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Organisation Consul (O.C.), 1920-1922

Aus Historisches Lexikon Bayerns

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Hermann Ehrhardt, hier 1920 beim Kapp-Putsch in Berlin. (Bayerische Staatsbibliothek, Fotoarchiv Habermann)

von Martin Sabrow

Die Organisation Consul, auch "Schwarze Reichswehr" genannt, entstand 1920 nach dem gescheiterten Kapp-Putsch als Nachfolgeorganisation der Marinebrigade Ehrhardt. Der dem Freikorpsführer Hermann Ehrhardt (1881-1971) unterstehende paramilitärische Geheimbund war rechtsradikal und nationalistisch ausgerichtet und arbeitete auf eine gewaltsame Zerstörung der Weimarer Republik hin. Er stellte eine militärisch geführte Organisation mit rund 5.000 Mitgliedern dar, deren Zentrale sich in München befand. Von der Organisation Consul gingen zahlreiche politische Gewalttaten in der frühen Weimarer Republik aus. Möglicherweise stand sie bereits hinter der Ermordung des bayerischen USPD-Abgeordneten Karl Gareis (1889-1921). Gesichert ist ihre Verantwortung für die Morde am früheren Reichsfinanzminister Matthias Erzberger (1875-1921) und am AEG-Industriellen und Reichsaußenminister Walther Rathenau (1867-1922) sowie für den Mordversuch am Kasseler Oberbürgermeister und ehemaligen Ministerpräsidenten Philipp Scheidemann (1865-1939). Durch das Republikschutzgesetz vom 21. Juli 1922 verboten, bestand die Organisation in den Folgejahren als Neudeutscher Bund sowie als Bund Wiking fort.

Gründung und Aufbau der Organisation Consul

Organisationsschema der Organisation Consul 1921. (Landesarchiv Baden Württemberg Abt. Staatsarchiv Freiburg F 179/4 Nr. 89 Bild 1)

Die "im Halbdunkel lizenzierter Illegalität" (Gotthard Jasper) arbeitende Organisation Consul (O.C.) war ein "janusköpfiges Gebilde" (Susanne Meinl) der deutschen Nachkriegszeit nach 1918. Die Organisation unterlief zum einen als verdeckte Militärorganisation mit Duldung der Reichsregierung die Restriktionen des Versailler Vertrages und arbeitete zum anderen als terroristische Vereinigung der deutschen Gegenrevolution auf den Untergang der Weimarer Republik hin. Sie wurde nach dem gescheiterten Kapp-Lüttwitz-Putsch vom März 1920 auf Betreiben von Offizieren der aufgelösten Brigade Ehrhardt gebildet, deren Kommandeur Hermann Ehrhardt (1881-1971) sich der Verhaftung durch Flucht in die "Ordnungszelle" Bayern entzogen hatte.

Eine schriftliche Satzung, die "Fremdrassige" ausdrücklich ausschloss, machte die "Sammlung von entschlossenen nationalen Männern" zur Aufgabe, um durch Einsetzung einer nationalen Regierung die Wiederkehr der heutigen Verhältnisse unmöglich zu machen. In diesem Sinne schrieb das Statut den Mitgliedern der Organisation Consul die "Bekämpfung alles anti- und internationalen, des Judentums, der Sozialdemokratie und der linksradikalen Parteien" vor. Ihr personelles Rückgrat bildeten 35 bis 120 Mann starke "Arbeitsgemeinschaften", die als intakte Zellen der aufgelösten Ehrhardt-Brigade im Nordosten und Süden Deutschlands ländlichen Unterschlupf suchten. Weiteren Zulauf bekam die nach einem Decknamen ihres untergetauchten Führers Ehrhardt benannte Organisation Consul von Einheiten der Reichsmarine an der Nordsee und in Flensburg, in welche die marinedienstfähigen Offiziere der Brigade übernommen worden waren.

Unter wohlwollender Duldung durch den Münchner Polizeipräsidenten Ernst Pöhner (1870-1925) und als "Bayerische Holz-Verwertungs-Gesellschaft" getarnt, koordinierte die Organsiation-Consul-Zentrale in München-Schwabing (Trautenwolfstr. 8) seit Dezember 1920 die Tätigkeit ihrer zum Schutz der Zentrale vor Dekonspiration in Bezirke aufgeteilten Ortsgruppen mit dem Ziel, den im März 1920 missglückten Rechtsputsch mit besserer Vorbereitung zu wiederholen. Die faktische Leitung der Organisation Consul übernahm Ehrhardts Stabschef Alfred Hoffmann (1890-1933), unter dessen Kommando in der Münchner Zentrale vier Stäbe mit zusammen ca. 30 angestellten Offizieren daran arbeiteten, den Geheimbund zu einer wirksamen politischen und militärischen Waffe zu entwickeln. Um die Jahresmitte 1921 gebot der Geheimbund, der seine Aktivitäten unter anderem durch Waffenschmuggel und -handel (u. a. mit der Irisch-Republikanischen Armee) finanzierte, über eine Personalstärke von mutmaßlich mindestens 5.000 Mann, die bei Alarm binnen weniger Stunden marschbereit sein sollten.


Regionale Gliederung der "Organisation Consul" bei ihrer Aufdeckung 1921
Oberbezirke I Hamburg II Hannover III Berlin IV Frankfurt am Main V Dresden VI Breslau VII Tübingen
Bezirke A Kiel B Wilhelmshaven I Berlin G Gießen H Halle N Breslau O Stuttgart
C Hamburg W Essen E Stettin K Wiesbaden L Gotha O/S Oberschlesien (geplant)
D Rostock F Köln M Leipzig
P München (Zentrale) Fr Dresden (geplant)

Die paramilitärische Stärke des Geheimbundes wurde während des 3. polnischen Aufstands (Mai 1921) sichtbar, als sich Organisation-Consul-Angehörige aus dem ganzen Reich zusammenfanden, um in einer eigenen Sturmkompanie den Oberschlesischen Selbstschutz bei der Niederschlagung des von polnischer Seite geschürten Aufstandes zu unterstützen. Im Anschluss bereitete die Organisation Consul zur Abwehr weiterer Aufstände und mit finanzieller Unterstützung des Auswärtigen Amtes die Aufstellung eines eigenen Regiments von 2.000 Mann vor, das im Bedarfsfall auf die Stärke einer Division ausgebaut werden sollte. Zu diesem Zweck knüpfte die Organisation Consul Kontakte zu anderen Wehrverbänden wie z. B. der SA und etablierte eine Filialorganisation zur Anwerbung österreichischer Freiwilliger in Wien.

Aufdeckung und Reorganisation des Geheimbundes nach dem Erzberger-Mord 1921

Die Öffentlichkeit erfuhr von der Existenz der Organisation Consul erst nach dem Anschlag auf den früheren Reichsfinanzminister Matthias Erzberger (Zentrum, 1875-1921). Erzberger war am 26. August 1921 während eines Erholungsurlaubes im Schwarzwald von zwei Männern verfolgt und erschossen worden. Die unmittelbaren Attentäter konnten sich dem polizeilichen Zugriff durch Flucht nach Ungarn entziehen. Den Strafverfolgungsbehörden fiel umfangreiches Belastungsmaterial in die Hände. Dadurch wurde die reichsweite Ausdehnung und interne Organisationsstruktur des mit chiffrierten Anweisungen und Kurieren arbeitenden Geheimbundes offen gelegt. Zudem gelang durch schnellen Zugriff die Verhaftung eines Teils des Münchner Leitungsstabes, so dass die Organisation Consul ungeachtet der diskreten Unterstützung, die sie durch die Polizeibehörden und einflussreiche Politiker in Bayern wie Georg Heim (BVP, 1865-1938) genoss, für ausgehoben und zerschlagen gelten konnte.

Tatsächlich aber reorganisierte sich die Organisation Consul im Untergrund erstaunlich rasch. Gleichzeitig bereitete die Offenburger Staatsanwaltschaft die Anklageerhebung gegen den militärischen Leiter der Organisation Consul, Manfred von Killinger (1886-1944), und andere Mitglieder der Münchner Zentrale wegen Mordes und Geheimbündelei vor. Als legale Nachfolgeorganisation wurde in München ein Neudeutscher Bund gegründet. Dieser sollte Ehrhardts Bemühen um die Infiltration anderer paramilitärischer Gruppierungen der deutschen Rechten und ihre Sammlung unter seiner Führung vorantreiben und stützte sich insbesondere auf den Verband national gesinnter Soldaten. Als öffentliches Sprachrohr der erneuerten Organisation Consul diente eine eigens gegründete Zeitschrift Wiking. Gleichzeitig wurde ein innenpolitischer "Nachrichtendienst" aufgebaut, der sich als geheimer Ersatz der von den Alliierten verbotenen Abwehr ansah und sich erfolgreich um Verbindungen zur Reichswehr bemühte.

Die Provokationstheorie und die Attentate auf Scheidemann und Rathenau

Parallel dazu erneuerte die Organisation Consul auch ihren terroristischen Flügel, um sowohl für den Fall eines außenpolitischen Konflikts ("Plan A") als auch für den einer innenpolitischen Krise ("Plan B") zur Machtübernahme gerüstet zu sein. Ehrhardts Strategie basierte auf der Erfahrung des gescheiterten Kapp-Putsches. Ein Rechtsputsch konnte nur Erfolgsaussicht haben, wenn es gelang, die Reichswehr auf die eigene Seite zu ziehen. Ehrhardts Pläne sahen vor, den geplanten Umsturz nicht aus eigener Kraft zu initiieren, sondern eine Situation zu schaffen, in der die Reichsregierung aus außen- oder innenpolitischer Bedrängnis heraus selbst um den Beistand der Ehrhardt-Truppen nachsuchen würde. Die Organisation Consul hoffte als Freikorps im Untergrund auf einen neuerlichen polnischen Aufstand im entmilitarisierten Abstimmungsgebiet Oberschlesiens, um ihn erst stellvertretend für die Reichswehr niederzuschlagen und dann mit dieser auf Berlin zu marschieren.

Als Geheimbund verfolgte die Organisation im Inneren zugleich eine "Provokationsstrategie", welche die Auslösung eines Aufstandes von links vorsah. Dessen erfolgreiche Bekämpfung im Dienst der Reichsregierung wollte sie sodann zum Sturz derselben und dem der Republik nutzen. Zu diesem Zweck bereitete die Organisation Consul für den Sommer 1922 eine Reihe von Mordanschlägen vor, die von mobilen Terrorkommandos im nord- und ostdeutschen Raum verübt wurden. Am Beginn der Anschlagsserie stand ein Blausäure-Attentat auf den Kasseler Oberbürgermeister und ehemaligen Reichsministerpräsidenten Philipp Scheidemann (1865-1939) am 4. Juni 1922 in einem Wald bei Kassel. Scheidemann überlebte, weil Wind das Giftgas vertrieb. Als Reaktion auf das Misslingen des Mordplans änderte die Organisation-Consul-Gruppe ihr Vorgehen für das Folgeattentat auf den deutschen Außenminister und AEG-Industriellen Walther Rathenau (1867-1922). Rathenau wurde am 24. Juni 1922 in seinem Kraftwagen erschossen, als er sich auf dem Weg von seinem Haus in Berlin-Grunewald ins Auswärtige Amt befand.

Das Verbot der Organisation Consul 1922

Eine Fortsetzung der Mordserie wurde durch das staatliche Durchgreifen verhindert. Zwei Republikschutzverordnungen (26. und 29. Juni 1922) und ein anschließendes Republikschutzgesetz (21. Juli 1922) verboten neben anderen rechtsradikalen Organisationen auch die Organisation Consul und legten deren Organisationsstruktur durch rasche Fahndungserfolge so weit lahm, dass eine Fortsetzung der Provokationsstrategie unterbunden werden konnte. Ein Anschlussattentat gegen den Publizisten Maximilian Harden (1861-1927) am 3. Juli 1922 ging nicht auf die Organisation Consul zurück, sondern wurde von rechtsradikalen Trittbrettfahrern verübt. Zur erfolgreichen Überwindung der durch die Mordserie ausgelösten politischen Krise trug maßgeblich auch das im Ganzen disziplinierte Verhalten der Linken und des landesweiten Protestes bei. Dieser zielte entgegen den Erwartungen der Organisation-Consul-Führer nicht auf den Sturz, sondern auf die Stärkung der Weimarer Republik und ihrer Regierung.

Juristische Würdigung und politische Neuorientierung

Die gerichtliche Aufarbeitung der Mordserie vor dem neu gebildeten Staatsgerichtshof zum Schutz der Republik in Leipzig legte das überregionale Netzwerk bloß, aus dem heraus beide Attentate verübt worden waren, und ahndete die Beteiligung an beiden Mordanschlägen mit teils langjährigen Zuchthausstrafen. Die Frage nach der Verantwortung der Organisation Consul ließ der Staatsgerichtshof hingegen offen und überwies sie einem eigenen Geheimbündelei-Verfahren, dessen Eröffnung sich allerdings lange hinzog. Der zunächst abermals entkommene Organisation Consul-Chef Ehrhardt konnte zwar im November 1922 in München verhaftet werden, vermochte jedoch im Juli 1923 mit Hilfe eigener Leute wieder aus der Untersuchungshaft zu entkommen.

Ehrhardts auf einem elitären Wehrbundkonzept gegründete Machtstellung im deutschen Rechtsradikalismus ging gegenüber der auf Massenagitation setzenden Sammlungsbewegung Adolf Hitlers (1889-1945) und dessen - ursprünglich mit Unterstützung der Organisation Consul gegründeten - SA kontinuierlich verloren. Im Novemberputsch 1923 blieb die an der bayerisch-thüringischen Grenze zum Marsch auf Berlin in Stellung gegangene Ehrhardt-Organisation ("Bund Wiking") passiv, weil Hitler in Ehrhardts Augen den strategischen Grundfehler des Märzputsches 1920 wiederholt und eine Einbindung der Reichswehr versäumt hatte. Ehrhardts spätere Bemühungen um eine Sammlung der "vaterländischen Bewegung" unter seiner Führung stützten sich personell und organisatorisch auf das Vorbild der im Sommer 1922 zerschlagenen Organisation Consul, zeitigten aber nach dem Ende von Ruhrkrise und Hyperinflation keine nennenswerten Erfolge mehr.

Auch die juristische Behandlung des "Organisation Consul"-Komplexes fand erst 1924 statt. Sie stand sichtlich im Zeichen einer Justiz, welche die Stabilisierung der Republik nicht dadurch konterkarieren wollte, dass sie die außenpolitisch kompromittierende Verstrickung staatlicher Behörden in die illegale Aufrüstung der "Schwarzen Reichswehr" offen legte. Die angeklagten Organisation-Consul-Mitglieder profitierten von einem nationalen Schweigekonsens, der ihre "vaterländischen Motive" mit rechtsbeugenden Freisprüchen honorierte. So wurde über die Zeit der Weimarer Republik hinaus verhindert, dass die tragende Rolle des Ehrhardtschen Geheimbundes in der Zeit der deutschen Gegenrevolution von 1920 bis 1923 zur Kenntnis der zeitgenössischen Öffentlichkeit gelangte.

Ehrhardt selbst unterstellte seinen Wehrverband nach der nationalsozialistischen Machtergreifung Hitler und zog sich in das Privatleben zurück. Während der Röhm-Affäre 1934 von Verfolgung bedroht, wich er in die Schweiz aus und ging 1936 nach Österreich, um in Brunn am Wald (Markt Lichtenau im Waldviertel, Bezirk Krems, Niederösterreich) ein Familiengut zu bewirtschaften und bis zu seinem Tod 1971 von Strafverfolgung unbehelligt zu bleiben.

Literatur

  • Gabriele Krüger, Die Brigade Ehrhardt (Hamburger Beiträge zur Zeitgeschichte 7), Hamburg 1971.
  • Susanne Meinl, Brigade Ehrhardt, Organisation Consul und Bund Wiking: Das Spinnennetz rechtsradikaler Verbände in Mittelhessen 1920-1925, in: Mitteilungen des Wetzlarer Geschichtsvereins 36 (1993), 55-101.
  • Susanne Meinl, Nationalsozialisten gegen Hitler. Die nationalrevolutionäre Opposition um Friedrich-Wilhelm Heinz, Berlin 2000.
  • Martin Sabrow, Der Rathenaumord. Rekonstruktion einer Verschwörung gegen die Republik von Weimar (Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte. Schriftenreihe 69), München 1994.
  • Martin Sabrow, Die verdrängte Verschwörung. Der Rathenau-Mord und die deutsche Gegenrevolution, Frankfurt am Main 1999.
  • Hagen Schulze, Weimar. Deutschland 1917-1933 (Die Deutschen und ihre Nation 4), Berlin 1982.
  • Howard N. Stern, The Organisation Consul, in: The Journal of Modern History 35 (1963), 20-32.

Quellen

Weiterführende Recherche

Externe Links

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Empfohlene Zitierweise

Martin Sabrow, Organisation Consul (O.C.), 1920-1922, publiziert am 08.02.2010; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Organisation_Consul_(O.C.),_1920-1922> (29.03.2024)