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Bund Wiking, 1923-1928

Aus Historisches Lexikon Bayerns

Hermann Ehrhardt (Offizier 1881-1971). Fotografie vom 13. März 1920. (Bayerische Staatsbibliothek, Fotoarchiv Habermann)

von Christoph Hübner

Die Nachfolgeorganisation der Organisation Consul wurde am 2. Mai 1923 in München gegründet. Unter der Führung von Hermann Ehrhardt (1881-1971) und Leutnant Eberhard Kautter entwickelte sich der Bund zum Sammelbecken republikfeindlicher Kräfte, stellte sich während des Hitlerputsches vom 8./9. November 1923 allerdings auf die Seite Gustav von Kahrs (1862-1934). Nachdem im Mai 1926 erneut Pläne zum Sturz der Republik bekannt geworden waren, wurde der Bund in mehreren Ländern verboten, in Bayern löste er sich im April 1928 auf.

Die Aktivitäten Kapitän Ehrhardts von 1920 bis 1923

Hermann Ehrhardts Zeitschrift "Der Wiking" erschien seit Juni 1921 in München in unregelmäßigem Turnus (unterbrochen durch Verbote) vermutlich bis Mitte 1921. Ausgabe 1 von 1921. (Bayerische Staatsbibliothek, 4 Eph.pol. 101 y-1921/22)

Gründer des Bundes Wiking war der prominente national-aktivistische Korvettenkapitän Hermann Ehrhardt (1881-1971). Ehrhardt war im Mai 1920 als einer der führenden Kapp-Putschisten vor der Strafverfolgung des Reiches nach München geflohen, wo er sich der Protektion einflussreicher Kräfte erfreuen konnte. Aus den mit ihm gekommenen Gefolgsleuten hatte er im Herbst 1920 zunächst die geheime "Organisation Consul" gebildet, die sich vor allem als militärische Kaderorganisation verstand. Als jedoch im August 1921 Mitglieder der Organisation den Reichsminister a.D. Matthias Erzberger (Zentrum, 1875-1921) ermordeten, musste Ehrhardt sich erneut dem Zugriff der Reichsbehörden entziehen und floh – mit bayerischer Hilfe – nach Ungarn. Die "Organisation Consul" zerfiel.

Diese Situation nutzte der Führer der moderaten Richtung der bayerischen vaterländischen Bewegung, Otto Pittinger (1878-1926), um die aktivistischen Kräfte Ehrhardts an die konservativeren Kräfte zu binden. Mit Mitteln Pittingers entstand so Anfang 1922 der "Neudeutsche Bund" als Auffangorganisation für die Anhänger Ehrhardts. Im Herbst 1922 kehrte sich Ehrhardt auf Grund persönlicher Rivalitäten dann endgültig von den Radikalen um Erich Ludendorff (1865-1937) und Adolf Hitler (1889-1945) ab und stellte sich Pittinger zur Verfügung. Allerdings fanden seine Aktivitäten mit seiner Verhaftung durch die Reichsbehörden im November 1922 zunächst ein jähes Ende.

Die Gründung des Bundes Wiking 1923

Während Ehrhardt auf seinen Prozess wartete, spitzte sich die Situation in Bayern im Laufe des Jahres 1923 zu. Auf Anweisung Ehrhardts formte daher sein Münchner Stellvertreter, Kapitänleutnant Eberhard Kautter, den geschwächten "Neudeutschen Bund" am 2. Mai 1923 in München erneut um. Der neue Verband nannte sich "Bund Wiking" und wählte Kautter zum Vorsitzenden, der in bedingungsloser Loyalität zu seinem früheren Chef Ehrhardt stand. Der Bund war dabei wie alle bisherigen Formationen Ehrhardts reichsweit organisiert. Nach eigenen Angaben besaß er 1923 ca. 10.000 Mitglieder, in Bayern waren es maximal einige hundert. Allerdings fand sich darunter ein besonders hoher Anteil ehemaliger Offiziere sowie aktivistischer jüngerer Kräfte, insbesondere Studenten. Durch die reichsweiten Verflechtungen war der Bund zudem in der Lage, in kurzer Zeit bedeutende Mannschaftsreserven zu mobilisieren. Diese Schlagkraft war es auch, die den Bund für die konservativen Kräfte interessant machte.

Die Rolle "Wikings" im Herbst 1923

Im Juli 1923 gelang es Ehrhardt, aus der Untersuchungshaft in Leipzig zu entkommen. Bayerische Polizeistellen schleusten ihn nach Tirol, von wo ihn Generalstaatskommissar Gustav von Kahr (BVP, 1862-1934) am 29. September 1923 wieder nach München holte. Er sollte zunächst die Aufstellung des offiziell als staatliche Defensivmaßnahme ausgegebenen "Grenzschutzes Nord" in Oberfranken durchführen. Dementsprechend bestanden dann die dort mobilisierten Einheiten großenteils aus "Wiking"-Gruppen.

Als schließlich am 8./9. November 1923 die Münchner Radikalen unter Hitler durch ihren Putschversuch den inzwischen zögerlich gewordenen Kahr zur Errichtung einer nationalen Diktatur zwingen wollten, stellte sich der Bund Wiking auf die Seite Kahrs. Ehrhardt ließ die an der Nordgrenze Bayerns zusammengezogenen Formationen zum Marsch gegen die Münchner Putschisten bereitstellen. Der Zusammenbruch des Hitlerputsches am Mittag des 9. November erübrigte jedoch ein weiteres Vorgehen.

Der Bund nach dem November 1923

Ehrhardt versuchte in der Folgezeit, sich selbst den radikalen Kräften in München als neuer Führer zu empfehlen. Der Erfolg blieb indes weitgehend aus, da diese in ihm – trotz seines Soldatenmythos' von 1920 – nun vor allem einen Verräter sahen. Nach der Aufhebung des bayerischen Ausnahmezustandes am 1. April 1924 sah er sich zudem erneut zur Flucht ins Ausland genötigt, da nun die Haftbefehle des Reiches auch in Bayern wieder Geltung hatten. Erst nach einer Amnestie durch den Reichspräsidenten konnte er Anfang 1926 nach Deutschland zurückkehren und übernahm nun auch offiziell die Führung des Bundes Wiking.

Allerdings sah er sich auf Grund der numerischen Schwäche seines Bundes bald genötigt, Vereinigungsverhandlungen mit dem "Stahlhelm. Bund der Frontsoldaten" aufzunehmen, die allerdings scheiterten. In der Zwischenzeit waren zudem seine Beziehungen zu aktiven Marineoffizieren, darunter dem späteren "Abwehr-Chef" Wilhelm von Canaris, (1887-1945) bekannt geworden, was wiederum zu staatlichen Verbotsmaßnahmen geführt hatte. Ehrhardt blieb daher nichts anderes übrig, als den Bund am 27. April 1928 endgültig aufzulösen. Resigniert zog er sich aus der Politik zurück.

Literatur

  • Stefan Breuer/Ina Schmidt, Vom Wiking zur Ehrhardtzeitung. Hermann Ehrhardts publizistische Strategie in der zweiten Hälfte der Weimarer Republik, in: Historische Mitteilungen 15 (2002), 175-194.
  • Hans Fenske, Konservativismus und Rechtsradikalismus in Bayern nach 1918, Bad Homburg u. a. 1969.
  • Kurt Finker, Bund Wiking (BW) 1923-1928, in: Dieter Fricke u. a. (Hg.), Lexikon zur Parteiengeschichte. Die bürgerlichen und kleinbürgerlichen Parteien und Verbände in Deutschland (1789-1945). 1. Band, Köln 1983, 368-373. (materialreich, aber mit streng marxistischer Interpretation)
  • Harold J. Gordon jr., Hitlerputsch 1923. Machtkampf in Bayern 1923-1924. Aus dem Amerikanischen, München 1978.
  • Bruno Thoss, Der Ludendorff-Kreis 1919-1923. München als Zentrum der mitteleuropäischen Gegenrevolution zwischen Revolution und Hitler-Putsch (Miscellanea Bavarica Monacensia 98), München 1977.

Weiterführende Recherche

Externe Links

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Empfohlene Zitierweise

Christoph Hübner, Bund Wiking, 1923-1928, publiziert am 11.05.2006; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Bund_Wiking,_1923-1928> (3.12.2024)