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Vereinigung der Arbeitgeberverbände in Bayern (VBA)

Aus Historisches Lexikon Bayerns

Die Handels- und Gewerbekammer am Maximiliansplatz in München im Jahre 1930. (Bayerisches Wirtschaftsarchiv)

von Helmut Braun

Arbeitgeberverbände, die Unternehmensinteressen gegenüber den Gewerkschaften und dem Staat vertreten, entstanden in Bayern beginnend mit der Textilindustrie ab 1870. Die Unternehmen der Metallindustrie folgten zögernd ab 1893. Eine Dachorganisation der verschiedenen Arbeitgeberverbände in Bayern konnte sich erst mit der 1924 gegründeten "Vereinigung der bayerischen Arbeitgeberverbände" etablieren, die 1934 - wie auch die angeschlossenen Arbeitgeberverbände - der "Gleichschaltung" zum Opfer fiel. Nach 1945 konstituierten sich erneut zuerst die Arbeitgeberverbände der einzelnen Branchen, die sich 1949 als "Vereinigung der Arbeitgeberverbände in Bayern" zusammenschlossen.

Das Phänomen "Verband zur Vertretung eigener wirtschaftlicher Interessen"

Typisch für das Deutsche Kaiserreich war die Entstehung von Interessenverbänden, insbesondere zur Vertretung wirtschaftlicher Interessen während der Hochindustrialisierung. Derartige Zusammenschlüsse innerhalb der Wirtschaft gab es in den verschiedensten Bereichen, natürlich auch bei den Arbeitgebern und Industriellen zur Vertretung der Interessen des Kapitals und der Investoren gegenüber den ebenfalls als "Verbände" zu interpretierende Gewerkschaften, aber auch gegenüber der staatlichen Macht.

Die Keimzelle der Verbandsgründungen in der Textilindustrie

Bereits am 1. Juli 1870 gründeten süddeutsche Baumwollindustrielle in Augsburg einen eigenen Verein zur Verfolgung ihrer Interessen. Auch als Reaktion auf eine Vielzahl von Arbeitskämpfen mit den im Laufe der Jahre erstarkten Gewerkschaften wurde 1903 daraus der Verband süddeutscher Textilarbeitgeber mit Hauptsitz in Augsburg. Dieser Arbeitgeberverband unterhielt auch ein Büro im weiteren wichtigen bayerischen Standort der Textilindustrie in Hof an der Saale sowie außerhalb Bayerns in Freiburg und Stuttgart. Die Geschichte dieses Verbandes ist jedoch noch nicht erschöpfend erforscht.

Die Arbeitgeber der Metallindustrie: Von der Gründung des VBM und des BIV zum VBA

Dr. Georg von Krauß. Abb. aus: Friedrich Möhl, Hundert Jahre Krauss-Maffei München 1837-1937, München 1937, 28. (Bayerische Staatsbibliothek, 4 38.186)
Anton von Rieppel (1852-1926, Adelserhebung 1906) war der Gründungsvorsitzende des Verbandes Bayerischer Metallindustrieller und wirkte noch in weiteren Verbänden mit. Gravur nach einem Foto von Franz Hanfstaengl. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv port-023122)

Nachdem sich mehrere entsprechende nord- und mitteldeutsche Bezirksvereine am 19. März 1890 in Berlin im "Gesamtverband Deutscher Metallindustrieller (GDM)" formierten hatten, um bei Arbeiterstreiks koordiniert Aussperrrungen umzusetzen, wurde auch die bayerische Metallindustrie eingeladen, hier teilzunehmen. Dazu sollte in Bayern zuerst ein entsprechender Bezirksverband gegründet werden, der sich dann dem Berliner Gesamtverband anschließen sollte. Die so angesprochenen bayerischen Industriellen, z. B. der Lokomotivenhersteller Georg von Krauß (1826-1906), reagierten zunächst ablehnend und verwiesen darauf, dass in der bayerischen Metallindustrie Streiks nur selten vorkamen. Dennoch entstand Ende 1893 ein "Verbandes der Metallindustriellen von Nürnberg, Fürth und Umgebung", der sich am 17. Januar 1894 dem Berliner Gesamtverband anschloss. Am 30. Januar 1903 trat der Nürnberger Metallindustriellenverband dem 1902 gegründeten "Bayerischen Industriellen-Verband (BIV)" bei, der als Vertretung der bayerischen Großindustrie stark zentralisiert war und sich über Bayern hinaus in überregionalen Fach- und Industrieverbänden engagierte.

Die Fabrikanten aus den in der Metallindustrie ebenso bedeutenden Städten München und Augsburg schlossen sich dem Nürnberger Verband allerdings erst 1904 an, als ein Verband Bayerischer Metallindustrieller (VBM)" mit Sitz in Nürnberg gegründet wurde. 1905 konstituierten sich im VBM Ortsgruppen in München und Augsburg; der Nürnberger Metallindustriellenverband war nun ebenfalls eine Ortsgruppe im VBM. Vom VBM geschäftlich geführt, entstand im Jahr 1911 ein branchenübergreifendes Schutzkartell gegen Streik und Aussperrungsfälle, das "Nürnberg-Fürther Arbeitgeberkartell (NFAK)".

Gründungsvorsitzender des VBM war Anton von Rieppel von der MAN (1852-1926, Adelserhebung 1906), der den Verband bis zu seinem Tode leitete. Rieppel war auch erster Vorsitzender beim BIV, Vorstand beim Gesamtverband Deutscher Metallindustrieller GDM und wirkte auch als Gründungs- und Vorstandsmitglied des Reichsverbandes der Deutschen Industrie (RDI).

Entstehung branchenübergreifender Arbeitgeberverbände

Streiks der Crimitschauer Textilarbeiter im Jahr 1903/04 waren der Anlass, um überfachliche und gemischtgewerbliche Arbeitgebervereinigungen zu gründen: Auf Initiative des der Großindustrie nahe stehenden Zentralverbandes deutscher Industrieller entstand am 12. April 1904 die "Hauptstelle deutscher Arbeitgeberverbände". Als Reaktion gründeten die Unternehmer der verarbeitenden Industrie unter dem Einfluss des Gesamtverbandes Deutscher Metallindustrieller am 23. Juni 1904 den "Verein Deutscher Arbeitgeberverbände". Nach mehreren Kartellverträgen beider Verbände fusionierten diese am 5. April 1905 zur "Vereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände".

In Bayern hingegen schlossen die einzelnen Arbeitgeberverbände erst am 5. November 1908 einen nur wenig bedeutenden Kartellvertrag. Erst 1919 entstand in enger Zusammenarbeit mit dem BIV eine eigene "Landesstelle Bayern der Deutschen Arbeitgeberverbände". Diese Landesstelle wurde Anfang des Jahres 1924 unabhängig und nun als "Vereinigung der bayerischen Arbeitgeberverbände (VBA)" konstituiert. Die VBA umfasste bei der Gründung 33, 1927 dann 44 fachliche und gemischtwirtschaftliche Arbeitgeberverbände und sollte auf deren Zusammenschluss als Arbeitgeberschaft hinwirken. VBA und BIV arbeiteten von 1927 bis zur Liquidation im Jahr 1934 in einer Bürogemeinschaft in München zusammen.

Selbstverständnis und Aktivitäten bis zum Ende des Ersten Weltkrieges

Der VBM und seine Vorläufer verstanden sich nicht als Kampfverein, sondern als Verteidigungseinrichtung insbesondere gegenüber den gewerkschaftlich organisierten Arbeiterinteressen. Als es 1905 in Bayern zu ersten großen Streiks kam, antwortete der VBM erstmals mit einer Aussperrung in 45 bayerischen Unternehmen. Später als entsprechende Verbände in anderen Gegenden des Deutschen Reiches eröffnete auch der VBM Arbeitsnachweisstellen, die einerseits der Vermittlung von Arbeitskräften dienten, andererseits aber auch die Einstellung unliebsam aufgefallener Arbeiter in anderen VBM-Unternehmen verhindern konnte.

Mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges endete die uneingeschränkte Arbeit mit dem VBM-Arbeitsnachweis, da offene Stellen nun dem öffentlichen Arbeitsnachweis gemeldet werden mussten. Zudem drängten Kriegsämter und andere offizielle Stellen die Interessen und den politischen Einfluss der Arbeitgeberverbände in den Hintergrund, instrumentalisierten aber deren Verwaltungsapparat. So wurde ab Oktober 1916 der VBM in die staatliche Lebensmittelverteilung eingebunden: Der Verwaltung der Lebensmittelverteilung stand ein hierzu errichteter Beirat zur Seite, dem neben den Arbeitgebern paritätisch auch Gewerkschaftsvertreter beziehungsweise Mitglieder von Arbeiterausschüssen angehörten.

Die Arbeitgeberverbände bis zur Gleichschaltung durch den NS-Staat

Die erste Seite des Protokolls von der Gründung des Landesausschusses der bayerischen Industrie am 2. November 1949 in München. (Bayerisches Wirtschaftsarchiv)

Nach dem Generalabkommen zwischen den großen deutschen Arbeitgeberverbänden und den Gewerkschaften vom 15. November 1918 sowie der Ausrufung der bayerischen Räterepublik am 6./7. April 1919 standen VBM und BIV vor neuen, existentiellen Problemen: Einerseits mussten die Gewerkschaften als stabiler Verhandlungspartner erhalten bleiben, andererseits die drohende Sozialisierung verhindert werden.

Während der Weimarer Republik prägten im Gefolge der Demobilisierung, der Hyperinflation, der "Goldenen Zwanziger Jahre" und der Weltwirtschaftskrise heftige Tarifauseinandersetzungen die Beziehungen zwischen den Gewerkschaften und den Arbeitgeberverbänden einerseits. Gleichzeitig erlebten der VBM und seine Mitgliedsverbände heftige Finanzkrisen.

Der BIV, der personell mit dem VBM, den gesamtdeutschen Industrieverbänden und dem VBA eng verflochten war, setzte sich mehr für die über Bayern hinausreichenden Interessen der bayerischen Großindustrie ein und nahm stärker auf Parteien und Politiker Einfluss. Der BIV veranlasste auch, dass sich bisher nur fachlich oder nur örtlich organisierte Spezialindustriefirmen den umfassenderen Fachgruppen auf Landesebene anschlossen, die selbst wiederum in den RDI beziehungsweise in die Vereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände eingegliedert wurden.

Mit der rigorosen Gleichschaltungspolitik des NS-Regimes kam das Ende für den VBM, den BIV, die Arbeitgeberverbände aller anderen Branchen und des VBA, wobei die weitere Entwicklung nicht immer eindeutig belegt ist: Zum Teil lösten sich einzelne Verbände selbst auf und suchten bei der Deutschen Arbeitsfront Unterschlupf, zum Teil schlossen sie sich freiwillig zusammen, bis sie durch das "Aufbaugesetz" vom 27. Februar 1934 die noch bestehenden Verbandsorganisationen liquidiert und in neuen Organisationsstrukturen des "Führer-Staates" zwangsweise eingegliedert wurden. Der Verband der süddeutschen Textilarbeitgeber beispielsweise beschloss seine Auflösung am 26. Januar 1934.

Die Reorganisation der Arbeitgeberverbände nach dem Zweiten Weltkrieg

Otto Meyer wurde auf der Gründungsversammlung der VAB am 29. Juli 1949 zum ersten Vorsitzenden gewählt. (Bayerisches Wirtschaftsarchiv)
Der damalige bayerische Wirtschaftsminister Ludwig Erhard schuff per Anordnung die Grundlage zur Neubildung wirtschaftlicher Interessenverbände. Hier ist er zusammen mit Ministerpräsident Hanns Seidel (1901-1961) auf der Handwerksmesse 1952 zu sehen. Foto von Georg Fruhstorfer (1915-2003). (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv fruh-09433)

Bereits im Herbst 1945 erkannten führende Repräsentanten insbesondere der bayerischen Metallindustrie die Notwendigkeit, einen Arbeitgeberverband wieder herzustellen. Rechtliche Grundlagen der Neubildung wirtschaftlicher Interessenverbände bildete eine am 25 Oktober 1945 erlassene Anordnung des bayerischen Wirtschaftsministeriums unter Ludwig Erhard (1897-1977). Doch zunächst lehnte die amerikanische Militärregierung die Gründung von Arbeitgeberverbänden ab. Erst nachdem die zukünftigen Aufgaben der neu zu gründenden Interessenvereinigungen geklärt waren, gaben auch die amerikanischen Besatzungsbehörden grünes Licht. Im Januar 1946 entstanden schließlich die ersten Arbeitgeberverbände, wie der Landesverein Bayerischer Spirituosen- und Likörfabrikanten und der Verein Bayrischer Maschinenbau-Anstalten (VBMA). Zusammen mit weiteren, zwischenzeitlich gegründeten Vereinen der bayerischen Metallindustrie wurde am 8. Juli 1947 im Großen Sitzungssaal des bayerischen Wirtschaftsministeriums der Verein der bayerischen Metallindustriellen (VBM) als Arbeitgeberverband wieder gegründet. Im August ließen ihn die US-Behörden zu. Natürlich engagierte sich der VBM im am 25. März 1949 gegründeten, als überregionalen Dachverband tätigen "Gesamtverband der metallindustriellen Arbeitgeberverbände (GDM)".

Im März 1946 gründeten 83 nordbayerische Textilunternehmen einen eigenen Interessenverein mit Sitz in Hof an der Saale, der im November 1947 in Verband der nordbayerischen Textilindustrie e.V. umbenannt wurde. Ebenfalls im März 1946 formten 22 südbayerische Textilunternehmer einen eigenen Verein mit Sitz in Augsburg. Im gleichen Monat gründeten Münchner Unternehmen zudem noch einen eigenen, jedoch landesweit orientierten Verein der bayerischen Bekleidungsindustrie. Dieser Verein wurde im März 1947 umbenannt in Landesverband der bayerischen Bekleidungsindustrie e. V.. Über Jahrzehnte agierten alle drei genannten Textilarbeitgeberverbände getrennt und schlossen sich erst im Jahr 1993 zum nun innerhalb des Textilbereichs Branchen übergreifenden, gemeinsamen Verband der bayerischen Textil- und Bekleidungsindustrie e.V. mit Sitz in München zusammen.

Ähnlich wie 1924 entstand am 29. Juli 1949 erst spät auch in Bayern aus einer Bürogemeinschaft der Arbeitgebervereinigungen eine eigene "Vereinigung der Arbeitgeberverbände in Bayern (VAB)", die am 21. Juli 1950 76 bayerische Arbeitgeberverbände repräsentierte.

Literatur

  • Günther Eckardt, Industrie und Politik in Bayern 1900-1912. Der Bayerische Industriellen-Verband als Modell des Einflusses von Wirtschaftsverbänden, Berlin 1976.
  • Gerhard Erdmann, Die deutschen Arbeitgeberverbände im sozialgeschichtlichen Wandel der Zeit, Neuwied/Berlin 1966.
  • 100 Jahre wirtschaftspolitische Verbände in Bayern 1902-2002. Vom Bayerischen Industriellen-Verband zur Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, München 2002.
  • Eva Moser, Bayerns Arbeitgeberverbände im Wiederaufbau, Stuttgart 1990.
  • Gabriela Sperl, Wirtschaft und Staat in Bayern 1914-1924, Berlin 1996.
  • Vierzig Jahre VAB. Der harte Weg der Neugründung am 27. Juli 1947, in: VAB-Geschäftsbericht 1988/89.
  • 10 Jahre Verband der bayerischen Textil- und Bekleidungsindustrie e.V., Mitgliederversammlung des Verbandes am 22. Mai 2003 in München, München 2003.

Weiterführende Recherche

Externe Links

Vereinigung der bayerischen Arbeitgeberverbände

Empfohlene Zitierweise

Helmut Braun, Vereinigung der Arbeitgeberverbände in Bayern (VBA), publiziert am 22.01.2007; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Vereinigung_der_Arbeitgeberverbände_in_Bayern_(VBA)> (28.03.2024)