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Roter Terror, 1919

Aus Historisches Lexikon Bayerns

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Erste Geiselnahmen (Schutzhaft) nach der Ermordung Eisners. Bekanntmachung des Zentralrats der Republik Bayern vom 23. Februar 1919. (Monacensia. Literaturarchiv und Bibliothek)

von Bernhard Grau

Als "Roter Terror" werden die Gewaltakte von Anhängern der Zweiten Münchner Räterepublik (13. April-1. Mai 1919) bezeichnet. Als Inbegriff dieser Maßnahmen gelten die Erschießungen von zehn Gefangenen im Münchner Luitpoldgymnasium am 30. April 1919. Von der Gegenpropaganda massiv überzeichnet, wirkten die Verbrechen der Räterepublik auf die bayerische Republik traumatisierender als der "Weiße Terror" der Regierungstruppen.

Vorgeschichte

Mit der Ermordung Kurt Eisners (1867-1919) am 21. Februar 1919 endete die weitgehend friedlich verlaufene erste Phase der Revolution von 1918. In München entstand ein Machtvakuum. Trotz der Bildung der Regierung Hoffmann am 17. März 1919 blieb die Lage instabil. Die Ausrufung der Münchner Räterepublik am 7. April bedeutete eine weitere Zuspitzung der politischen Lage. Die Regierung Hoffmann I und der Landtag wichen daher nach Bamberg aus. Zu gezieltem Terror kam es freilich erst, nachdem die Kommunisten am 13. April 1919 in München die Macht an sich gerissen hatten. Durch den Einsatz von Gewalt suchten sie die Räterepublik zu stabilisieren und ihre Gegner einzuschüchtern. Da sie bis zum 1. Mai 1919 die Stadt und ihr unmittelbares Umfeld kontrollierten, handelte es sich dabei um eine Form von Staatsterrorismus.

Gewaltmaßnahmen der Räteregierung

Befehl der Stadtkommandantur München unter Rudolf Egelhofer zur Waffenablieferung. (Aus: Erich Wollenberg, Als Rotarmist vor München. Reportage aus der Münchener Räterepublik, Berlin 1929, Abbildungsteil)

Die Münchner Räteregierung verfügte nur über eine vergleichsweise schwache Basis und über beschränkte Machtmittel. Die Abschnürung der Stadt führte zudem zu einem Mangel an Lebensmitteln und Bedarfsgegenständen. Um den Versorgungsengpässen entgegenzuwirken, kam es zu Konfiskationen sowie zur Öffnung von Banksafes und zur Beschlagnahme von Bargeldbeständen, wobei allerdings vielfach Empfangsbescheinigungen ausgestellt wurden.

Auch Waffenbestände wurden eingezogen, um damit die im Aufbau befindliche Rote Armee auszustatten. Diese diente nicht nur der Verteidigung gegen Angriffe von außen, sondern fungierte zugleich als Drohkulisse nach innen. Die nahezu vollständige Unterdrückung der Presse bezweckte die Ausschaltung der gegnerischen Propaganda.

Zur Aburteilung gegenrevolutionärer Bestrebungen wurde ein Revolutionstribunal eingerichtet, das allerdings nur selten und dann maßvoll Strafen verhängte. Interne Konflikte zwischen gemäßigten und radikalen Anhängern der Räterepublik kosteten den Kaufmann Ernst Lacher (1898-1919) und den kurz amtierenden Stadtkommandanten Wilhelm Weinberger (1898-1919) das Leben.

Die Morde im Luitpoldgymnasium

Als Inbegriff des Roten Terrors gelten die "Geiselerschießungen" im Luitpold-Gymnasium, das besonders radikalen Räterepublikanern als Stützpunkt diente. Die dort untergebrachten Gefangenen waren zum Teil bei der Zerschlagung der gegenrevolutionären Thule-Gesellschaft festgenommen worden. Unter den Häftlingen befanden sich aber auch Angehörige der Regierungstruppen sowie Zivilisten, die wegen Waffenbesitzes oder aufgrund von Denunziationen aufgegriffen worden waren.

Zwei "Weißgardisten" wurden spontan am Morgen des 30. April 1919 durch ein Erschießungskommando hingerichtet, nachdem erste Nachrichten über die Gräueltaten der Regierungstruppen bekannt geworden waren. Die Erschießungen am Nachmittag desselben Tages sollen hingegen vom Oberkommandierenden der Roten Armee, Rudolf Egelhofer (1896-1919), angeordnet worden sein. Ihnen fielen acht weitere Gefangene, darunter die Thule-Mitglieder Haila Gräfin von Westarp (1886-1919) und Friedrich Wilhelm Freiherr von Seydlitz (1891-1919), zum Opfer. Als besonders tragisch ist die Hinrichtung des Professors und Kunstmalers Ernst Berger (1857-1919) zu bezeichnen, der lediglich wegen öffentlicher Unmutsäußerungen verhaftet worden war.

Fazit

Propagandistisch wurden die Gewaltätigkeiten während der Revolution und der Räterepulik intensiv verwendet. Das Titelblatt eines im Eher-Verlag 1935 verlegten Romans über die Münchner Revolutionsereignisse von 1919 trägt auch deutlich antisemitische Züge. (Wilhelm Weigand, Die rote Flut. Der Münchener Revolutions- und Rätespuk 1918/19, München 1935, Titelblatt)

Die in der Phase der zweiten Räterepublik feststellbaren Übergriffe gegen die Bevölkerung waren oft unkoordinierte Einzelaktionen autonom handelnder Gruppierungen. Zum Teil wurden die Maßnahmen auch durch äußere Zwänge wie die bestehenden Versorgungsengpässe diktiert. Von einer konsequenten Gewaltherrschaft wird man daher trotz der "Geiselerschießungen" nicht sprechen können. Zugleich ist festzustellen, dass die im Namen der Räterepublik begangenen Verbrechen von der Gegenpropaganda massiv überzeichnet wurden. Dies erklärt, weshalb sie zum bleibenden Trauma der jungen bayerischen Republik werden konnten. Die Beobachtung, dass es im Wesen des Terrorismus liege, den Gegenterror herauszufordern, lässt sich auch am Münchner Beispiel belegen. Die bei der Eroberung Münchens durch die Regierungstruppen begangenen Gewalttaten werden als "Weißer Terror" bezeichnet.

Literatur

  • Rudolf Herz/Dirk Halfbrodt, Revolution und Fotografie. München 1918/19, Berlin 1988.
  • Heinrich Hillmayr, Roter und Weißer Terror in Bayern nach 1918. Ursachen, Erscheinungsformen und Folgen der Gewalttätigkeiten im Verlauf der revolutionären Ereignisse nach dem Ende des Ersten Weltkrieges, München 1974.

Weiterführende Recherche

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Empfohlene Zitierweise

Bernhard Grau, Roter Terror, 1919, publiziert am 16.08.2006; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Roter_Terror,_1919> (7.12.2024)