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Kaiserliches Landgericht Graisbach

Aus Historisches Lexikon Bayerns

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Siegel des Landgerichtes Graisbach. Abb. aus: Hans Adam von Reisach, Geschichte der Grafen von Lechsmund und Graisbach, München 1813, Beilage VII. (Bayerische Staatsbibliothek 4 Bavar. 3424 q)

von Hans-Georg Hofacker (†)

Als kaiserliches Landgericht dadurch entstanden, dass einerseits die Grafschaft Graisbach von fremden Gerichten befreit war. Andererseits zog Ludwig der Bayer (reg. 1294-1347, König 1314, Kaiser 1328) die Grafschaft und damit auch das Gericht 1323 als heimgefallenes Reichslehen ein. Nach seinem Tode verfügten nacheinander die Herzöge von Oberbayern, Bayern-Ingolstadt und Bayern-Landshut über das Gericht. Ludwig VII. von Bayern-Ingolstadt (reg. 1413-1443) legte es mit dem Landgericht Hirschberg zusammen. Die bayerischen Herzöge setzten die weiten räumlichen und sachlichen Befugnisse des Gerichts im Raum Neuburg an der Donau, Donauwörth, Fürth und Schwabach im 15. Jahrhundert als ein Mittel der Herrschaftsexpansion gegenüber benachbarten Territorien wie den Grafen von Oettingen oder den fränkischen Zollern (Landgericht Nürnberg) ein. Nach dem Ende Bayern-Landshuts wurde es dem Fürstentum Pfalz-Neuburg zugeschlagen und verlor seine grenzüberschreitenden Funktionen.

Das Graisbacher Erbe

1302/1304 verkaufte Graf Berthold III. von Graisbach (1285-1324) seine vom Reich lehnsrührigen Grafschaftsrechte zwischen Donau, Wörnitz und Altmühl mit dem Landgericht an Graf Gebhard VII. von Hirschberg. Nach dessen Tod (1304) fielen diese Rechte durch den Vertrag von Gaimersheim (1305) an die Wittelsbacher. Kaiser Ludwig der Bayer (reg. 1294-1347, König 1314, Kaiser 1328) zog die engere Grafschaft Graisbach nach dem Tode Graf Bertholds IV. (1323) als heimgefallenes Reichslehen ein und gliederte sie Bayern an. Die 1304 von König Albrecht I. (reg. 1298-1308) der Grafschaft Hirschberg gewährte Befreiung von fremden Gerichten galt auch für Graisbach (Gde. Marxheim, Lkr. Donau-Ries). Dies und die Lehnsrührigkeit vom Reich konstituierte die Sonderstellung des aus einer Dynastenherrschaft stammenden Gerichts als "kaiserliches" Landgericht mit einem großen sachlichen und räumlichen Zuständigkeitsbereich.

Kompetenzen und Organisation des Gerichts

Burg Graisbach, Zeichnung von Philipp Apian (1531-1589), um 1560. (Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 5379(3)

In Organisation und Kompetenzen glich es dem benachbarten Landgericht Hirschberg (Gde. Beilngries, Lkr. Eichstätt). Landrichter sind seit 1333 nachweisbar. 1349 fiel das Gericht an Bayern-München, 1392 an Bayern-Ingolstadt. Die Entstehung exemter Hochgerichtssprengel in seinem Anspruchsbereich und wiederholte Verpfändungen führten zur Vernachlässigung seiner Jurisdiktionsbefugnisse. Davon profitierte vor allem das Nürnberger Landgericht der fränkischen Zollern, das seine Tätigkeit nach Süden bis zu einer Linie Pappenheim (Lkr. Weißenburg-Gunzenhausen)- Oettingen (Lkr. Donau-Ries) ausweiten konnte. 1404 gestattete König Ruprecht I. (reg. 1400-1410) den Herzögen Stephan III. (reg. 1375-1413) und Ludwig VII. (reg. 1413-1443) von Bayern-Ingolstadt, das Landrichteramt statt mit einem Grafen oder Edelfreien auch mit einem Ritter zu besetzen. Die sieben Schöffen konnten auch Ritterbürtige ohne Ritterschlag sein. Wegen Schwierigkeiten bei der Besetzung des Richteramtes legte Herzog Ludwig VII. das Gericht mit dem Landgericht Hirschberg zusammen. 1416/17 ließ er die Rechte des Gerichts im 'Salbuch' der Grafschaft Graisbach feststellen. Mängel in der Organisation sowie Verfahren und Klagen benachbarter Stände (Zollern, Oettingen, Hochstift Eichstätt) führten 1420 zur Aufhebung des Gerichts durch König Sigismund (reg. 1410-1437).

Das Landgericht als Instrument wittelsbachischer Expansion im 15. Jahrhundert

Karte der kaiserlichen Landgerichte in Schwaben (um 1450). (Gestaltung: Stefan Schnupp; Vorlage: Spindler/Diepolder, Bay. Geschichtsatlas, 24, u.a)

Bereits 1422 nahm des Gericht seine Tätigkeit aber wieder auf und wurde weit mehr als das Landgericht Hirschberg zum Mittel bayerischer Herrschaftsexpansion und -verdichtung gegen die Grafen von Oettingen, das Hochstift Eichstätt und vor allem gegen die fränkischen Zollern, die mit ihrem Nürnberger Landgericht eine ähnliche Politik verfolgten. Der regionale Anspruch des Graisbacher Gerichts wurde ausgeweitet. Von Neuburg bis Donauwörth war die Donau die Grenze. Von dort lief sie über Harburg, Wallerstein und Oettingen (alle Lkr. Donau-Ries) bis nach Fürth und Schwabach und kehrte über Roth wieder zur Donau zurück. In diesem Sprengel besaß das Gericht 27 oder 28 Schrannen (Gerichtsstätten). Exemtionen vom Landgericht wurden nicht mehr anerkannt; mit der Ladung von Untertanen fremder Herrschaften versuchte das Gericht, seinen Jurisdiktionsanspruch durchzusetzen.

Nach seinem Übergang an Bayern-Landshut (1447/50) richtete sich eine Expansionsoffensive in den Raum um Geyern (Gde. Bergen, Lkr. Weißenburg-Gunzenhausen), Heideck, Allersberg und Hilpoltstein (alle Lkr. Roth), wo bayerische, ansbach-brandenburgische und eichstättische Herrschaftsansprüche aufeinandertrafen. Der Konflikt mit dem Nürnberger Landgericht trug 1460 maßgeblich zum Ausbruch des "Fürstenkrieges" zwischen Herzog Ludwig IX. dem Reichen von Bayern-Landshut (reg. 1450-1479) und Markgraf Albrecht Achilles (reg. 1437-1486) bei.

Auch Herzog Georg der Reiche (reg. 1479-1503) stellte das Graisbacher Gericht in den Dienst der Herrschaftsexpansion nach Franken und im bayerisch-schwäbischen Grenzgebiet. Der niederbayerisch-brandenburgische Streit um konkurrierende Gerichtsrechte wurde 1492/1493 geschlichtet.

Übergang an Pfalz-Neuburg

Ab 1523 wurde der Sitz des Kaiserlichen Landgerichtes nach Monheim verlegt. Abb. aus: Neuburger Taschenbuch, Neuburg a. d. Donau 1807, 37. (Bayerische Staatsbibliothek, BA/Bavar. 2586-1807)

Endgültig beigelegt wurde der Konflikt jedoch erst, als Herrschaft und Landgericht Graisbach nach dem Tode Herzog Georgs dem Fürstentum Pfalz-Neuburg zugeschlagen wurden. Damit verlor das Gericht jede grenzüberschreitende Funktion. 1523 wurde es nach Monheim verlegt. Der dortige Landvogt oder Pfleger bekleidete auch das Amt des Landrichters; die Urteiler (Schöffen) des Stadtgerichts übten diese Funktion auch am Landgericht aus.

Dokumente

Literatur

  • Reinhard Heydenreuter, Landgericht Graisbach und Pflegamt Monheim, in: Pankraz Fried (Hg.), Die ländlichen Rechtsquellen aus den pfalz-neuburgischen Ämtern Höchstädt, Neuburg etc. vom Jahr 1585 (Veröffentlichungen der Schwäbischen Forschungsgemeinschaft bei der Kommission für bayerische Landesgeschichte 5b: Rechtsquellen aus dem bayerischen Schwaben 1), Sigmaringen 1983, 37-39.
  • Reinhard Seyboth, Franken in der politischen Konzeption der Wittelsbacher im späten Mittelalter, in: Johannes Merz/Robert Schuh (Hg.), Franken im Mittelalter. Francia orientalis, Franconia, Land zu Franken: Raum und Geschichte, Darmstadt 2004, 307-321.

Empfohlene Zitierweise

Hans-Georg Hofacker, Kaiserliches Landgericht Graisbach, publiziert am 14.02.2014; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Kaiserliches_Landgericht_Graisbach> (19.03.2024)