Pfalbürger
Aus Historisches Lexikon Bayerns
(Weitergeleitet von Pfalbürger)
Als Pfalbürger wurden im Spätmittelalter Personen bezeichnet, die im Umland lebten, aber Stadtrechte genossen und sich so ihren Landesherren entzogen. Um diesen Umstand abzustellen, wurde das Pfalbürgerwesen seit dem 13. Jahrhundert bekämpft und wiederholt verboten. Auf dem Gebiet des heutigen Bayern war das Phänomen nur wenig verbreitet. Bedeutsamer waren im schwäbischen Raum zwischen Donau und Lech die dem Pfalbürgerwesen artverwandten Ausbürger; hierbei handelte es sich zumeist um Adelige aus dem Umland, die mit den jeweiligen Städten in ein Bündnisverhältnis traten.
Definitionsversuch
"Pfalbürger" ist in den Quellen nicht eindeutig angegeben und in der neueren Literatur ebensowenig definiert. Der umfassendere Begriff ist "Ausbürger", da er neben den Pfalbürgern auch Adlige und geistliche Institutionen erfasst. Jedoch handelt es sich bei den Pfalbürgern im allgemeinen um Einwohner einer Stadt, die die meiste Zeit auf dem umliegenden Land außerhalb der Stadtmauern lebten. Diese Bürger erstrebten die Vorteile der in einer Stadt geltenden Rechte gegenüber den von den Landesherren geübten und durchgesetzten Gewohnheiten und Abgaben, wollten jedoch auf dem Lande auf ihren Höfen oder Niederlassungen wohnen. Daraus entstand vor allem für die Landes- und Grundherren ein Problem, da sie nicht mehr ohne Einschränkungen durch eine Stadt über die ihnen meist hörige Bevölkerung und deren Erträge verfügen konnten.
Vor allem in Süddeutschland ist der Begriff "Pfalbürger" von dem des "Ausbürgers" verdrängt worden. Während in den übrigen Landen "Ausbürger" meist auf den Adligen beschränkt war, der einen Vertrag mit einer Stadt geschlossen hatte, jedoch auf seiner Burg oder seinem Ansitz wohnen blieb. Im Wesentlichen handelte es sich um militärische Dienste, zu denen ein solcher "Ausbürger" verpflichtet war. Daneben gab es auch geistliche Institutionen, die als "Ausbürger" in das städtische Rechtssystem aufgenommen worden sind. Wie jedoch das Wort "Pfalbürger" abzuleiten ist und was es bedeuten könnte, ist nach wie vor umstritten.
Vorgehen gegen die Pfalbürger
Seit dem Beginn des 13. Jahrhunderts wurde das Institut der Pfalbürger in zunehmendem Maße zum Problem und verboten. Als Friedrich II. (reg. 1212-1250, als Kaiser ab 1220) am 26. April 1220 in der Confoederatio cum principibus ecclesiasticis (Const. II, Nr. 73) die wichtigen Erzbischöfe und Bischöfe für seine Wahl gewinnen wollte, erwähnte er das Wort und den Begriff noch nicht. Erstmals untersagte ausdrücklich Heinrich (VII.) (ca. 1212-1242), sein Sohn, am 1. Mai 1231 im Statutum in favorem principum (Const. II, Nr. 304) und darauf auch Friedrich II. in der Constitutio in favorem principum im Mai 1232 das Institut der Pfalbürger (Const. II, Nr. 171). Es wurde dann immer wieder, wie beispielsweise im Reichslandfrieden von 1235 (Const. II, Nr. 186), in den Verträgen des Rheinischen Bundes von 1254 und 1255 (Const. II, Nr. 428 II §§ 2, 14, S. 583 f.; Keutgen, Nr. 124 II § 14 und III§ 2) und im Reichslandfrieden vom 16. November 1298 (Const. IV,1, Nr. 33 § 13, S. 26), ferner unter Heinrich VII. (reg. 1308-1313, als Kaiser ab 1312) vorwiegend für rheinische Länder (Const. IV,1, Nr. 259 § 16, Nr. 28´63a § 4; Nr. 263b § 3; Nr. 409 § 2; Nr. 409 § 2; Const. V, Nr. 57 § 14; Nr. 142 f. § 14) oder unter Ludwig dem Bayern (reg. 1314-1347, Kaiser ab 1328) 1333, 1340 für zunächst wetterauische Städte und 1341 für das gesamte Reich verboten. Bereits zuvor (z. B. 1328 und 1334) war Ludwig zugunsten einzelner Gefolgsleute tätig geworden, indem er Städten untersagte, deren Untertanen als Pfalbürger aufzunehmen.
Am 24. Januar 1297 bestimmte das Frankfurter Stadtrecht, dass Pfalbürger vom 11. November (Martini) persönlich mit ihren Frauen und ihrer familia die Stadt betreten und bis zum 22. Februar (Cathedra Petri) innerhalb der Stadtmauern in ihrer eigenen Wohnung mit einer Feuerstätte bleiben sollten. Ferner hätten sie weder die Bede noch Fuhrdienste oder Sonstiges zu leisten (Keutgen Nr. 155 §§ 20, 22, 26, S. 189). Sie sollten zur Winterzeit, wenn die Felder abgeerntet waren, die Stadt aufsuchen und dort bleiben, bis die Aussaat begann und sie wieder die Stadt verlassen durften. Die Frankfurter Bestimmungen hatten jedoch keinen langen Bestand und mussten widerrufen werden.
In der Goldenen Bulle von 1356 wurde schließlich von Pfalbürgern gefordert, dass, wenn sie von den Städten aufgenommen würden, sie dort auch das Jahr über ihre Wohnung haben und die Lasten der jeweiligen Stadt mittragen sollten. Dagegen sei das Pfalbürgerinstitut auf dem Land abzuschaffen, weil es den Fürsten, Freiherren und allen anderen Adligen geschadet habe. Die Möglichkeiten, die sich die Stadt Frankfurt erkämpft hatte, waren jedenfalls laut Reichsgesetz endgültig unter Strafe gestellt worden. Sie wurden jedoch in Wirklichkeit weiter ausgeübt, weil das Gesetz nur in Teilen des Reichs oder überhaupt nicht hatte durchgesetzt werden können: Auch die häufige Wiederholung der Bestimmung belegt, dass Pfalbürger noch weiterhin aufgenommen wurden. Allen Paragraphen ist ferner zu entnehmen, dass es sich bei den Pfalbürgern in der Regel um höher gestellte Persönlichkeiten wie etwa den Schultheißen gehandelt haben muss. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass auch reichere Bauern als Pfalbürger aufgenommen wurden. Schließlich mussten sie das Bürgergeld und andere Lasten tragen.
Noch im 15. Jahrhundert wurde das Pfalbürgerinstitut der Städte wiederholt verboten. Diese Verbote konnten zwar niemals vollständig durchgesetzt werden, jedoch spielte das Pfalbürgertum seit dem ausgehenden Mittelalter kaum noch eine Rolle, auch weil die größeren Reichsstädte wie Nürnberg oder Rothenburg o.d.T. (Lkr. Ansbach) ihr Territorium ausgebaut hatten. Andere Städte wie Regensburg verfügten nur über ein geringes Territorium, haben ein Pfalbürgertum jedoch nicht ausgebaut oder ausbauen können. Die kleineren Städte standen oder gerieten in der Regel unter der Herrschaft der Territorialherren, die mithin das Pfalbürgertum verbieten oder zumindest einschränken konnten.
Ausbürger
Von den Pfalbürgern zu trennen sind die adligen Ausbürger und geistliche Institutionen, meist Klöster und Stifte, die das städtische Bürgerrecht erhielten. Während Klöster und Stifte vielfach noch gleichzeitig mit den Pfalbürgern ihre städtischen Rechte bekamen, sind Adlige erst in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts oder darauf folgend in städtische Dienste eingetreten. Adlige Außenbürger gehörten daher einer späteren Stufe an und waren vom eigentlichen städtischen Bürgerrecht ausgeschlossen. Das Außenbürgerrecht ging jedoch auch im Laufe des 15. und endgültig im darauf folgenden Jahrhundert zur Neige. Geistliche Institute sind als Ausbürger länger nachzuweisen, boten aber den Landes- und Grundherren weniger Angriffsfläche.
Pfalbürger im Gebiet des heutigen Bayerns
Auf dem Gebiet des heutigen Bayerns ist das spärlich erforschte Phänomen der Pfalbürger nur wenig bekannt.
In Altbayern, wo die Städte und deren Umland gleichsam einem Landesherren unterstanden, konnte es nicht zu einer Ausbildung von Pfalbürgern kommen. Als Landesherr untersagte Kaiser Ludwig der Bayer überdies 1340 die Aufnahme von Pfalbürgern in bayerischen Städten, Märkten und Freiungen.
Auch in Franken scheint das Pfalbürgerwesen wenig verbreitet gewesen zu sein. In Nürnberg fand das Institut der Pfalbürger bereits seit dem frühen 14. Jahrhundert keine Anwendung mehr. Von "Pfalbürgern", die - wenn auch in geringer Zahl - regelmäßig in den Stadtverband aufgenommen werden, ist bis ins 17. Jahrhundert in Ansbach die Rede. Der Terminus wurde dort schließlich durch den Begriff "Schutzverwandter" verdrängt.
Am ehesten entwickelte sich das Pfalbürgertum im heutigen Bayern in der schwäbischen Städtelandschaft aus. In Augsburg wurde der Höchststand an Pfalbürgern 1355 mit 156 erreicht. Auch in kleineren Städten wie Lauingen oder Memmingen war das Pfalbürgerwesen im 14. Jahrhundert von Bedeutung. Aber auch in Schwaben lief die große Zeit des Pfalbürgerwesens seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts aus: Bereits 1398 erklärten Memmingen und Kempten, auf die Aufnahme von Pfalbürgern verzichten zu wollen. Auf dem Nürnberger Hoftag 1431 gelang es dem schwäbischen Adel, ein Verbot der Aufnahme von Pfalbürgern herbeizuführen. In nurmehr geringer Anzahl begegnen seitdem Pfalbürger in den Quellen. Größere Bedeutung kam im Schwäbischen hingegen der Aufnahme von Adeligen als Ausbürger oder Paktbürger zu, wodurch Städte wie Augsburg, Kempten oder Nördlingen den Einfluss in ihrem Umland systematisch ausbauten.
Literatur
- Peter Blickle, Pfalbürger schwäbischer Reichsstädte. Ein Beitrag zur Konstruktion der Leibeigenschaft, in: Johannes Burkhardt (Hg.), Geschichte in Räumen. Festschrift für Rolf Kießling zum 65. Geburtstag, Konstanz 2006, 51-72.
- Hans J. Domsta, Die Kölner Außenbürger (Rheinisches Archiv 84), Bonn 1973.
- Bernd Fuhrmann, Hinter festen Mauern. Europas Städte im Mittelalter, Darmstadt 2014.
- Walter Gilg, Die Rechtsstellung der Ausbürger und Auslandleute in der alten Eidgenossenschaft, Basel 1949.
- Handwörterbuch der deutschen Rechtsgeschichte. 3. Band, Berlin 1984.
- Eberhard Isenmann, Die deutsche Stadt im Mittelalter 1150-1550, Wien/Köln/Weimar 2. Auflage 2014.
- Claudia Kalesse, Bürger in Augsburg. Studien über Bürgerrecht, Neubürger und Bürgen anhand des Augsburger Bürgerbuchs I (1288-1497), Augsburg 2001.
- Rolf Kießling, Die Stadt und ihr Land. Umlandpolitik, Bürgerbesitz und Wirtschaftsgefüge in Ostschwaben vom 14. bis ins 16. Jahrhundert (Städteforschung A/29), Köln/Wien 1989.
- Ernst Kober, Pfahlbürger und Schutzverwandte in Ansbach, in: Jahrbuch des Historischen Vereins für Mittelfranken 76 (1956), 21-32.
- Guy P. Marchal, Pfahlburger, burgeois forains, buitenpoorters, bourgeois de roi. Aspekte einer zweideutigen Rechtsstellung, in: Rainer C. Schwinges (Hg.), Neubürger im späten Mittelalter. Migration und Austausch in der Städtelandschaft des alten Reiches 1250-1550 (Zeitschrift für historische Forschung. Beiheft 30), Berlin 2002, 333-367.
- Ernst Mayer/Rolad Jodute, Hansa, Schöffe, Pfahlbürger, Mulefe (Maulaffe), in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Germanistische Abteilung 44 (1924), 291-297.
- Hans Planitz, Die deutsche Stadt im Mittelalter, Graz/Köln 2. Auflage 1965.
- Max Georg Schmidt, Die Pfalbürger, in: Zeitschrift für Kulturgeschichte 9 (1901), 241-321.
- Felicitas Schmieder, Des gedencke der rat, ob sie eynis malis der stad bedorfften. Geistliche Bürger, Ausbürger, Beisassen als besondere Gruppen in der spätmittelalterlichen Stadt Frankfurt am Main, in: Peter Johanek (Hg.), Sondergemeinden und Sonderbezirke in der Stadt der Vormoderne (Städteforschung A 59), Köln u. a. 2004, 125-163.
- Edward Schröder, Pfahlbürger, in: Karl August Eckhardt (Hg.), Festschrift für Ernst Heymann. 1. Band: Rechtsgeschichte, Weimar 1940, 52-60.
Quellen
- Friedrich Keutgen, Urkunden zur Städtischen Verfassungsgeschichte (Ausgewählte Urkunden zur Deutschen Verfassungsgeschichte 1), Berlin 1901.
- Werner Schultheiß, Satzungsbücher und Satzungen der Reichsstadt Nürnberg aus dem 14. Jahrhundert, 1. Lieferung (Quellen zur Geschichte der Stadt Nürnberg 3), Nürnberg 1965.
- Karl Zeumer, Die Goldene Bulle Kaiser Karls IV. (Quellen und Studien zur Verfassungsgeschichte des Deutschen Reiches in Mittelalter und Neuzeit 2), Weimar 1908.
Weiterführende Recherche
Externe Links
- Deutsches Rechtswörterbuch (DRW): Pfahlbürger.
- Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Pfahlbürger.
Pfalbürgerrecht, Pfahlbürger, Pfahlbürgerrecht, Ausbürger, Ausbürgerrecht
Empfohlene Zitierweise
Klaus Militzer, Pfalbürger, publiziert am 13.03.2017; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Pfalbürger> (9.10.2024)