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Gerichtsverfahren (Spätmittelalter/Frühe Neuzeit)

Aus Historisches Lexikon Bayerns

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Das Oberbayerische Landrecht Kaiser Ludwigs des Bayern (reg. 1314-1347, als Kaiser seit 1328); Titelseite mit Deckfarbeninitiale, um 1346. (Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 1506)
Gerichtsordnung für Ober- und Niederbayern, München 1520. (Bayerische Staatsbibliothek, 2 Bavar. 721#Beibd.1)

von Peter Kreutz

Der Ursprung des Gerichtsverfahrens liegt in reglementierten Interessenvermittlungs- und Streitschlichtungsverfahren. Dazu gehörte seit dem Frühmittelalter das sogenannte Ding (Thing) als Ort des Hochgerichts über Freie und seit dem 13. Jahrhundert über Ministeriale. In Altbayern ersetzte die Landgerichtsorganisation das Ding. Für die weitere Ausgestaltung der Gerichtsverfahren waren die Landfrieden des Spätmittelalters wegweisend, zu deren Wahrung ausgeprägte Sanktions- und Strafordnungen entstanden. Als gängiges Beweiserhebungsverfahren war auch die Folter anerkannt. Im Zuge der Viztumshändel konnten im Herzogtum Bayern körperlich zu vollstreckende Strafen gemindert werden. Das Fehdewesen konnte über die Einrichtung der Urfehde kanalisiert und reduziert werden. Ein nach heutigem Verständnis in Abgrenzung vom "Strafprozess" als "Zivilprozess" zu bezeichnendes Verfahren bildete sich erst am Ausgang des Mittelalters heraus. Grundsätzlich übten seit der Wende vom Mittelalter zur Frühen Neuzeit um 1500 gelehrte Juristen entscheidenden Einfluss auf das Gerichtsverfahren aus, das sich damit auch professionalisierte und standardisierte.

Das gerichtliche Verfahren des Mittelalters

Fortwirken frühmittelalterlicher Traditionen

Das gerichtliche Verfahren des Hochmittelalters folgte im Grundsatz den Abläufen, die sich in Süddeutschland nach dem Zusammenbruch des römischen Reiches und der Ausbildung neuer Herrschaftsverhältnisse ausgebildet hatten. Zwei Elemente waren hierbei charakteristisch: die Mündlichkeit des Verfahrens und der Rechtsüberlieferung einerseits und die Dominanz eines Laienelementes andererseits. Letzteres zeigt sich in der Entscheidungsfindung, die im Kern in den Händen der Gerichtsgemeinde, der Dinggenossenschaft, in Bayern auch Gerichtsumstand genannt, lag. Dies geschah insoweit, als sie einen Urteilsvorschlag der "Rachinburgen" (in fränkischer Tradition gebildetes Gremium von Urteilsfindern, erwähnt etwa in Titel 44, 46, 50 und 60 der Lex Salica), der Schöffen oder der Urteilsprecher, zur Entscheidung berufener Ersturteiler also, bestärkten. Recht wurde im Konsens des Gerichtsumstandes gefunden und gesprochen. Aufzeichnungen, d. h. schriftlich gefasstes Recht, spielte eine untergeordnete Rolle.

Ansätze einer "Professionalisierung" im Herzogtum Bayern

Die Strukturen des gerichtlichen Verfahrens wurden zumindest in den Teilen des herzoglichen Bayern, in denen das Oberbayerische Landrecht Kaiser Ludwigs (reg. 1314-1347, seit 1328 als Kaiser) bis 1346 eingeführt worden ist, überformt. Das Laienelement trat deutlich zurück; die Mündlichkeit der Rechtsfindung wurde weitgehend aufgegeben. Die Zielrichtung zeigt sich bereits in Art. 1 Abs. 1 des Oberbayerischen Landrechts (1346), der den Richter mit einem herzoglichen "amptmann" gleichsetzt. Dieser Richter gründet die Rechtsfindung nach Art. 3 Abs. 1 des Oberbayerischen Landrechts (1346) im "puch", also in eben jenem verschriftlichten Landrecht Kaiser Ludwigs. Der in einigen Handschriften überlieferte Zusatzartikel 3a bekräftigt den absoluten Anwendungsvorrang seines Rechtsbuchs. Art. 6 ordnet überdies an, dass Verfahren, in denen fremdes Recht als erheblich vorgetragen wird, an den Landesherrn abzugeben sind, der sie verbindlich entscheidet. In diesem System konkreter Urteilsfindung blieb für ein Mitwirken des Gerichtsumstandes wenig Raum. Die Gerichtsgemeinde verlor ihre Funktion. Das Verfahren lag in der Hand eines Richters. Das Recht war in Buchform durch den Landesherrn vorgegeben, der Abweichungen davon nicht duldete.

Für das Gebiet des alten bajuwarischen Stammesherzogtums sind diese Verfahrensreformen zumindest theoretisch nicht unbedingt innovativ: Schon Titel II. 14. der Lex Baiuvariorum, der Sammlung von Stammesrechten der Baiuwaren aus dem 7. und 8. Jahrhundert, gründete ein konkret stattfindendes Gericht in der herzoglichen Autorität. Ausgeübt wurde sie durch den Grafen und den örtlich zuständigen Richter. Dingpflichtig waren alle Vasallen des Herzogs. Am Ende der Vorschrift wird auch auf das Rechtsbuch (liber legis) Bezug genommen, das zur Urteilsgrundlage gemacht werden soll. Beide Umstände sind kontextual zu betrachten: Die Lex Baiuvariorum ruht völlig auf feudalrechtlichem Fundament. Wenn dort auf Grafen Bezug genommen wird, so üben diese zwar prinzipiell herzogliche Rechte aus, die allerdings an lokalen Adel weiterverliehen wurden. Eine wirkliche "Professionalisierung" konnte auf diesem Wege nicht erreicht werden. Erst mit der Überformung der Grafschaftsverfassung in Bayern und der Ausbildung der Landgerichte, verbunden mit der flächendeckenden Installation von Richtern bzw. Pflegern als unmittelbar herzoglichen Amtsleuten, ließen sich Mündlichkeits- und Laienelement zurückdrängen und die herzogliche Autorität auf der Grundlage des Oberbayerischen Landrechts durchsetzen.

Das Gerichtsverfahren im "Schwabenspiegel"

Thronender Kaiser mit Wappenschild; Beginn des Landrechtsbuches des Schwabenspiegels, um 1475. (Bayerische Staatsbibiliothek, Cgm 216, fol. 78r)

Die Vorschriften des Oberbayerischen Landrechts zum Gerichtsverfahren erweisen sich als sachlich bemerkenswert, betrachtet man parallel etwa den Schwabenspiegel, der um 1275 wohl in Regensburg und Augsburg entstanden ist. Dort wird ein Gerichtsverfahren völlig in der Tradition frühmittelalterlicher Formen verstanden: Schon LandR I Art. 1 rückt das Ding in den Mittelpunkt der Urteilsfindung, das von Vogt und Burggraf und damit von feudalrechtlichen Funktionsträgern geleitet wird. Das im Schwabenspiegel zusammengestellte Recht versteht sich nicht als innovativ, sondern in der Tradition biblischer Vorgaben stehend und konkretisiert durch die Rechtsfindung durch Päpste und Kaiser (LandR I Art. 1 [b]). Gesprochen wird das Urteil, so LandR I Art. 17, durch die Schwaben, durch die dingpflichtigen Rechtsgenossen also. Diese wählen auch den Richter (LandR I Art. 86), der durch den Landesherrn eingesetzt wird. Auf das Rechtsbuch als Entscheidungsgrundlage wird dieser Richter nicht ausdrücklich festgelegt, wohl aber auf die Tugenden, namentlich die Kardinaltugenden (LandR I Art. 86 [a] Abs. 2). Ähnliches gilt für die Ersturteiler, die Ratgeben (LandR I Art. 88).

Mündlicher Charakter und Laienbeteiligung an der Urteilsfindung prägen mithin den Charakter des Gerichtsverfahrens, wie es der Schwabenspiegel versteht. Dieser Befund überrascht, bezeichnet doch schon das alemannische Stammesrecht in Art. XXXV der Lex Alamannorum das Ding als "consuetudo antiqua", als altertümliches Herkommen. Jedoch lässt sich die Beständigkeit traditioneller Vorstellungen von Urteilsfindung durchaus mit dem Charakter des Schwabenspiegels erklären, der eine Privatarbeit darstellt. Ihre Verfasser standen landesherrlichen Hofkreisen eher fern, während das Oberbayerische Landrecht gerade durch den Landesherrn gesetzt wurde.

Die Gottes- und Landfrieden

Schon die alten Stammesrechte wie die Lex Baiuvariorum oder die Lex Alamannorum enthielten umfangreiche Normbestände, deren Ziel der Schutz des sozialen Zusammenlebens war. Einen Schwerpunkt hatten die dort inkriminierten Verhaltensweisen im Bereich der Tötungs-, Verletzungs- und sonstigen Gewaltdelikte. Das hoch- und spätmittelalterliche Recht unterscheidet sich davon deutlich: Blickt man etwa in den Schwabenspiegel, so zeigt sich ein gesteigerter Umfang an Normen, der inhaltlich deutlich in den Bereich des Vermögensschutzes ausgreift. Beim Oberbayerischen Landrecht tritt dieser Befund noch augenfälliger hervor, da hier eine Titelordnung nach grundständigen sachlichen Gesichtspunkten den Zugriff erleichtert. Mit Art. 51 beginnt dort der Abschnitt, der die lateinische Bezeichnung "titulus violantium pacem" (Abschnitt über die Friedensverletzung) trägt und damit auf einen wesentlichen Movens für das Anschwellen der Normdichte hinweist: die Landfriedensbewegung, deren Ziel der Schutz des sozialen Friedens war und die im Kontext der Gottesfrieden entstand. Anknüpfungspunkt dafür war das Fehdewesen und damit der Gedanke, den Schädiger durch Schadenszufügung zum Ausgleich mit dem Geschädigten oder dessen Hinterbliebenen zu zwingen, was aber den sozialen Frieden erheblich in Mitleidenschaft zog. Neben der Verkündung von Landfrieden, die in der Sache ein Fehdeverbot enthielten, konnte dieser Ausgleich durch die hoheitliche Autorität im Einzelfall erzwungen werden. Der Mainzer Reichslandfriede von 1235 war ein erster Schritt zur allgemeinen Befriedung, dem weitere, regional orientierte folgten.

In Bayern gab es 1244 einen ersten Landfriedensschluss zwischen dem Herzog, dem Bischof von Salzburg und weiteren Kirchenfürsten. In Niederbayern wurde 1255 ein Landfrieden beschworen und für Bayern und Franken 1281 durch den deutschen König der Friede verkündet. Wesentliches Merkmal weltlicher Landfriedensrechtsetzung ist die Verhängung peinlicher Strafen, ein Begriff, der wohl von lateinisch "poena" (Strafe) abzuleiten ist. Insofern trat neben das hergebrachte Buß- und Wergeldsystem, das einen vermögensorientierten Täter-Opfer-Ausgleich herzustellen suchte, eine deutlich ausgeprägte, sozial gedachte Sanktionsordnung. Körperlich vollstreckte Strafen bis hin zur Todesstrafe traten nun allmählich gegenüber dem Bußsystem in den Vordergrund. Ab dem beginnenden 15. Jahrhundert kannte man im Herzogtum Bayern in Gestalt der sogenannten Viztumshändel eine Form der Milderung verwirkter körperlich zu vollstreckender Kriminalstrafen. Die Kataloge der Viztumshändel umfassten zunächst nur die drei hohen Fälle der Blutgerichtsbarkeit, erfuhren durch die Anwendungspraxis aber bald deutliche Erweiterungen. Auf Grundlage dieser Kataloge konnte mit dem herzoglichen Viztum dahingehend verhandelt werden, dass die Körperstrafe gegen Zahlung einer bestimmten Geldsumme auf der Grundlage eines fürstlichen Gnadenerweises erlassen wurde.

Tatsachenermittlung im gerichtlichen Verfahren

Die Ausdifferenzierung der Verhaltensnormen in den hoch- und spätmittelalterlichen Rechtsbüchern samt den dort angedrohten Sanktionen waren von unmittelbarem Einfluss auf die gerichtlichen Verfahrensabläufe. Die Vielgestaltigkeit der Regelungen erforderte eine präzise Unterscheidung, was wiederum eine wesentlich differenzierte Sachverhaltsermittlung erforderlich werden ließ. Nicht zufällig befassen sich wesentliche Abschnitte des Verfahrensrechts etwa des Oberbayerischen Landrechts mit Fragen des Beweises. Der Schwabenspiegel kennt eine spezielle Form der Beweiserhebung: die Erzwingung eines Geständnisses von dem Beschuldigten. LandR III Art. 375 nennt die Möglichkeit der Folter bei Vorliegen gewichtiger Indizien. Bekannt war die Folter bereits im römischen Recht, jedoch verlieren sich die Quellen mit Beginn der karolingischen Epoche dazu im Ungefähren. Im Früh- und Hochmittelalter war die Folter wohl gänzlich untunlich geworden. Erst im 13. Jahrhundert scheint sie im süddeutschen Raum wieder in Gebrauch gekommen zu sein. Der Regelungsweg, die Anwendung der Folter an konkrete Indizien zu knüpfen, wurde auch in der Folgezeit bis hin zur Bamberger Halsgerichtsordnung (1507) und zur Constitutio Criminalis Carolina (1532) beschritten, um den Gebrauch der Folter, die bis ins 18. Jahrhundert hinein anerkanntes Beweisbeschaffungsmittel war, nicht willkürlich ausufern zu lassen. Bayern ergänzte im Jahre 1618 die reichsrechtlichen Normen zur Anwendung der Folter um die Malefizprozeßordnung des Codex Maximilianeus. Abgeschafft wurde die Folter in Bayern erst 1806, während sie in den kurpfälzischen Territorien bereits 1779 verboten worden war.

Professionalisierung von Verfahrensbeteiligten

Die Ausdifferenzierung der sozialen Schichtung im Laufe des Hoch- und Spätmittelalters, das Ausbilden städtischer Strukturen und die sich überregional entwickelnden Handelsbeziehungen führten dazu, dass sich auch die Vorstellungen von Rechtsgebräuchen wandelten. In dieser Entwicklung lässt sich eigentlich erst von einem konkreten, sich allgemein verbreitenden Rechtsbild sprechen. Ein Kirchenrecht, ein Stadtrecht oder das Recht der Kaufleute wurde als eigene Kategorie wahrgenommen und in die Streitschlichtung eingeführt. Die Streitschlichtung erfuhr eine Verfestigung dahingehend, dass sie sich nachhaltig formalisierte und größten Wert auf die Einhaltung eines Numerus clausus an Sprachformeln und Gebärden legte. Insoweit ließ sie erste leidlich professionelle Gerichtspersonen wie etwa den Fürsprech (Vorsprech) notwendig erscheinen, der die Partei in ihrem Auftreten vor Gericht unterstützte und insoweit funktional einem Prozessbeistand nahe kam.

Gelehrter Prozess

Frühneuzeitliche Gerichtsverfassung

Die aus dem Mittelalter tradierenden Strukturen wurden in allen Teilen des heutigen Bayern fortentwickelt. Im Herzogtum Bayern ruhte die Verteilung der Zuständigkeiten auf der "Erklärten Landesfreiheit" des Jahres 1508, die mehrfach fortgeschrieben wurde und die Gerichtverfassung vergleichbar der in Niederbayern 1311 gewährten Ottonischen Handfeste im gesamten Herzogtum gliederte. Dem Herzog und seinen Viztumen blieben die Viztumshändel vorbehalten, deren katalogmäßige Zusammenstellung 1508 bereits zwanzig Positionen umfasste. Der ständischen Hofmarksgerichtsbarkeit blieben die übrigen Streitgegenstände überlassen. Auch in Schwaben und Franken werden die hergebrachten Strukturen der Gerichtsverfassung fortgeführt und ausdifferenziert. Gerade in den Städten entwickelt sich eine vielfältige, sachlich orientierte Auffächerung in Gerichtsinstanzen.

Zivil- und Strafprozess

Das Gerichtsverfahren erfasste bis ins Spätmittelalter hinein einheitlich sowohl Gegenstände, die wir heute einem Strafverfahren zuordnen würden, als auch solche eines Zivilrechtsstreits. Es behandelte somit Sachverhalte, die sowohl Sühne, Buße und Strafe im Kontext der Rechtsgemeinschaft zur Folge haben konnten, wie auch Gegenstände vornehmlich vermögensrechtlicher Art zwischen den beteiligten Parteien. Am Ausgang des Mittelalters sonderte sich wohl unter italienischem Einfluss das Verfahren unter dem Aspekt des Büßens und Strafens von demjenigen, das die privaten Vermögensinteressen zu klären hatte, ab. Der Ursprung für die Entwicklung von Zivilprozess und Strafprozess als eigenständigem Verfahren war gelegt. Von besonderer Wirkung auf die Ausdifferenzierung der Verfahrenswege und die Professionalisierung des Verfahrensganges war die sich zusehends verbreitende Rezeption des römischen Rechts.

Für den Zivilprozess bedeutete dies, dass es zusehends gelehrte, an Universitäten ausgebildete Juristen waren, die den Verfahrensgang bestimmten. Allerdings besetzten nicht nur sie das Richteramt. Neben der Verdrängung der Gerichtsgemeinde aus der Entscheidungsfindung und deren Engführung auf die Mitwirkung von Gerichtsbeisitzern waren zeitgenössische Prozesslehren der wesentliche Faktor für die flächendeckende Verbreitung des Artikelprozesses, d. h. die schriftlich ablaufende Verhandlung auf der Grundlage einer zusehends strenger werdenden formularmäßigen Standardisierung.

Der zunehmende Einfluss des gelehrten Rechts auf den Prozess lässt sich an den promulgierten Rechtsbüchern ablesen: Während etwa die Reformation des Bayerischen Landrechts von 1518 die Einflüsse des römischrechtlich geprägten Gemeinen Prozessrechts bereits im Detail erkennen lässt, ist er in der Gerichtsordnung von 1520 beherrschend. Neben dem hergebrachten, langwierigen ordentlichen Verfahren gibt es ein summarisches, das von den Parteien erfordert, den Prozessstoff zusammengefasst vorzutragen und nicht in endloser Schrift und Gegenschrift wie im Artikelprozess. Auch ein Verfahren gütlicher Einigung ist vorgesehen. In dieser Gestalt geht das bayerische Prozessrecht auch in das Ober- und Niederbayerische Landrecht Herzog Maximilians I. (reg. 1597-1651, Kurfürst ab 1623) von 1616 ein und prägt über dieses auch das Oberpfälzische Landrecht von 1657. Noch der von Wiguläus Franz Xaver Alois von Kreittmayr (1705-1790) entworfene Codex Judiciarii des Jahres 1753 übernimmt diese Prozessarten, deren Strukturen er ausdifferenziert und nur in Details verändert. Strukturell vergleichbare Entwicklungen zeigen sich auch in anderen Teilen des heutigen Bayern. So lässt sich etwa in der Reichsstadt Augsburg von der von Conrad Peutinger (1465-1547) entworfenen Gerichtsordnung des Jahres 1507 über diejenige des Jahres 1519 eine stärker hervortretende Prägung durch das Gemeine Prozessrecht feststellen, die die Gerichtsordnungen von 1676 und 1770 nachhaltig bestimmt.

Endgültig ausgeprägt wurden im Spätmittelalter Strukturen des Inquisitionsprozesses in Strafsachen, die sich in den Städten unter Einfluss dort praktizierter Verfahren der Schnell- und Notgerichtsbarkeit über Angeklagte, die an sich nicht der städtischen Gerichtsbarkeit unterworfen waren (Gastgerichte), aus ersten Ansätzen in karolingischer Zeit entwickelten. Wesentliche Kennzeichen dieser Prozessform waren die Offizialmaxime, also die Verbrechensahndung und Verfahrensdurchführung als amtlich-herrschaftliche Aufgabe, und die Instruktionsmaxime, die Pflicht für das Gericht selbst, die objektive Wahrheit zu ermitteln. Eine besondere Entwicklung dieser Prozessart ist der kirchliche Inquisitionsprozess.

Das Instrument der Urfehde erfüllte im frühneuzeitlichen Bayern eine gewandelte Funktion im Kontext der Strafvollstreckung und damit im letzten Akt des Strafverfahrens: Der des Landes verwiesene landfremde Delinquent, der eine körperlich wirkende Strafe (auch Todesstrafe) verwirkt hatte, schwor Racheverzicht für Freiheitsentzug und körperliche Züchtigung im Rahmen des Verfahrens. Ebenfalls schwor er, nicht ohne Erlaubnis nach Bayern zurückzukehren. Auf diese Weise konnte die Strafe der Landesverweisung effektiviert werden. Brach der Delinquent bei Rückkehr in das Herzogtum die Urfehde, zeitigte dies empfindlichste Strafen.

Reichskammergericht - Reichshofrat - Hofgericht

Endgültig relevant wurde der gelehrte Einfluss schließlich durch die Schaffung des Reichskammergerichtes im Jahre 1495 und wenig später des Reichshofrates als Oberinstanzen für das gesamte Alte Reich. Die Reichskammergerichtsordnung sah ausdrücklich vor, dass neben traditionell aus den noblen Schichten des Reiches berufenen Gerichtspersonen eine gleiche Anzahl akademisch ausgebildeter Richter, gelehrter Juristen also, zur letztinstanzlichen Urteilsfindung herangezogen werden sollten. Eine Konstruktion, die sich den regionalen und schließlich territorialen Urteilsfindungsstrukturen mitteilte. Der Kameralprozess, die Abläufe, vor dem Reichskammergericht zu prozessieren, wurde maßstabbildend für die Ausgestaltung des Verfahrensrechts in der Fläche. In zahlreichen frühneuzeitlichen Prozessordnungen finden sich Einflüsse des Kameralprozess in der Gestalt, die er durch den Jüngsten Reichsabschied des Jahres 1654 erhalten hatte. Insbesondere die Vorschriften zum summarischen Verfahren waren stilbildend. Das Reichskammergericht selbst darf freilich nicht als obligatorische Rechtsmittelinstanz begriffen werden. Kaiserliche Appellationsprivilegien zugunsten einzelner Herrschaften hielten den Rechtsstreit im jeweiligen Land. Im Falle des Herzogtums Bayern war etwa ab 1620 der herzogliche Geheime Rat, später das 1625 geschaffene Revisorium, höchste Appellationsinstanz im Herzog- und späteren Kurfürstentum. In Reichsstädten war dies regelmäßig der Rat.

Literatur

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Quellen

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  • Clausdieter Schott (Hg.), Lex Alamannorum. Das Gesetz der Alemannen. Text - Übersetzung - Kommentar zum Faksimile aus der Wandalgarius-Handschrift Codex Sangallensis 731 (Veröffentlichungen der Schwäbischen Forschungsgemeinschaft. Reihe 5b 3), Augsburg 1993.
  • Hans Schlosser/Ingo Schwab (Hg.), Oberbayerisches Landrecht Kaiser Ludwigs des Bayern von 1346. Edition, Übersetzung und juristischer Kommentar, Köln/Weimar/Wien 2000.

Weiterführende Recherche

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Empfohlene Zitierweise

Peter Kreutz, Gerichtsverfahren (Spätmittelalter/Frühe Neuzeit), publiziert am 20.06.2016; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Gerichtsverfahren_(Spätmittelalter/Frühe Neuzeit)> (16.10.2024)