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Bayerischer Kurier

Aus Historisches Lexikon Bayerns

Sonderausgabe nach dem Hitlerputsch, 10. November 1923, Titelblatt.
Titelseite vom 1. März 1933, dem Tag nach dem Reichstagsbrand in Berlin.

von Paul Hoser

Der konservative Bayerische Kurier, gegründet 1856, entwickelte sich zum Münchner Sprachrohr der 1869 entstandenen katholischen, partikularistischen Bayerischen Patriotenpartei. Politisch stand er ab 1871 deren gemäßigten Kreisen, später der Zentrumspartei in Bayern und ab 1918 der betont föderalistischen Bayerischen Volkspartei (BVP) nahe. Er erschien zwischen dem 1. Januar 1856 und dem 31. Oktober 1934.

Erste Verbindungen zur Bayerischen Patriotenpartei

Der Bayerische Kurier wurde am 1. Januar 1856 in München von dem Buchhändler Ignaz Joseph Lentner gegründet und am 1. November 1867 mit dem seit 1864 erscheinenden Neuen Bayerischen Kurier für Stadt und Land zusammengelegt. 1869 kauften der Großhändler Jakob Steiner (1815-1873), der Münchner Magistratsrat Josef Radspieler (1819-1904) und der Privatier Franz Göttner die Zeitung. Alle drei waren Mitbegründer und Mitglieder des provisorischen Ausschusses des Patriotischen Vereins in München.

Die katholischen Kreise wollten mit der Zeitung ein Sprachrohr gegen die liberalen Münchner Neuesten Nachrichten zur Verfügung haben. Der Reingewinn sollte für wohltätige Zwecke verwendet werden. Den bisherigen Redakteur Athanasius Degenhart (1829-1906) beließen die neuen Eigentümer in seiner Stellung. Degenhart war seit 1865 Redakteur, vorher hatte er für die katholische Neue Augsburger Zeitung gearbeitet. Die Auflage betrug 1869 über 10.000 Exemplare. Zum Leserkreis - auch außerhalb der Landeshauptstadt - gehörten der konservative katholische Adel und das ebenso gesinnte Bürgertum.

Sprachrohr von Patriotenpartei und Zentrum

Als 1871 der Münchner Patriotische Verein über die Stellungnahme zur Reichsgründung auseinanderbrach, verabschiedete sich der zwischenzeitlich leitende Redakteur Johann Steiner jr. mit einem Artikel, in dem er seiner Enttäuschung über das Ende der bayerischen Selbständigkeit Luft machte. Die Eigentümer verkauften das Vereinsorgan an den erfolgreichen katholischen Verleger Dr. Max Huttler (1823-1887, Landtagsabgeordneter 1869-1875) in Augsburg, einen Weltpriester, der 1854 den Benediktinerorden verlassen hatte. Huttler war bereits Eigentümer der Augsburger Postzeitung und der Neuen Augsburger Zeitung. Als Landtagsabgeorneter hatte er, anders als die betont föderalistischen Abgeordneten der Patriotenpartei, für die Teilnahme Bayerns am Krieg gegen Frankreich und den Beitritt zum Deutschen Reich gestimmt. Degenhart übernahm wieder die Redaktion, die er bis 1888 führte.

Auflagenentwicklung nach 1871

Nach einem kurzen Einbruch auf 7.800 Abonnenten im Jahr 1871 stieg die Zahl wieder auf 10.000-12.000 an. Das Blatt erlangte aber keine überregionale Bedeutung. Wegen der Konkurrenz des Münchener Fremdenblatts sank die Auflage 1887 um die Hälfte. Am 1. März 1885 hatte Huttler den Postexpeditor Conrad Fischer (geb. 1854) als Teilhaber aufgenommen, um die Lage der verlustbringenden Zeitung zu stabilisieren. Der Wert des Zeitungsverlags wurde damals auf 30.000 Mark geschätzt. Fischer wurde auch Miteigentümer des Verlagsgebäudes An der Hofstatt 6 in München. Er erbte nach Huttlers Tod dessen Kapitalanteil am Verlag, die Druckerei und das Haus.

Entwicklung bis 1914

Der Bayerische Kurier stand weiterhin dem Zentrum als Nachfolger der Patriotenpartei nahe und verfolgte eine Richtung, die sich von der anfänglichen Feindschaft gegen Preußen und das Reich immer mehr zur Akzeptanz der deutschen Einheit wandelte. Bayerischer Patriotismus und die Verehrung der Dynastie Wittelsbach blieben allerdings feste Konstanten.

Obwohl Umfang und Format erweitert wurden, war das Blatt nicht attraktiv genug, um den Kampf mit der Konkurrenz erfolgreich aufnehmen zu können. Ende 1890 kaufte das katholische Verlagsunternehmen "G. J. Manz AG" in Regensburg von Fischer die Rechte am Bayerischen Kurier, an dem inzwischen ebenfalls in seinen Besitz übergegangenen Münchner Fremdenblatt und am Volksboten für 400.000 Mark. 1893 legte man ihn mit dem Münchner Fremdenblatt zusammen, 1901 auch noch mit dem Münchner Boten und 1902 mit der Neuen Bayerischen Zeitung, wodurch der Abonnentenstamm vergrößert wurde. Bereits bei dieser Transaktion hatte der 1901 gegründete Katholische Preßverein für Bayern, der über die Aktienmehrheit der Firma Manz verfügte, die Hand im Spiel. Chefredakteur war 1891-1893 Philipp Frick (1857-1935), der dann zur Augsburger Postzeitung überwechselte. 1898 wurde Dr. Franz Klasen (geb. 1852), ein ehemaliger Priester, der kritisch gegen das Zentrum eingestellt war, leitender Redakteur, musste aber 1902 unter dem Einfluss der neuen im Manz-Verlag bestimmenden Gruppierung weichen.

Der Reichs- und Landtagsabgeordnete des Zentrums Dr. Georg Heim (1865-1938) war seit 1904 im Aufsichtsrat der Firma Manz und nutzte den Bayerischen Kurier, um gegen die konservativen aristokratischen Kreise innerhalb der Zentrumspartei Stimmung zu machen. Mit Geldern eben dieser Kreise aber gelang es dem Katholischen Preßverein, immer mehr Anteile am Bayerischen Kurier anzukaufen. Am 1. Oktober 1914 ging er für 68.250 Mark endgültig an diesen über. Den Druck besorgte weiterhin die Firma Manz.

Der Bayerische Kurier in der Revolutionszeit 1918/19

Chefredakteur war seit 1906 Josef Osterhuber (1876-1965), der diese Stelle bis 1933 innehatte. Nach dem ersten Weltkrieg stand der Bayerische Kurier der neu gegründeten Bayerischen Volkspartei (BVP) nahe, gelangte aber nicht in deren Besitz. Nach dem Zusammenbruch veröffentlichte Georg Heim separatistische Gedankenspiele, gegen den revolutionären Ministerpräsidenten Kurt Eisner (USPD, 1867-1919) klangen in der Zeitung sogar antisemitische Untertöne an. Dennoch machte Eisner eine von Erich Mühsam (1878-1934) veranlasste Besetzung des Zeitungsgebäudes durch revolutionäre Soldaten rückgängig.

Weimarer Republik

Der Bayerische Kurier unterstützte die vom deutschnationalen Koalitionspartner der Regierung Kahr provozierte Konfrontationspolitik gegen das Reich und distanzierte sich erst spät davon.

Gustav von Kahrs (BVP, 1862-1934) Nachfolger Hugo Graf Lerchenfeld auf Köfering und Schönberg (1871-1944) schien dem Blatt zu kompromissbereit gegenüber dem Zentrum und der Reichsregierung und erregte sein Misstrauen, weil er die Deutschnationalen nicht in seine Koalition einbezogen hatte. Im Herbst 1923 stand der Bayerische Kurier uneingeschränkt hinter Generalstaatskommissar von Kahr. Er kritisierte die radikalen Kampfverbände unter Adolf Hitler (NSDAP, 1889-1945) und Erich Ludendorff (1865-1937) scharf.

Nach dem Scheitern des Hitlerputsches stellte sich die Zeitung hinter die bayerische Regierung, auch ihre Sympathien für die Deutschnationalen waren vorbei. Den Verbleib des DNVP-Justizministers Franz Gürtner (1881-1941) in der Regierung des neuen Ministerpräsidenten Dr. Heinrich Held (1868-1938) verurteilte der Bayerische Kurier gegen den Willen Helds. Wesentliche Grundzüge des Bayerischen Kuriers waren weiterhin das konsequente Eintreten für die katholische Weltanschauung und die kirchlichen Rechte sowie für eine Stärkung des Föderalismus. Schon vor dem großen Aufschwung des Nationalsozialismus im September 1930 bekämpfte er diesen grundlegend und konsequent.

Das Ende des Bayerischen Kurier

Nach Hitlers Machtübernahme wurde das Blatt am 10. Juni 1933 erstmals beschlagnahmt, zwölf Tage später die Redaktionsräume durchsucht und die Zeitung für acht Tage verboten. Chefredakteur Osterhuber wurde für kurze Zeit verhaftet. Innenminister Adolf Wagner (1890-1944) erzwang seine fristlose Entlassung und die zweier weiterer Redakteure. Seit 5. Mai 1934 stand der Katholische Preßverein unter staatlicher Verwaltung. Er verkaufte den Bayerischen Kurier wieder an die Manz AG zurück, die ihn am 31. Oktober 1934 stilllegte, da er ein reines Verlustgeschäft geworden war. Die Auflage, die 1920 um 25.000 gelegen hatte und danach auf 30.000, zeitweise 35.000 Stück angestiegen war, war auf 6.250 abgesunken.

Dokumente

Literatur

  • Charlotte Harrer, Die Geschichte der Münchener Tagespresse 1870-1890 (Zeitung und Leben 75), Würzburg-Aumühle 1940.
  • Friedrich Hartmannsgruber, Die Bayerische Patriotenpartei 1868-1887 (Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte 82), München 1986.
  • Paul Hoser, Die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Hintergründe der Münchner Tagespresse. Methoden der Pressebeeinflussung (Europäische Hochschulschriften III 447). 2 Bände, Frankfurt am Main 1990.
  • Paul Hoser, Max Huttler als Zeitungs– und Buchverleger (1823–1887), in: Helmut Gier/Johannes Janota (Hg.), Augsburger Buchdruck und Verlagswesen. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, Wiesbaden 1997, 1019–1032.
  • Annemarie Meiner, G. J. Manz. Person und Werk 1830-1955, München/Dillingen 1957.
  • Karl Möckl, Die Prinzregentenzeit. Gesellschaft und Politik während der Ära des Prinzregenten Luitpold in Bayern, München/Wien 1972.
  • Karola Nüßler, Geschichte des katholischen Preßvereins für Bayern 1901-1934, Diss. masch. München 1954.
  • Klaus Schönhoven, Die Bayerische Volkspartei 1924-1932 (Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien 46), Düsseldorf 1972.
  • Stefan Spiegel, Pressepolitik und Preßpolizei in Bayern unter der Regierung von König Maximilian II. (Materialien zur bayerischen Landesgeschichte 14), München 2001.

Quellen

Weiterführende Recherche

Verwandte Artikel

Neuer Bayerischer Kurier für Stadt und Land

Empfohlene Zitierweise

Paul Hoser, Bayerischer Kurier, publiziert am 12.02.2007; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Bayerischer_Kurier (19.03.2024)