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Beisetzung Ludwigs II. (München, 19. Juni 1886)

Aus Historisches Lexikon Bayerns

Aufbahrung König Ludwigs II. in der Hofkapelle der Residenz München, 1886 nach einer Zeichnung von Henry Albrecht (1857-1909). (Stadtarchiv München, DE-1992-GS-A-1050)

von Jörg Zedler

Die Beisetzung König Ludwigs II. erfolgte sechs Tage nach seinem Tod im Starnberger See am 19. Juni 1886 in München. Aufgrund der bis heute nicht vollständig geklärten Todesumstände vom 13. Juni und der bereits am 10. Juni erfolgten Entmündigung des Königs, fand die Trauerfeier unter großem medialen und öffentlichen Interesse statt. Erstmals nahmen an der Beisetzung eines bayerischen Königs auch Vertreter fremder Häuser in offizieller Funktion sowie solche auswärtiger Regierungen teil, darunter der deutsche Kronprinz Friedrich und der österreichische Erzherzog Rudolf. Nach Überführung und öffentlicher Aufbahrung in der Hofkapelle der Münchner Residenz wurde der Sarg in einem Leichenzug über die Brienner Straße, den Königsplatz und den Karlsplatz in die Kirche St. Michael überführt und dort beigesetzt. Das Herz Ludwigs II. wurde der Haustradition folgend zwei Monate später in der Gnadenkapelle in Altötting bestattet.

Bestandteile und Zielsetzung des feierlichen Begräbniszeremoniells

Begräbniszeremonielle haben eine Jahrtausende alte Tradition, und es entspricht einem anthropologischen Grundbedürfnis, in ritualisierter Form Abschied zu nehmen, um den Verlust zu verarbeiten. Auch das feierliche Zeremoniell rund um das Begräbnis eines Monarchen ist Teil eines solchen Übergangsritus, zielt aber – im Gegensatz zu dem einer Privatperson – nicht auf individuelles Abschiednehmen, sondern auf das Abfedern der entstandenen politisch-gesellschaftlichen Erschütterung sowie die Moderation des Übergangs an Hof- und Staatsspitze.

Beim Tod eines Monarchen oder einer Monarchin setzte sich im Königreich Bayern ein Prozedere in Gang, das hofinterne Abläufe genauso regelte wie staatliche. Zum Zeitpunkt des Todes von Ludwig II. (1845–1886, reg. 1864–1886) galt die Landestrauerordnung von 1827. Sie sah die Versiegelung der Privaträume des Monarchen vor, die Ausrufung einer dreimonatigen Landestrauer, die Initiierung symbolischer, gruppenspezifischer äußerer Trauerzeichen, die zu tragen Hof- und Staatakteuren vorbehalten war, die Obduktion des Leichnams sowie die Benachrichtigung fremder Staaten und Höfe. Der eigentliche Kern des Beisetzungszeremoniells aber waren die öffentliche Paradeaufbettung des Toten und der feierliche Leichenzug. Beides wurde eingerahmt von der nicht-öffentlichen, hofinternen Aufbettung vor sowie dem Beerdigungsgottesdienst und der eigentlichen Beisetzung nach den öffentlichen Zeremonien. Anders als diese weitgehend automatisierten Abläufe waren die allgemein zugängliche Ausstellung auf dem Paradebett, die Ausgestaltung des Leichenzuges und die Auswahl des Begräbnisorts nicht von der Landestrauerordnung geregelt, sondern wurden von einer Kommission aus Mitgliedern von Regierung und Hof jedes Mal neu festgelegt.

Das feierliche Begräbniszeremoniell diente der Selbstvergewisserung von Staat, Hof und Gesellschaft über zwei sich nur scheinbar widersprechende Phänomene: den Tod des Monarchen und den Umstand, dass dieser der Stabilität der Ordnung keinen Schaden zufügte. Hierfür wurde das Ereignis in eine Struktur eingebettet, die die Individualität der Person überspielte, indem deren Funktion in den Vordergrund gerückt wurde und die ritualisierten Abläufe einen wiederkehrenden Kreislauf und damit ein Stück Normalität suggerierten: Der Tod wurde anschaulich gemacht (Aufbettung), so dass die Herrschaft des nächsten Monarchen unbelastet war; Privilegien höfischer und staatlicher Funktionsträger wurden bestätigt (u.a. Vorrechte beim Tragen von Trauerzeichen; hierarchisch abgestufter Zugang zum Toten während der hofinternen Aufbettung); die ungebrochene Loyalität der Bevölkerung zur Dynastie sowie die staatliche Fähigkeit, die Ordnung aufrecht zu erhalten, wurden demonstriert.

Die öffentliche Stimmung zwischen Tod und Beisetzung

Die Nachricht vom Tod Ludwigs II. wurde von ausufernder Gerüchtebildung begleitet, die zu einer politischen Gefahr für die Regierung und den Prinzregenten zu werden drohte. Hier zeigt sich, dass der reibungslose Übergang und die Anhänglichkeit des Volkes zu visualisieren beim öffentlichen Begräbniszeremoniell nicht immer gelang. Schon die Entmündigung Ludwigs II. und die Übernahme der Regentschaft durch Prinz Luitpold (1821-1912, reg. bis 1912) (10. Juni 1886) (‚Königskrise‘) hatten die gesellschaftliche Stimmung brodeln lassen. Drei Tage später, am Abend des 13. Juni 1886, ertrank Ludwig im Würmsee (heute: Starnberger See). Da er zuvor mit seinem ebenfalls tot aufgefundenen Psychiater, Dr. Bernhard Gudden (1824-1886), allein unterwegs gewesen war, ist der genaue Hergang bis heute ungeklärt. Die Nachricht vom Tod des Königs und die unklaren Umstände verbreiteten sich Stunden später in München, so dass es noch in der Nacht zu Massenaufläufen, öffentlicher Unruhe und Protestkundgebungen gegen das Ministerium kam, dem die öffentliche Meinung unterstellte, den Monarchen getötet zu haben (sei es direkt als Mord, sei es, indem es ihn in den Suizid getrieben habe). Derartige Ansichten wurden bis ins Diplomatische Korps hinein vertreten, die öffentliche Unruhe hielt tagelang an. Damit war eines der wichtigsten Ziele des Zeremoniells gefährdet – die Aufrechterhaltung der Ordnung vorzuführen und die reibungslose Machtübertragung auf den neuen Machthaber zu gewährleisten.

Die Aufbahrung Ludwigs II.

Totenmaske König Ludwigs II. aus Gips. In Schloss Berg am 14. Juni 1886 abgenommen. Herrenchiemsee, Neues Schloß, Ludwig II.-Museum. (© Bayerische Schlösserverwaltung, Lucinde Weiss, München)

Die Aufbahrung Ludwigs II. fiel in mehrerlei Hinsicht aus dem üblichen Rahmen: Zunächst einmal wurde den höfisch-politischen Eliten das Privileg des Erstzugangs zum Toten genommen. Die politisch gefährlichen Zweifel an einem Suizid und die Unruhe wogen höher als die Bekräftigung höfischer Hierarchien, so dass der Öffentlichkeit bereits in Berg – und damit vor einer sehr kurzen hofinternen Aufbettung in der Residenz – am 14. Juni 1886 für einige Stunden die Inaugenscheinnahme des Leichnams ermöglicht wurde. Die Überführung von Berg (Lkr. Starnberg) nach München erfolgte in der Nacht vom 14. auf den 15. Juni und ohne das zu erwartende Zeremoniell. Es folgte die hofinterne, von 16. Juni an die Paradeaufbettung, letztere in der Hofkapelle der Residenz.

Ebenfalls neu war bei Ludwig II. die Art der Aufbettung. Während die Monarchen (wie die Monarchinnen) zuvor auf einem mehrere Meter hohen Katafalk gelegen hatten, wurde ausgerechnet bei dem im Leben so Entrückten und die Öffentlichkeit scheuenden Monarchen die Überhöhung im Tod aufgegeben, und der Monarch erheblich niedriger aufgebahrt als noch sein Vater 1864. Das Motiv, den – gewaltlosen – Tod besonders deutlich machen zu wollen, ist unverkennbar. Es galt, dem Gerücht entgegenzutreten, wonach der Entmündigte gewaltsam von einer politischen Betätigung ferngehalten, gar ermordet worden sei. Dies hätte den Loyalitätsübergang auf Luitpold verhindert, den ohnehin eingeengten Handlungsspielraum der umstrittenen Regentschaft weiter beschnitten, die Monarchie diskreditiert und die Gesellschaft gespalten. Um derartigen Verwerfungen vorzubauen, nahm das Ministerium den Bruch der Konventionen ebenso in Kauf, wie es zuvor der staatlich-höfischen Elite ihr Vorrecht auf Erstzugang zum Leichnam genommen hatte. Die Absenkung der Aufbahrungshöhe war damit erkennbar von den mysteriösen Todesumständen Ludwigs bedingt, doch war die wegweisende Nivellierung nicht mehr rückgängig zu machen: Auch die späteren Regenten wurden nicht mehr meterhoch aufgebahrt, so dass die Entscheidung von 1886 über den spezifischen Einzelfall hinaus auf eine (zeremonielle) Entmythisierung der Monarchie weist (Zedler, Nützliche Leichen, 397-400).

Gleichwohl erwiesen sich die Vorbereitungen für die Paradeaufbettung als völlig unzureichend. Der öffentliche Zudrang für den in seinen letzten Lebensjahren für die Bevölkerung Unsichtbaren wurde in der Presse wahlweise als „riesig“ (Allgemeine Zeitung), „unermeßlich“ (Süddeutsche Presse) oder „kolossal“ (Korrespondent von und für Deutschland) beschrieben, und er überforderte die Sicherheitskräfte, die dem Andrang vor der Residenz nicht mehr Herr wurden. Es kam zu Unruhen, dann zu Gedränge mit Ohnmachten, Rangeleien, Diebstählen und Schlägereien mit Verletzten. Dass die deutschen Zeitungen dies weitgehend übergingen und wider besseres Wissen von einer würdigen und ernsten Stimmung sowie einer musterhaften Ordnung schrieben, ist falsch, zeigt aber, wie wichtig es war, just diesen Eindruck zu erwecken. Mit drei Tagen blieb Ludwig II. doppelt so lange öffentlich aufgebahrt wie noch sein Vater Maximilian II. (1811-1864, reg. ab 1848) 1864.

Ausschlaggebend für den Publikumsandrang war ein ganzes Bündel an Aspekten: Die außergewöhnlichen Todesumstände des Königs sind ebenso in Rechnung zu stellen, wie der Umstand, dass gerade der so bezeichnete Märchenkönig sich jahrelang seinen Repräsentationspflichten entzogen hatte und für die breite Masse erst auf dem Totenbett wieder sichtbar wurde. Hinzu kommen technische Innovationen in der Drucktechnik und der Verkehrsinfrastruktur, die die Nachricht vom Tod schneller als je zuvor in alle Winkel des Landes transportierten und es den Menschen dank der Eisenbahn erlaubten, an dem Ereignis direkt teilzuhaben.

Der Leichenzug

Die Wegstrecke

Leichenzug Ludwigs II. am 19. Juni 1886 in München. Gestaltung: Stefan Schnupp; Angaben: Jörg Zedler, Beisetzung Ludwigs II. (München, 19. Juni 1886); Karte: Ludwig Wenng, Großer Special Plan der Stadt München, Batt Nr. 5, München 1888. (Bayerische Staatsbibliothek, Mapp. XI,467 hka-5).

Eigentlich kam eine umfangreiche Beteiligung des Volkes am Leichenzug der Regierung gelegen, galt sie doch als Demonstration royaler Anhänglichkeit. In diesem Fall aber fürchtete das Ministerium pro-ludovizianische Kundgebungen, die als Misstrauensvotum gegenüber dem Prinzregenten interpretiert werden mussten. Entsprechend versuchte man in München zunächst, die Beisetzung möglichst geräuschlos über die Bühne zu bringen. Noch zwei Tage nach dem Tod war unklar, ob es überhaupt zu einem feierlichen Kondukt üblichen Ausmaßes kommen würde; entsprechende Beratungen lassen sich ungewöhnlich lange nicht greifen. Nach einigen Tagen plante man, den Verblichenen auf kürzest möglichem Weg von der Residenz über den Marienplatz nach St. Michael zu geleiten. Das wäre der mit Abstand kürzeste Leichenzug aller bayerischen Monarchen gewesen und hätte gegenüber den vorangehenden (1825, 1864) eine Reduzierung um fast zwei Drittel der Distanz bedeutet. Dass die 950 Meter lange Strecke dem öffentlichen Interesse nicht gerecht würde, war dem Ministerium bewusst, so dass die Entscheidung von dessen Furcht vor neuerlichen Unmutsäußerungen gegenüber Regent und Regierung zeugt. Weiteren Ausfällen sollte möglichst wenig Raum gegeben werden.

Das Verhältnis von Ziel und Mittel einer feierlichen Beisetzung hatte sich damit umgekehrt: Weil die Trauer um den toten König nicht mehr als Bindemittel an das von ihm repräsentierte Staatssystem taugte (mit Prinzregent und Regierung galten gerade dessen neue Repräsentanten als verantwortlich für seinen Tod), war von einem prunkvollen Leichenzug im besten Fall kein positiver Effekt für die politischen Verhältnisse zu erwarten, im schlechteren eine destabilisierende Wirkung – und dieses Risiko sollte mit einer kurzen Streckenführung minimiert werden.

Erst als nacheinander die Münchner Polizeidirektion und die Kreisregierung warnten, dass die Route dem Publikumsandrang nicht gerecht werde und Störungen, Ausschreitungen oder gar Durchbrechungen von Absperrungen nicht zu vermeiden seien, setzte ein Umdenken ein: 24 Stunden vor dem feierlichen Cortège vom 19. Juni wurde eine veränderte Streckenführung veröffentlicht, mit mehr als zweieinhalbfacher Ausdehnung der ursprünglichen Variante. Die neue Route führte von der Residenz über Briennerstraße und Königsplatz und von dort über die Arcis- und die Sophienstraße, den Karlsplatz und die Neuhauserstraße nach St. Michael. Gegenüber der Erstplanung hatte sich die Wegstrecke mit 2,5km fast verdreifacht und bot somit weit mehr Zuschauern Platz. Es lag mithin keineswegs am Zeremoniell, dass sein Leichenzug in der Literatur immer wieder als besonders bemerkenswert dargestellt wird. Die verlängerte Strecke entsprach viel eher den üblichen Gepflogenheiten; außergewöhnlich wäre im Gegenteil die zunächst geplante kurze Variante gewesen. Vielmehr war es das massive öffentliche Interesse in Kombination mit einer bis dato unerreicht intensiven medialen Berichterstattung und der unmittelbar einsetzenden Mystifizierung Ludwigs II., die das Ereignis von früheren Monarchenbeisetzungen abhoben.

Die Teilnehmer

Bei den feierlichen Leichenzügen bayerischer Monarchen war die aktive Teilnahme bayerischer Erzbischöfe und Bischöfe eine Selbstverständlichkeit (unter Leitung des Münchner Erzbischofs Anton von Steichele (1816-1889) zelebrierten sie auch den abschließenden Trauergottesdienst). Umso auffälliger ist die bemerkenswerte Absagewelle im Fall Ludwigs II.: Die Bischöfe von Augsburg, Würzburg und Passau sagten ihre Teilnahme ab, der Regensburger Bischof Ignatius von Senestrey (1818-1906) kehrte unmittelbar nach der Beisetzung in seine Diözese zurück, alle mit zum Teil abstrusen Ausreden. Deutlicher hätten die bayerischen Oberhirten ihre Gegnerschaft zur Politik des amtierenden Ministerratsvorsitzenden Johann von Lutz' (1826-1890) nicht zum Ausdruck bringen können. Es war dessen Ministerium, das sie für den, in seinen Ausläufern noch immer spürbaren, bayerischen Kulturkampf und die kirchenpolitischen Verwerfungen der vorangegangen eineinhalb Jahrzehnte verantwortlich machten. Die Leerstellen im Bild des Kondukts aber hätten der Bevölkerung die im Kulturkampf entstandene Kluft zwischen Thron und Altar sowie die fehlende Bereitschaft der Kirche, sich dem Staat unterzuordnen, allzu deutlich signalisiert; der Staat erzwang daher die Anwesenheit der meisten Bischöfe.

Ebenfalls auffällig am Leichenzug war die Teilnahme staatlicher Vertreter sowie solcher nicht nahverwandter Dynastien. Am 17. Juni 1886 entschied Kaiser Wilhelm I. (1797-1888, König von Preußen ab 1861, Kaiser des Deutschen Reichs ab 1871) auf Drängen des Reichskanzlers Otto von Bismarck (1815-1898), mit Kronprinz Friedrich (1831-1888) einen so ranghohen Vertreter für Preußen zu entsenden, wie es bis dahin völlig unüblich war. Hintergrund dieses Schrittes war die massive Kritik, der sich die Regierung Lutz/Crailsheim seitens der Öffentlichkeit, eines Teils des Adels, ja sogar bis in deutsche Königshäuser hinein ausgesetzt sah, wonach sie bei der Entmündigung zu eigenmächtig agiert, das monarchische Prinzip beschädigt und Ludwig in den Tod getrieben habe. Eine die liberale bayerische Regierung desavouierende Stimmung, gar deren Sturz wollte das Auswärtige Amt indes verhindern, kurzfristig, um nicht einen verlässlichen Verbündeten im Kampf gegen den Ultramontanismus zu verlieren, mittelfristig, um die ohnehin um ihre Souveränitätsrechte kämpfende Regentschaft Luitpolds nicht zu beschädigen. Bismarck ging es daher darum, mit der Entsendung des Kronprinzen ostentativ zu demonstrieren, dass Preußen unverändert an Bayerns Seite stehe.

Wichtigste Teilnehmer am Leichenzug
Person Lebensdaten Vertretung für Bemerkung
Kronprinz Friedrich von Preußen 1831-1888 Deutsches Reich / Preußen 1888 Deutscher Kaiser
Kronprinz Rudolf von Österreich-Ungarn 1858-1889 Österreich-Ungarn
Großherzog Friedrich von Baden 1826-1907 Baden seit 1856 Großherzog von Baden
Großherzog Ludwig IV. von Hessen 1837-1892 Hessen seit 1877 Großherzog von Hessen
Heinrich Prinz von Hessen 1838-1900 Hessen Bruder des Großherzogs Ludwig IV.
Wilhelm Prinz von Hessen 1845-1900 Hessen Bruder des Großherzogs Ludwig IV.
Nikolaus Fürst von Leuchtenberg 1843-1891 Russland Cousin Zar Alexanders III. von Russland (1845-1894, reg. seit 1881)
Georg Prinz von Sachsen 1832-1904 Sachsen Präsumptiverbe seines Bruders König Albert (1828-1902, reg. 1873-1902); ab 1902 König von Sachsen
Friedrich August Erbgroßherzog von Oldenburg 1852-1931 Oldenburg 1900 bis 1918 letzter Großherzog von Oldenburg
Thomas Herzog von Genua 1854–1931 Italien Schwager von König Umberto I. von Italien (1844-1900, reg. 1878-1900); verheiratet mit Isabella von Bayern (1863–1924), Tochter von Adalbert von Bayern (1828–1875)
Friedrich Erbprinz von Anhalt 1856-1918 Anhalt ab 1904 Herzog von Anhalt
Ernst Bernhard Prinz von Sachsen-Altenburg 1871-1955 Sachsen-Altenburg Neffe des Herzogs; von 1908 bis 1918 letzter Herzog von Sachsen-Altenburg
Bernhard Erbprinz von Sachsen-Meiningen 1851-1928 Sachsen-Meiningen 1914 bis 1918 letzter Herzog von Sachsen-Meiningen
Georg Erbprinz von Schaumburg-Lippe 1846-1911 Schaumburg-Lippe ab 1893 Fürst von Schaumburg-Lippe
Albrecht Herzog von Württemberg 1865-1935 Württemberg Vertreter der katholischen Nebenlinie des Hauses Württemberg; später Präsumptiverbe König Wilhelms II. (1848-1921, reg. 1891-1918)
Fritz von Pfannenberg 1848-1920 Schwarzburg-Sondershausen Rittmeister und persönlicher Adjutant von Fürst Karl Günther von Schwarzburg-Sondershausen (1830-1909, reg. 1880-1909)
Alfred Titz von Titzenhofer 1845-1926 Reuß-Greiz Kammerherr und Flügeladjutant des Fürsten Heinrich XXII. von Reuß-Greiz (1846-1902)
Nikolai von der Osten-Sacken 1831-1912 Russland 1884 bis 1894 russischer Gesandter in München
António José da Serra Gomes, Marquês de Penafiel 1819-1891 Portugal 1880 bis 1891 portugiesischer Botschafter in Berlin
Sir Edward Malet 1837-1908 Großbritannien 1884 bis 1895 britischer Botschafter in Berlin
Friedrich Freiherr von Bose 1822-1890 ehem. Herzog von Nassau Obersthofmeister des Herzogs Adolph I. von Nassau (1817-1905, reg. 1839-1866)
Wilhelm Freiherr von Girsewald 1851-1924 Braunschweig herzoglich braunschweigischer Oberstallmeister und Rittmeister; Vertreter des Regenten von Braunschweig Albrecht von Preußen (1837-1906, reg. 1885-1906)
Gabriel Auguste Graf van der Straten-Ponthoz 1812-1900 Belgien belgischer Gesandter in München
Emerich Fürst von Thurn und Taxis 1820-1900 Malteserorden General der österr. Kavallerie u. kaiserlich österreichischer Oberststallmeister

Auf ein solches Signal aus Berlin hatten die deutschen Staaten gewartet; selbst Österreich hatte seine Entscheidung über die Besetzung der Mission davon abhängig gemacht, die deutschen Klein- und Mittelstaaten ohnehin. Was beim Tod Max I. Joseph (1756-1825, König von Bayern ab 1806) 1825 noch undenkbar gewesen war, wurde 1886 Realität: Hinter Ludwigs Familie schritten im Trauerzug die Kronprinzen von Preußen und Österreich, die designierten Thronfolger Sachsens und Württembergs, die Großherzöge von Hessen und Oldenburg, die Prinzen von Sachsen-Altenburg, Anhalt, Schaumburg-Lippe, Sachsen-Meiningen, der Herzog von Savoyen-Genua als Vertreter des italienischen Königs und der Herzog von Leuchtenberg als der des russischen Kaisers. Dabei reihten sich die Vertreter nicht, wie noch bei Ludwig I. (1786-1868, König von Bayern 1825-1848), nach Verwandtschaftsgrad auf, sondern gemäß der Machtstellung des von ihnen vertretenen Staates. Die Familienangelegenheit, die das Begräbnis in Bezug auf die Beziehungen zwischen den Höfen bis über die Jahrhundertmitte hinaus gewesen war, hatte mit der Beisetzung Ludwigs II. eine unverkennbar staatliche Komponente und damit einen Politisierungsschub erfahren.

Die gegenüber den vorangegangenen Beisetzungen (Max II. 1864 bzw. Ludwig I. 1868) deutlich gestiegene Prominenz auswärtiger Gäste bei der Beisetzung Ludwigs II. erhöhte ihrerseits das Publikumsinteresse weiter und steigerte den Druck auf die bayerische Regierung, dem zu erwartenden Andrang Raum zu geben. Immerhin war die Veröffentlichung der ursprünglichen Streckenführung (17. Juni) erfolgt, bevor die Entscheidung des preußischen Königs zur Entsendung des Kronprinzen und die hiervon bedingten hochrangigen Entsendungen weiterer Häuser bekannt geworden waren (später am selben Tag). Erst in diesem Wissen um die Prominenz der erwarteten Vertreter kam es um 21 Uhr des 17. Juni zur Revision des Programms und der Verlängerung des Wegs (Publikation der veränderten Programms am 18. Juni).

Der Begräbnisort

Sarkophag Ludwigs II. in der Gruft der Michaelskirche in München. (Foto: Wolfgang Rieger lizenziert durch CC BY-SA 3.0 Deed via Wikimedia Commons, bearbeitet)

Zunächst wurde spekuliert, Ludwig II. würde seine letzte Ruhestätte wie Max I. und Max II. in der Theatinerkirche finden. Tatsächlich aber wurde er am 19. Juni 1886 in St. Michael beigesetzt, wie 1916 auch sein Bruder Otto (1848-1916). Dabei war die zeitgenössische Begründung, wonach die Gruft der Hofkirche zu voll sei, lediglich vorgeschoben. Wenngleich auch in der Jesuitenkirche St. Michael zahlreiche wittelsbachische Herrscher bestattet liegen und diese zweifellos ein Memorialort besonderer Katholizität ist, so nimmt das Paar Ludwig/Otto unter den bayerischen Königen doch eine Sonderrolle ein: Zwei der drei bis 1886 verstorbenen bayerischen Könige waren in St. Cajetan bestattet, lediglich Ludwig I. hatte testamentarisch festgelegt, in der mit ihm verbundenen Abteikirche St. Bonifaz beigesetzt werden zu wollen. Die Königinnen lagen jeweils am selben Ort wie ihre Männer. Ludwig II. wurde demnach aus dem gängigen monarchischen Kontext herausgelöst, die Memoria an ihn gerade nicht in jene Traditionslinie eingebettet, an die die Beisetzung des Prinzregenten 1912 in St. Cajetan wieder anknüpfen sollte (Zedler, Nützliche Leichen, 85-87).

Herzbestattung in Altötting

Herzurne König Ludwigs II. in der Altöttinger Gnadenkapelle. (Foto: Tourismusbüro Altötting/Heiner Heine)

Das Herz König Ludwigs II. wurde separat in der Altöttinger Gnadenkapelle bestattet. Dies entsprach ganz der Tradition seiner Familie, die diese seit dem Hochmittelalter bei Fürsten gängige Praxis mit dem beginnenden 17. Jahrhundert übernommen hatte. Das erste in Altötting beigesetzte Herz der Wittelsbacher war dasjenige Kurfürst Maximilians I. (1573-1651). Die der bayerischen Könige wurden alle zu Füßen des Gnadenbildes beigesetzt.

Ludwigs Herz wurde am 16. August 1886, gut zwei Monate nach seiner Bestattung, von der Residenzkapelle nach Altötting überführt. Das Zeremoniell entsprach dem üblichen Vorgehen. Der feierliche Zug wurde von Stiftsdekan Jakob Ritter von Türk (1826-1912) und dem Premierlieutnant der Hartschiere August von Lerchenfeld-Aham (1824-1888) als königlichem Hofkommissär angeführt. Vonseiten des Hofs waren neben militärischen Abteilungen zwei Kämmerer, der Hoffourier, zwei Leibjäger und sechs Lakaien entsandt, vor Ort schlossen sich lokale Geistliche, Vertreter der Lokalpolitik und Abordnungen der Schulen an. Die königliche Familie oder auswärtige Gäste waren nicht anwesend. Nach Vigilien und dem vom Passauer Bischof Josef Franz von Weckert (1822-1889) zelebrierten feierlichen Requiem kehrte die Münchner Delegation am selben Tag mit dem Hof-Zug zurück, mit dem sie angereist war.

Literatur

  • Philippe Ariès, Geschichte des Todes, München 12. Auflage 2009.
  • Armin Dietz, Ewige Herzen. Kleine Kulturgeschichte der Herzbestattungen, München 1998.
  • Jan Assmann/Rolf Trauzettel (Hg.), Tod, Jenseits und Identität. Perspektiven einer kulturwissenschaftlichen Thanatologie, Freiburg i.Br. 2002.
  • Michael Borgolte, Das Grab in der Topographie der Erinnerung. Vom sozialen Gefüge des Totengedenkens im Christentum der Moderne, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 11 (2000), 291–312.
  • Helga Czerny, Die Wittelsbacher und der Wallfahrtsort Altötting. Tradition und Traditionsbildung im bayerischen Herrscherhaus, Regensburg 2018.
  • Birgit Heller/Franz Winter (Hg.), Tod und Ritual. Interkulturelle Perspektiven zwischen Tradition und Moderne, Münster u.a. 2007.
  • Hans-Michael Körner, Die Herzurne König Ludwigs II. in der Altöttinger Gnadenkapelle, in: Katharina Weigand/Jörg Zedler (Hg.), Ein Museum der bayerischen Geschichte, München 2015, 435–456.
  • Hans Rall, Wittelsbacher Lebensbilder von Kaiser Ludwig bis zur Gegenwart. Führer durch die Münchener Fürstengrüfte, München 1979.
  • Paul Ernst Rattelmüller, Pompe funèbre im alten Bayern und seiner Landeshauptstadt München, München 1974.
  • Wilhelm Wöbking, Der Tod König Ludwigs II. von Bayern. Eine Dokumentation, Rosenheim 1986.

Quellen

Weiterführende Recherche

Externe Links

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Empfohlene Zitierweise

Jörg Zedler, Beisetzung Ludwigs II. (München, 19. Juni 1886), publiziert am 11.01.2024; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Beisetzung_Ludwigs_II._(München,_19._Juni_1886)> (25.04.2024)