Bund Naturschutz in Bayern e. V. (BN)
Aus Historisches Lexikon Bayerns
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Der Bund Naturschutz in Bayern (BN) ist einer der ältesten und nach wie vor der größte Umweltschutzverband in Deutschland. Seine Gründung vor dem Ersten Weltkrieg stand zwar in enger Verbindung mit dem Staat und seinen Institutionen, war aber dennoch Ausdruck eines beginnenden Naturschutzbewusstseins in Verbindung mit einer ausgeprägten Skepsis gegenüber der Industrialisierung. Allerdings verschaffte erst die in den 1970er Jahren aufkommende intensive Auseinandersetzung weiter Teile der Öffentlichkeit mit Umweltfragen – vor allem im Zusammenhang mit der Kernenergie – dem BN eine deutliche Stärkung seines politischen Einflusses und einen enormen Zuwachs an Mitgliedern. Diese Entwicklung ist eng verbunden mit Hubert Weinzierl, der den Verband mehr als dreißig Jahre leitete. Nach wie vor ist der BN in Fragen des Natur- und Umweltschutzes Sprachrohr zahlreicher Bürger, wie sich zum Beispiel seit Jahren bei den Auseinandersetzungen um den Ausbau der Donau zeigt.
Bund Naturschutz in Bayern e. V. (BN)
Der Bund Naturschutz in Bayern (BN) wurde am 26. Juni 1913 auf Anregung des königlichen Regierungsrates Rudolf Reubold und unter der Schirmherrschaft von Kronprinz Rupprecht von Bayern (1869-1955) in München gegründet. Sein erster Vorsitzender war der Universitätsprofessor Karl Freiherr von Tubeuf (1862-1941). Die Wurzeln der Naturschutzbewegung reichen allerdings auch in Bayern bis ins 19. Jahrhundert zurück und wurden frühzeitig von Biologen, Forstwissenschaftlern und Medizinern wissenschaftlich begründet. Einen ersten spektakulären Erfolg konnte der Verband noch während des Ersten Weltkriegs verzeichnen, als er am Königssee die Errichtung eines Kriegsmonuments, das in die Felswand gemeißelt werden sollte, verhindern konnte. 1921 wurde das Gebiet um den Königssee unter Naturschutz gestellt und bildete 1976 den Grundstock für den Nationalpark Berchtesgaden. Allerdings blieben solche Erfolge weitgehend singulär. Im Großen und Ganzen fanden die Naturschutzideen nach dem Ende des Ersten Weltkriegs keinen messbaren politischen oder gesellschaftlichen Nachhall mehr. Seit 1918 publiziert der Bund Naturschutz eine Vereinszeitschrift – bis 1976 nannte sich dieses Organ "Blätter für Naturschutz und Naturpflege", seither heißt es "Natur + Umwelt".
Gleichschaltung durch das NS-Regime
Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme wurden 1933 alle Naturschutzvereine im "Reichsbund Volkstum und Heimat" gleichgeschaltet. Ungeachtet dessen begann der Bund Naturschutz in den 1930er Jahren damit, schutzwürdige Landschaftsgebiete aufzukaufen, zum Beispiel im Isartal bei Wolfratshausen oder im Erdinger Moos. 1935 wurde das vom gesamten deutschen Naturschutz bejubelte Reichsnaturschutzgesetz verabschiedet, das nach dem Ende der NS-Diktatur als Landesrecht weitergalt und erst 1973 durch das Bayerische Naturschutzgesetz (BayNatSchG) abgelöst wurde. Die in der NS-Ideologie immanent vertretene Kapitalismuskritik und der im Verlauf des Dritten Reichs vollzogene Zivilisationsbruch wurden innerhalb des Verbandes nicht als Widerspruch zum Naturschutzgedanken empfunden. Das Epochenjahr 1945 blieb insbesondere für die Mitläufer (Entnazifizierung) im Verband ohne nennenswerte Konsequenzen.
Die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg
Am 13. November 1946 wurde der Bund Naturschutz neu lizensiert, nachdem er wie alle anderen gesellschaftlichen Verbände nach Kriegsende von den Alliierten aufgelöst worden war. Eine ernsthafte verbandsinterne Aufarbeitung der NS-Zeit fand nicht statt. Stattdessen kennzeichnet die Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg ein dramatischer Mitgliederschwund. Innerhalb von fünf Jahren sank deren Zahl um rund ein Drittel auf 17.500. Erst in den 1950er Jahren kam dieser Trend zum Stillstand. In den Mittelpunkt der Verbandspolitik rückten vor dem Hintergrund des Wiederaufbaus und des Wirtschaftswunders Fragen der Wasserkraftnutzung, der Flurbereinigung und Fremdenverkehrsprojekte. Allerdings trat der BN dabei ausgesprochen moderat auf, was innerhalb des Verbandes zu massiven Differenzen führte.
Aufwertung der Umweltpolitik ab 1970
1969 wurde Hubert Weinzierl (geb. 1935) in einer Kampfabstimmung zum neuen BN-Vorsitzenden gewählt. Umgehend nahm Weinzierl seine schon bei Amtsantritt angekündigte "organisatorische Wende" in Angriff, zu deren Zielen eine verstärkte Präsenz vor Ort, eine Professionalisierung der Verbandsarbeit und eine Stärkung der innerverbandlichen Bürokratie zählte. Parallel dazu verstärkten die deutschen Naturschutzverbände ihre Zusammenarbeit mit dem "Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz", womit eine allmähliche Distanzierung des BN von Staat und Verwaltung verbunden war. Der deutliche Anstieg der Mitgliederzahlen des Bund Naturschutz ab 1970 hängt augenfällig mit der Aufwertung der Umweltpolitik in den 1970er und 1980er Jahren einerseits und den politischen Kontroversen um die Kernenergie und den Bau zahlreicher technischer Großprojekte andererseits zusammen.
Einfluss auf politische Prozesse
Bedeutend ist in diesem Zusammenhang, dass die neue Rechtslage den Umweltverbänden Gehör bei öffentlichen oder privaten Eingriffen in den Naturhaushalt einräumte. Damit wurde erstmals eine Mitsprachemöglichkeit der Verbände bei der Implementation umweltrelevanter Entscheidungen institutionalisiert. Über informelle Kanäle hatte der BN aber bereits zuvor Einfluss auf politische Prozesse genommen. Dabei spielte eine Rolle, dass stets auch Landtagsabgeordnete dem BN-Beirat angehörten – zum Beispiel Alois Glück (CSU, 1940-2024), Wolf-Dietrich Großer (FDP, 1927-2016) und Reinhold Kaub (SPD, 1929-2015). Bedeutend ist in diesem Zusammenhang zudem die Gründung des Umweltministeriums (Bayerisches Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen), wenngleich dessen Hauptaugenmerk zunächst der Raumordnung galt. Zu seinen herausragenden Erfolgen jener Epoche rechnet der BN unter anderem die Gründung des Nationalparks Bayerischer Wald im Jahre 1970, die Ausformulierung des Bayerischen Naturschutzgesetzes von 1973 und das Landesentwicklungsprogramm von 1976.
Ära Hubert Weinzierl (1969–2002)
Insbesondere unter dem Vorsitz von Hubert Weinzierl vervielfachte sich zwischen 1969 und 2002 die Mitgliederzahl des Bund Naturschutz von 18.580 Personen im Jahr 1969 auf heute 208.000. Maßgeblich wurden in der Ära Weinzierl neben der Energiepolitik nun Fragen der Luftreinhaltung, des Grundwasserschutzes, der Gentechnik, des ökologischen Landbaus, aber auch der Umweltbildung und der Umwelt-Ethik. Zudem nutzt der BN seither verstärkt neue basisdemokratische Instrumente wie Volksentscheide und Bürgerbegehren. Zugleich ist eine deutliche Verschlechterung des Verhältnisses gegenüber der Staatsregierung unübersehbar.
Zu seinen herausragenden Erfolgen in jüngerer Zeit rechnet der BN das Aus der Wiederaufbereitungsanlage (WAA) in Wackersdorf 1989, aber auch die sogenannte Energiewende der Bundesregierung, zu der neben der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima 2011 auch die "anhaltenden Anti-Atom-Proteste" beigetragen hätten, sowie die Entscheidung der bayerischen Staatsregierung von 2013, die noch frei fließende Donau zwischen Straubing (Lkr. Straubing-Bogen) und Vilshofen (Lkr. Passau) vorläufig nicht mit Staustufen auszubauen.
Nach 33 Jahren übernahm im Jahr 2002 Prof. Dr. Hubert Weiger (geb. 1947) von Hubert Weinzierl den Vorsitz.
Name | Lebensdaten | Vorsitzender | Bild |
---|---|---|---|
Karl von Tubeuf | 1869-1941 | 1913-1922 | |
Eduard von Reuter | 1855-1942 | 1922-1934 | |
Theodor Künkele | 1876-1970 | 1934-1938 | |
Hans Hohenester | 1889-1955 | 1938-1945 | |
Hans Walter Frickhinger | 1889-1955 | 1946-1955 | |
Eduard Brenner | 1888-1970 | 1955-1958 | |
Alwin Seifert | 1890-1972 | 1958-1963 | |
Johann Mang | 1897-1971 | 1963-1969 | |
Hubert Weinzierl | geb. 1935 | 1969-2002 | |
Hubert Weiger | geb. 1947 | 2002-2018 | |
Richard Mergner | geb. 1961 | seit 2018 |
Literatur
- Bund Naturschutz in Bayern e. V. (Hg.), Mit Kopf, Herz und Gummistiefeln, ökologische Bildungsarbeit im Bund Naturschutz in Bayern, Redaktion Herbert Grabe (Wiesenfeldener Reihe 12), München 1993.
- Raymond H. Dominick, The Environmental Movement in Germany. Prophets & Pioneers 1871-1971, Bloomington/Indianapolis 1992.
- Gerti Fluhr-Meyer, Johann Rueß (1869-1943) und der Bund Naturschutz in Bayern, in: Bayerische Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege (Hg.), Berichte der Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege in Laufen/Salzach 19 (1995), 5-18.
- Ute Hasenöhrl, Zivilgesellschaft und Protest. Eine Geschichte der Naturschutz- und Umweltbewegung in Bayern 1945-1980 (Umwelt und Gesellschaft 2), Berlin 2011.
- Ernst Hoplitschek, Der Bund Naturschutz in Bayern. Traditioneller Naturschutzverband oder Teil der neuen sozialen Bewegungen?, Berlin 1984. [Diss.]
- Markus Mauritz, Natur und Politik. Die Politisierung des Umweltschutzes in Bayern. Eine empirische Untersuchung, Neutraubling 1995.
- Joachim Radkau/Frank Uekötter (Hg.), Naturschutz und Nationalsozialismus (Geschichte des Natur- und Umweltschutzes 1), Frankfurt am Main/New York 2003.
- Hubert Weinzierl, Der Bund Naturschutz, in: Altbairischer Volks- und Heimatkalender, Passau 2001, 65-71.
Weiterführende Recherche
Externe Links
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- Bündnis 90/Die Grünen in Bayern
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- Rhein-Main-Donau-Kanal
- Waldsterben
BUND
Empfohlene Zitierweise
Markus Mauritz, Bund Naturschutz in Bayern e. V. (BN) , publiziert am 10.03.2015; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Bund_Naturschutz_in_Bayern_e._V._(BN) > (13.12.2024)