Fränkischer Kurier
Aus Historisches Lexikon Bayerns
Am 1. Januar 1834 von Johann Georg August Schemm gegründetes Blatt, dass nach der Vereinigung mit dem traditionsreichen "Friedens- und Kriegskurier" 1865 und anderen kurzlebigen Blättern zur größten Nürnberger Tageszeitung avancierte. Bis 1918 Organ des liberalen Bürgertums, ging der "Kurier" während der Weimarer Republik schrittweise in den Besitz der Gutehoffnungshütte (GHH) über und entwickelte sich unter dem politischen Redakteur und späteren Hauptschriftleiter Rudolf Kötter (1893-1964) zu einem republikfeindlichen, mitunter auch antisemitischen Blatt. Durch die Konkurrenz des NS-Parteiorgans "Fränkische Tageszeitung" von Julius Streicher (NSDAP, 1885-1946) sank die Auflagenzahl seit 1933 stetig. Als eines der letzten großen Privatblätter Bayerns stellte der "Fränkische Kurier" sein Erscheinen am 31. August 1944 ein. Der Versuch, die Zeitung im Jahr 1949 unter dem Namen "Neuer Kurier" neu herauszugeben, scheiterte.
Anfänge unter verschiedenen Namen und Herausgebern
Herausgegeben von Dr. Johann Georg August Schemm, einem gebürtigen Nürnberger und ehemaligen Redakteur der "Bayreuther Politischen Zeitung", erschien zum 1. Januar 1834 in Nürnberg eine neue Zeitung mit dem Titel "Die Allgemeine Zeitung von und für Bayern. Tagsblatt für Politik, Literatur und Unterhaltung". Doch schon bald verschwand der Name des Gründers aus dem Impressum zugunsten des Redakteurs Dr. Löhner, einem ehemaligen Vikar aus Fürth, dessen kirchenfeindliche Beiträge in der Folge für allerlei Beschwerden sorgten. Als Verleger der sieben Mal in der Woche erscheinenden Zeitung wurde ab Dezember 1834 bis zu seinem Tod im Mai 1839 der Buchdrucker Johann Adam Riedel (gest. 1839) aus Nürnberg genannt.
Der eigentliche Aufstieg des Blattes begann erst 1839 mit der Übernahme durch Wilhelm Tümmel (1808–1886) aus Braunschweig, der 1835 in Nürnberg eine Druckerei gekauft hatte. Er reduzierte die Erscheinungsweise auf sechs Ausgaben pro Woche mit einem zusätzlichen Sonntagsblatt. Neuer Redakteur wurde Johann Paul Priem (1815–1890), der auch als Mundartdichter bekannt wurde und den Unterhaltungsteil des Blattes ausbaute. Zwar legte Priem nach zwei Jahren die Schriftleitung wieder nieder, blieb aber der Reaktion noch längere Zeit verbunden. Auch der folgende leitende Redakteur George Winter blieb nur zweieinhalb Jahre, bis 1843. Unter seiner Leitung wurde im Mai 1841 der Name des Blattes in "Nürnberger Allgemeine Zeitung" verändert und ein halbes Jahr später zum 1. Januar 1842 auf "Nürnberger Zeitung" verkürzt. Winter wurde von dem bisherigen Redaktionsleiter des "Nürnberger Kuriers" Dr. Friedrich Mayer (1804–1857) abgelöst. Mayer war ein höchst umtriebiger Geist und Radikaldemokrat, wie die Revolution 1848/1849 zeigen sollte. Er hatte schon 1832 am Hambacher Fest teilgenommen und prägte in den folgenden Jahren die Ausrichtung des Blattes als Sprachrohr des linksliberalen Bürger- und Kleinbürgertums. Zum 1. Januar 1846 erhielt das Blatt auf Betreiben Tümmels den neuen Namen "Mittelfränkische Zeitung", und der Verleger übernahm nach massiven Beschwerden der Zensurbehörde bei der Regierung von Mittelfranken gegen Mayersche Artikel selbst die Verantwortung für die Redaktion, vergrößerte angesichts der Bedürfnisse des Jahres 1848 auch das Format. Gleichzeitig nahm er den Wahlspruch "Für Recht, konstitutionelle Freiheit und Vaterland" in den Kopf der Titelseite auf. Von 1848 bis 1850 erschien das Blatt zwei Mal täglich. Friedrich Mayer, der mit dem "Montagsblatt" der Zeitung eine beliebte Feuilletonbeilage gegründet hatte, bekam aufgrund seiner radikaldemokratischen Ansichten, aber auch wegen seines Privatlebens immer wieder Schwierigkeiten mit der Aufsichtsbehörde und Polizei und musste im August 1849 die Schriftleitung niederlegen.
Es folgten als leitende Redakteure vorübergehend Wilhelm oder Friedrich Tümmel, ehe im Januar 1850 Ludwig Jegel (1822-1884) diese Aufgabe übernahm. Genaue Zahlen zur Auflagenentwicklung sind bis zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zu ermitteln, doch war das Blatt um 1850 zur führenden Nürnberger Tageszeitung aufgestiegen, allerdings mit einem auf Franken beschränkten Verbreitungsgebiet. Die Nürnberger Geschäftswelt inserierte daher bevorzugt in der Zeitung. Der Leserkreis war vornehmlich im Bürger- und – insbesondere 1848 - im Kleinbürgertum zu suchen.
Die große Zeit des "Fränkischen Kuriers" 1850-1918
Mit Ludwig Jegel begann die Umgestaltung von Form, Inhalt und Umfang der Zeitung zum "Fränkischen Kurier", den die "Mittelfränkische Zeitung" bereits Ende März 1850 ankündigte und wie folgt zusammenfasste: "Das Bedürfnis eines Organs für die fränkische Fortschrittspartei, welches unabhängig von irgendeiner parlamentarischen Fraktion die Schwingungen der nationalen, politischen und sozialen Bewegung in Deutschland getreu abspiegelt und freimütig erörtert, ohne in einem vagen und haltlosen Doktrinarismus zu versanden oder über den spezifisch bayerischen Angelegenheiten die voll berechtigten Ansprüche des Zeitung lesenden Publikums auf rasche, getreue und zuverlässige Mitteilung der Weltereignisse zu vergessen, hat uns zu dieser Umwandlung unseres Blattes bewogen." Ab 28. März 1850 erschien der "Fränkische Kurier" unter dem neuen Namen in verändertem Umbruch und mit der für die nächsten Jahrzehnte bestimmenden Rubrikaufteilung: Leitartikel, Deutsche Staaten, Ausland, "Fränkische Krone", Feuilleton, Anzeigen. Im Titel wurde als politische Grundrichtung "bürgerlich-demokratisch-freisinnig" angegeben. Der "Fränkische Kurier" sollte Organ der fränkischen Fortschrittspartei werden, unabhängig von parlamentarischen Fraktionen. Ein Anliegen war es, über bayerische Angelegenheiten hinaus die deutschen Entwicklungen und Weltereignisse zu berichten.
Eine wichtige Aufwertung erfuhr das Blatt 1865 durch die Eingliederung des "Nürnberger Kuriers". Dieses 1673 von Wolff Eberhard Felsecker (1626-1680) als "Nürnberger Friedens- und Kriegskurier" gegründete Blatt war die älteste Nürnberger und zweitälteste bayerische Zeitung. Fortan führte der "Fränkische Kurier" den Nebentitel "Nürnberger Kurier".
1878 schaffte Wilhelm Tümmel eine der ersten Rotationsdruckmaschinen in Bayern an. Die Erscheinungsweise des nun auch im Umfang wachsenden Blattes wurde zunächst im Jahre 1869, dann endgültig von 1871 bis 1922 auf zwei Mal täglich umgestellt.
Die umfangreiche Berichterstattung auch über die lokalen Ereignisse und die Angelegenheiten der sich bis 1881 zur Großstadt entwickelnden und vor 1900 explosionsartig wachsenden Stadt Nürnberg und ihrer Verwaltung machen den "Fränkischen Kurier" bis heute zu einer bevorzugten Quelle, um sich über die Stadtereignisse erstmalig zu orientieren. Lokalpolitische Entwicklungen und die oftmals nur wenig gekürzt abgedruckten Reden der führenden Politiker nahmen insbesondere in der Ära von Oberbürgermeister Georg von Schuh (1846-1918, amtierte 1892-1913) breiten Raum ein, so dass sich wesentliche Teile der jährlich erstellten Nürnberger Stadtchronik auf die Lokalseiten des "Fränkischen Kuriers" stützten.
Der "Fränkische Kurier" in der Weimarer Republik
Der "Fränkische Kurier" war bis 1922 die einzige Nürnberger Tageszeitung mit täglich zwei Ausgaben. Wegen der auch diese Zeitung betreffenden Schwierigkeiten in der Inflationszeit wurde sie zum 1. Oktober 1922 auf sechs Ausgaben pro Woche reduziert. Seit Juni 1923 erschienen bis 1930 wieder sieben Nummern in der Woche. Die Auflagen veränderten sich von 53.000 bei zwölf Ausgaben je Woche im Jahr 1920 auf rund 55.000 bei sieben Ausgaben im Jahr 1928.
Allerdings veränderte sich nun die politische Tendenz des Blattes stark. So brachte "der unglückliche Ausgang des ersten Weltkriegs [...] in verhältnismäßig kurzer Zeit eine Kehrtwende um volle 180 Grad, der Kurier wandelte sich nach 1918 zum nationalen, ja [...] zum "nationalistischen" Blatt [...] war so ein Wegbereiter des Nationalsozialismus", wie es der stellvertretende Chefredakteur Armin Groß nach Kriegsende in einem persönlichen Rückblick ausdrückte. Eingeleitet wurde der Gesinnungswandel zur bewusst "vaterländischen", nationalen Haltung schon nach 1918 durch den Chef- und Lokalredakteur Ernst Gericke und seine heftigen, teilweise antisemitischen Angriffe auf die Kommunalpolitik des liberalen Oberbürgermeister Dr. Hermann Luppe (DDP, 1874-1945) und der sozialdemokratischen Stadtratsmehrheit.
Die Rechtstendenz verstärkte sich, als im Mai 1923 der halbe Anteil der Tümmels-Buchdruckerei vom damaligen Besitzer Otto Wilhelm Rauenzahner an die Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg (MAN) verkauft wurde. Die MAN selbst war zu mehr als zwei Dritteln im Besitz der Gutehoffnungshütte (GHH) in Oberhausen. Die ehemals liberale Zeitung wandelte sich nun zu einem Kampfblatt "gegen die industriefeindliche Linke" und zum "Sprachrohr der Schwerindustrie". 1929 gelangte der Kurier dann vollständig in den Besitz der Haniel-Gruppe (GHH). Der Wirtschaftsteil wurde vergrößert, wodurch die Zeitung überregionale Bedeutung erhielt.
Die republikfeindlichen Tendenzen verstärkten sich, als Dr. Rudolf Kötter (1893-1964) im Jahr 1932 Chefredakteur wurde. Kötter gehörte der "Alt-Reichsflagge" an und stand dem "Stahlhelm" nahe. Er war bereits seit 1919 in der Redaktion des "Fränkischen Kuriers" tätig und hatte dort die deutschnationalen und völkischen Positionen durchgesetzt. Kurz vor der "Machtergreifung" kritisierten die Nationalsozialisten den "Fränkischen Kurier" als "Zeitung der Papen-Leute". Das ändert jedoch nichts an der wichtigen Rolle, die der "Fränkische Kurier" als Wegbereiter für eben diese "Machtergreifung" spielte, da er permanent und massiv die Republik und ihre Vertreter, vor allem auch in der Nürnberger Kommunalpolitik, angriff. Der "Fränkische Kurier" war 1933 kein ausgesprochen nationalsozialistisches oder antisemitisches Blatt. Da er aber NS-Positionen kritiklos billigte und übernahm, verschaffte er als bürgerliche Zeitung diesen eine entsprechende Akzeptanz bei seinen überwiegend nationalkonservativen, aber auch nationalistisch-völkisch gesinnten Lesern mit den Hauptanteilen bei kleinen Gewerbetreibenden und Verwaltungsangehörigen.
Das Ende im "Dritten Reich" 1944
Die Differenzen zu den neuen Machthabern verstärkten sich, als zum 1. Juni 1933 mit der von Julius Streicher (1885-1946) herausgegebenen "Fränkischen Tageszeitung" ein nationalsozialistisches Konkurrenzblatt entstand. Ernsthafte Kritik der Nationalsozialisten zog der "Fränkische Kurier" während des "Dritten Reichs" nur vereinzelt auf sich, vor allem durch seine "kirchenfreundliche Haltung". Die Auflage des Blattes sank von 36.000 Exemplaren im Februar 1934 auf 24.000 im August 1939. Das ab 1934 in der Druckerei der "Fränkischen Tagespost" gedruckte NS-Blatt konnte seine Auflage dagegen im gleichen Zeitraum von 42.500 auf 51.000 steigern. Das Ende für den "Fränkischen Kurier" kam in der letzten Kriegsphase: Am 31. August 1944 musste er - begründet mit Kosteneinsparungen - unter seinem Chefredakteur Kötter eingestellt werden.
Wiedergründungsversuch 1949
Die amerikanische Presselizensierungspolitik verhinderte nach 1945 zunächst die Wiederbegründung des "Fränkischen Kuriers". Erst nach dem Ende des Lizenzzwangs versuchte man, die Zeitung unter dem Namen "Neuer Kurier" ab dem 30. Juli 1949 wieder herauszugeben. Das bürgerliche Konkurrenzblatt zu den bereits seit Oktober 1945 bestehenden "Nürnberger Nachrichten" scheiterte jedoch nach fünf Monaten und stellte sein Erscheinen zum 31. Dezember 1949 ein.
Kötter, der letzte Inhaber des "Fränkischen Kuriers", der nach dem Krieg u. a. auch einen zeitungswissenschaftlichen Lehrauftrag an der Universität Erlangen innehatte und 1959 das Bundesverdienstkreuz erhielt, arbeitete nach 1951 als Chefkorrespondent und Leitartikler für die "Nürnberger Zeitung" (NZ). Über ihn gelangte der Name "Fränkischer Kurier" in die Untertitelzeile der "Nürnberger Zeitung".
Titel | Zeit |
---|---|
"Die allgemeine Zeitung von und für Deutschland" | 1834–1841 |
"Nürnberger Allgemeine Zeitung" | 1841–1842 |
"Nürnberger Zeitung" | 1842–1846 |
"Mittelfränkische Zeitung" | 1846-1850 |
"Fränkischer Kurier" | 1850-1944 |
Literatur
- Christina Dittrich, Pressegeschichtliche Aspekte zum Aufstieg der NSDAP in Franken, aufgezeigt am Beispiel Nürnberger Zeitungen, unter besonderer Berücksichtigung industrieller Einflussnahme, Erlangen-Nürnberg 1983.
- Eckard Gärtner, Die deutsche Presse der Kaiserzeit. Die 2. Marokkokrise im Spiegel des Fränkischen Kuriers, Zulassungsarbeit Univ. Erlangen-Nürnberg 2002.
- Ernst Meier, Zeitungsstadt Nürnberg (Schriften des Instituts für Publizistik an der Universität Erlangen-Nürnberg 2), Berlin 1963.
- Ingeborg Stöpel, Nürnbergs Presse in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vom Übergang der Freien Reichsstadt an Bayern bis zum Ausklang der Revolution 1848/49 (Nürnberger Forschungen 1), Nürnberg 1941.
Quellen
- Armin Groß, Glück und Ende des "Fränkischen Kuriers" – geschildert aus demokratischer Sicht von seinem letzten stellvertretenden Hauptschriftleiter. Manuskript, Stadtbibliothek Nürnberg, Nor H1 465.
- Digitalisate des Fränkischen Kuriers
Weiterführende Recherche
Externe Links
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Nürnberger Allgemeine Zeitung, Nürnberger Zeitung, Mittelfränkische Zeitung
Empfohlene Zitierweise
Helmut Beer, Fränkischer Kurier, publiziert am 14.05.2012; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Fränkischer_Kurier> (4.10.2024)