Spielbanken-Affäre
Aus Historisches Lexikon Bayerns
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Die Spielbanken-Affäre trug sich Mitte der 1950er Jahre im Zusammenhang mit der durch die Viererkoalition (SPD, Bayernpartei, BHE, FDP) ermöglichten Zulassung von Spielbanken in Bayern zu. Schon bald nach der Vergabe von Konzessionen für Spielbanken in Bad Reichenhall (Lkr. Berchtesgadener Land), Bad Kissingen und Garmisch-Partenkirchen kamen Gerüchte über finanzielle Unregelmäßigkeiten auf. Ein 1955 bis 1957 auf Betreiben der oppositionellen Christlich-Sozialen Union (CSU) eingesetzter parlamentarischer Untersuchungsausschuss konnte zwar Vorwürfe der Vorteilsnahme und Bestechlichkeit nicht erhärten. 1959 kam es allerdings infolge einer Selbstanzeige des Spielbankenunternehmers Karl Freisehner (1903-1967) zu einem Prozess vor dem Landgericht München I, das führende Politiker der Bayernpartei (BP) wegen Bestechlichkeit und Meineids zu hohen Haftstrafen verurteilte. Der bereits zuvor einsetzende Abstieg der BP in die politische Bedeutungslosigkeit wurde durch das nicht unumstrittene Urteil weiter beschleunigt.
Die Spielbankenfrage: Ausgangslage und Interessenskonstellationen in der Nachkriegszeit
Die Frage der Konzessionierung und Errichtung von Spielbanken drängte im Nachkriegsbayern bereits relativ früh auf die politische Agenda. Es waren vor allem der oberbayerische Kurort Bad Reichenhall (Lkr. Berchtesgadener Land), Garmisch-Partenkirchen, Starnberg, ferner die in der Fremdenverkehrsgemeinschaft Tegernseer Tal zusammengeschlossenen Gemeinden Bad Wiessee, Tegernsee und Rottach-Egern (alle Lkr. Miesbach), aber auch das unterfränkische Bad Kissingen, die sich ab 1947/48 verstärkt um Genehmigungen für einen Spielbankenbetrieb bemühten. Verwiesen wurde dabei stets auf die lokale wirtschaftliche Bedeutung der Spielbanken für die Tourismusbranche und auf die Dringlichkeit sozialer Projekte wie etwa dem Wohnungsbau für Flüchtlinge, die nur durch Spielbankengewinne finanziert werden könnten. Insbesondere befürchteten die bayerischen Fremdenverkehrsorte aber, ohne eigenen Spielbankenbetrieb mittelfristig einen empfindlichen Rückgang ihrer Besucherzahlen hinnehmen zu müssen. Denn neben den alten Traditionskasinos in Baden-Baden (Baden-Württemberg) oder in Salzburg (Österreich) entstand ihnen vor allem durch die Neu- bzw. Wiedereröffnungen von Kasinos beispielsweise im rheinland-pfälzischen Bad Neuenahr (1948) sowie in Wiesbaden und Bad Homburg in Hessen (1949) eine empfindliche neue Konkurrenz.
Gesetzeslage und Parlamentarische Initiativen zur Spielbankenkonzessionierung
Gesetzliche Grundlage der Spielbankenkonzessionierung in Bayern war nach wie vor das Reichsgesetz über die Zulassung öffentlicher Spielbanken vom 14. Juli 1933 (RGBl. I S. 480), das nach Artikel 123 bis 125 des Grundgesetzes (GG) vom 23. Mai 1949 nunmehr Landesrecht geworden war. Gemäß § 1 dieses Gesetzes durfte die Zulassung einer öffentlichen Spielbank in Kur- und Badeorten dann erfolgen, wenn zwischen den Jahren 1924 und 1930 eine durchschnittliche Zahl von 70.000 Besuchern – davon mindestens 15 % ausländische Gäste – nachgewiesen werden konnte oder aber eine ausländische Spielbank in unmittelbarer Nachbarschaft existierte. Von den potentiellen bayerischen Spielbankstandorten erfüllte nur das in Grenznähe zu Salzburg gelegene Bad Reichenhall diese Kriterien zweifelsfrei.
Nachdem die Staatsregierung sich dem Drängen der Fremdenverkehrslobby und der bayerischen Kurorte in der Spielbankenfrage lange Zeit erfolgreich widersetzt hatte, sah sie sich ab dem Jahre 1950 dem Druck des Landtags ausgesetzt: Im Juni 1950 ersuchte der Landtagsausschuss für den Staatshaushalt die Staatsregierung, hier einer Initiative des FDP-Landtagsabgeordneten Otto Bezold (FDP, 1899–1984) folgend, künftigen Anträgen zur Errichtung von Spielbanken nicht mehr ablehnend gegenüber zu stehen. Zwar bekräftigte der Ministerrat in seiner Sitzung vom 13. September 1950 nochmals seine strikt ablehnende Haltung zur Spielbankenfrage, und auch der Landtag verwarf in seinen Sitzungen vom 26. und 27. September 1950 nach lebhafter Debatte den Antrag des Haushaltsausschusses. Kein Jahr später allerdings sah sich die neue Staatsregierung – seit dem 18. Dezember 1950 führte Ministerpräsident Hans Ehard (CSU, 1887–1980) erneut eine große Koalition aus Christlich-Sozialer Union (CSU), Sozialdemokratischer Partei Deutschlands (SPD) und Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE) – dann doch in der Defensive. Diesmal hatte dem Landtag ein Antrag der Deutschen Gemeinschaft (DG) bezüglich einer Spielbankengenehmigung für Starnberg sowie ein weiterer interfraktioneller Antrag zur Genehmigung von Spielbanken in Garmisch-Partenkirchen, Bad Reichenhall, Bad Kissingen und Bad Wiessee vorgelegen, woraufhin der Haushaltsausschuss sein Ersuchen von 1950 um wohlwollende Prüfung von Spielbankenkonzessionen wiederholte und der neue Landtag nunmehr am 30. Mai 1951 mehrheitlich beschloss, die Staatsregierung mit der unverzüglichen Vorlage eines bayerischen Gesetzes über die Zulassung von Spielbanken zu beauftragen.
Das Gesetz über die Zulassung von Spielbanken in Bayern und sein Scheitern 1951
Wider die eigene Überzeugung also legte die Staatsregierung bereits am 12. Juni 1951 den Entwurf eines Gesetzes über die Zulassung von Spielbanken in Bayern vor. Dieses sah vor, in Garmisch-Partenkirchen, Bad Reichenhall und Bad Kissingen den Spielbankenbetrieb durch eine unter staatlicher Aufsicht und unter der Kontrolle des Obersten Rechnungshofes (ORH) stehenden Spielbankengesellschaft zuzulassen. Von der durch die Spielbankengesellschaft an den Staat abzuführenden Spielbankenabgabe sollten die Standortgemeinden der Kasinos 30 % erhalten; der Ertrag der Spielbankenabgabe musste staatlicherseits ausschließlich der Finanzierung des sozialen Wohnungsbaues, auf kommunaler Seite sozialen oder öffentlichen Zwecken dienen.
Der Landtag verabschiedete die Gesetzesvorlage in seiner Sitzung vom 22. Juni 1951 – allerdings mit markanten Änderungen im Detail. Denn zu den drei ursprünglich im Entwurf genannten Orten kamen durch Landtagsbeschluss noch Bad Wiessee, Oberstdorf (Lkr. Oberallgäu) und Starnberg hinzu. Ferner folgte der Landtag dem Vorschlag des Rechts- und Verfassungsausschusses, der die Einrichtung einer Spielbankengesellschaft verworfen und stattdessen beschlossen hatte, dass die im Gesetz genannten Gemeinden oder Zweckverbände ihrerseits Spielbankenkonzessionen an juristische oder natürliche Personen übertragen durften.
Das Gesetz wurde jedoch in der Folge vom Senat zu Fall gebracht, der am 26. Juni 1951 grundsätzliche Einwände erhob. Er begründete seine Ablehnung mit moralischen Argumenten, wie sie auch die Gegner der Spielbanken in Staatsregierung und Landtag – die bemerkenswerterweise weitgehend unabhängig von der Parteienzugehörigkeit mehrheitlich bei der CSU und der SPD zu finden waren – vorgebracht hatten: Das Glücksspiel diene keinesfalls den Interessen des Landes, es untergrabe die sittliche Autorität des Staates, es widerspreche den Grundprinzipien der christlich-abendländischen Werteordnung, es verführe und gefährde die Jugend und fördere – zumindest indirekt – die Kriminalität. Diese Stellungnahme des Senats führte zu einer erneuten, höchst turbulenten Debatte im Landtag, der in seiner Sitzung am 7. September 1951 in namentlicher Abstimmung mit 83 gegen 76 Stimmen bei elf Enthaltungen beschloss, den Einwendungen des Senats zu folgen und das Gesetz somit abzulehnen. Einen erneuten interfraktionellen Antrag auf Konzessionierung von Spielbanken auf der Grundlage des § 1 des Spielbankengesetzes von 1933, der mehrheitlich von Abgeordneten des BHE und der Bayernpartei (BP), aber auch von der Freien Demokratischen Partei (FDP), der SPD und der DG eingebracht worden war, lehnte der Landtag am 23. Juli 1952 denkbar knapp mit 74 gegen 74 Stimmen bei 17 Enthaltungen ab.
Die Konzessionierung von Spielbanken durch die Viererkoalition
Die Landtagswahl vom 28. November 1954 brachten im Freistaat eine kleine Sensation: Die CSU, die ihr Ergebnis von 1950 um zehn Prozentpunkte auf 38 % hatte verbessern können, wurde als stärkste Landtagsfraktion mit 83 Sitzen in die Oppositionsrolle verwiesen – denn unter Führung der SPD (28,1 %) wurde eine Koalition mit BP (13,2 %), BHE (10,2 %) und FDP (7,2 %) gebildet. Mit diesem Mehrheitsverhältnis war nunmehr die Zulassung von Spielbanken in Bayern auch gegen die Stimmen der CSU (und Teilen der SPD) möglich. Auf Antrag der vier Koalitionsparteien, der am 21. April 1955 vom Landtag angenommen worden war, erteilte Innenminister August Geislhöringer (BP, 1886–1963) am 10. Juni 1955 die Konzessionen für Spielbanken in Garmisch-Partenkirchen, Bad Reichenhall und Bad Kissingen; das ursprünglich im Landtagsantrag enthaltene Bad Wiessee wurde nicht berücksichtigt. Dies erfolgte, noch bevor der Landtag einen eilig vorgelegten Gesetzentwurf des Senats zum allgemeinen Verbot von Spielbanken in Bayern beraten konnte. Die Konzessionierung von Spielbanken auf dem Verwaltungswege durch das Innenministerium entsprach allerdings völlig der geltenden Rechtslage.
Spielbank Garmisch-Partenkirchen um 1956/1970. Foto: Franz Kölbl und August Beckert. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv ansi-010934)
Der Widerstand der CSU und der Parlamentarische Untersuchungsausschuss "Spielbanken"
Die zügige, in den Augen vieler Beobachter gar überstürzt, vollzogene Konzessionierung von Spielbanken durch Innenminister Geislhöringer führte in unmittelbarer Folge zu politischen Turbulenzen. Diejenigen Gemeinden, die bei der Konzessionsvergabe leer ausgegangen waren, protestierten gegen ihre Benachteiligung, potentielle Konzessionäre kämpften mit wohl nicht immer legalen oder fairen Methoden um ihre Eigeninteressen, und sehr bald schon stand im Zusammenhang mit der Spielbankenkonzessionierung der Vorwurf von finanziellen Unregelmäßigkeiten im Raum. Dies war im Übrigen kein Novum: Schon 1951, unmittelbar nachdem der Landtag in Abweichung von der damaligen Regierungsvorlage des Gesetzes über die Zulassung von Spielbanken in Bayern die Konzessionsvergabe an juristische und natürliche Personen beschlossen hatte, waren am 19. Juni im Ministerrat Gerüchte über dubiose Vorverträge und vermutete Schmiergeldzahlungen behandelt worden.
Unter diesen Vorzeichen holte die oppositionelle, in der Spielbankenfrage überrollte CSU zum parlamentarischen Gegenschlag aus. Noch Ende Juli reichte der Landtagsabgeordnete Rudolf Hanauer (CSU, 1908–1992) eine Interpellation betreffend die Konzessionsverträge der neuen Spielbanken in Bayern ein. Diese Interpellation beinhaltete zunächst nur die Frage, ob das Innenministerium ohne Wissen und Zustimmung des Finanzministeriums die Konzessionsverträge in Teilen zugunsten der Konzessionsnehmer und zum Nachteil des Freistaates abgeändert habe. Bei der Behandlung der Angelegenheit im Landtagsplenum am 6. Oktober 1955 allerdings weitete Hanauer in der Begründung seiner Interpellation seine Vorwürfe deutlich aus – dass nämlich "über das zulässige Maß hinaus Kräfte von außen auf die Entscheidung der Regierung Einfluß zu nehmen versuchten." Es ging im Einzelnen um den Konzessionär der Spielbank Bad Kissingen, Simon Gembicki, der erklärt haben soll, dass er im Falle seiner Nichtbegünstigung die Viererkoalition würde stürzen können, einen angeblich käuflichen Referenten im Innenministerium und schließlich um eine Bestechungssumme in Höhe von 30.000 DM, die an Vertreter einer politischen Partei – Hanauer vermied hier die direkte Benennung der BP – geflossen sein sollen.
Obwohl die ursprüngliche Interpellation von Innenminister Geislhöringer in der Sache zweifelsfrei beantwortet werden konnte und die übrigen Ausführungen Hanauers, insbesondere die angedeuteten Korruptions- und Erpressbarkeitsvorwürfe, fast ausschließlich auf Gerüchten oder Berichten in der Boulevardpresse beruhten, kündigte der CSU-Fraktionsführer, Prälat Georg Meixner (CSU, 1887–1960), noch am 6. Oktober den Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses an. Dessen Einrichtung wurde vom Landtag in der Sitzung vom 27. Oktober nach einem parteienübergreifenden Votum beschlossen. Einem Zusatzantrag der SPD-, BP-, BHE-, und FDP-Fraktionen gemäß sollte der Ausschuss seine Arbeit unverzüglich aufnehmen und bis spätestens 22. November 1955 einen Zwischenbericht erstatten.
Der Untersuchungsausschuss unter Vorsitz des SPD-Landtagsabgeordneten Martin Hirsch (SPD, 1913–1992) tagte in 42 Sitzungen vom 7. November 1955 bis 7. Mai 1957 und vernahm insgesamt 56 Zeugen. Die Vorwürfe der Vorteilsnahme und Bestechlichkeit gegen die BP und insbesondere gegen ihre beiden prominenten Führungspersönlichkeiten, Innenminister Geislhöringer und Landwirtschaftsminister Joseph Baumgartner (BP, 1904–1964), konnten im Ergebnis in keinem Punkt aufrechterhalten werden. Nicht unbeschadet allerdings gingen aus dem Untersuchungsausschuss der BP-Landtagsabgeordnete und stellvertretende Fraktionsvorsitzende Max Klotz (BP, 1918–2003) und der CSU- Abgeordnete Franz Michel (CSU, 1908–1989) hervor. Bei ersterem blieb zumindest der Verdacht der Bestechlichkeit bestehen, und letzterer hatte bereits im Jahre 1951 einen für die CSU bestimmten, dann angeblich vernichteten Scheck über 50.000 DM von Interessenten an Spielbankenkonzessionen entgegengenommen. Klotz verlor in der BP sukzessive seine Ämter, Michel wurde aus der CSU ausgeschlossen.
Das juristische Finale: Der Spielbankenprozess
Die Tätigkeit des Spielbanken-Untersuchungsausschusses von 1955/57 sollte zwei Jahre später ein für die bayerische Parteien- und Justizgeschichte einschneidendes gerichtliches Nachspiel haben. Anfang 1959 erstattete ein Zeuge des Spielbanken-Untersuchungsausschusses Selbstanzeige bei der Staatsanwaltschaft München. Der ehemalige Metzger, Spediteur, Feinkosthändler und schließliche Spielbankenunternehmer Karl Freisehner (1903-1967) bekannte sich – eigenen Angaben zufolge aus schwerwiegenden Gewissensbissen – dazu, vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss einen Meineid geleistet zu haben: Entgegen seiner früheren Aussage seien doch Bestechungsgelder an die BP-Politiker Klotz und Baumgartner geflossen. Freisehner war mittelbar über ein Konsortium als Konzessionär an der Spielbanken Bad Reichenhall und Bad Wiessee – letzteres ein Ableger des Kasinos in Garmisch-Partenkirchen – beteiligt gewesen, hatte seine Anteile aber zwischenzeitlich lukrativ veräußert und war in die Schweiz emigriert. Aufgrund dieser Selbstanzeige kam es zu umfassenden staatsanwaltlichen Ermittlungen.
Am 7. Juli 1959 erfolgte der Prozessauftakt gegen Klotz, Michel, die beiden früheren BP-Staatsminister Geislhöringer und Baumgartner, sowie gegen Freisehner selbst vor dem Landgericht München I. Baumgartner war zwischenzeitlich als BP-Vorsitzender zurückgetreten und hatte seine Abgeordnetenimmunität verloren. Das aufsehenerregende Verfahren endete am 8. August 1959 mit der Verurteilung aller Angeklagten. Klotz wurde wegen Bestechlichkeit verurteilt, die anderen wegen Meineides. Der gegen Klotz seit dem Spielbanken-Untersuchungsausschuss schwebende Korruptionsverdacht hatte sich im Prozessverlauf endgültig bestätigt. Die Korruptionsvorwürfe gegen Baumgartner und Geislhöringer aber stellten sich als haltlos heraus – vermeintliche Belege und Quittungen Freisehners entpuppten sich als Fälschungen. Zum Verhängnis wurden beiden Politikern jedoch Äußerungen aus dem Spielbanken-Untersuchungsausschuss, die das Gericht als Meineid wertete und ahndete: Geislhöringer hatte vor dem Ausschuss die Frage, ob dem Innenministerium seinerzeit negative Informationen über Simon Gembicki vorgelegen haben, verneint. Baumgartner hatte auf eine Frage nach seinen persönlichen Beziehungen zu Karl Freisehner vor 1955 zwar nicht wahrheitswidrig, aber sehr unbestimmt geantwortet. Alle Beschuldigten wurden zu Haftstrafen zwischen 15 und 33 Monaten und dem Verlust ihrer Ehrenrechte verurteilt.
Der Spielbankenprozess – ein politischer Prozess? – Die Folgen für die Parteienlandschaft in Bayern
Der Spielbankenprozess wurde von größtem öffentlichen Interesse begleitet und das Urteil des Landgerichts sowohl von Zeitgenossen als auch im historischen Rückblick heftig kritisiert. Bemängelt wurden von Beobachtern die unverhältnismäßig harten Strafen insbesondere für die beiden BP-Politiker Geislhöringer und Baumgartner und deren Behandlung – letzterer etwa wurde noch im Gerichtssaal wegen vermeintlicher Fluchtgefahr verhaftet. Höchst anfechtbar erschien vielen auch die vom Gericht vorgenommene kategoriale Gleichsetzung des Procedere in einem Untersuchungsausschuss mit dem eines gerichtlichen Verfahrens. Hier aber wäre speziell mit Blick auf den Zeugenstatus und die Meineidsvorwürfe eine juristische Differenzierung erforderlich gewesen. Vor allem aber wog schwer, dass der Spielbanken-Untersuchungsausschuss den früheren Innenminister Geislhöringer erwiesenermaßen bewusst in eine Falle hatte laufen lassen. Die beiden CSU-Untersuchungsausschussmitglieder Rudolf Hanauer und Alois Hundhammer (CSU, 1900-1974) wussten, dass Geislhöringer vom Landesamt für Verfassungsschutz im Jahre 1955 eine negative, wenn freilich auch nur sehr allgemeine und schwach begründete Beurteilung des späteren Konzessionärs Simon Gembicki erhalten hatte. Als Geislhöringer vor dem Untersuchungsausschuss auf entsprechende Nachfrage sich nicht mehr an eine solche Information erinnern konnte, hätten es die Untersuchungsausschussmitglieder versäumt, ihn pflichtgemäß über ihren eigenen abweichenden Kenntnisstand aufzuklären.
Bereits in zeitgenössischer Betrachtungsweise wie auch in der Forschung (insbesondere Wolf, CSU und Bayernpartei) wurden der Spielbanken-Untersuchungsausschuss und der darauf folgende Prozess als ein systematisches politisches Manöver der CSU gedeutet, um sich dauerhaft der unliebsamen Konkurrenz der BP zu entledigen. In der Tat war die politische Auseinandersetzung um die Spielbanken-Frage in den 1950er Jahren von höchst schillernden Akteuren, von Indiskretionen, Intrigen und Unregelmäßigkeiten geprägt. Vor seiner Selbstanzeige beispielsweise hatte Karl Freisehner 1958 enge Kontakte zum früheren CSU-Justizminister Josef Müller (CSU, 1898-1979) und dem damaligen CSU-Generalsekretär Friedrich Zimmermann (CSU, 1925-2012), Ministerpräsident Hanns Seidel (CSU, 1901-1961) und andere prominente CSU-Politiker waren über die Sachlage genau informiert. Friedrich Zimmermann wurde 1960 seinerseits wegen Meineids im Spielbanken-Prozess gerichtlich verurteilt, in der Revision allerdings aufgrund eines ärztlichen Gutachtens, das für den Tag der Falschaussage eine verminderte geistige Leistungsfähigkeit aufgrund von akutem Blutunterzucker attestierte, freigesprochen.
Die Urteile des Spielbanken-Prozesses wurden 1960 vom Bundesgerichtshof aufgehoben und zur Neuverhandlung an das Landgericht München I zurückverwiesen, das in einem neuen Urteil deutlich verringerte Strafen verhängte. Joseph Baumgartner, durch den Spielbanken-Prozess gesundheitlich ruiniert, legte gegen seinen Schuldspruch noch Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein, das Verfahren wurde nach dem frühen Tod des erst 59-jährigen Baumgartners am 21. Januar 1964 eingestellt.
Für die BP bedeutete die Spielbanken-Affäre das endgültige politische Aus. Nachdem im Nachgang zur Bundestagswahl vom 15. September 1957, in der die Unionsparteien die absolute Mehrheit erreicht hatten, die Viererkoalition in Bayern auseinandergebrochen war, wurde die BP – entgegen früherer Zusicherung der CSU – zunächst nicht an der neuen Regierung unter Hanns Seidel beteiligt. Die BP befand sich sichtlich im Abschwung: Die Landtagswahlergebnisse waren von 17,9 % im Jahre 1950 über 13,2 % im Jahre 1954 auf nur noch 8,1 % im Jahre 1958 geschrumpft. Durch die Spielbanken-Affäre war die Partei nun auch noch insgesamt politisch diskreditiert und durch die Urteile gegen Baumgartner und Geislhöringer ihrer beiden führenden Köpfe beraubt, für die die Partei keinerlei adäquaten personellen Ersatz aufbieten konnte. In der Landtagswahl vom 25. November 1962 gelangte die BP nur noch knapp in den Bayerischen Landtag, seit Mitte der 1960er Jahre verharrt die BP auf dem Status einer marginalen Splitterpartei.
Literatur
- Volkmar Gabert, Die Bedeutung der Viererkoalition und des Spielbankenuntersuchungsausschusses für die Entwicklung der politischen Verhältnisse in Bayern, in: Hans Jochen Vogel (Hg.), Die Freiheit des Anderen. Festschrift für Martin Hirsch, Baden-Baden 1981, 187-206.
- Maximilian Lanzinner, Zwischen Sternenbanner und Bundesadler. Bayern im Wiederaufbau 1945-1958, Regensburg 1996.
- Jürgen Plöhn, Untersuchungsausschüsse der Landesparlamente als Instrumente der Politik (Sozialwissenschaftliche Studien Heft 26), Opladen 1991.
- Heinrich Senfft, Glück ist machbar. Der bayerische Spielbankenprozeß, die CSU und der unaufhaltsame Aufstieg des Dr. Friedrich Zimmermann, ein politisches Lehrstück, Köln 1988.
- Bernhard Taubenberger, Licht übers Land. Die bayerische Viererkoalition 1954-1957, München 2002.
- Ilse Unger, Die Bayernpartei. Geschichte und Struktur 1945-1957 (Studien zur Zeitgeschichte 16), Stuttgart 1979.
- Regina Vossen, "Föderalistisch leben oder asiatisch sterben." Joseph Baumgartner und die bayerische Politik 1945–1953, unveröffentl. Zulassungsarbeit LMU München 1993.
- Constanze Wolf, CSU und Bayernpartei. Ein besonderes Konkurrenzverhältnis 1948—1960, Köln 1982.
Quellen
- Archiv des Instituts für Zeitgeschichte - Nachlass Wilhelm Hoegner (ED 120): 342
- Bayerisches Hauptstaatsarchiv - Bestand Staatskanzlei: 13537, 13538; Bestand Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr: 12404, 26686; Bestand Staatsministerium der Finanzen: 85910-85913, 85915, 72243-72246; Bestand Staatsministerium der Justiz: 24034-24052 [alles betr. Anklage gegen Fritz Josef Berthold]; Bestand Bayernpartei: 200, 239-241; Nachlass Hans Ehard: 1573, 1574; Nachlass Ernst Müller-Meiningen jr.: 379-384; Nachlass Friedrich Josef Berthold: 14
- Die Protokolle des Bayerischen Ministerrats 1945-1954. Das Kabinett Ehard II 20. September 1947 bis 18. Dezember 1950, Bd. 3: 5.1.1950-18.12.1950, bearb. von Oliver Braun, München 2010.
- Die Protokolle des Bayerischen Ministerrats 1945-1954. Das Kabinett Ehard III 18. Dezember 1950 bis 14. Dezember 1954, Bd. 1: 20.12.1950-28.12.1951, bearb. von Oliver Braun, München 2013.
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Empfohlene Zitierweise
Oliver Braun, Spielbanken-Affäre, publiziert am 13.10.2023, in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Spielbanken-Affäre> (10.12.2024)