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Judenverfolgungen (Spätmittelalter)

Aus Historisches Lexikon Bayerns

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Darstellung eines Judenpogroms in der Schedelschen Weltchronik, Nürnberg 1493. Im dazugehörigen Text wird auf das Pogrom in Deggendorf 1338 angespielt. (Bayerische Staatsbibliothek, Rar 287, fol. 230v)

von Josef Kirmeier (†)

Im Spätmittelalter waren in fast allen bayerischen Städten Juden ansässig. Die Vorwürfe des Ritualmordes, der Hostienschändung und der Brunnenvergiftung bildeten den Anlass zu großen Pogromwellen, die die Existenz fast aller jüdischen Gemeinden im heutigen Bayern gefährdeten. Die Verfolgungen wurden dabei meist ausdrücklich von den bayerischen Herzögen gestattet. Gleichzeitig schränkten diese die rechtliche, soziale und wirtschaftliche Stellung der Juden immer weiter ein. Viele Juden fielen den Verfolgungen zum Opfer, die Überlebenden mussten die Städte verlassen. Juden kehrten zwar nach den Verfolgungen oft vorübergehend in die größeren Städte zurück; im Laufe des 15. Jahrhunderts wurden sie jedoch aus allen Städten der bayerischen Herzogtümer vertrieben und siedelten im Osten Europas und in den vielen kleinen Territorien des Fränkischen und Schwäbischen Reichskreises. Dort entstand das sog. Landjudentum.

Überblick

In fast allen Städten des heutigen Bayern lebten im 13. und 14. Jahrhundert Juden. Große jüdische Gemeinden mit oft mehreren hundert Personen bildeten sich seit dem Hochmittelalter vor allem in den Bischofsstädten wie Regensburg, Augsburg oder Würzburg. Auch in Nürnberg (seit 1146) und München (seit 1229) sind früh jüdische Bewohner nachweisbar. Die Ansiedlungen befanden sich immer im Zentrum der Stadt, oft in unmittelbarer Nähe des Rathauses oder des Bischofssitzes. In kleineren Städten war die Ansiedlung der Juden bereits mit vielen rechtlichen und wirtschaftlichen Einschränkungen verbunden. Grundbesitz und Handel wurden den Juden weitgehend verboten; sie waren hauptsächlich als Geldleiher geduldet, ein ebenso einträgliches wie gefährliches Gewerbe, das ausschließlich Juden erlaubt war. Christen war spätestens seit dem Laterankonzil von 1215 die Geldleihe gegen Zins verboten. Für den Ausbau der Städte und in der agrarisch geprägten Wirtschaft war die Geldleihe von großer Bedeutung. Für die Geldleiher barg das Geldgeschäft große Gefahren. In Krisenzeiten oder bei Störungen im jährlichen Wirtschaftsjahr durch Naturereignisse galten die Juden mit ihren hohen, von der christlichen Herrschaft festgelegten Zinssätzen als Wucherer.

Der daraus resultierende Antijudaismus war die Triebfeder für die Pogrome in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Eine Phase kultureller Blüte war bereits seit dem 13. Jahrhundert durch eine Vielzahl von Übergriffen der christlichen Mehrheit gestört worden. Mitte des 14. Jahrhunderts kam es erneut zu großen Pogromwellen, die die Existenz fast aller jüdischen Gemeinden im heutigen Bayern gefährdeten. Lediglich die Bürger der Stadt Regensburg schützten die dort ansässigen Juden in dieser Zeit.

Eine Nennung im Nürnberger Memorbuch, in dem jüdischen Opfern von Verfolgungen gedacht wird, ist bei vielen kleinen Städten der einzige Nachweis, dass sich in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts dort Juden niedergelassen hatten. In die größeren Städte kamen Juden zwar auch nach der Verfolgung im Jahr 1349, die im Zusammenhang mit der Pest ausgelöst wurde, wieder zurück. Nun mussten sie aber häufig an weniger zentralen Bereichen der Stadt leben. Gleichzeitig wurde ihre rechtliche und wirtschaftliche Stellung durch ihre Schutzherren immer weiter erschwert, bis im Laufe des 15. Jahrhunderts die Juden zusehends aus allen Städten des bayerischen Herzogtums vertrieben wurden. Auch die Stadt Regensburg mussten die Juden im Jahr 1519 verlassen. Sie zogen weiter in den Osten Europas oder in die vielen kleinen Territorien des Fränkischen und Schwäbischen Reichkreises, wo das sogenannte Landjudentum entstand.

Der erste Kreuzzug 1096

Die erste große Krise in den christlich-jüdischen Beziehungen brachte der erste Kreuzzug. Die Verfolgung der Juden war allerdings kein essentieller Bestandteil des Kreuzzugsgedankens. Die Vergegenwärtigung des durch Juden verursachten Leidens verstärkte gerade bei den unteren Schichten der Kreuzzugsteilnehmer die antijüdische Haltung. Vor allem die reichen jüdischen Gemeinden wurden Opfer der unorganisierten Kreuzfahrer aus Frankreich und aus dem westdeutschen Raum. In Bayern war die jüdische Gemeinde in Regenburg betroffen. Hier wurden Mitglieder der Gemeinde zur Taufe gezwungen. Mit einem Privileg Kaiser Kaiser Heinrich IV. (reg. 1056-1105, Kaiser seit 1084) durften die Regensburger Juden 1097 zu ihrem Glauben zurückkehren.

Die Ritualmordanklage

Seit dem ersten Kreuzzug eskalierte die Auseinandersetzung zwischen Kirche und Juden. Die zunehmenden Ausgrenzungsversuche, wie die ab dem 13. Jahrhundert von Rom aus geforderte Kennzeichnungspflicht der Juden, fanden auch ihren Niederschlag in der Stimmung der Bevölkerung. Schon seit dem 12. Jahrhundert tauchten im Westen Europas Beschuldigungen gegen Juden auf, dass sie Ritualmorde an christlichen Kindern begehen würden. Danach würden die Juden vor allem zur Osterzeit zur Verhöhnung der Passion Jesu einen Christenjungen in ritueller Form ermorden. Das Blut der geraubten oder gekauften Kinder werde aus rituellen Gründen entzogen und zur Zubereitung der Mazzot (ungesäuertes Brot) verwendet.

Von England aus - der erste Fall ist 1144 aus Norwich überliefert - verbreitete sich die Ritualmordanklage über ganz Europa und löste an den betroffenen Orten Verfolgungen der jeweiligen Judengemeinden aus. In Deutschland ist der erste Fall in Lauda (Baden-Württemberg) im Jahr 1234 und ein Jahr später in Fulda (Hessen) überliefert. Auch die von Kaiser Friedrich II. (reg. 1212-1250, Kaiser seit 1220) veranlassten Untersuchungen, die die Juden von allen Vorwürfen freisprachen, und entsprechende Verfügungen von Päpsten zum Schutz der Juden konnten Übergriffe auf jüdische Gemeinden nicht verhindern.

Auch eine jüdische Gemeinde in Bayern wurde Opfer einer Ritualmordanklage: Am 12. Oktober 1285 wurden die Juden in München eines Ritualmordes angeklagt, nachdem eine christliche Frau "gestand", die Münchner Juden hätten ein getauftes Christenkind getötet und sein Blut getrunken. Eine aufgebrachte Volksmenge zündete die Synagoge an, wobei die Juden, die sich in den ersten Stock geflüchtet hatten, in den Flammen umkamen. Zwei Jahre später durften Juden nach München zurückkehren. 1287 sollte schließlich erstmals ein Vorfall zur Verfolgung von Juden in mehreren Orten führen. Als in Bacharach (Rheinland-Pfalz) die Leiche des 16-jährigen Werner aufgefunden wurde, kam es aufgrund einer Ritualmordanklage zur Verfolgung der Juden in Städten am Mittel- und Unterrhein bzw. an der Mosel. Eine Anklage gegen Juden führte somit in Deutschland erstmals zu einem überörtlichen Pogrom.

Darstellung einer angeblichen Hostienschändung, 1716. Eine ähnliche Bildtafel hing als Teil eines 14-teiligen Zyklus, der die Enstehung der "Deggendorfer Gnad" erklärt, 1710-1969 in der Deggendorfer Kirche zum Hl. Grab. Der gesamte Zyklus wird in ähnlicher Gestaltung in einem Einblattdruck von 1749 dargestellt. In: Warhaffte History, Was sich mit dem Hochwürdigisten Sacrament des Altars zu Deggendorff, durch unmenschliche geübte Boßheit der Juden, verloffen, Regenspurg 1716, 15.

Der Vorwurf der Hostienschändung

Noch verhängnisvollere Folgen für die jüdischen Gemeinden sollte der Vorwurf der Hostienschändung haben. Erstmals wurde im Jahr 1298 in Paris die dortige Gemeinde beschuldigt, zu rituellen Zwecken Hostien gestohlen zu haben und an ihnen die Kreuzigung Christi zu wiederholen. Als Folge der Transsubstantiationslehre (Verwandlung von Brot und Wein in Leib und Blut Jesu Christi beim Abendmahl) mehrten sich vor allem unter dem Eindruck des Blutwunders von Bolsena im Jahr 1236 und der Ausbreitung des Fronleichnamsfests eucharistische Wunder. Den Juden wurde vorgeworfen, dass sie von Christen gekaufte oder gestohlene Hostien durchstechen, zertreten oder verbrennen würden. Nach den Legenden hätten sich die Hostien als unzerstörbar erwiesen und konnten so meist in einem Brunnen versteckt von Christen gefunden werden. Die daraus abgeleiteten Wunder führten zu den Verfolgungen der Juden, die häufig in überregionalen Pogromen endeten.

Die Verfolgungen in Franken 1298 und 1336

1298 gingen von Röttingen a.d.Tauber (Lkr. Würzburg) Pogrome in fast allen jüdischen Gemeinden in Franken und Schwaben unter Führung eines König "Rintfleisch" aus. Auch die große jüdische Gemeinde in Würzburg war davon betroffen. Ebenfalls in Röttingen a.d.Tauber nahm im Jahr 1336 die Verfolgung der Juden durch die sog. Armlederbewegung ihren Ausgangspunkt, die 1336 bis 1338 in Franken und vor allem im Elsass zur Ermordung von Angehörigen jüdischer Gemeinden führen sollte. Im Frühjahr 1338 kam es von Pulkau ausgehend auch in Niederösterreich zu einer überregionalen Verfolgung von Juden, ebenso in Kärnten und der Steiermark.

Die niederbayerischen Verfolgungen von 1338

Der Judenmord in Deggendorf, Gemälde auf Öl von Philip Neri Miller, 1710. (heute in der Dauerausstellung zur "Deggendorfer Gnad" im Stadtmuseum Deggendorf)

Zu ersten überregionalen Verfolgungen jüdischer Gemeinden kam es im Herzogtum Bayern ebenfalls im Jahr 1338. Ausgehend von Deggendorf fielen diesem Pogrom die Juden in mehr als 20 Orten zum Opfer. Nach dem Nürnberger Memorbuch, das nur die Verfolgungsorte nennt, wurden in folgenden Städten jüdische Bewohner getötet:

Für einen großen Teil der Orte stellt dieser Eintrag im Memorbuch den einzigen Beleg für die Existenz einer jüdischen Gemeinde im Mittelalter dar.

Die Morde waren wirtschaftlich motiviert. Die Legende eines Hostienwunders, die Deggendorf lange eine florierende Wallfahrt einbrachte und die bis 1992 in abgeschwächter Form als eucharistische Woche begangen wurde, entstand erst im 15. Jahrhundert. Ausgangspunkt der Verfolgungswelle war Deggendorf, wo die Bürger, unterstützt durch den herzoglichen Richter Conrad Freiberger und den Pfleger Hartwig von Degenberg, am 30. September 1338 Juden ermordeten. Am 6. Oktober 1338 verbrannten dann die Straubinger Bürger Juden in deren Häusern, wobei auch Teile der Stadt in Flammen aufgingen. Kurz darauf griff der niederbayerische Herzog Heinrich XIV. (reg. 1310-1339) ein, aber nicht als Schutzherr seiner Juden, sondern an der Seite der Mörder. Er sprach die Mörder frei, schenkte ihnen das gesamte Raubgut und deklarierte alle jüdischen Pfandbriefe als ungültig. Die Straubinger erhielten zusätzlich Steuerfreiheit als Ausgleich für die Brandschäden. In Landshut rechnete der Herzog dann die Einnahmen aus dem Mord an den dortigen Juden direkt ab: Der herzogliche Beamte und Geldgeber des Herzogs, Albrecht von Staudach, wurde hier von Heinrich beauftragt, den Besitz der ermordeten Juden zu sammeln und der herzoglichen Kasse zuzuführen.

Die bayerischen Pogrome 1338/39 stellen insoweit ein Novum dar, als die Verfolgungen die ausdrückliche Unterstützung des Schutzherrn fanden, der selbst für das Ausmaß der Verfolgung verantwortlich war. Wenige Jahre später wurden Juden mit neuen herzoglichen Privilegien wieder in einige der betroffenen Städte aufgenommen.

Der Vorwurf der Brunnenvergiftung

Die Pest wütete 1348 erstmals in Europa und brachte für mindestens ein Drittel der Bevölkerung den Tod. Die bakteriellen Erreger der Krankheit wie auch deren Verbreitung über die Flöhe der Ratten waren unbekannt. Schnell entstand der Vorwurf, Juden hätten, als Feinde der Christen, Wasser und Brunnen vergiftet. So eilte bald der Krankheit eine fast alle jüdischen Gemeinden betreffende Verfolgungswelle voraus.

In allen schwäbischen und fränkischen Städten, in denen nach den Verfolgungen von 1336 und 1338 wieder Juden lebten, kam es zu Verfolgungen, so auch in Augsburg, wo bereits am 22. November 1348 über 100 Juden ermordet worden waren, und am 21. April 1349 in Würzburg. Die Morde an der Nürnberger Gemeinde, bei der vermutlich 562 Menschen starben, erfolgten am 6. Dezember 1349. Der Nürnberger Rat unter Führung des Patriziers Ulrich Stromer (gest. 1385) hatte bereits zwei Monate vor dem Pogrom bei Kaiser Karl IV. (reg. 1346-1378) dessen Erlaubnis als Schutzherr der jüdischen Gemeinde eingeholt. In der berühmten Markturkunde wurde bestimmt, die unmittelbar am Rathaus gelegene jüdische Siedlung abzureißen, um hier den bis heute existierenden Hauptmarkt zu errichten und an Stelle der Synagoge die heutige katholische Pfarrkirche "Unserer lieben Frau" zu erbauen. Wie in Würzburg und später bei den Vertreibungen der Juden aus München, Landshut, Bamberg und Passau wurde hier sofort eine Kirche an die Stelle der zerstörten Synagoge gesetzt. So wurde dieser Boden für die Kirche zurückgewonnen und gleichzeitig eine Rückkehr der Juden an diesen Platz endgültig verhindert.

Auch die Verteilung des jüdischen Besitzes und Außenstände wurden in Nürnberg bereits im Vorfeld geregelt. Ulrich Stromer wurde "um seiner Treue und Dienste willen" als Anführer des Rates ein jüdisches Haus geschenkt. Der jüdische Besitz und auch die Forderungen der Juden fielen an die Stadt. Nürnberger Bürgern wurden die Schulden bei den jüdischen Gläubigern erlassen und der Bamberger Bischof und der Burggraf mit Hausschenkungen wurden mit höheren Geldsummen beteiligt. Auch in anderen Städten wurde - soweit es dazu Überlieferungen gibt - ähnlich verfahren.

Die Verfolgung der Juden 1349 in den bayerischen Herzogtümern

Auch die Verfolgungen in den Herzogtümern Bayerns liefen 1349 organisiert und mit ausdrücklicher Genehmigung der bayerischen Herzöge ab. Die gerade wieder mit großzügigen Privilegien in die Städte gelockten Juden wurden in der Zeit der Pestepidemie wiederum Opfer der Gewalt. Bereits bevor die Pest in Bayern ankam, wurden die Landshuter Juden am 17. Februar 1349 ermordet. An diesem Tag stellte Herzog Stephan II. (reg. 1347-1375) wiederum für Albrecht von Staudach eine Urkunde aus, in der er die jüdische Gemeinde von Landshut für 600 Pfund Regensburger Pfennige und die Unkosten, die er mit seinem Gefolge zur Fastnacht haben würde, an diesen verpfändete. Aus dem Text der Urkunde geht dabei eindeutig hervor, dass es sich nicht um eine übliche Verpfändung sondern um einen klaren Auftrag zum Mord handelte. Insbesondere sollten auch alle Pfand- und Schuldbriefe eingezogen und so wie der gesamte weitere Besitz der Juden mit dem Herzog abgerechnet werden. Wenig später wurde Albrecht von Staudach auch mit der Eintreibung der gesamten jüdischen Habe in München und auch in allen anderen bayerischen Städten beauftragt. Verschont blieb die Regensburger Gemeinde. Teile der Regensburger Bürgerschaft, denen die Einnahmen aus der Judensteuer verpfändet waren, stellten sich ausdrücklich vor die jüdische Gemeinde und verteidigten diese auch gegen Übergriffe der bayerischen Herzöge.

Die Vertreibungen der Juden im 15. und frühen 16. Jahrhundert

Die Verfolgungen Mitte des 14. Jahrhunderts stellten eine erhebliche Zäsur für das jüdische Leben im heutigen Bayern dar. Die Phase der kulturellen Blüte war beendet. Zu hoch war der Blutzoll, den die Verfolgungen gefordert hatten. Auch wenn sich vor allem in größeren Städten nochmals Juden ansiedelten bzw. in Ostfranken und in der Oberpfalz sogar noch neue Gemeinden entstanden, belegen die nun zugewiesenen Wohnorte in der Stadt, die immer wieder verhängten Sondersteuern und die alltägliche Erschwernis im Zusammenleben mit der christlichen Mehrheit, dass die Anwesenheit der Juden nicht erwünscht war.

Die zunehmende rechtliche und soziale Degradierung führte schließlich im 15. Jahrhundert zur Ausweisung der Juden aus den Territorien: Oberbayern mussten sie 1442, Niederbayern 1450, Augsburg bereits im Jahr 1440 verlassen. Passau folgte nach einer neuerlichen Ritualmordanklage 1478. Im Jahr 1519 mussten die Juden auf Betreiben der Regensburger Bürger, die die Juden bei allen Verfolgungswellen im 14. Jahrhundert geschützt hatten, verlassen. Auch in Regensburg sollte, wie in allen anderen Städten, in denen die jüdische Siedlung zerstört oder nach der Vertreibung abgerissen wurde, eine Kirche anstelle der Synagoge errichtet werden. Bereits wenige Wochen später wurde am heutigen Neupfarrplatz die hölzerne Kirche "Zur schönen Maria" errichtet. Nach 1553 war es Juden sogar verboten, das Territoriums des Herzogtum Bayerns zu durchreisen. Lediglich in Franken und Schwaben durften sie in den kleinen Reichsritterschaften zu oft wirtschaftlich sehr schwierigen Bedingungen bleiben. Viele Juden zogen weiter in den Osten Europas, wo sie eine größere Rechtssicherheit fanden. Polen wurde im 16. Jahrhundert zu einem Zentrum jüdischer Gelehrsamkeit, wie es Jahrhunderte zuvor Regensburg gewesen war.

Forschungslage

Aus heutiger Sicht zeichnet sich klar ab, dass die Ansiedlung, Duldung und Ermordung bzw. Vertreibung der Juden vor allem wirtschaftlich motiviert war. Eine neue Gesamtdarstellung der mittelalterlichen Geschichte der Juden in Bayern dürfte wenig neue Erkenntnisse erbringen, zumal die Archivrecherchen für die Bände der Germania Judaica die schriftlichen Zeugnisse zur Geschichte der Juden im 15. Jahrhundert weitgehend erfasst haben. Eine Reihe von Einzeldarstellungen (siehe Literaturverzeichnis) analysieren die großen Verfolgungswellen und die Folgen der Pogrome. Lediglich eine Gesamtdarstellung zu Regensburg, der bedeutendsten jüdischen Gemeinde in Bayern, steht noch aus.

Literatur

  • Andreas Angerstorfer, Die Rintfleischscharen wüten in der "Oberpfalz". Der Pogrom am 27. Juli 1298 in Neumarkt, in: Oberpfälzer Heimat 44 (1999), 11-23.
  • Klaus Arnold, Abweichungen im Glauben - Judenverfolgungen - Volksbewegungen, in: Peter Kolb/Ernst-Günther Krenig (Hg.), Unterfränkische Geschichte. 2. Band: Vom hohen Mittelallter bis zum Beginn des konfessionellen Zeitalters, Würzburg 1992, 337-356.
  • Hans-Peter Baum, Die Vernichtung der jüdischen Gemeinde in Würzburg 1349, in: Dieter Rödel/Joachim Schneider (Hg.), Strukturen der Gesellschaft im Mittelalter. Interdisziplinäre Mediävistik in Würzburg, Wiesbaden 1996, 370-384.
  • Bernward Deneke/Cornelia Foerster (Hg.), Siehe, der Stein schreit aus der Mauer. Geschichte und Kultur der Juden in Bayern. Eine Ausstellung veranstaltet vom Germanischen Nationalmuseum Nürnberg und vom Haus der Bayerischen Geschichte im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg, 25.10.1988-22.1.1989. 1. Band: Katalog (Ausstellungskataloge des Germanischen Nationalmuseums), Nürnberg 1988.
  • Manfred Eder, Die "Deggendorfer Gnad". Entstehung und Entwicklung einer Hostienwallfahrt im Kontext von Theologie und Geschichte (Deggendorfer Archäologie und Stadtgeschichte 3), Passau 1992.
  • Germania Judaica. Historisch-Topographisches Handbuch zur Geschichte der Juden im Alten Reich. [bisher 7 Teilbände]
  • Markus Hörsch, Die Bamberger "Judenkapelle" und ihre Ährenkleidbilder. Untersuchungen zu den Umständen ihrer Entstehung und zur Judenfeindlichkeit im Franken der 1420er Jahre, in: Beiträge zur fränkischen Kunstgeschichte 3 (1998), 82-107.
  • Josef Kirmeier, Die Juden und andere Randgruppen. Zur Frage der Randständigkeit im mittelalterlichen Landshut, Landshut 1988.
  • Friedrich Lotter, Das Aufkommen der Hostienfrevellegende und die Judenverfolgung in Franken um 1298, in: Ulrich Wagner (Hg.), "Denn das Sterben des Menschen hört nie auf ..." (Schriften des Stadtarchivs Würzburg 11), Würzburg 113-130.
  • Friedrich Lotter, Die fränkischen Judenpogrome von 1298 und 1336/37 und ihr Hintergrund angeblicher Hostienschändungen (unter besonderer Berücksichtigung der Vorgänge in Rothenburg), in: Jahrbuch des Vereins Alt-Rothenburg 1999, 33-60.
  • Friedrich Lotter, Die Judenverfolgung des "König Rintfleisch" in Franken um 1298. Die endgültige Wende in den christlich-jüdischen Beziehungen im Deutschen Reich des Mittelalters, in: Zeitschrift für historische Forschung 15 (1988), 385-422.
  • Friedrich Lotter, Hostienfrevelvorwurf und Blutwunderfälschung bei den Judenverfolgungen von 1298, in: Fälschungen im Mittelalter. 5. Band (Monumenta Germaniae Historica. Schriften 33/5), Hannover 1988, 533-583.
  • Harald Schwillus, Hostienfrevellegende und Judenverfolgung in Iphofen. Ein Beitrag zur Entstehungsgeschichte der Kirche zum hl. Blut im Gräbenviertel, in: Würzburger Diözesangeschichtsblätter 58 (1996), 87-107.
  • Markus J. Wenninger, Man bedarf keiner Juden mehr. Ursachen und Hintergründe ihrer Vertreibung aus den deutschen Reichsstädten im 15. Jahrhundert (Archiv für Kulturgeschichte. Beiheft 14), Wien u. a. 1981.
  • Alfred Wolfsteiner, Judenverfolgung und Pest in Regensburg und der Oberpfalz im Spätmittelalter, in: Gerhard Waldherr (Hg.), "Stadt und Mutter in Israel" (Ausstellungskataloge zur Regensburger Geschichte 2), Regensburg 1990, 173-175.

Weiterführende Recherche

Externe Links

Empfohlene Zitierweise

Josef Kirmeier, Judenverfolgungen (Spätmittelalter), publiziert am 24.09.2014; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Judenverfolgungen_(Spätmittelalter)> (16.10.2024)