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Kabinettssekretariat

Aus Historisches Lexikon Bayerns

von Maximilian Vissers

Das Kabinettssekretariat war im Königreich Bayern eine Behörde zur Führung der Korrespondenz des Monarchen und zur Kommunikation zwischen dem Regenten und den Ministern. Je nach Monarch konnte die Rolle des häufig als Juristen ausgebildeten Kabinettssekretärs zwischen einem einflussreichen politischen Berater, der einen exklusiven Zugang zum Monarchen hatte, und einem einfachen Sekretär, der die aufgetragenen Schriftstücke ausfertigte, wechseln. Immer wieder stand die Behörde daher in der Kritik der Öffentlichkeit und des Landtages, dessen Kontrolle sie weitgehend entzogen war. Sie wurde mehrmals umbenannt, ohne jedoch ihre Rolle einschneidend zu ändern. Mit dem Ende der Monarchie wurde die Behörde abgeschafft.

König und Verfassungsrolle

Seit dem 26. Mai 1818 besaß Bayern eine moderne, gewaltenteilige Verfassung. Damit war die Periode des "Staatsabsolutismus" (Heinrich Held) abgeschlossen. Die Rechte des Königs wurden durch die Konstitution eingeschränkt, die der Ständeversammlung gestärkt. Dennoch sollte es eine ganze Weile dauern, bis sich das konstitutionelle System in Bayern eingespielt hatte. Die Dreiecksbeziehung zwischen Monarch, Ministern und dem Parlament war dynamisch; erst nach Jahrzehnten stellte sich so etwas wie ein "Gleichgewicht zwischen den Rechten der Krone und denen des Volkes" (Max Spindler) ein.

Das lag vor allem an der unterschiedlichen Interpretation des in der Verfassung verankerten "Monarchischen Prinzips" (Tit. II § 1). Gemäß diesem war der König souveräner Träger der Staatsgewalt und hatte seine Rechte aus freien Stücken an die Verfassungsorgane übertragen. Das Mittel, um seiner Prärogative Ausdruck zu verleihen, war das Kabinett, dessen Stellung unter den ersten beiden Königen gestärkt wurde. Dies ist umso bemerkenswerter, als eine solche Behörde in der Verfassungsurkunde von 1818 überhaupt nicht vorgesehen war. Vertreter des Konstitutionalismus und des Liberalismus hielten sie deshalb für verfassungswidrig. Sie galt ihnen als Ausdruck des absolutistischen Despotismus.

Vorgeschichte

Die Ausbildung des Kabinettssekretariats als Mittlerstelle zwischen dem Monarchen und den Spitzen der landesherrlichen Verwaltung ist eng verknüpft mit der Entstehung des frühmodernen Fürstenstaates im 16. Jahrhundert und dem seinerzeit gegründeten Geheimen Rat als politisch maßgeblicher Zentralbehörde.

Seit der Etablierung einer Geheimen Konferenz im Jahr 1726 hatten die Geheimen Sekretäre die Aufgabe, die Informationsflut der Behörden für den Kurfürsten zu kanalisieren. Einige von ihnen, wie der Italiener Johann Askanius von Triva (ca. 1677-1749), der Großvater des späteren Kriegsministers Johann Nepomuk von Triva (1755-1827), bekleideten zudem Ämter in der Hofverwaltung: Triva vereinigte im Rang eines Hofrats in sich die Funktionen eines Kabinettssekretärs sowie des "Staabs-Commissarius" beim Obersthofmeisterstab.

Seit der Herrschaft Kurfürst Karl Theodors (reg. 1777-1799) wurde im gedruckten Hof- und Staatskalender begrifflich zwischen dem Geheimen Kabinetts- und dem Geheimen Konferenzsekretär unterschieden. Mit dem Eintritt Bayerns in die Koalitionskriege schuf der Kurfürst zusätzlich das Amt des Geheimen Kriegskonferenzsekretärs. 1797 ersetzte er seinen langjährigen Kabinettssekretär und Vertrauten, Stephan Freiherrn von Stengel (1750-1822), der in seinen politischen Ansichten als liberal und den Ideen der Aufklärung zugeneigt galt, durch den konservativen Jesuitenfreund Johann Kaspar von Lippert (1729-1800). Seine Berufung bedeutete eine Politisierung des Kabinettssekretariats, nicht zuletzt deshalb, weil Lippert zusammen mit dem Beichtvater des Kurfürsten die Regierungsübernahme durch die wittelsbachische Linie Pfalz-Zweibrücken-Birkenfeld zu verhindern suchte. Nach dem Tod seines Herrn wurde Lippert vom neuen Kurfürsten Maximilian IV. Joseph (reg. 1799-1825; seit 1806 als König Maximilian I. Joseph) unmittelbar nach dessen Regierungsantritt im Februar 1799 von allen seinen Ämtern abberufen und in den Ruhestand versetzt.

Im Zuge der Reform der Staatsfinanzen, die am 20. Oktober 1804 im Erlass der Domanialfideikommißpragmatik gipfelte, wurden die Etats von Hof- und Staatsverwaltung getrennt und das Kabinettssekretariat als solches aufgelöst. Die Verwaltung der kurfürstlichen Schatullgelder lag fortan bei der Kurfürstlichen Privat-Dispositions-Kasse, die bis zum Ende der Regierung Max Josephs dem Obersthofmeisterstab unterstand. Die Verwaltung dieser Kasse oblag zwischen 1799 und 1803 Johann Ludwig Rheinwald (1763-1811), später Johann Nepomuk Käser (1747-1827). Für die politischen Angelegenheiten des Königs war der Geheime Legationsrat Karl August von Ringel (1771-1831) verantwortlich, der jedoch nicht dem Hofstaat des Königs, sondern dem Außenministerium zugeordnet war. Der Erlass der Verfassung 1818 machte auf lange Sicht eine Neuregelung des Verhältnisses zwischen Monarch, Verwaltung und Parlament notwendig. Strittig war vor allem die Frage nach der Sicherung der königlichen Prärogative.

Aufgaben

König Max I. Joseph (1756-1825). Lithographie von Franz Hanfstaengl (1804-1877) nach Joseph Karl Stieler (1781-1858). (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv port-018673)
Die Räume des Kabinettssekretariats befanden sich im sog. Hofdamenstock im ersten Stock am Kapellenhof der Münchner Residenz (rechts im Bild). (Foto: Rufus46 lizenziert durch CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons)

In der Kabinettsordre vom 9. März 1821 stattete Max I. Joseph Kabinettsrat von Ringel mit weitreichenden Befugnissen aus. Die Aufgaben des königlichen Kabinetts blieben bis 1918 im Kern dieselben: Der Kabinettsrat (ab 1825 wieder "Kabinettssekretär") war das unmittelbare Organ des Monarchen zur Kommunikation mit den Ministern. Heinrich Ritter von Lang (1764-1835) schildert in seinen Memoiren eindrücklich den morgendlichen Rapport Ringels im Privatappartement des Königs. Der Kabinettssekretär legte seinem Herrn bei dieser Gelegenheit die Protokolle der Ministerkonferenz zur Unterschrift vor und entwarf mit diesem gemeinsam entsprechende Befehle und Handschreiben. Die Ausfertigung der Korrespondenz fand in den Räumen des Kabinettssekretariats am Kapellenhof der Münchener Stadtresidenz statt.

Der Handlungsspielraum des Kabinettssekretärs lag damit in der Vorbereitung seiner Sitzungen mit dem König. Allgemein lässt sich konstatieren: Je weniger der jeweilige Monarch sich persönlich bei den Spitzen der zivilen und militärischen Verwaltung informierte, desto größer waren die Einflussmöglichkeiten des Kabinettssekretärs. Wenn der König vor allem seinem Kabinettssekretär Vertrauen schenkte, dann glich dessen Position einem Nadelöhr, im entgegengesetzten Fall war er ein besser bezahlter Schreiber. Prinzipielle Aussagen lassen sich dahingehend noch nicht treffen. Vielmehr sollte die Beziehung jedes einzelnen Kabinettssekretärs zu seinem Monarchen ins Auge gefasst werden.

König Ludwig I. entließ anlässlich seines Regierungsantritts 1825 den Kabinettsrat seines Vaters und ersetzte ihn durch Joseph von Martin (1775-1828). 1828 folgte diesem der Würzburger Jurist Bernhard von Grandauer (1776-1838), der das Amt bis 1838 bekleidete. In Abgrenzung zu seinem Vater baute Ludwig I. das Kabinettssekretariat kontinuierlich aus und stärkte dessen Befugnisse. Grandauer vertrat eine streng monarchistische Gesinnung und verteidigte publizistisch das Legitimitätsprinzip der bayerischen Krone, unter anderem in der von Johann Baptist von Pfeilschifter (1792-1874) herausgegebenen Zeitschrift "Der Staatsmann". Die Ernennung Grandauers markierte nicht zuletzt Ludwigs Abkehr von seiner bis dahin oftmals liberalen Politik hin zu religiös begründeten, traditionalistischen Ordnungsvorstellungen von Herrschaft.

Das Kabinettssekretariat wurde zu einem der wichtigsten Instrumente seines persönlichen Regiments. Seit 1833 unterstanden sowohl das Kabinettssekretariat als auch die Kabinettskasse dem königlichen Obersthofmeisterstab. Damit waren die Einflussmöglichkeiten staatlicher Organe und des Landtags auf die Privatangelegenheiten des Königs und dessen Entscheidungsfindungsprozess auf ein Minimum zurückgedrängt, ohne dass der verfassungsmäßige Rahmen verlassen worden war.

Kompetenzen und Organisation

König Ludwig I. von Bayern (reg. 1825-1848), Kupferstich nach einem Gemälde Joseph Karl Stielers, um 1830. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv port-008911)

Das Kabinettssekretariat gliederte sich unter Ludwig I. in zwei Abteilungen: eine für Staatsangelegenheiten und eine, die die königliche Kabinettskasse verwaltete und private Angelegenheiten des Königs regelte.

Die erste Abteilung wurde auch Büro für Staatsgeschäfte genannt. Sie trug einen stärker amtlichen Charakter. Im Kern vermittelte sie den Schriftverkehr mit den Behörden, informierte den König in das Staatsrecht betreffenden Fragen, fertigte entsprechende Gutachten an und entwarf Kabinettsreskripte.

Die zweite Abteilung war aus der "Privatdispositionskasse" hervorgegangen, die so seit der Reform des höfischen Finanzwesens bestanden hatte. Die Kabinettskasse verwaltete die Besitzungen und das Privatvermögen des Königs. Seit 1804 bezog sie eine feste Dotation aus dem Hofetat. Im Jahr 1815/16 betrug dieser Posten beispielsweise 600.000 Gulden. Er wurde Jahr für Jahr neu festgelegt. Erst seit dem Erlass der Verfassung 1818 sah der Hof eine längere Laufzeit als notwendig an, um den Einfluss des Landtages auf seine Gelder zu begrenzen. Das königliche Finanzgesetz vom 22. Juli 1819 verlängerte sie deshalb auf sechs Jahre. Mit der Etablierung der permanenten Zivilliste im Jahr 1834 waren die privaten Gelder des Königs noch stärker vor dem Einblick durch die anderen Verfassungsorgane abgeschirmt.

König Maximilian II. Joseph (reg. 1848-1864) schuf 1852 zusätzlich das Hofsekretariat. Es war zuständig für die Angelegenheiten des Hofes und der königlichen Familie. Ihm unterstellte er die Kabinettskasse, die die Finanzen der königlichen Familie verwaltete, und die Hofkasse, die als zentrale Rechnungsstelle der Hofbehörden diente. Damit waren die Gelder des Staates und des Hofes endgültig klar von denjenigen des Monarchen geschieden. Der Hofsekretär erfüllte gewissermaßen die Funktion eines "General-Intendanten der k[öniglichen] Civilliste" (Der Bayerische Landbote 270 (27.9.1865), 1088), ohne diesen Titel tatsächlich zu führen.

Personal

Das Personal des Kabinettssekretariats bestand 1833 aus zwei Kabinettssekretären, zwei Kanzleisekretären sowie Dienern und Boten in wechselnder Anzahl. Hinzu kamen bei der Kabinettskasse ein Zahlmeister, ein Kontrolleur und ein Offiziant sowie ein weiterer Diener. Bei den Kabinettssekretären handelte es sich stets um erfahrene Juristen. Häufig hatten sie sich zuvor im Staatsdienst ausgezeichnet. Einige von ihnen hatten ihrem Herrn schon vor dessen Thronbesteigung gedient, immer wieder gab es solche, die persönliche Interessen und Neigungen mit dem Monarchen teilten. Die Kanzleisekretäre waren in der Regel ebenfalls juristisch gebildet oder zumindest im Kanzleidienst erfahrene Staatsdiener.

Der Elsässer Johann Ludwig Rheinwald kam zusammen mit Max I. Joseph an den Münchner Hof. Er verwaltete nicht nur die Korrespondenz des Königs, sondern war darüber hinaus Lehrer der königlichen Kinder und Stammgast bei den wöchentlichen Kartenspielabenden des Königs. Auch nachdem Rheinwald 1803 wegen mangelhafter Geschäftsführung entlassen worden war, behielt er das Vertrauen des Königs. Dieser bestellte ihn 1808 zum ersten Leiter des Statistisch-Topographischen Bureaus.

In einigen Fällen übernahm ein König aber auch den Kabinettssekretär seines Vorgängers, so etwa Maximilian II. von seinem Vater August Schilcher (1794-1872; im Amt 1838-1856). Im Herbst 1848 empfahl der erfahrene Jurist seinem Monarchen die Auflösung des Kabinettssekretariats, weil viele Revolutionäre im Bestehen dieser Stelle einen Verstoß gegen die Verfassung zu erkennen glaubten. Denn anders als die anderen Hofbehörden nahm das Kabinettssekretariat eine Zwitterstellung ein: Formal unterstand es der Hofverwaltung, in der Realität nahmen die Kabinettssekretäre aber durchaus Einfluss auf die Politik, jedoch ohne dafür die direkte Verantwortung übernehmen zu müssen. Dies widersprach jedoch dem, auf Druck der Märzrevolutionäre durchgesetzten Prinzip der Ministerverantwortlichkeit, das seit 1850 gesetzlich verankert war. Der König folgte dem Rat Schilchers. Dieser verblieb als Ministerialrat und Chef der Kabinettskanzlei im unmittelbaren Dienst des Monarchen. Die politische Abteilung des Kabinettssekretariats wurde damit zumindest formal aufgelöst, die private blieb aber weiterhin bestehen.

Nachdem sich die Revolutionswirren gelegt hatten, stellte Maximilian II. das Sekretariat wieder her, diesmal allerdings unter dem Namen "Sekretariat Seiner Majestät des Königs von Bayern". Wie schon sein Vater versuchte auch Maximilian II., den Geschäftsgang seiner Minister zu umgehen. Dies gelang jedoch nur bedingt, da seit dem Gesetz über die Ministerverantwortlichkeit die Möglichkeit zur Ministeranklage bei Verfassungs- und Gesetzesverstößen königlicher Verordnungen bestand, was Alleingänge des Königs juristisch unmöglich machte. Statt zur Stärkung der Rechte des Parlaments, wie von den Abgeordneten erhofft, führte das Gesetz allerdings zu einer Verbesserung der Position der Minister gegenüber dem Monarchen, da sich jene nun stärker auf die Verfassung als zentralem Bezugspunkt ihres Regierungshandelns berufen konnten.

Als Ludwig II. 1864 mit 18 Jahren den bayerischen Thron bestieg, war ihm der langjährige Kabinettssekretär seines Vaters, Franz Seraph von Pfistermeister (1820-1912), zunächst eine wichtige Stütze. Weil sich der 25 Jahre ältere Sekretär aber bald gegen Richard Wagner (1813-1883), das Idol und den Freund des Monarchen, aussprach und die großspurigen Pläne des Königs kritisierte, entließ Ludwig II. den Kabinettssekretär 1866 und ersetzte ihn durch den gefügigeren Johann von Lutz (1826-1890). Von da an wechselten die Amtsinhaber im Abstand von wenigen Jahren, was sich zum einen aus dem Herrschaftsverständnis des Monarchen, zum anderen aus der Arbeitsbelastung ergab, welche dieser seinen Sekretären aufbürdete.

Arbeitsalltag

Königliches Hofjagdlager um 1900/1910 in Vorderriß (Lkr. Bad Tölz-Wolfratshausen). Von links nach rechts: Alfred von Halm (Mediziner, 1844-1919), Max Freiherr von Massenbach (1873-1963), Max von Krembs (Forstrat, Hofjagdinspektor, 1869-?), Peter von Wiedenmann (Vorstand der Geheimkanzlei und zugleich Generaladjutant des Prinzregenten, 1847-1917), Fritz von Hellingrath (Maler, Radierer, Oberst, 1866-1946), Prinzregent Luitpold von Bayern. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv port-033920)

Der Arbeitsalltag eines Kabinettssekretärs richtete sich nach demjenigen seines Monarchen. Wenn es der König bevorzugte, in den frühen Morgenstunden vorgetragen zu bekommen, dann musste er genauso parat stehen wie im umgekehrten Fall in den späten Abend- oder Nachtstunden. Ebenso war es die Pflicht des Kabinettssekretärs, seinen Herrn auf dessen Reisen zu begleiten. Ein Extrembeispiel war dahingehend Ludwig II.: In einer Frequenz wie kein Monarch vor ihm hielt er sich fernab der Münchner Stadtresidenz auf. Darüber hinaus war der ungewöhnliche Rhythmus des Königs, bei dem sich im Laufe der Jahre Tag und Nacht verkehrten, eine Herausforderung für jeden, der in seiner Nähe arbeiten musste.

Die Anforderungen an die Persönlichkeit eines Kabinettssekretärs waren hoch. Er musste nicht nur ungewöhnlich belastbar, sondern zudem unbedingt treu und verschwiegen sein. Jeden Auftrag, den er erhielt, musste er schnell, verlässlich und diskret erledigen. Dies erforderte eine ungemeine Geschäftsgewandtheit, sowohl im Umgang mit dem Monarchen als auch mit Vertretern von Staat, Hof und Militär. Bei Audienzen und auf Reisen war er es, der die Anträge von Bittstellern entgegennahm und diese verzeichnete.

Ein guter Kabinettssekretär war mit den Vorlieben seines Monarchen vertraut, kannte dessen Werte und politische Zielvorstellungen, und war insbesondere dazu in der Lage, diese in passende Worte zu fassen. Letzteres konnte eine echte Herausforderung sein, wenn der Auftraggeber selbständig in die Formulierungen eingriff oder zahlreiche Änderungswünsche artikulierte. König Ludwig I. war beispielsweise bekannt für seine als Signate bezeichneten Ergänzungen und Kommentare, die sich zuhauf in Schreiben aus seiner Regierungszeit finden.

Die Auflösung des Kabinettssekretariats durch Prinzregent Luitpold

Siegelmarke "Vorstand der Geheimkanzlei Seiner K. Hoheit d. Prinz-Regenten", ca. 1886-1913. (gemeinfrei via Wikimedia Commons)

Die Überstrapazierung der Kabinettskasse durch die Bauprojekte Ludwigs II. gab Anlass zum Umbau des Kabinettssekretariats. Im Jahr 1877 wandte sich der Hofsekretär Lorenz von Düfflipp (1821-1886) mit einem Memorandum an Ludwig II. und schlug diesem vor, seine Bautätigkeit einzuschränken. Nachdem er damit keinen Erfolg hatte, trat Düfflipp von seinem Amt zurück. Obwohl sie durch das Finanzgesetz vom 29. Juli 1876 auf einen Betrag von 4.231.044 Mark erhöht worden war, reichten die Gelder der königlichen Zivilliste nicht mehr zur Deckung der laufenden Kosten aus. Im Winter 1883/84 beliefen sich die Schulden der Kabinettskasse schließlich auf 8 ¼ Millionen Mark. Seit 1885 drohten ausländische Banken deshalb mit der Pfändung. Da die Nichtbereinigung des königlichen Schuldenwesens die Gültigkeit des monarchischen Prinzips zunehmend gefährdete, entschloss man sich seitens der Regierung, den Monarchen für regierungsunfähig zu erklären und die Regierungsgeschäfte an dessen Onkel Luitpold (reg. 1886-1912) zu übertragen.

Prinzregent Luitpold löste das Kabinettssekretariat mit einem Handschreiben vom 29. Juli 1886 in seiner bisherigen Form auf und schuf stattdessen die Geheimkanzlei. Nach außen hin fand damit die "allseits befehdete Einrichtung" (Bernhard Zittel) ihr Ende. De facto blieb der direkte und indirekte Einfluss, wie ihn die Kabinettssekretäre ausgeübt hatten, nur unter dem Namen des Vorstandes der Geheimkanzlei bestehen. Deren Leitung hatte fortan jeweils einer der General- oder Flügeladjutanten des Prinzregenten inne. Mit der Errichtung der Geheimkanzlei ging eine spürbare Eindämmung der ministeriellen Handlungsspielräume einher, da sämtliche Minister ihre schriftlichen Berichte künftig an den Chef der Geheimkanzlei schicken mussten. Dieser hatte es dann in der Hand, worüber und in welchem Umfang er den Regenten informierte. Vor allem der ehrgeizige Flügeladjutant Ignaz Freiherr Freyschlag von Freyenstein (1827-1891) war es, der die von ihm geleitete Stelle schrittweise zu einer Art Militärkanzlei nach preußischem Vorbild erweiterte und damit hinsichtlich seiner Kompetenzen mit dem Kriegsministerium konkurrierte.

Ludwig III. (reg. 1912/13-1918) kehrte schon 1912, während seiner Zeit als Prinzregent, zur alten Bezeichnung "Kabinett" zurück. Der Machtzuwachs der Behörde zeigte sich auch 1917, als der Chef des Zivilkabinetts, Otto von Dandl (1868-1942), zum Minister des Königlichen Hauses und des Äußern ernannt wurde. In seiner Funktion als Vorsitzender des Ministerrats musste Dandl am 8. Novemeber 1918 sein Amt an den ersten Ministerpräsidenten des Freistaats Bayern, Kurt Eisner (USPD, 1867-1919), übergeben.

Quellen und Forschungsstand

König Ludwig I. verfügte noch zu Lebzeiten die Verwahrung seiner Kabinettsakten im Wittelsbacher Hausarchiv. Deshalb sind die beim Kabinettssekretariat sowie der Kabinettskasse erwachsenen Schriftwechsel, Akten und Rechnungen, auch diejenigen seiner Thronnachfolger, in den Besitz des Hausarchives gelangt. Bei Max I. Joseph gestaltet sich die Situation komplexer: Die Arbeit der Privatdispositionskasse lässt sich mithilfe der Überlieferung des Finanzministeriums sowie des Obersthofmeisterstabes nachvollziehen, diejenige des Kabinettsrats Ringel anhand der Überlieferung der verschiedenen Ministerien sowie im Nachlass des Königs.

In der Forschung wurde die Arbeit des Kabinettssekretariats bisher nicht systematisch untersucht. Grundlegend sind die Aufsätze von Max Spindler (1894-1986) zum Kabinett Ludwigs I. bzw. dessen Biografie des Sekretärs Bernhard Grandauer. 2004 hat sich Christof Botzenhart (geb. 1969) mit der Regierungstätigkeit Ludwigs II. beschäftigt. Dabei konnte er die zentrale Rolle des Kabinetts aufzeigen, welches der König als ein Instrument zur Durchsetzung seines Herrscherwillens nutzte. Abgesehen von den genannten Forschungen, die das Kabinett als solches ins Auge nahmen, gibt es eine Anzahl biografischer Untersuchungen zu einzelnen Kabinettssekretären.

Liste der Kabinettssekretäre und Vorsteher der Geheimkanzlei

Name Lebensdaten Amtszeit Bemerkung Porträt
Max I. Joseph
Johann Ludwig Rheinwald 1763-1811 1799-1803 Kabinettssekretär;

ab 1808 Direktor des Statistisch-
Topographischen Bureaus;
Mitglied bei der Historischen Klasse der
Bayerischen Akademie der Wissenschaften.

Johann Nepomuk Käser 1749-1827 1803-1820 Kabinettssekretär;

1787-1799 Agent des Herzogs von
Pfalz-Zweibrücken am Münchner Hof.

Karl August von Ringel 1771-1831 1821-1825 Kabinettsrat.
Ludwig I.
Joseph von Martin 1775-1828 1825-1828 Kabinettsrat.
Bernhard von Grandauer 1776-1838 1828-1838 zugleich Mitglied des obersten Kirchen-

und Schulrates.

Bernhard von Grandauer (1776-183). Druckgrafik von Gottlieb Bodmer (1804-1837) , 1834. (gemeinfrei via Porträtsammlung des Münchner Stadtmuseums)
Max August von Schilcher 1794-1872 1838-1848 Gemälde Max August von Schilchers (1794-1872) in Jägerkleidung, circa 1850. (gemeinfrei via Wikimedia Commons)
Maximilian II.
Max August von Schilcher 1848-1856 übernommen vom Vorgänger;

Chef der Kabinettskanzlei,
1852-1867 Staatsrat.

Franz Seraph von Pfistermeister 1820-1912 1856-1864 1864-1895 Staatsrat. Franz Seraph von Pfistermeister (1820-1912). (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv port-013923)
Ludwig II.
Franz Seraph von Pfistermeister 1864-1866 übernommen vom Vorgänger.
Max von Neumayr 1808-1881 Oktober-Dezember 1866 1848-1849 Mitglied der

Nationalversammlung in Frankfurt;
1849-1859 Gesandter Bayerns
in Stuttgart;
1859-1865 Innenminister;
1866 Pensionierung;
1868 Vertreter Bayerns im
Zollparlament.

Max von Neumayr (1808-1881). Foto von Franz Seraph Hanfstaengl (1804-1877), c. 1861. (Stadtmuseum München FM 85/101-130)
Johann von Lutz 1826-1890 1866-1869 1863 Mitarbeiter im Kabinett;

1866 Führt bereits vor der
offiziellen Ernennung als bisheriger
Stellvertreter Pfistermeisters die Geschäfte
1867-1869 Justizminister
1869-1890 Kultusminister.

Johann von Lutz (1826-1890). Fotografie von Franz Hanfstaengl (1804-1877). (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv port-009079)
Felix Friedrich von Lipowsky 1824-1900 1867-1869 1871-1895 Regierungspräsident

von Niederbayern.

Felix Friedrich Ritter von Lipowsky (1824-190). Fotografie von Franz Hanfstaengl (1804-1877), 1868. (gemeinfrei via Wikimedia Commons)
August von Eisenhart 1826-1905 1869/70-1876 1866 Mitarbeiter im Kabinett;

1869 Führt bereits vor der offiziellen
Ernennung als bisheriger
Stellvertreter Lipowskys die Geschäfte.

Exlibris Augusts von Eisenhart (1826-1905) von 1865. (Stadtarchiv München, DE-1992-HV-BS-A-30-16)
Friedrich von Ziegler 1839-1897 1876/77-1879 1872 Mitarbeiter im Kabinett;

1876 Führt bereits vor der offizielle
Ernennung als bisheriger
Stellvertreter Eisenharts die Geschäfte

Friedrich von Ziegler (1839-1897). (Abbildung aus: Das Bayerland 8, 1897, 465)
Ludwig August von Müller 1846-1895 1879-1880 1880-1886 Leiter des Statistischen

Büros im Innenministerium;
1886-1890 Polizeidirektor von München;
1890-1895 Kultusminister.

Ludwig August von Müller (1846-189), Fotografie von Franz Hanfstaengl (1804-1877). (gemeinfrei via Wikimedia Commons)
Friedrich von Ziegler 1880-1883 Zweite Amtszeit;

1888-1894 Regierungspräsident
der Oberpfalz;
1894-1897 Regierungspräsident
von Oberbayern.

Alexander von Schneider 1845-1909 1883-1886 1876-1883 bereits Mitarbeiter

des Kabinettssekretariats;
1886-1896 Mitarbeiter
im Finanzministerium;
ab 1896 Präsident des
Oberkonsistoriums.

Alexander von Schneider (1845-1909). (Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Alexander von Schneider 27)
Prinzregent Luitpold
Ignaz Freyschlag von Freyenstein 1827-1891 1886-1891 seit 1868 Adjutant von

Prinz Luitpold;
ab 1886 Vorstand des
Geheimkanzlei;
zugleich Flügeladjutant

des Prinzregenten.

Ignaz Freyschlag von Freyenstein (1827-1891), Graphik um 1890. (gemeinfrei via Wikimedia Commons)
Friedrich von Zoller 1843-1900 1892-1900 Vorstand des Geheimkanzlei;

zugleich Flügeladjutant

des Prinzregenten.

Friedrich von Zoller (1843-1900). Fotografie von Adolf Baumann, ca. 1900. (Stadtarchiv München, C1900080)
Peter von Wiedenmann 1847-1917 1900-1912 Vorstand des Geheimkanzlei;

zugleich Generaladjutant
des Prinzregenten

Peter von Wiedenmann (1847-1917). (Detail von Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv port-033920)
Ludwig III.
Otto von Dandl 1868-1942 1912-1917 Staatsrat und Chef des Zivilkabinetts;

ab 1917 Minister des Äußern und
Vorsitzender des Ministerrates.

Otto von Dandl (1868-1942). Fotografie von Theodor Hilsdorf (1868-1944). (gemeinfrei via Porträtsammlung des Münchner Stadtmuseums)
Heinrich Graf von Spreti 1868-1944 1917-1918 Chef des Zivilkabinetts;

1918-1923 Ministerialdirektor
im Innenministerium;
1923-1933 Regierungspräsident
von Schwaben.

Heinrich Graf von Spreti (1868-1944), 1910. (gemeinfrei via Wikimedia Commons)

Literatur

  • Christof Botzenhart, "Ein Schattenkönig ohne Macht will ich nicht sein". Die Regierungstätigkeit König Ludwigs II. von Bayern (Schriftenreihe zur Bayerischen Landesgeschichte 142), München 2004.
  • Caroline Gigl, Die Zentralbehörden Karl Theodors in München 1778-1799 (Schriftenreihe zur Bayerischen Landesgeschichte 121), München 1999.
  • Johann Georg Kruenitz, Oekonomische Encyklopädie oder allgemeines System der Staats-, Stadt-, Haus- und Landwirtschaft. Fortgeführt von Friedrich Jacob Floerken, Heinrich Gustav Flörke, Johann Wilhelm Korth, Carl Otto Hoffmann und Ludwig Kossarski, 242 Bände, Berlin 1773-1858.
  • Karl Möckl, Die Prinzregentenzeit. Gesellschaft und Politik während der Ära des Prinzregenten Luitpold in Bayern, München/Wien 1972.
  • Walter Schärl, Die Zusammensetzung der bayerischen Beamtenschaft von 1806 bis 1918, Kallmünz 1955.
  • Achim Sing, Die Wissenschaftspolitik Maximilians II. von Bayern (1848-1864). Nordlichterstreit und gelehrtes Leben in München, Berlin 1996.
  • Max Spindler, Grandaur, Bernhard, Kabinetts-Sekretär König Ludwigs I., in: Lebensläufe aus Franken (Veröffentlichungen der Gesellschaft für Fränkische Geschichte, Reihe 7, Band 5), Würzburg 1936, 115-133.
  • Max Spindler, Das Kabinett unter König Ludwig I., in: Ders., Erbe und Verpflichtung. Aufsätze und Vorträge zur bayerischen Geschichte, hg. von Andreas Kraus, München 1966, 252-263.
  • Bernhard Zittel, Kabinettssekretariat und Kabinettskanzlei, in: Wilhelm Volkert (Hrsg.), Handbuch der bayerischen Ämter, Gemeinden und Gerichte 1799-1980, München 1983, 15-16.

Quellen

Weiterführende Recherche

Externe Links

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Empfohlene Zitierweise

Maximilian Vissers, Kabinettssekretariat, publiziert am 05.11.2024; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Kabinettssekretariat> (3.12.2024)