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Alter Hof, München

Aus Historisches Lexikon Bayerns

von Enno Burmeister (†)

Innenhof des Alten Hofes mit den erhaltenen historischen Bauteilen: Turm, Burg- und Zwingerstock. (Wikimedia Commons lizensiert als CC0)

Landesherrliche Burg und Residenz am Nordostrand der ältesten Stadtanlage Münchens. Archäologisch lässt sich eine Burganlage seit Mitte des 12. Jahrhunderts nachweisen. Nachdem die oberbayerischen Wittelsbacher nach der Landesteilung von 1255 München zur Hauptstadt ihres Herzogtums wählten, bauten sie die Anlage allmählich zu ihrer Residenz aus. Angesichts der gestiegenen Anforderungen erweiterte Herzog Ludwig IV. (reg. 1294-1347) den Alten Hof nach seiner Königswahl. Bereits Herzog Johann II. (reg. 1375-1397) begann mit dem Bau der Neuveste. Erst Herzog Wilhelm IV. (reg. 1508-1550) verlegte allerdings den Fürstensitz endgültig dorthin. Die alte Burganlage wurde in der Folgezeit zum Sitz zentraler staatlicher Verwaltungsbehörden und seit Ende des 16. Jahrhunderts immer wieder umgebaut und erweitert. Teile der Anlage wurden nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs durch Neubauten ersetzt. Die ältesten Gebäudeteile nutzt der Freistaat seit der 2003 abgeschlossenen Generalsanierung für kulturelle Einrichtungen.

Lage des Alten Hofes im Münchener Stadtgebiet.(Gestaltung: Stefan Schnupp; Vorlage: Tobias Volkmer, Monachium Bavariae,1613 (Bayerische Staatsbibliothek, Einbl. VIII,11 n))

Historische und geographische Grundlagen

An der Stelle des heutigen Alten Hofes gab es schon eine – wenn auch nicht kontinuierliche – Besiedlung, wie durch prähistorische Funde belegt ist. Auf der natürlichen Geländeterrasse, die zum breiten Flussbett der Isar gehört, bestand jedoch weder ein römisches Lager noch ein mittelalterlicher Fronhof, wie die Forschung bisher angenommen hatte. Die Form der Ansiedlung entsprach dem Straßenkreuz, dem sich im Osten ungewöhnlich dicht hinter dem Talburgtor (heute: Rathausturm) der Marktplatz anschloss. Sie überwachte den Übergang der Salzstraße über die Isar und schützte den Handelsplatz. Der Herrschersitz gehörte zu den Anlagen mit größerem Raumbedarf und wurde an den Randbereich der Stadt gelegt, in die Nordostecke der ältesten Stadtanlage. Von hier aus konnten direkte Ausgänge aus der Stadt angelegt werden.

Die Vorgängerbauten des 12. Jahrhunderts

Grundriss des Alten Hofes (Erdgeschoss) nach der 2003 abgeschlossenen Umnutzung. (Staatliches Bauamt München I, 2003)

Grabungen brachten Vorläuferbauten der heutigen Anlage zum Vorschein (1944, 1995-96 und 2000-01). Etwa in der Mitte des Hofes und nördlich des Burgtores befand sich möglicherweise ein Bergfried mit Nebengebäuden (ca. Mitte des 12. Jahrhunderts). Unter dem Torturm wurde ein Abschnitt der zweischaligen Stadtmauer (ca. 180 cm dick) freigelegt. Sie setzte sich vom westlichen Burgstock ohne jegliche Öffnung fort. Es gab also in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts keinen Zugang von Süden, sondern nur von Westen her. Im Stadtgrundriss war bis 1806 von der Dienerstraße aus eine Zufahrt zur Burg ausgewiesen. In der Achse dieser Weglinie liegt im südlichen Steinhaus ein tonnengewölbter Raum. Er befand sich ursprünglich mit dem früheren Innenhof auf dem gleichen Niveau (Christian Behrer). Diese Anlage diente vermutlich als Stadtburg Herzog Heinrichs des Löwen (reg. 1156-1180). Sie war für dessen Nachfolger auch deswegen von Bedeutung, weil bis 1240 der Bischof von Freising an der Stadtherrschaft beteiligt blieb.

Der Alte Hof unter den frühen Wittelsbachern

Die 1180 mit dem Herzogtum Bayern belehnten Wittelsbacher wählten zunächst Kelheim, dann Landshut als Vorort. Mit der Landesteilung 1255 wurde der Alte Hof zum Mittelpunkt Oberbayerns. Herzog Ludwig II. (reg. 1253-1294) hielt sich mehrfach hier auf. Da der Regent bei der damals üblichen Reiseherrschaft blieb, überragte München andere Orte aber noch nicht deutlich.

Auf Ludwig II. könnten einige größere Umbauten der bestehenden Burganlage zurückgehen. Vermutlich ließ er das Südtor und später auch den östlichen Burgstock mit der erhaltenen gewölbten, zweischiffigen Halle erbauen, die in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts um das Kreuzgratgewölbe ergänzt wurde. Einiges spricht dafür, dass der Hauptraum der Lorenzkapelle in dieser Zeit bereits Burgkirche war. Der genaue Baubeginn ist ungewiss. Der einfache Baukörper - im Norden an die Außenseite der Burgmauer gestellt - schließt den Hof ab. Gleichzeitig werden Steinhäuser genannt. Diese direkt nebeneinander gestellten und später vielfach umgebauten Häuser des Zwingerstocks sind im Kern heute noch vorhanden. Sie waren bereits vollständig in Stein errichtet und nicht, wie damals durchaus üblich, mit hölzernen Obergeschossen.

Mit dem sogenannten Affenturm am Burgstock, einer jüngeren Turmhaube auf dem mittelalterlichen Erker, ist die Legende verbunden, ein Affe habe den späteren Kaiser Ludwig (reg. 1314-1347, ab 1328 als Kaiser) als Kind geraubt. Die Erzählung war ursprünglich wohl auf den Treppenturm der Lorenzkapelle bezogen, der bei deren Abbruch transloziert wurde. Sie rührt möglicherweise von dem Firstziegel in Form eines Affen her.

Der Ausbau durch Kaiser Ludwig den Bayern

Herzog Ludwig IV. (reg. 1294-1347) leitete 1317 nach seiner Königswahl (1314) die nächste Bauphase ein, um die Burg an die umfassenderen Aufgaben anzupassen. Jetzt wurden wahrscheinlich der Burgstock ausgebaut und der Zwingerstock erweitert. Eine Stiftertafel zeigt das kniende Paar, Kaiser Ludwig und seine zweite Frau Margarete von Holland (Ende 13. Jh.-1356), und im Zentrum die thronende Mutter Gottes mit dem Kind. Das ehemals an der Nordseite des Kirchenschiffs angebrachte Relief ist am oberen Rand datiert auf das Jahr 1324 (heute unleserlich; jetzt im Bayerischen Nationalmuseum). Das Kind legt die rechte Hand an ein Modell der Hofkirche, speziell an die Traufe des Chordaches. Dieser Gestus des Kindes hat zu der Interpretation geführt, dass nur der zugefügte Chor als Werk des Kaisers anzusehen ist. Hier waren die Reichskleinodien aufbewahrt (heute in der Schatzkammer der Wiener Hofburg). Die Kanzlei, in der eine Reihe von Urkunden ausgestellt wurden, lag wahrscheinlich im nördlichen Teil des unteren Geschosses (heute Kellergeschoss) des Zwingerstocks.

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Der weitere Ausbau bis zur Verlegung der Hofhaltung (Ende 14. bis Mitte 16. Jahrhundert)

Als die Erweiterung des Münchner Befestigungsrings Mitte des 14. Jahrhunderts zum Abschluss kam, war der Alte Hof in den Kernbereich der Stadt gerückt. Um die Randlage zu erhalten, begann Herzog Johann II. (reg. 1375-1397) um 1385 mit dem Bau der Neuveste in der nordöstlichen Ecklage. Nun erscheint erstmals die Bezeichnung "Alter Hof". Jetzt erfolgten weitere Um- und Ersatzbauten. Zwei der Steinhäuser erreichten um die Mitte des 15. Jahrhunderts (nördliches Steinhaus, westlicher Burgstock) und ein Gebäude (mittleres Steinhaus) Mitte des 16. Jahrhunderts ihre heutige Höhe. Das letzte, südliche Steinhaus wurde Mitte des 18. Jahrhunderts auf die gleiche Traufhöhe aufgestockt. Das zeigen die beachtenswerten, meist dreigeschossigen Dachstühle, Meisterwerke der Zimmermannskunst, die erhalten geblieben sind (dendrochronologisch datiert).

Für den Alten Hof ist ein Ahnensaal verbürgt. Ein nach 1460 entstandenes Fresko zeigt 14 von ursprünglich 61 ganzfigurigen Herrscher-Darstellungen. Dargestellt sind die Vorfahren der Herzöge "von den Anfängen bis Herzog Sigmund" (Föringer). Das Fresko wird mehrfach Gabriel Mäleßkircher (gest. 1495) zugeschrieben, was aber wohl nicht haltbar ist. Es wurde 1850 zufällig entdeckt und 1895 ins Bayerische Nationalmuseum transferiert. Über den genauen Fundort ist nichts mehr bekannt. Am häufigsten wird ein Raum im ersten Obergeschoss des Zwingerstocks vermutet.

Herzog Wilhelm IV. (reg. 1508-50) verlegte 1549-51 den Fürstensitz endgültig in die Neuveste. Die alte Burganlage verlor dadurch ihre ureigene Aufgabe. Ihre Wehrhaftigkeit musste sie nie unter Beweis stellen. Mit der Verlegung der Hofhaltung schwand auch das Interesse an der Kirche: Der Bauunterhalt wurde vernachlässigt; schließlich wurde der Tag des Patroziniums, der 10. August 1741, aus dem Hofkalender gestrichen. Damit entfiel der entsprechende Gottesdienst. 1787 findet sich die erste Notiz über Bauabsichten für einen Verwaltungsbau entlang des Hofgrabens, dem die Kirche im Wege stehen würde. Sie wurde 1806 geschlossen und 1818 abgebrochen.

Der Alte Hof als Behördensitz: Umbauten und Erneuerungen

Nach der Aufgabe des Alten Hofes als Residenz diente der Zwingerstock vereinzelt Gästen und Familienmitgliedern, die nicht an der Regierung beteiligt waren, als Wohnung. Vor allem aber blieb der Alte Hof Verwaltungssitz. Hier waren wichtige Zentralbehörden untergebracht: Hofkammer, Hofbibliothek sowie Bräuamt und Braunbräuhaus. Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts saßen hier auch der Hofrat samt Kanzlei, der Geistliche Rat und der Kriegsrat (letztere ohne eigene Kanzleiräume) sowie das Innere und Äußere Archiv. Das Archiv nutzte schließlich sogar die aufgelassene Lorenzkirche. Ständige Klagen über akute Raumnot führten zu Umstrukturierungen, durchgreifenden Umbauten und schließlich zu Neubauten beiderseits des Mauerrings.

Schon 1591-92 wurde der Pfisterstock mit den für die Renaissance typischen Ziergiebeln errichtet. Er wird Wilhelm Egkl (um 1520-1588) zugeschrieben. 1945 wurde er erheblich beschädigt, 1957 abgetragen und 1957/60 durch einen Neubau ersetzt. In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts entstand entlang des Pfisterbachs ein Bauteil für Bräuhaus und Bräuamt, wohl seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert als "Brunnenstock" bezeichnet. Dieser wurde 1831/32 durch einen auf den alten Fundamenten ruhenden Neubau für die Steuerkatasterkommission ersetzt (Architekt Georg Friedrich Ziebland, 1800-1873) (1902/03 Umbau und Umgestaltung, 1943/45 stark beschädigt und teilweise instand gesetzt, 1960 Ersetzung durch einen Neubau mit Kassenhalle und Verwaltungsräumen). Anstelle der Hofkirche entstand entlang des Hofgrabens nach Plänen von Mathias Rösler (um 1750-1822) 1816-19 der klassizistisch gegliederte Lorenzistock. 1895 erweitert und 1912/13 aufgestockt wurde er 1943-45 beschädigt und 1950/51 mit purifizierten Fassaden nach Entwurf von Rudolf Esterer (1879-1965) wieder aufgebaut.

Das Umnutzungskonzept der Jahrtausendwende

Seit dem Auszug des Zentralfinanzamtes 1999 standen große Teile des Alten Hofes leer. Auf Grund erheblicher Probleme mit der Standsicherheit wurden zuerst die bedeutenden historischen Dachstühle saniert. Anschließend wurde die ältere Bausubstanz des westlichen Burg- und des Zwingerstocks für neue Aufgaben instand gesetzt. In diese historischen Räume zogen die Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen und die Zentralverwaltung der staatlichen Theater ein. Außerdem richtete der Freistaat hier eine zentrale Informationsstelle über die Museums- und Schlösserlandschaft Bayern ein.

Für Lorenzi-, Pfister- und Brunnenstock gab der Münchner Stadtrat die Devise einer "Revitalisierung" aus. Die Trakte wurden einer Wohn- und Gewerbenutzung zugeführt. Wesentliche Teile des Alten Hofes (Brunnen- und Pfisterstock) wurden abgebrochen; sie waren beide nicht als denkmalwürdig eingestuft worden. An ihre Stelle traten mit größeren Volumina Neubauten in zeitgenössischer Gestalt mit modernen Architekturdetails. Der Lorenzistock wurde erneut durchgreifend umgebaut und erneuert und seine Fassadengestaltung wieder verändert. Damit ist die ehemalige Residenz von einem Bau herzoglicher Repräsentanz übergeführt in einen Komplex, der von der Sichtbarkeit öffentlicher Kulturaufgaben einerseits und der Kommerzialisierung andererseits geprägt ist.

Literatur

  • Christian Behrer, Das unterirdische München. Stadtkernarchäologie in der bayerischen Landeshauptstadt, München 2001.
  • Christian Behrer/Andreas Poost/Stefan Wolters, Hofbrauhaus und Hofbibliothek: Spurensuche unter dem Alten Hof. Landeshauptstadt München, Oberbayern, in: Das Archäologische Jahr in Bayern: 2004, 174-177.
  • Enno Burmeister, Die baugeschichtliche Entwicklung des Alten Hofes in München, München 1999.
  • Egon J. Greipl, Der Alte Hof in München. Historische und denkmalpflegerische Bedeutung, in: Kurt Faltlhauser (Hg.), 750 Jahre Alter Hof München. Festschrift anlässlich des Abschlusses der Restaurierungsarbeiten in Burg- und Zwingerstock, München 2003, 13-30.
  • Michael Menzel, Ludwig der Bayer und der Alte Hof, in: Alois Schmid/Katharina Weigand (Hg.), Schauplätze der Geschichte in Bayern, München 2003, 134-148.
  • Reinhold Schaffer, An der Wiege Münchens, München 1938.
  • Alois Schmid, Der Alte Hof zu München, der Ausgangspunkt der Residenzbildung im Herzogtum Bayern, in: Bayerische Vorgeschichtsblätter 65 (2000), 265-278.
  • Karl Schniering, Baugeschichtliche Untersuchungen im Alten Hof in München, in: Denkmalpflege Informationen. Ausgabe B 121 (2002), 12-14.
  • Hubertus Seibert/Alois Schmid, München, Bayern und das Reich im 12. und 13. Jahrhundert. Lokale Befunde und überregionale Perspektiven (Beihefte der Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte B 29), München 2008.

Weiterführende Recherche

Externe Links

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Empfohlene Zitierweise

Enno Burmeister, Alter Hof, München, publiziert am 26.10.2009, in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Alter_Hof,_München (16.10.2024)