ferner setzte man eine Belohnung von insgesamt 340 fl. auf die Ergreifung der beiden Raubmörder aus. Die beiden fanden jedoch bei Bekannten in Mändlfeld (Gde. Karlskron, Lkr. Neuburg-Schrobenhausen) und Walding (Gde. Karlskron, Lkr. Neuburg-Schrobenhausen) Unterschlupf vor ihren Häschern. In der Nacht zum 5. Februar 1873 erregte eine neue Mordtat die Gemüter. Das Opfer war die Kramersehefrau Margarethe Kufer aus Karlskron, bei der sich beide des Öfteren aufgehalten und mit Lebensmitteln versorgt hatten. Zwei Tage später fand der Taglöhner Alois Donaubauer zwischen Niederfeld (Stadtkreis Ingoldstadt) und Manching (Lkr. Pfaffenhofen) dann die Leiche Gänswürgers, der zu Margarethe Kufer eine engere Beziehung unterhalten hatte. Gänswürger war aus unmittelbarer Nähe mit zwei Schüssen in Rücken Kopf ermordet worden. Anfänglich lagen Tatmotiv und Täter völlig im Dunkeln. Vermutet wurde, dass Gump seinen Kumpanen als Zeugen für den von ihm wohl aus Eifersucht begangenen Mord an Kufer hatte beseitigen wollen.

Von nun an trieb Gump in verschiedenen Verkleidungen als Soldat, als Handwerksbursche, als Hausierer und sogar in Frauenkleidern sein Unwesen. Zur Ergreifung von Gump intensivierte die Gendarmerie Patrouillengänge und Hausdurchsuchungen. Ihre Anstrengungen führten dazu, dass Gump am 22. März 1873 in einem Einödhof bei Karlskron aufgestöbert werden konnte. Nach einem Feuergefecht mit der Gendarmerie, bei dem der Stationskommandant Anton Bauer ums Leben kam, entkam er den Behörden. Die daraufhin erfolgte erneute Steigerung der polizeilichen Anstrengungen - sogar Militäreinheiten wurden in das Donaumoos verlegt - führte nicht zum gewünschten Erfolg. Es war mehr ein Zufall, der zur Verhaftung Gumps führte. Als sich dieser am 4. Juni 1873 in Wolnzach aufhielt, schöpften drei Wolnzacher Bürger Verdacht, überwältigten ihn und übergaben ihn der Gendarmerie. Gump starb am 25. November 1873 an einer schweren Tuberkulose, ohne dass ihm noch der Prozess gemacht werden konnte.

Rezeption

Gump und Gänswürger fanden im Gegensatz zu anderen Kriminellen wenig öffentliche Aufmerksamkeit. Die einzig literarische Aufarbeitung des Stoffes ist das Stück "Gump und Gänswürger. Die Räuber vom Donaumoos. Ein Volksstück in 5 Akten" von Reinhard Haiplik (geb. 1954), das im Jahr 2008 von der Theaterbühne Manching aufgeführt wurde.

Johann Berchtold, der Würger von München

Am 15. Februar 1896 fand Georg Fürst, Stationskommandant der 6. Münchner Gendarmeriebrigade, auf Anzeige der Köchin Pauline Pfefferl in der Karlstraße Nr. 33 die Leichen von Julie und Caroline von Roos sowie von deren Köchin Maria Gradl. Die Öffentlichkeit spekulierte in verschiedene Richtungen: Zum einen vermutete man einen dreifachen Selbstmord, zum anderen dachte man an einen Unglücksfall, denn auf dem Küchentisch war ein Fläschchen mit der Aufschrift "Arsenik" gefunden worden. Die Obduktion ergab jedoch eindeutig, dass die drei Frauen erdrosselt worden waren. Demnach muss die Köchin Maria Gradl den Mörder, den sie offensichtlich kannte, ahnungslos in die Wohnung eingelassen haben. Als sie ihn gerade ihrer Herrin melden wollte, erwürgte er sie von hinten auf dem Korridor. Durch das Geräusch aufmerksam gemacht, ging Caroline von Roos aus dem Wohnzimmer in den Korridor, erhielt dort einen Schlag auf die Stirn und wurde anschließend mit einem Tuch oder der bloßen Hand erstickt. Anschließend stieß der Täter im Schlafzimmer auf Julie von Roos, die er ebenfalls erwürgte. Bei der polizeilichen Durchsuchung des Tatortes wurde festgestellt, dass neben 800 Mark in bar auch zahlreiche Pfandbriefe der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank fehlten. Somit wurde als Motiv Raubmord festgestellt. Da die Roos ein sehr zurückgezogenes Leben geführt, das Haus nur selten verlassen hatten und auch unbekannten Personen niemals geöffnet wurde, konzentrierten sich die Ermittlungen zunächst auf die näheren Verwandten, da der Täter ohne Gewaltanwendung hatte eindringen können. Allerdings mussten alle in Frage kommenden Personen als Täter ausgeschlossen werden.

Einigermaßen ratlos, gaben Hinweise seitens der Bevölkerung den festgefahrenen Ermittlungen der Gendarmerie einen neuen Impuls. Der Tischler Erasmus Ringler machte auf der Station der Brigade des 17. Bezirks die Aussage, dass er den Maurer Johann Berchtold (1862-1925) aus Schwabing verdächtige. Gerüchten zufolge habe er seine Hand bereits bei der Ermordung der Frau Emetskofer in der Quellenstraße und des Johann Schneider am Paulanerplatz im Spiel gehabt. Ein Nachweis war indes bislang nicht gelungen. Den Verdacht glaubte er deshalb haben zu dürfen, da Berchtold für die Installationsfirma Holzmann & Co. im vergangenen August im besagten Haus Karlstraße Nr. 33 die Maurerarbeiten in den Klosetts besorgt hatte und deshalb über genaue Ortskenntnisse verfügte. Ein am selben Tag eingegangener anonymer Brief bei der Polizeidirektion äußerte dieselben Verdachtsmomente. So wurde am 21. Februar 1896 Johann Berchtold festgenommen. Allerdings fehlte der eindeutige Nachweis der Täterschaft, denn mehr als Indizien konnten nicht beigebracht werden und Berthold war nicht zu einem Geständnis zu bewegen. Ab 1. Oktober 1896 fand vor dem Schwurgericht beim Landgericht München I der Prozess gegen Berchtold statt. Als Indizienbeweise gegen ihn wurden verschiedene Umstände angeführt, vor allem, dass seine Familie, die bis zum Zeitpunkt des Mordes in dürftigen Verhältnissen gelebt hatte, plötzlich über ansehnliche Mittel verfügte. Ferner spielten die Aussagen der Zeugen, die Berchtold im und vor dem Haus gesehen haben wollten, eine erhebliche Rolle.

Das Resultat der 14-tägigen Verhandlungen war, dass Berchtold am 14. Oktober 1896 zum Tode verurteilt, am 28. März 1897 aber zu lebenslänglichem Zuchthaus begnadigt wurde. Berchtold beteuerte immer wieder seine Unschuld, auch nach seiner Verurteilung. Sein Rechtsanwalt Dr. von Pannwitz versuchte, die Wiederaufnahme des Verfahrens zu erreichen, da er eine neue Zeugin benennen konnte, die Berchtold zur Tatzeit in Schwabing gesehen haben wollte. Der Antrag fand jedoch keine Zustimmung, und obwohl es immer wieder zu Zweifeln an der Glaubwürdigkeit einiger Zeugen kam, wurde das Verfahren niemals neu aufgerollt. So verbüßte Berchtold seine Strafe zuerst im Gefängnis am Anger und ab 1. April 1897 im Zuchthaus in Kaisheim, wo er am 18. August 1925 verstarb.

Mathias Kneißl: Räuber und Volksheld

Mathias Kneißl vor dem Schwurgericht Augsburg, Titelbild des Neuen Münchener Tagblatts vom 16. November 1901. (in: Reinhard Heydenreuter, Kriminalgeschichte Bayerns. Von den Anfängen bis ins 20. Jahrhundert, Regensburg 2008, 305)

Der Fall

Mathias Kneißl (1875-1902) wurde am 4. August 1875 in Unterweikertshofen (Gde. Erdweg, Lkr. Dachau) geboren. Seine Mutter Therese Kneißl, eine resolute und leicht zwielichtige Person, hatte dort von ihrem Vater, dem aus Venetien eingewanderten Alois Pascolini, ein Haus geerbt, in dem sie mit ihrem Mann eine kleine Gastwirtschaft betrieb. 1886 verkauften die Kneißls das Anwesen und erwarben die einsame Schachermühle in der Nähe des Weilers Altstetten (Gde. Erdweg, Lkr. Dachau). Diese Mühle, die bereits vor den Kneißls als Unterschlupf für allerlei kleinkriminelle Elemente gedient hatte, wurde mit dem Einzug der Familie zu einem bekannten Hehlertreffpunkt. Im Sommer 1892 verstrickten sich der Schachermüller und seine Frau in die Plünderung der Wallfahrtskirche Herrgottsruh bei Friedberg (Lkr. Aichach-Friedberg), was kurze Zeit später zu deren Verhaftung führte. Noch vor seiner Vernehmung kam dieser auf den Gefängnistreppen in Dachau ums Leben. Durch den Tod des Vaters und die Untersuchungshaft der Mutter waren Mathias und sein Bruder Alois auf sich allein gestellt. Sie begannen, die ganze Gegend mit Diebstählen zu terrorisieren und ihren weiteren Lebensunterhalt mit Wilderei zu finanzieren.

Um die beiden Brüder zur Raison zu bringen, versuchten deshalb am 2. November 1892 die beiden Gendarmen Balthasar Gößwein und Georg Förtsch, die Brüder festzunehmen, was allerdings scheiterte, da sich Alois und Mathias ihrer Verhaftung mit Waffengewalt entzogen, wobei Gößwein schwer verletzt wurde. Sie konnten jedoch innerhalb der nächsten zwei Wochen gefasst werden und wurden vom Landgericht München II am 23. Juni 1893 wegen schweren Diebstahls, Raub, Hehlerei, Wilderei, Widerstand gegen die Staatsgewalt und versuchtem Mord verurteilt. Mathias bekam sechs Jahre, sein Bruder Alois 15 Jahre Gefängnis. Nach seiner Haftentlassung am 28. Februar 1899 begab sich Mathias nach Nußdorf am Inn (Lkr. Rosenheim), wo er als Schreinergeselle eine Anstellung fand. Das Auftauchen eines ehemaligen Mithäftlings seines Bruders Alois ließ Kneißl wieder auf die schiefe Bahn geraten. Er beabsichtigte, mit einigen Einbrüchen seine Pläne zur Auswanderung "aufs Amerika" zu verwirklichen. Nach einigen erfolgreichen Diebstählen und Raubüberfällen suchte Kneißl nicht die Anonymität der Großstadt München, sondern zog sich in die Wälder um seinen Heimatort zurück, denn hier konnte er auf Unterstützung durch Freunde und Verwandte hoffen. Seinen Lebensunterhalt finanzierte er wieder durch Diebstähle und Wilderei, wobei er sich mit Wildbret bei vielen Kleinbauern und Taglöhnern Unterschlupf verschaffte. Am Abend des 30. November 1900 kam es beim Flecklbauer in Irchenbrunn (Gde. Altomünster, Lkr. Dachau) zu einem erneuten Verhaftungsversuch. Kneißl setzte sich jedoch so zur Wehr, dass der Gendarmeriekommandant Brandmeier tödlich und dessen Wachtmeister so schwer verletzt wurden, dass dieser drei Wochen später seinen Verletzungen erlag.

Der Doppelmord von Irchenbrunn forderte die Staatsautorität heraus, die bisher bezüglich der Ergreifung Kneißls kläglich versagt hatte. Sämtliche damaligen polizeilichen Möglichkeiten wurden daraufhin ausgeschöpft, die Belohnung auf 1.000 Mark erhöht, einige provisorische Stationen errichtet, die Mannschaften der örtlichen Gendarmeriestationen durch Münchner Stadtpolizei und der Patrouillendienst verstärkt. Hinzu kamen öffentliche Fahndungsaufrufe in den verschiedensten Publikationsorganen. Ferner wurde ein gemeinsamer Nachrichtendienst für die an der Fahndung beteiligten Justiz- und Polizeibehörden eingerichtet. Trotz dieser Maßnahmen konnte Kneißl nicht gefasst werden und - oftmals von Freunden und Verwandten gewarnt - den Gendarmen immer wieder entkommen. Je länger aber dieser sein Spiel trieb, desto stärker verwischte sich bei vielen der Eindruck des gemeinen Verbrechers zugunsten des Bildes vom trotzigen Einzelgänger, und das Bild drohte Vorbild zu werden: Kneißl strömten die Sympathien der bäuerlichen Volksschichten entgegen, denn in ihm sah man einen aus der Mitte der eigenen Klasse, der den Mut hatte, der Staatsallgewalt Hörner aufzusetzen. Schließlich war es aber das hohe Kopfgeld, das auf Kneißl ausgesetzt war, und die in München lebende Verwandtschaft, die zu seiner Verhaftung führten. Es war seine Cousine, die in bitterster Armut lebte, die einem Sicherheits-Kommissar gegen eine Belohnung von 1.000 Mark den Aufenthaltsort Kneißls verriet. Sie führte ihn zum Aumacher-Anwesen in Geisenhofen (Gde. Egenhofen, Lkr. Fürstenfelbruck), das in der Nacht vom 3. auf den 4. März 1901 von Polizei umstellt wurde. Kneißl erkannte zwar die Aussichtslosigkeit seiner Lage, war aber entschlossen, sich nicht zu ergeben. Nachdem die Belagerer des Anwesens auf 150 Mann verstärkt worden waren, begann am 5. März 1901 der Sturm auf das Gebäude, nachdem das Haus ca. 30 Minuten lang beschossen worden war. Auf dem Dachboden konnte der schwerverwundete (Bauchschuss) und unbewaffnete Kneißl verhaftet werden. Er hatte seinen Drillingsstutzen und seinen Revolver zuvor in der Decke des Speichers versteckt.

Nach seiner Verhaftung wurde Kneißl nach München überführt und in der dortigen Universitätsklinik versorgt. Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen begann am 14. November 1901 vor dem Augsburger Schwurgericht der Prozess; das Urteil: Todesstrafe. Sämtliche Gnadengesuche von Kneißl selbst aber auch vonseiten der Bevölkerung blieben erfolglos. Am 21. Februar 1902 wurde Kneißl um 7.00 Uhr im Hof des Landgerichtsgefängnisses Augsburg durch die Guillotine enthauptet, anschließend auf dem katholischen Friedhof der Stadt beigesetzt.

Rezeption

Die Figur Mathias Kneißl diente mehrfach und auch wieder in jüngster Zeit als künstlerische Vorlage: Reinhard Hauff (geb. 1939) inszenierte 1970 den Film "Mathias Kneißl" mit Hans Brenner (1938-1998) in der Titelrolle. Georg Ringsgwandl (geb. 1948) schrieb für sein Album "Staffabruck" eine Kneißl-Ballade. Am Münchner Volkstheater war die Geschichte von Mathias Kneißl in der Regiefassung von Christian Stückl (geb. 1961) bis zum Mai 2007 zu sehen. Der Film mit dem Titel "Räuber Kneißl" des bayerischen Regisseurs Marcus H. Rosenmüller (geb. 1973) über das Leben des Mathias Kneißl hatte am 24. Juni 2008 beim 26. Filmfest München Premiere.

Die Lilie auf dem Felde: Josef Apfelböck

Holzschnitt von Josef Apfelböck im Rahmen eines Artikels zum Prozessbeginn. Neue Freie Volkszeitung, 26. November 1919.

Der Fall

Am 18. August 1919 erstatteten der Schreiner Josef Holmer und der Konditorlehrling Josef Zelmer auf der Wache der Schutzmannschaft des 15. Münchner Stadtbezirks eine Anzeige, wonach aus der Wohnung der Eheleute Joseph und Maria Apfelböck in der Lothringerstraße 11 verwesender Geruch bemerkbar sei. Bei der unverzüglich darauf folgenden Wohnungsöffnung fanden die Beamten eine "weibliche und eine männliche Leiche im verwesten Zustande". Spuren in der Wohnung wiesen auf einen Doppelmord an Josef und Maria Apfelböck hin. Erste Ermittlungen ergaben, dass die Ermordeten schon seit ca. drei Wochen nicht mehr gesehen worden waren und sich seit diesem Zeitpunkt in der Wohnung befunden haben mussten. Der Leichengeruch war auch den Mitbewohnern des Mietshauses aufgefallen, jedoch hatte der Sohn des Ehepaares, Josef Apfelböck (1903-nach 1936), den aus der Wohnung dringenden Leichengeruch bisher immer damit entschuldigt, dass dieser von faulem Fleisch herrühre. Zum Beweis für seine Behauptung ließ er auf dem Balkon längere Zeit die Eingeweide und die Haut eines Stallhasen liegen. Allerdings wurde er auch des Öfteren beobachtet, wie er die Nächte auf dem Balkon verbrachte.

Auch die Nacht zum 19. August 1919 hatte Josef Apfelböck im Freien zugebracht. Als er sich gegen 6 Uhr morgens zu seinem Onkel Karl Apfelböck begab, wurde er von diesem auf die Polizeiwache geführt, da er nach Lage der Dinge dringend der Tat verdächtig war. Dort begannen die Verhöre, und nach anfänglichem Leugnen gestand Josef den Doppelmord an seinen Eltern. Am Dienstag, den 29. Juli 1919 gegen 8 Uhr abends habe er seine Mutter mit einem Schuss aus seiner Flobertpistole getötet, da sie ihm verboten habe, sich um eine Stelle als Filmvorführer im Kino zu bewerben. Nach der Tat durchsuchte er die Leiche nach Geldwertem und versteckte sie. Der Vater war zu diesem Zeitpunkt noch nicht anwesend, sondern bei Waldarbeiten in Hohenbrunn. Bei seiner Rückkehr schoss ihn Josef Apfelböck an, traf ihn nicht richtig und versetzte ihm mit einem Messer mehrere tödliche Stiche. Auch die Leiche des Vaters durchsuchte er nach Geld und anderen Wertgegenständen. Zwischen der Ermordung seiner Eltern und der Auffindung der Leichen empfing Josef mindestens einmal Besuch von seinen Freunden Josef Zelmer und Johann Gerbl. Bei der am 25. November stattfindenden Verhandlung vor dem Volksgericht München am Mariahilfplatz verhängte das Gericht mit 15 Jahren Gefängnis ohne Bewährung die Höchststrafe für Jugendliche. Seine Strafe trat Josef Apfelböck am 20. Dezember 1919 im Strafvollstreckungsgefängnis Landsberg am Lech an, wo er eine Schneiderlehre absolvierte. Nach seiner Entlassung kehrte er nach München zurück und konnte sich wieder in die bürgerliche Gesellschaft eingliedern.

Rezeption

Der junge Bertolt Brecht (1898-1956) schrieb unter dem Eindruck der Ereignisse seine Ballade "Apfelböck oder die Lilie auf dem Felde" und verarbeitete die Geschichte im selben Jahr noch in der Erzählung "Die Erleuchtung". Auch im Kriminalroman "Inspektor Kajetan und die Sache Koslowski" von Robert Hültner (geb. 1950) aus dem Jahr 1995 taucht Josef Apfelböck noch einmal kurz auf.

Hinterkaifeck

Der Fall

Der bis heute noch immer ungeklärte sechsfache Mord in Hinterkaifeck (Gde. Waidhofen, Lkr. Neuburg-Schrobenhausen) ist der wohl späktakulärste und bekannteste Kriminalfall Bayerns. Auf dem Einödhof 500 m südwestlich des Dorfes Gröbern, etwa sechs Kilometer von Schrobenhausen entfernt, wurde in der Nacht zum 1. April 1922 sechs Menschen der Schädel zertrümmert. Es handelt sich um das Austragsbauernehepaar Andreas und Cäzilia Gruber, deren verwitwete Tochter Viktoria Gabriel, deren Kinder Cäzilia Gabriel und Josef sowie die Magd Maria Baumgartner. Das genaue Tatgeschehen konnte nicht rekonstruiert werden, doch man nimmt an, dass die Eheleute Andreas und Cäzilia Gruber sowie deren Tochter Viktoria Gabriel und Enkelin Cäzilia nacheinander in den Stadel gelockt und dort erschlagen wurden. Vom Stadel aus drang(en) der oder die Täter ins Haus ein, wo ein Säugling und dessen Mutter sowie die Dienstmagd erschlagen wurden.


Vom Tatzeitpunkt bis zur Entdeckung der Tat vergingen insgesamt vier Tage, während derer sich der oder die Täter noch im Haus aufgehalten haben, da das Vieh versorgt wurde und Rauch aus dem Kamin des Bauernhauses aufstieg. Außerdem entdeckte die Polizei, dass der gesamte Brotvorrat aufgebraucht und Fleisch aus der Vorratskammer frisch angeschnitten war. Die Entdeckung der Tat ist dem Umstand zu verdanken, dass der Monteur Albert Hofner, der am 4. April in vermeintlicher Abwesenheit der Hinterkaifecker auf dem Hof den Motor der Futterschneidemaschine reparierte, erzählte, dort niemanden angetroffen zu haben. Deshalb drang der Ortsführer von Gröbern, Lorenz Schlittenbauer, noch am selben Tag mit zwei anderen Männern, Michael Pöll und Jakob Sigl, in den Gebäudekomplex ein, wo sie die Leichen entdeckten. Nach dem Eintreffen der Gendarmen der Polizeistation Hohenwart, die vor allem die Schaulustigen vom Tatort fernzuhalten hatten, trafen noch in der Nacht des 4. April Münchner Kriminalbeamte ein.

Trotz der Ermittlung in verschiedenste Richtungen und der ausgesetzten Belohnung von 100.000 Mark konnte kein stichhaltiges Tatmotiv, geschweige denn ein Täter nachgewiesen werden. Durch das zunächst angenommene Motiv des Raubmordes gerieten zunächst Hausierer, Fahrende und Vorbestrafte aus der Gegend ins Visier. Die Vermutung erwies sich jedoch als nicht stichhaltig, da zum einen nicht genau ermittelt werden konnte, wie viel Geld überhaupt auf dem Hof versteckt war, zum anderen eine nicht unerhebliche Summe sichergestellt wurde, obwohl die Täter genügend Zeit gehabt hätten, den Hof zu durchsuchen. So kamen immer wieder neue Tatverdächtige auf, z. B. Karl Gabriel, der im Dezember 1914 gefallene Ehemann der ermordeten Viktoria Gabriel, da sein Tod von jeher in Zweifel gezogen wurde. Dieser soll erfahren haben, dass Viktoria Gabriel mit ihrem eigenen Vater ein uneheliches Kind gehabt haben soll (den erschlagenen Säugling), und daraufhin aus Rache die gesamte Familie erschlagen haben. Ein anderer Verdächtiger war Lorenz Schlittenbauer, weil er sich durch mehrfache Andeutungen bezüglich des Mordes verraten haben soll und über den Tathergang in der Ich-Form berichtet hatte. Ebenfalls verdächtigt wurde der aus Geisenfeld stammende, angeblich geisteskranke Bäcker Josef Bärtl, der 1921 aus der Heilanstalt Günzburg geflohen war. Diesem wurde die Tat zugetraut, und ein Medium hatte ihn bei einer der spiritistischen Sitzungen anhand einer Fotografie als Täter identifiziert. Bärtl konnte jedoch nie aufgegriffen werden. Die Morde von Hinterkaifeck sind bis heute nicht aufgeklärt. 1923 wurde der Hof abgebrochen, wobei auch die im Dachboden versteckte Mordwaffe gefunden wurde. Heute erinnert nur noch ein Marterl in der Nähe des Tatorts an Bayerns rätselhaftesten Kriminalfall.

Rezeption

Das offene Ende der Morde von Hinterkaifeck sorgte dafür, dass der Stoff zahlreiche Bearbeitungen und Dokumentationen erfuhr, teils auch nur auf regionaler Ebene. Erst in jüngster Zeit erschienen zwei Thriller zu dieser Thematik. Im Jahr 2009 der Spielfilm "Hinter Kaifeck" von Esther Gronenborn (geb. 1968) mit Benno Fürmann (geb. 1972) und Alexandra Maria Lara (geb. 1978 als Alexandra Maria Plătăreanu, jetzt: Alexandra Maria Riley), ebenfalls 2009 das Thrillerdrama "Tannöd" von Bettina Oberli (1972), das auf dem 2006 erschienenen gleichnamigen Roman von Andrea Maria Schenkel (geb. 1962) basiert.

Der Schmied von Aubing: die Sexualmorde des Johann Eichhorn

Aufruf der Kriminalpolizei im Fall Johann Eichhorn, 1939. (Staatsarchiv München, Pol. Dir. 8.008)

Geboren wurde Johann Eichhorn (1906-1939) am 8. Oktober 1906 als Sohn des Hilfsarbeiterehepaares Johann und Magdalena Eichhorn in Aubing. Der gelernte Schlosser war seit 1934 bei der Deutschen Reichsbahn als Rangierer beschäftigt. Sein Sexualleben und sein Verhältnis gegenüber Frauen beschrieb Eichhorn selbst als gestört. Seine ersten Sexualstraftaten beging er im Sommer 1928, als er versuchte, ein Mädchen und kurz darauf eine Erntehelferin zu vergewaltigen. Ab 1931 lebten seine zwischenzeitlich abgeebbten Gewaltphantasien wieder auf. Seine ersten Opfer waren seine beiden Schwestern, die er ab diesem Zeitpunkt mehrmals vergewaltigte. Am 11. Oktober 1931 beging Eichhorn seinen ersten Mord. Er hatte auf der Wies'n die 16-jährige Maurerstochter Katharina Schätzl aus Wolnzach kennengelernt und begleitete sie nach Hause. Während dieser Radltour riss Eichhorn sein Opfer vom Rad, vergewaltigte und erwürgte sie. Die Leiche versenkte er in der Isar. Danach beging Eichhorn laufend Sittlichkeitsdelikte, ohne dass eine genaue Angabe der jeweiligen Opfer möglich wäre. Am 30. Mai 1934 überfiel Eichhorn die 26-jährige Friseursgattin Anna Geltl im Forstenrieder Park. Er stieß sie vom Rad, erschoss sie und versuchte, sie zu vergewaltigen. Anschließend verscharrte er die Leiche in einer zuvor ausgehobenen Grube. In der Nacht zum 9. September 1934 schlug Eichhorn erneut zu. Auf der Lerchenauer Straße in Milbertshofen traf er zufällig auf die von einer Feier in die elterliche Wohnung zurückkehrende Kontoristin Berta Sauerbeck. Er riss sie vom Rad, schoss ihr in den Kopf und versuchte, sein schwerstverletztes Opfer zu vergewaltigen. Daraufhin warf er die noch lebende Sauerbeck in eine Müllgrube und verscharrte sie unter Abfall, wo Berta Sauerbeck dann starb.

1935 lernte Eichhorn Josefa kennen, mit der er zwei Kinder hatte und die er im Dezember 1937 heiratete. Kurz vor der Hochzeit ermordete er jedoch in einem Feldstück zwischen Germering und Puchheim die 25-jährige Näherin Rosa Eigelein. Auch hier wiederholte sich das bisherige Schema. Eigelein war mit dem Fahrrad unterwegs, wurde von Eichhorn vom Rad gerissen und wehrte sich heftig gegen seine Vergewaltigungsversuche, worauf dieser sie erschoss. Das Opfer ließ er an Ort und Stelle liegen, ohne sich die Mühe des Versteckens zu machen. Sein nächstes Opfer war die 23-jährige Hausangestellte Maria Jörg, die er am 29. September 1938 im Forstenrieder Park nach dem bereits bekannten Muster ermordete. Die Polizei konnte Eichhorn in all den Jahren nicht als Täter ermitteln, zumal dieser ein gut getarntes Doppelleben führte. Eichhorn galt in seiner Nachbarschaft als fleißiger und ordentlicher Mensch, auch als fürsorglicher Vater und Ehemann.

Nur durch Zufall kam man all den Verbrechen auf die Spur: Als Eichhorn am 29. Januar 1939 versuchte, ein Mädchen zu überfallen, stellten zufällig vorbeikommende Passanten den Täter. Während der Zeit seiner Untersuchungshaft gestand er dann im Verlauf von mehrmonatlichen Verhören zögerlich die einzelnen Morde. Vom Sondergericht München wurde Eichhorn wegen fünf Morden und 90 Vergewaltigungen zum Tod durch das Fallbeil verurteilt. Seine Frau Josefa ließ sich scheiden und wechselte den Familiennamen. Das Urteil wurde am 1. Dezember 1939 im Strafvollstreckungsgefängnis München-Stadelheim vollstreckt.

Chicago in München: Die Stadtpanther, eine Münchner Gang der Nachkriegszeit

In einem Kinderlandverschickungslager in Aindling fanden sich im Jahr 1943/44 fünf Buben aus der Münchner Luisenschule zu einer Bande ganz im Sinne Karl Mays (1842-1912) und Winnetous zusammen, übten Anschleichen, Spurenlesen, Überrumpeln und schlossen Blutsbrüderschaft. Der Musterschüler Hugo W. übernahm rasch die Führung der Gruppe, die sich nach Kriegsende auf Diebstähle und den Schwarzmarkthandel verlegte. Dies ging W. jedoch nicht weit genug, der mit Hilfe des Kleinkriminellen Albrecht Sticht eine richtige Gangsterbande nach amerikanischem Vorbild aufbauen wollte.

Da am 23. November 1946 ein erster Überfall auf die Großtankstelle der Zentralwerkstätten in der Briennerstraße misslang, vermutete der damals 15-jährige Hugo W. in Sticht einen V-Mann der Amerikaner und ließ ihn von einem Mitglied seiner Pantherbande hinrichten. Noch am selben Abend gerieten zahlreiche Mitglieder in eine Kontrolle der MP, ohne jedoch mit dem Mord in Verbindung gebracht zu werden. Sie wurden zu zwei Jahren Arrest wegen diverser Eigentumsdelikte verurteilt. Als W. 1948 entlassen worden war, sammelte er sofort die Mitglieder seiner Pantherbande wieder um sich und schweißte sie durch unbedingten Gehorsam sowie die Androhung der Todesstrafe bei Verrat noch weit enger an sich. Geplant war, innerhalb der nächsten zwei Jahre genügend Geld zu erbeuten, um anschließend unterzutauchen und einen zufriedenstellenden Lebensstandard zu genießen. Dieser sollte durch eine gemeinsame Kasse finanziert werden. Nach jeder Aktion erhielt jedes Mitglied einen Anteil an der Beute, egal ob es beteiligt gewesen war oder nicht; der größte Teil wanderte jedoch in die gemeinsame Kasse. Geplant wurden die Raubzüge gemeinsam im Zuge einer Hauptversammlung, bei der jedes Mitglied stimmberechtigt war. Da allerdings der erhoffte große Gewinn ausblieb, überfiel die Pantherbande am 20. Februar 1951 den Kassenboten des Hauptzollamts in München, Martin Plenagl, der sich jedoch zum Erstaunen Hugo Ws. heftig wehrte, worauf ihn dieser durch einen Schuss in die Nierengegend schwer verletzte, ihm den Geldkoffer entriss und floh. Die Enttäuschung war jedoch groß, denn der Koffer war leer.

Vera Brühne spricht vom Tonband. (Abendzeitung vom 8. Mai 1962, 15. Jg., Nr. 110)
Bericht über die Verurteilung von Vera Brühne und Johann Ferbach. (Abendzeitung vom 5. Juni 1962, 15. Jg., Nr. 134, 3)

Der 14. Oktober 1951 sollte jedoch das große Geld durch einen Doppelüberfall, zum einen auf eine Pension in Geiselgasteig (Gde. Grünwald, Lkr. München), zum anderen auf einen Verwandten aus dem Kreis der Pantherbande, den Gärtnermeister Matthias Augustin in Harlaching, bringen. Der Überfall auf die Pension, der reibungslos vor sich ging, erbrachte allerdings nur 320 Mark. Anschließend fuhren die Panther zu Augustin, klingelten an dessen Türe, die dieser jedoch, als er sah, was geschehen sollte, sofort wieder zu schließen versuchte. Als diesem dann auch noch dessen Sohn zu Hilfe kam, entstand an der Tür ein regelrechtes Gerangel, währenddessen sich ein Schuss löste, die Tür durchschlug und Augustin tödlich verletzte. Die Panther flüchteten daraufhin ohne Beute. Doch nunmehr konnten die Bandenmitglieder ermittelt und bis zum 29. Oktober 1951 verhaftet werden. Im anschließenden Prozess wurde Hugo W. zu lebenslanger Haft verurteilt, jedoch 1972 durch Ministerpräsident Alfons Goppel (1905-1991, Ministerpräsident 1962-1978) begnadigt.

Vera Brühne: Liebe, Sex und ein bisschen James Bond

Der Fall

Am 19. April 1960 fanden die Sprechstundenhilfe Renate M. und der Heizungsmonteur Hans Joachim V., die Leichen von Dr. Otto Praun (1894-1960) und dessen Geliebter Elfriede Kloo in Prauns Villa in Pöcking (Lkr. Starnberg). Der ermittelnde Kommissar Karl Rodatus vermutete einen erweiterten Selbstmord, wonach Praun zunächst seine Freundin und dann sich selbst getötet habe. Erst die Testamentseröffnung brachte die Selbstmordtheorie ins Wanken. Demnach erhielt Vera Brühne (1910-2001, geb. Kohlen), die Praun 1958 kennengelernt hatte und von dem sie offiziell als Chauffeuse beschäftigt worden war, ein riesiges Anwesen in Spanien zur Nutzung. Der vom Testament überraschte Sohn Günther Praun zweifelte nun die Selbstmordtheorie an und beantragte die Exhumierung der Leichen.

Erst im Sommer 1960 fand man die zweite Kugel in Otto Prauns Kopf. Die anschließenden Ermittlungen fanden schnell in der Nutznießerin des Testaments, Vera Brühne, und deren Freund Johann Ferbach (1913-1970) die Täter. Für die Medien war der Mord die "Story" schlechthin. Sie zeichneten von Vera Brühne das Bild einer Lebedame, die für ihre Villa in Spanien über Leichen gegangen war. Sie war nach Rosemarie Nitribitt (1933-1957, eigentlich Rosalie Marie Nitribitt) erneut ein Beispiel für eine Frau, die die vorgegebenen bürgerlichen Bahnen ganz bewusst verlassen hatte und deshalb zum einen bewundert und zum andern gehasst wurde. Hinzu kam, dass ihre Tochter, Sylvia Cosiolkofsky, private Korrespondenz und Familienfotos verscherbelte und frei aus dem Leben ihrer Mutter plauderte. Neben Vera Brühne wurde Johann Ferbach angeklagt, der aus Hörigkeit die Morde für Brühne ausgeführt haben sollte.

Die Indizien für die Anklage waren allerdings sehr dürftig: Weder war der Todeszeitpunkt eindeutig geklärt, noch waren am Tatort Spuren sichergestellt worden. Der Hauptbelastungszeuge war Siegfried Schramm, der Zellennachbar Ferbachs, der ausgesagt hatte, dass Ferbach ihm die Tat gestanden habe. Allerdings trug auch Vera Brühne während des Prozesses nicht zur Wahrheitsfindung bei: Sie verstrickte sich häufig in Widersprüche, fälschte ihr Tagebuch, versuchte Zeugen zu bestechen und log nachweislich. Am 4. Juni 1962 verhängte das Schwurgericht München II nach vier Wochen Verhandlung lebenslange Haftstrafen für Vera Brühne und Johann Ferbach, obwohl nichts bewiesen werden konnte. So war es nicht verwunderlich, dass nach der Verurteilung immer wieder neue Theorien sowohl zum Mordopfer als auch zu Vera Brühne selbst aufkamen. Demnach soll Otto Praun in zwielichtige Waffengeschäfte des Syndikats "Billardstock" und "Goldene 6" verstrickt, vielleicht aber auch V-Mann des Bundesnachrichtendienstes (BND) gewesen sein und enge Verbindungen zum damaligen Verteidigungsminister Franz Josef Strauß (1915-1988, CSU) gehabt haben. Darüber hinaus ging immer wieder das Gerücht um, Praun sei am Diamantenschmuggel beteiligt gewesen und deshalb von einem vierköpfigen Exekutionskommando der Gruppe "Rote Hand" oder von einer Organisation des tschechoslowakischen Geheimdienstes ermordet worden. Bewiesen werden konnten alle diese Behauptungen jedoch nie. Johann Ferbach starb am 21. Juni 1970 im Gefängnis Straubing (seit der großen Strafjustizreform 1969/70 "Justizvollzugsanstalt Straubing"), Vera Brühne wurde 1979 vom bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß begnadigt.

Rezeption

Der Fall Brühne-Ferbach wurde bereits 1970 vom Schriftsteller Ulrich Sonnemann (1912-1993) literarisch aufgegriffen. In seiner Streitschrift "Der bundesdeutsche Dreyfus-Skandal. Rechtsbruch und Denkverzicht in der zehn Jahre alten Justizsache Brühne-Ferbach" warf er Polizei und Justiz Versagen vor. Auch filmisch wurde der Kriminalfall thematisiert. Das DDR-Fernsehen brachte 1972 den zweiteiligen Film "Der Fall Brühne-Ferbach" unter der Regie von Michael Wendang. Im Jahr 2000 erarbeitete Michael Gramberg hierzu unter dem Titel "Lebenslänglich für Vera Brühne" eine Dokumentation. Kurz vor dem Tod Vera Brühnes im Jahr 2001 produzierte Bernd Eichinger (1949-2011) unter der Regie von Hark Bohm (geb. 1939) einen Zweiteiler mit Corinna Harfouch (geb. 1954 als Corinna Meffert) und Uwe Ochsenknecht (geb. 1956) in den Titelrollen.

Geiselnahme mit Todesfolge: Der Banküberfall von Rammelmayr und Todorov

Bericht über den Überfall auf eine Filiale der Deutschen Bank in der Prinzregentenstraße, München. (Abendzeitung vom 5. August 1971, 24. Jg., Nr. 178)

Am 4. August 1971 waren gegen 16 Uhr zwei maskierte und bewaffnete Männer in die Filiale der Deutschen Bank an der Prinzregentenstraße gestürmt und hatten sechs der insgesamt 17 anwesenden Personen als Geiseln genommen. Als Sprachrohr diente der Kassierer, der die Forderung der Geiselnehmer nach 2 Mio. Mark in Scheinen übermitteln musste. Die Übergabe sollte bis 22.00 Uhr erfolgen, andernfalls drohte die "Rote Front" - so nannten sich die beiden Täter - mit Sprengstoffanschlägen, wahllosen Maschinengewehrattacken auf Passanten und der Sprengung der Bank.

Während des Ultimatums entspannte sich in der Bank das Verhältnis zwischen Geiseln und Geiselnehmern zusehends, die diesen sogar kurzzeitige Freigänge erlaubten. Zur Beendigung des Geiseldramas, einer bis dahin in Deutschland unbekannten Verbrechensform, wollte man sich Scharfschützen bedienen, jedoch hatte die Münchner Polizei bis zu diesem Zeitpunkt keine. Die Bundeswehr lehnte es ab, eigene Scharfschützen zu stellen. Für die Aufgabe wurden daher drei Beamte ausgewählt, die in ihrer Freizeit Jäger waren. Nachdem sie in einer Kiesgrube an der B 12 bei Riem noch Zielschießen geübt hatten, wurden sie positioniert. Ausgelöst durch die Verpflegung und die alkoholischen Getränke, die vom gegenüberliegenden Feinkost Käfer geliefert worden waren, war das Verhältnis zwischen Geiseln und Geiselnehmern unterdessen ebenso kameradschaftlich geworden (sog. "Stockholm-Syndrom"), wie die Stimmung bei den sehr zahlreichen Schaulustigen um die Bank herum volksfestartigen Charakter annahm.

Gegen 22.45 Uhr konnten die geforderten 2 Mio. Mark, die zuvor noch Stück für Stück abfotografiert worden waren, zusammen mit einem Fluchtwagen bereitgestellt werden. Auf dem Beifahrersitz des von der Polizei manipulierten Fluchtautos platzierte sich die Geisel Ingrid Reppel] (1951-1971), die sich für die Flucht freiwillig zur Verfügung gestellt hatte. Erst jetzt erschien mit Georg Rammelmayr (1940-1971) einer der beiden bewaffneten Geiselnehmer vor der Bank. Da die Einsatzleitung sich dafür entschieden hatte, bei der Geldübergabe einen der Geiselnehmer kampfunfähig zu schießen und anschließend die Bank von vorne und von hinten zu stürmen, hätte jetzt der geeignete Rettungsschuss erfolgen müssen. Stattdessen verhinderte das Blitzlichtgewitter der anwesenden Journalisten die Sicht der Scharfschützen, die ohne Funkkontakt untereinander völlig orientierungslos waren und nicht wussten, ob sie schießen sollten oder nicht. Erst als Rammelmayr bereits das Fluchtfahrzeug erreicht hatte, fiel ein Schuss, und Rammelmayr ließ sich auf den Autositz fallen. Daraufhin begann eine heftige Schießerei, während der der schwerverletzte Geiselnehmer die neben ihm sitzende Geisel lebensgefährlich verletzte.

Auch der Sturm auf die Bank geriet zu einem wahren Fiasko. Das rückwärtige Kommando war kaum in der Lage, eine Tür aufzubrechen. Auch für das Kommando, das von vorne stürmen sollte, stellte die Schaufensterscheibe der Bank ein fast unüberwindliches Hindernis dar. Als die Polizei schließlich die Bank stürmen konnte, solidarisierten sich die Geiseln mit dem zweiten Täter, Dmitri Todorov (geb. 1947), um dessen Verhaftung zu verhindern. Rammelmayr starb noch am Tatort, und die Geisel Ingrid Reppel erlag in der Nacht ihren schweren Verletzungen. Todorov wurde vom Landgericht München I zu lebenslanger Haft verurteilt. 1993 wurde er nach 22 Jahren Haft vorzeitig entlassen. Als Konsequenz auf dieses Geiseldrama wurden die Sondereinsatzkommandos (SEK) gegründet.

Dieter Zlof und die Entführung von Richard Oetker

Am Dienstag, den 14. Dezember 1976 besuchte der Industriellensohn Richard Oetker (geb. 1951) ein Praktikum im Hörsaalgebäude der TU Weihenstephan in Freising. Nach Vorlesungsende verließ er als einer der Ersten den Hörsaal und begab sich zu seinem Auto. Auf dem Weg dorthin trat ihm ein mit einer schallgedämpften Pistole bewaffneter Mann entgegen und zwang ihn mit der Drohung: "Das Ding macht nur klack", den Laderaum eines blaugrauen VW-Transporters zu besteigen und sich dort in eine mit der Ladefläche fest verbundene Kiste aus Holzbrettern zu legen. Während der Entführer die Schiebetür des Laderaums zuwarf, startete ein Komplize den Motor und fuhr los.

Gegen 22.15 Uhr erhielt dann Oetkers Frau Marion den ersten Anruf des Entführers. Der "Cheker", wie Richard Oetker den Entführer stets nannte, teilte mit, dass ihr Mann entführt worden sei und die Polizei nicht eingeschaltet werden dürfe. Gegen 1.00 Uhr nachts am 15. Dezember 1976 erfolgte die Weiterfahrt zu einem zweiten Verwahrungsort, dessen Lage bis heute nicht bekannt ist. Dort wurde Oetker an eine Stromanlage angeschlossen, die auf akustische Signale, d. h. lautes Schreien oder Rufen reagierte, wodurch ein Stromstoß ausgelöst werden konnte. Noch in derselben Nacht stellte der Entführer seine Forderungen: Lösegeld in Höhe von 21 Mio. Mark in Banknoten à 1.000 Mark, die im Sheraton-Hotel am Freitag, den 17. Dezember 1976 zu übergeben waren. Dieser Termin wurde jedoch von den Entführern auf den 16. Dezember 1976 vorverlegt, da sich ein Zwischenfall ereignet hatte: Als am 15. Dezember 1976 gegen 8.30 Uhr der Bewacher Oetkers an der Heckklappe des Transporters hantierte, erhielt der Entführte einen lang andauernden Stromstoß, der ihn in akute Lebensgefahr brachte. Die Einwirkung des elektrischen Stromes verkrampfte den Körper des mit angezogenen Knien auf dem Rücken liegenden Entführten mit solcher Gewalt, dass beide Oberschenkelhalsknochen sowie der 7. und 8. Brustwirbelkörper gebrochen wurden.

Der Bruder des Entführten, August Oetker (geb. 1944), traf am 16. Dezember 1976 um 11.40 mit dem Lösegeld im Hotel Sheraton ein und wurde von dort über mehrere Stationen zum Stachus-Untergeschoss gelotst. Dort erfolgte die Übergabe und am Abend auch die Mitteilung des Aussetzungsorts des Entführten im Kreuzlinger Forst zwischen Germering und Planegg. Gegen 19 Uhr wurde Richard Oetker von zwei Polizeibeamten aufgefunden und in das Klinikum Großhadern gebracht. Trotz der medizinischen Versorgung trug das Opfer bleibende Schäden am Bewegungsapparat davon. Die Ermittlungen nach dem Täter gruppierten sich um einige wenige Ansatzpunkte; hier war vor allem das Aussetzungsauto der wichtigste Ansatzpunkt für die "SoKo-Oetker". Mit Hilfe einer Öffentlichkeitsfahndung konnten einige Sichtungshinweise für das Fahrzeug ermittelt werden. Auch das Entführungsfahrzeug, ein VW-Kastenwagen mit eingebauter Holzkiste, war ein Ansatzpunkt.

Die diesbezüglichen Fahndungsaufrufe hatten tatsächlich Erfolg, denn ein Nachbar des später als Täter verurteilten Dieter Zlof (geb. 1942), auf dessen Grundstück Zlof eine Kfz-Werkstätte betrieb, gab an, dass er kurz vor der Entführung einen derartigen alten grauen VW-Kastenwagen in Zlofs Werkstatt gesehen habe. Allerdings verlief die Suche nach Fahrzeug und Holzkiste ergebnislos, so dass die Kiste in der späteren Gerichtsverhandlung nachgebaut werden musste. Ein weiterer Verdachtsmoment gegen Dieter Zlof bildete der "VW-Pritschenwagen", in den in einem Fahrzeughohlraum ein Metallkasten eingebaut worden war, der bestens geeignet war, den zur Tat verwendeten Koffer mit dem Lösegeld aufzunehmen. Ein weiteres Verdachtsmoment fiel auf Zlof, als seine Stimme, die aus den Aufzeichnungen der Telefonüberwachung des Oetkeranschlusses stammte, in der Sendung "Aktenzeichen XY-ungelöst" zu hören war. In einem ersten vertraulichen Hinweis meldete sich eine Zeugin, die glaubte, in der Täterstimme mit Gewissheit die Stimme ihres ehemaligen Lebensgefährten Dieter Zlof erkannt zu haben.

Insgesamt zogen sich die Ermittlungen über zwei Jahre hin, wobei trotz des Einsatzes des gesamten damals zur Verfügung stehenden technischen Repertoires nicht alle Fragen mit letzter Sicherheit geklärt werden konnten. Bis heute sind die Verwahrungsorte Oetkers nur mit großer Wahrscheinlichkeit bekannt (Werkstatt in Pasing), und das Entführungsfahrzeug mit eingebauter Holzkiste blieb ebenso unauffindbar wie das Lösegeld. Die Fahndungserfolge sind überwiegend auf die intensive Involvierung der Bevölkerung in die Ermittlungen zurückzuführen. Presse, Radio, Telefonservice und Fernsehen (auch Farbfernsehen), hier vor allem die Sendung "Aktenzeichen XY-ungelöst ", wurden bemüht.

Seit Januar 1979 wurde das Telefon Zlofs überwacht, und am 29. Januar 1979 stellte das Amtsgericht München den Haftbefehl gegen Zlof aus, der dann am 30. Januar 1979 vollstreckt wurde. In einem Indizienprozess wurde Zlof, der die Tat bis zu diesem Zeitpunkt nicht gestanden hatte, am 9. Juni 1980 vom Landgericht München II zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt. Nach seiner Entlassung und der Verjährung der Entführung im Jahr 1996 gab Zlof zu, der Täter gewesen zu sein. Beim Versuch, die 1.000-Mark-Scheine, die mittlerweile ungültig geworden waren, in London gegen gültige Scheine umzutauschen, wurde Zlof 1997 erneut verhaftet. Scotland Yard fand bei ihm insgesamt 12,4 Mio. Mark in Tausenderscheinen. Die restlichen Scheine waren verrottet, da Zlof sie in einem Waldstück vergraben hatte.

Literatur

  • Peter Anders, Der Fall Vera Brühne. Tatsachenroman, Blumberg 2000.
  • Peter Anders, "Ich bin doch bitte unschuldig!". Der Fall Vera Brühne. Tatsachenroman, München 2012.
  • Peter Andres, Tödliche Intrigen. Ermittlungen im Fall Vera Brühne, Offenburg 1995.
  • Martin Arz, Todsicheres München. Die spektakulärsten Kriminalfälle, München 2009.
  • Christoph Bachmann, Vom Handwerk des Tötens oder von der Ehre der Mörder, in: Christian Schoen, Apfelböck oder über das Töten, München 2005, 179-201.
  • Manfred Böckl, Mathias Kneissl: der Raubschütz von der Schachermühle, Dachau 1998.
  • Johann Dachs, Verurteilt und hingerichtet. Berühmte Kriminalfälle aus der Oberpfalz und Niederbayern, 2. Aufl. Regenstauf 2016.
  • Toni Drexler, "Im Wald da sind die Räuber": Kneißl, Hiasl & Co. Räuberromantik und Realität. Ausstellung im Bauernmuseum Jexhof 22.2.-31.10.2002, Schöngeising 2002.
  • Michael Farin (Hg.), Polizeireport München. 1799-1999, Katalog zur gleichnamigen Ausstellung im Münchner Stadtmuseum, 23. April-22. August 1999 mit Beiträgen von Christoph Bachmann, München 1999.
  • Hans Fegert, Ferdinand Gump und Eduard Gänswürger. Zwei Raubmörder aus dem Donaumoos, Kösching 1992.
  • Karl-Johannes Heinhold, Die Bandenverbrechen der Jugendlichen in der Nachkriegszeit, Prüfungsaufgabe (masch.), Haar bei München 1954.
  • Thomas Kailer, Vermessung des Verbrechers. Die Kriminalbiologische Untersuchung in Bayern 1923-1945, Bielefeld 2005.
  • Michaela Karl, Sozialrebellen in Bayern. Matthäus Klostermair, Michael Heigl, Mathias Kneißl, Regensburg 2003.
  • Wilhelm Lukas Kristl, Das traurige und stolze Leben des Mathias Kneißl, Pfaffenhofen 1972.
  • Peter Leuschner, Der Mordfall Hinterkaifeck. Spuren eines mysteriösen Verbrechens, Hofstetten 3. überarbeitete Auflage 2007.
  • Michael Preute/Gabriele Preute/Klaus Brenning, Deutschlands Kriminalfall Nr. 1 Vera Brühne. Ein Justizirrtum?, München 1979.
  • Marlene Reidel, Der Räuber Kneißl. Mit einer Chronik der wirklichen Geschehnisse von Wilhelm Lukas Kristl, Ebenhausen bei München 2008.
  • Max Pierre Schaeffer, Der Fall Vera Brühne. Die Wahrheit, München 1979.
  • Christian Schoen (Hg.), Materialien und Essays zum Fall Apfelböck, zu Bertolt Brecht, zum Töten und zu Bildern vom Töten, mit Beiträgen von Christoph Bachmann und Margit Rosen, München 2005.
  • Ulrich Sonnemann, Der bundesdeutsche Dreyfus-Skandal. Rechtsbruch und Denkverzicht in der Justizsache Brühne-Ferbach, Wollerau 1974.
  • Ulrich Sonnemann (Hg.), Die Vergangenheit, die nicht endete. Machtrausch, Geschäft und Verfassungsbruch im Justizskandal Brühne/Ferbach, Gießen 1985.

Quellen

  • zu Josef Apfelböck: Staatsarchiv München, Staatsanwaltschaften 2293.
  • zu Johann Berthold: Staatsarchiv München, Staatsanwaltschaften 7134-7154; Polizeidirektion 8050.
  • zu Vera Brühne: Staatsarchiv München, Staatsanwaltschaften 33449/1-84.
  • zu Johann Eichhorn: Staatsarchiv München, Staatsanwaltschaften 9199-9225 (= S-Filme 932-933); Polizeidirektion 8008-8011 (= S-Filme 2849-2852); JVA München 158.
  • zu Gump/Gänswürger: Staatsarchiv München, Bezirksgerichte 284-322; StA Augsburg, Regierung 5458; Bezirksamt Neuburg 2889.
  • zu Hinterkaifeck: Staatsarchiv München, Polizeidirektion 8091 b.
  • zu Mathias Kneißl: Staatsarchiv München, Landratsämter 35069, 35093, 123384; RA 57963; Polizeidirektion 8112; Bayerisches Hauptstaatsarchiv, MJu 18058, MInn 73705; Staatsarchiv Augsburg: Regierung 5472; Bezirksamt Neuburg 6906.
  • zur Pantherbande: Staatsarchiv München, Staatsanwaltschaften 28727/1-9.
  • zu Adele Spitzeder: Staatsarchiv München, OLG-Urteilsbücher Nr. 25, Urteil Nr. 174; Landgerichte 2737ff.; NR München NR 1895/3073; PolDir 4642; Foto: Stadtarchiv München Neg.Nr. R 721/79; Adele Spitzeder, Geschichte meines Lebens, Stuttgart 1878 (neu herausgegeben von Hermann Wilhelm 1996 im Münchner Buchendorfer Verlag).
  • zu Todorov: Staatsarchiv München, Staatsanwaltschaften 35449/1-19.

Verfilmungen und Filmdokumentationen

  • Der Tanz mit dem Teufel: Die Entführung des Richard Oetker. Einer der spektakulärsten Kriminalfälle in der deutschen Geschichte (Regie: Peter Keglevic), München 2001.
  • Räuber Kneißl (Regie: Reinhard Hauff), München 1970.
  • Räuber Kneißl (Regie: Markus H. Rosenmüller), München 2008.
  • Vera Brühne. Der spektakulärste Mordfall der Nachkriegsgeschichte (Regie: Hark Bohm), München 2005.

Weiterführende Recherche

Externe Links

Empfohlene Zitierweise

Christoph Bachmann, Kriminalfälle (19./20. Jahrhundert), publiziert am 30.07.2012; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Kriminalfälle_(19./20._Jahrhundert)> (7.12.2024)