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Almwirtschaft

Aus Historisches Lexikon Bayerns

Fetzenalm, wohl vor 1910, Almgebiet Grassauer Almen im Chiemgau. (Sammlung Olaf Gruß, Grassau)
Bauernschmiedalm, ca. 1910, Almgebiet Grassauer Almen im Chiemgau. (Sammlung Olaf Gruß, Grassau)

von Christoph Bachmann

Almen (Oberbayern) bzw. Alpen (Allgäu) sind zwischen Ende Mai und Anfang Oktober genutzte, hofferne Sömmerungsweideflächen im Gebirge. Da die Grundfutterbasis für Nutztiere aufgrund des Vorrangs von Ackerbau in Tallagen begrenzt war, hatte die seit ca. 4000 Jahren nachweisbare Almwirtschaft in der vorindustriellen Zeit einen hohen ökonomischen Nutzen. Je nach Entwicklung der Grundherrschaft entstanden verschiedene Besitzformen. In Schwaben und Teilen Oberbayerns bildeten sich Markgenossenschaften mit teilweise noch bestehenden Gemeinschaftsalmen. In Altbayern dominierte im Mittelalter der grundherrschaftliche Einfluss der Klöster und der Landesherrschaft, durch die Almen an Beständer verliehen und Genossenschaftsalmen zurückgedrängt wurden. Vom 13. bis ins 16. Jahrhundert führte die zunehmende Bevölkerungsdichte zu verstärkten Rodungen in den Gebirgswäldern, wodurch neue Almen entstanden. Die kleine Eiszeit im 17. Jahrhundert hatte aufgrund der verkürzten Auftriebszeiten eine erste Krise der Almwirtschaft ("Almdepression") zur Folge, während der viele Hochalmen aufgegeben wurden. Nach der Säkularisation begann der Staat im 19. Jahrhundert, die immer noch ausgeprägte Almwirtschaft zu regulieren. Seitdem erlebte diese durch verschiedene wirtschaftliche Entwicklungen Höhen und Tiefen. Langfristig aber kam es insgesamt zu einem Rückgang der Almbetriebe und der Auftriebszahlen, dem Interessengruppen und die Staatsregierung durch Förder- und Schutzmaßnahmen entgegenwirkten. Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts konzentriert sich die Almwirtschaft vor allem auf die Jungviehälpung, während agrarromantische Vorstellungen das Bild in Gesellschaft und Populärkultur prägen.

Definition

Almen (Oberbayern) oder Alpen (Allgäu) sind hofferne Sömmerungsweideflächen (Sömmerung = sommerlicher Weidegang von Nutztieren) im Gebirge. Sie dienen zur Erweiterung der Grundfutterbasis, die im Tal und in Hofnähe für eine existenzsichernde Wirtschaft der Betriebe oft nicht ausreichte. Ferner kann der Begriff die zum Weiden und Heuen genutzten Bergweiden bezeichnen, aber auch nur das Gebäude selbst betreffen. In Bayern gibt es Almen in den oberbayerischen Voralpen und Alpen sowie in den Allgäuer Alpen.

Das vorrömische Wort Alb (Alpe) bezeichnet wohl einen hohen Berg und damit zusammenhängend die Hochweide (ahd.: alba, mhd.: albe).

Grundlagen

Almen/Alpen hatten für die vorindustrielle Vieh- und Landwirtschaft einen hohen ökonomischen Nutzen, da durch die Begrenztheit der Erträge die Flächen für den Ackerbau genutzt werden mussten, weshalb in Tallagen zu wenig Weideflächen für Nutztiere zur Verfügung standen. Die Ausweitung der Weideflächen auf die Berge ermöglichte die Haltung einer existenzsichernden Anzahl von Nutztieren bei gleichzeitiger Bewirtschaftung der Felder im Tal. Daraus resultierte zum einen in einigen Gebieten der Almzwang, d.h. die Auflage zum Auftrieb einer bestimmten Anzahl an Vieh zum Schutz der Talweiden vor Überweidung, zum anderen der Bestoß, d.h. die Festlegung der je Berechtigtem zugelassenen Vieheinheiten für die Sömmerung.

Der Almauftrieb erfolgte je nach klimatischen Bedingungen unterschiedlich, jedoch ist meist von der Zeit um Pfingsten (Ende Mai/Anfang Juni) auszugehen. Auf den Almen selbst wurde die Viehweide in mehreren Höhenstufen, den Nieder-, Mittel- und Hochlegern durchgeführt. Man folgte dem Vegetationsfortschritt und wanderte während des Almsommers sukzessive in die höheren Regionen und schließlich im Herbst wieder zum Niederleger zurück. Der Almabtrieb in die Heimweiden erfolgte Ende September/Anfang Oktober.

Besitzformen

Erlbergalm (links Schwaiger-, rechts Ertlalm), wohl vor 1910, Almgebiet Grassauer Almen im Chiemgau. (Sammlung Olaf Gruß, Grassau)

Fünf Besitzformen werden unterschieden, deren Entstehung auf die historische Entwicklung der jeweiligen Grundherrschaften zurückzuführen ist:

  • Gemeinschaftsalmen, z.B. eines gesamten Dorfes oder mehrerer Einzelpersonen: Das Almpersonal wurde von den Eigentümern getrennt gestellt, lediglich Käser und Putzer (Schwender) wurden gemeinschaftlich entlohnt. Anhand einer Einung wurden die Rechte und Pflichten festgelegt. Die Almhütten befanden sich meist auf einer eigenen Flurnummer und waren Privatbesitz.
  • Genossenschaftsalm: Die Berechtigten schlossen sich für die Bewirtschaftung der Alm zu einer Genossenschaft zusammen und bewirtschafteten die meist großen Nutzflächen mit dem Vieh gemeinschaftlich mit Personal und von einer gemeinsamen Hütte aus.
  • Privatalm: Hier waren Almhütte und Weiderechte in der Hand eines privaten Besitzers.
  • Berechtigungs-/Servitutsalm: Diese standen im Eigentum des Staates oder Souveräns, der Weideberechtigungen an eine begrenzte Nutzergruppe ausgab. Je nach Rechtstitel war auf diesen Almen das Schwenden (Entfernen von Gehölz) gestattet.
  • Maisalmen: Darunter versteht man Almen ohne Schwendrecht.

Jungsteinzeit

Die Geschichte des Grünlandes im deutschsprachigen Raum begann mit der Domestikation des Rindes in der Jungsteinzeit (ca. 6000 bis 3000 v. Chr.), wobei die Tiere zunächst ihr Futter in Waldlichtungen und Feldrainen suchen mussten. Ackerfähiges Land wurde ausschließlich für den Ackerbau genutzt. Gegen Ende der Jungsteinzeit begann auch die Besiedelung des Alpenraumes. Dabei wurden durch Rodungen im Berggebiet neue Acker- und vor allem Weideflächen geschaffen. Zu dauerhaften Siedlungen kam es in der folgenden Bronzezeit.

Bronzezeit - Frühmittelalter

Die ältesten nachweislichen alpinen Weidebewirtschaftungsflächen entstanden vor ca. 4000 Jahren, z.B. auf der 1960 m hoch gelegenen Lackenmoosalm im Dachsteingebirge im heutigen Oberösterreich oder der Kühzagl-Alm bei Tegernsee (Lkr. Miesbach). Im Falle der Lackenmoosalm konnte anhand archäologischer Ausgrabungen eine Almnutzung in der Zeit zwischen 1700-1000 v. Chr. nachgewiesen werden, die allerdings nach diesem Zeitraum aufgegeben und wahrscheinlich erst wieder im 12. Jahrhundert aufgenommen wurde. Ein weiteres Beispiel findet sich am Beilstein in der Nähe von Obergurgl im Ötztal (Tirol). Es dürfte in dieser Zeit also eine gewisse Blüte der keltischen Almwirtschaft geherrscht haben, die auch während der Römerzeit (ab 15 v. Chr.) weitergeführt worden ist. Dafür sprechen u.a. mehrere lateinische Lehenwörter wie Senner (lat. senior, Ältester/Vorsteher), Kaser (lat. casa, Hütte) oder Kübel (lat. cuppa).

Zumindest für die Salzburger Almwirtschaft lassen sich Kontinuitäten bis ins Früh- und Hochmittelalter mittlerweile durch Bodenfunde belegen, was bereits aufgrund der im 8. Jahrhundert in der Notitia Arnonis belegten Übertragung von zwei Almen mit vordeutschen Namen an die Salzburger Kirche angenommen werden konnte.

Für die Alpen im Allgäu ist zwar ebenfalls eine keltische Alpwirtschaft anzunehmen, jedoch lassen sich schriftliche Zeugnisse erst ab der Mitte des 11. Jahrhunderts finden. Es ist allerdings davon auszugehen, dass mit der alemannischen Besiedelung im 5. Jahrhundert n. Chr. die vorhandenen Weideflächen erweitert wurden.

In Schwaben und teilweise auch in Oberbayern bildeten sich die Markgenossenschaften, Siedlungsverbände mit einer gemeinsamen Wirtschafts- und Gerichtsordnung, heraus, die die weder durch Zäune oder Koppeln getrennten Bergweiden nutzten. Diese wurden von den heute noch existierenden Rechtler- und Genossenschaftsalmen gemeinsam bewirtschaftet. Daher finden sich bis heute in Pfronten, Schwangau, Buching-Trauchgau (alle Lkr. Oberallgäu) aber auch im Werdenfelser Gebiet um Krün (Lkr. Garmisch-Partenkirchen) und Garmisch noch Genossenschaftsalmen.

Vom Hochmittelalter bis in die Frühe Neuzeit

In Altbayern dominierte jedoch der grundherrschaftliche Einfluss der Klöster und der erstarkenden Landesherrschaft, die Almen an Beständer zur Bewirtschaftung verliehen. Gemeinsam ist jedoch in beiden Gebieten die Tatsache, dass sich die Beweidung des Gebirges von den Höhenlagen in die tieferen Lagen verlagerte; zunächst waren die Weiden oberhalb der Baumgrenze ohne großen Rodungsaufwand nutzbar. Erst als im ausgehenden Hochmittelalter (12./13. Jahrhundert) der Bevölkerungsdruck zunahm, gingen die Grundherren dazu über, Rodungen in den Gebirgswäldern vorzunehmen.

Diese Rodungen wurden seit dem 16. Jahrhundert weiter verstärkt, denn die Salinen, Bergwerke und Hüttenbetriebe benötigten Unmengen an Holz, wozu entsprechende Wälder abgeholzt werden mussten. Aus diesen Maisen, den abgeholzten Waldflächen, entwickelten sich weitere Almen, die allerdings nicht mit Schwendrechten begabt waren, sondern nur durch den Verbiss der Weidetiere ihre Almlichte (baumloser Weidebereich; unbestockte Wiese) aufrechterhalten konnten. Die Almlichte spielte im altbayerischen Bereich flächenmäßig eine untergeordnete Rolle, lag doch das Verhältnis der Weideberechtigungen zwischen Almlichte und Waldweide bei 1:5.

Im Gegensatz zum schwäbischen Bereich, wo die Trennung von Wald und Weide zu Beginn des 17. Jahrhunderts vollzogen und die Alpen auf die Lichtweide bei gleichzeitigem Holzbezugsrecht der Berechtigten begrenzt werden konnten, konnte im Altbayerischen dies bis heute nicht durchgesetzt werden. Diese Waldweide kann als Ausfluss des ursprünglichen Rechts der Bauern, sich in den Freigebirgen (alpiner Gemeinschaftswald) nach Bedarf mit Holz zu versorgen, gesehen werden, das im Verlauf des 16. Jahrhunderts durch den bayerischen Herzog sukzessive zurückgedrängt wurde. So entstanden die „Rechtler“, also diejenigen, die ein Holzbezugsrecht für ihr Anwesen und ihre Almen erhielten und zum Teil auch ein Waldweiderecht beanspruchen durften (Berechtigtenalmen).

Aufgrund des hohen Anteils der Waldweide erfolgte, im Unterschied zu heute, auf den mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Almen der Bestoß mit Nutztieren, die auch im Wald gut zurecht kamen, wie Schafen, Schweinen und Ziegen, aber auch auf den Lichten mit Ochsen, Pferden und Kühen.

Dieser Prozess zur Beseitigung der Relikte der genossenschaftlichen Organisation und der Holzbezugsrechte wurde durch die Fixation der Weide- und Auftriebsrechte angestrebt, was mittels Verlackung (frühe Form der Vermessung) der Nutzflächen erfolgte. Dieser Schritt fällt zusammen mit einer ersten Krise der Almwirtschaft, der sog. Almdepression, die aus der kleinen Eiszeit (ca. 1560-1630) resultierte. Diese führte nähmlich zu einer Verkürzung der Auftriebszeiten auf den Almen.

In dieser Zeit wurden bereits viele Hochalmen in den Berchtesgadener Alpen und um Oberstdorf (Lkr. Oberallgäu) aufgegeben, da die Bestoßzeiten zu kurz und die Erträge zu gering waren. Trotzdem kann für das 18. Jahrhundert von einer ausgeprägten Almwirtschaft gesprochen werden, die in Schwaben insbesondere darin bestand, importierte Stierkälber großzuziehen und nach dem Viehscheid über die Märkte in Immenstadt und Sonthofen (beide Lkr. Oberallgäu) vor allem ins schwäbische Unterland und nach Württemberg zu verkaufen. Auch Südtirol und Italien waren gute Abnehmer.

19. Jahrhundert bis Zweiter Weltkrieg

Nach der Säkularisation und dem Übergang des umfangreichen klösterlichen Waldbesitzes in die Hand des Staates begann dieser ab dem Jahr 1810 mit der Erstellung von Rechteverzeichnissen, den sog. Liquidationsprotokollen, und damit der fundierten Fixation der jeweiligen Alm-, Auftriebs- und Holzbezugsrechte. „Wilde Rodungen“ zur Ausdehnung der Lichtweide waren nun nachweisbar und konnten eingedämmt werden. Daneben erfolgte die Festlegung der Bestoßzahlen und der Auftriebszeiten. Durch den Vorrang der Jagd- und Forstwirtschaft vor der Almwirtschaft kam es in Altbayern zu einem weiteren zahlenmäßigen Rückgang der Almen.

Das Allgäu hingegen, das schon früh die Wald- Weidetrennung kannte und unter der Alpweide fast ausschließlich die offenen Gemeinschaftsweiden verstand, erlebte mit der Einführung der Rundkäserei nach Emmentalerart um 1830 einen Aufschwung und eine Umstellung von der trockenen Galtviehalm (Alm mit Vieh, das keine Milch gibt) zur nassen Sennalm (Alm mit Milchviehhaltung und anschließender Milchverarbeitung). Mit dem Aufkommen der Eisenbahn konnte der Käse auch großflächig exportiert werden, was dem Allgäuer Alpwesen zu dieser Zeit zu einer wahren Blüte verhalf.

In Altbayern ist zwar eine ähnliche Umwandlungstendenz zu beobachten, die jedoch nicht so ausgeprägt war, weshalb hier insgesamt ein Rückgang der Almbetriebe zu konstatieren ist. Im ausgehenden 19. Jahrhundert setzte sich der Abwärtstrend weiter fort, der sich zu einer regelrechten Almdepression entwickelte und sich auch auf das Allgäu ausweitete. Dies hatte zahlreiche Gründe: zum einen konnten durch die erhöhte Güllewirtschaft und die Verwendung von Kunstdüngern die Erträge vor Ort gesteigert werden, so dass ein Almauftrieb allein aus Futtergründen nicht mehr notwendig war. Auch die Importe aus umliegenden Ländern machten der Landwirtschaft insgesamt zu schaffen, ferner wurden Privatalmen vom Staat aufgekauft und wiederaufgeforstet. Die Auftriebszahlen für Schafe und Pferde gingen zurück, ebenso für die Schweinehaltung, die nur dann ökonomisch sinnvoll war, wenn die Molke, die bei der Käseherstellung anfiel, an diese verfüttert werden konnte. Die Folge war wiederum eine Rückumwandlung der Sennalmen zu Galtviehalmen, aber auch ein Ertragsrückgang und die Unkrautausbreitung infolge mangelnder Almpflege (Versteinung, Verkarstung, Waldanflug, Gebäudeverfall).

Um den Abwärtstrend aufzuhalten, gründeten sich mehrere Interessensgemeinschaften und Institutionen, so 1887 der Milchwirtschaftliche Verein im Allgäu. 1892 wurde das Amt des Alminspektors bei der Tierzuchtinspektion Miesbach eingerichtet, 1894 auch bei der Tierzuchtinspektion Traunstein. 1895 rief der Kreisausschuss von Oberbayern eine Almkommission ins Leben, 1901 erfolgte die Gründung einer Alpwirtschaftschule in Immenstadt und 1925 des Alpwirtschaftlichen Vereins im Allgäu. 1932 brachte der Bayerische Landtag das Almschutzgesetz auf den Weg, das einerseits den Schutz und die Erhaltung der vorhandenen Almen, andererseits die Förderung der Leistungssteigerung der Almwirtschaft beabsichtigte. Aufgrund der fehlenden Ausführungsbestimmungen und des Zweiten Weltkrieges konnte das Gesetz allerdings kaum eine Wirkung entfalten.

Nach 1945

Anzahl der Almen in Oberbayern und im Allgäu. (Graphik: Christoph Bachmann)

Die prekäre Ernährungslage nach dem Zweiten Weltkrieg ließ dann wiederum kurzfristig die Auftriebszahlen auf den Almen ansteigen. Mit der Mechanisierung der Landwirtschaft, dem Ende der Selbstversorgerwirtschaft, der Rationalisierung und der Kapitalisierung des Agrarmarktes und der damit einhergehenden Konzentration auf wenige intensiv bewirtschaftete Flächen bei gleichzeitigem Rückgang der in der Landwirtschaft Beschäftigten, kam es ab den 1960er Jahren zu einer erneuten Almdepression. Nur durch das Förderprogramm „Schutz dem Bergland“ aus dem Jahr 1972 konnte die Krise überwunden werden. Verschiedene Maßnahmen, wie das Bestreben zur Schonung labiler und steiler Hänge und Wälder zugunsten futterstarker Gunststandorte, ließ die Almgrenze weiter Richtung Tal wandern und führte zur Verwaldung futterschwacher und steilerer Standorte. Konsequenterweise beschloss der Bayerische Landtag am 5. Juni 1985 die Trennung von Wald und Weide so rasch wie möglich abzulösen, was aber nicht gelang.

Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts liegt der Schwerpunkt der Almwirtschaft mit über 90% Anteil bei der Jungviehälpung, also der Aufzucht von Nutzvieh. Die Almwirtschaft genießt wieder breite öffentliche Zustimmung, da die Beweidung der Almlichten die alten Kulturlandschaften und damit die Artendiversität, vor allem der alpinen Kräuter, erhält. Ökonomisch gesehen liefern die Almflächen für den jeweiligen Berechtigten zwischen 15-30% des Futterbedarfs, was eine nicht zu unterschätzende wirtschaftliche Größenordnung innerhalb des Wirtschaftsrahmens eines landwirtschaftlichen Anwesens darstellt.

Genaue Daten über die Zahl der Almen sind erst ab den 1950er Jahren vorhanden, davor beruhen diese häufig auf Einzelzählungen oder Schätzungen. 1953 gab es in Oberbayern 716 Almen mit 26.248 ha Licht- und 92.117 ha Waldweideflächen. In Schwaben existierten zur gleichen Zeit 653 Almen mit 47.207 ha Licht- und 8.149 ha Waldweide. 1972, der Zeit der Almdepression reduzierte sich die Anzahl der bayerischen Almen auf 1240, um dann wieder anzusteigen; im 21. Jahrhundert liegt die Zahl der Almen fast konstant bei 1388 Stück.

Almklischee und Almromantik

Aufgrund der verstärken touristischen Inanspruchnahme werden Almen agrarromantisch konnotiert, was deren Akzeptanz weiter steigert. Die Vorstellungen von der Almwirtschaft sind noch immer stark von Vorstellungen geprägt, wie sie plakativ beispielsweise bei „Heidi“ und dem „Almöhi“ und diversen Heimatfilmen (z.B. "Edelweißkönig" 1938/1957/1975, "Der Jäger von Fall", 1974, "Das Schweigen im Walde", 1976; jeweils nach Vorlagen von Ludwig Ganghofer [1855-1920]) geläufig sind. Die Klischees und Stereotype sind in hohem Maße mit emotionalen Werten belegt. Die Alm gilt als Sehnsuchtsort nach der „guten alten Zeit“, in der „die Welt noch in Ordnung“ war. Sie steht für traditionelle Kultur, Authentizität und Naturverbundenheit, also die „heile“ Welt abseits des als hektisch empfundenen Alltags. Auf sie wird das Bild einer Entspannungs- und Fluchtlandschaft projiziert.

Bemerkenswert ist dabei, dass dieses "Almklischee" hauptsächlich von der immer seltener werdenden traditionell bewirtschafteten nassen Sennalm geprägt wird, auf die dann auch die längst nicht mehr üblichen Produktionsmethoden übertragen werden. So entsteht die Vorstellung von handwerklich hergestellten und natürlichen Produkten, was von der Werbeindustrie bewusst aufgegriffen und weitertransportiert wird, auch wenn die Produkte selbst nichts mit einer alpinen Produktionsstätte zu tun haben. Geschürt wird dies zusätzlich dadurch, dass auf touristisch vermarkteten und bewirtschafteten Almen zum Teil eher einfache und „urige“ Gerichte für Bergsteiger und Wanderer gereicht werden, von denen oft angenommen wird, dass diese aus der eigenen Produktion stammen. Komplettiert wird das Klischee noch durch äußerst rudimentär vorhandene Kenntnisse über die tatsächlichen Arbeitsabläufe auf einer Alm, so dass ein völlig verklärtes und romantisches Bild von Senn, Sennerin, Alm, Wald und Natur sich zu einem Konglomerat von Wunschträumen vermischt.

Quellenlage

Quellen zur Almgeschichte finden sich verstreut in zahlreichen archivalisch überlieferten Beständen und Archivguttypen, wie z.B. Urbaren, Gerichtsrechnungen, Urkunden, Verlackungsprotokollen oder Akten. Häufig entstanden bedeutende Quellen im Zusammenhang mit der Forstwirtschaft, da die Almlichten nach Vorstellung der älteren Forstwirtschaft eigentlich Wald sein müssten, weshalb es um die Ausweitung der Lichten immer wieder Auseinandersetzungen und damit schriftlichen Niederschlag gab. Hinzu kommen noch Liquidationsprotokolle, genaue Beschreibungen über den Umfang der Almen und deren Auftriebsrechten.

Auch die Grundsteuerkataster sind eine ergiebige und oft unterschätzte Quelle für die Almgeschichte vom 19. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts. Ab dem Ende des 19. Jahrhunderts lassen sich auch Baugenehmigungen für Almen finden, bildliche Quellen über das Aussehen der Almen. Vor diesem Zeitpunkt sind diese fast nur in den Forstakten überliefert.

Jochbergalm, 1901, Almgebiet Grassauer Almen im Chiemgau. (Sammlung Olaf Gruß, Grassau)

Da Almen wohl auch schon im ausgehenden 19. Jahrhundert eine Faszination auf deren Bewohner ausübten, können vor allem im privaten Bereich zahlreiche frühe Fotografien von Almen vorhanden sein, die allerdings schwer zugänglich sind. Auch private bäuerliche Hausarchive von Almfahrern können in die Forschungen mit einbezogen werden.

Literatur

  • Werner Bätzing, Alm- und Alpwirtschaft im Alpenraum. Eine interdisziplinäre und internationale Bibliographie. Augsburg 2021.
  • Alois Englmaier, Strukturdaten der Alm-, Alpwirtschaft in Bayern. Ergebnisse der Alm-, Alperhebung 1976 (Schriftenreihe des Alpeninstituts 9), München 1978.
  • Ländliches Fortbildungsinstitut (Hrsg.), Almwirtschaftliches Basiswissen. Von der Bedeutung der Almen, Wien 2015.
  • Franz Mandl/Günter Cerwinka (Hg.), Dachstein. Vier Jahrtausende Almen im Hochgebirge, Bd.1: Franz Mandl, Das östliche Dachsteinplateau. 4000 Jahre Geschichte der hochalpinen Weide- und Almwirtschaft (Mitteilungen der ANISA 17, Heft 2/3), Salzburg 1996.
  • Franz Mandl, Almen und Salz. Hallstatts bronzezeitliche Dachsteinalmen, in: Jahrbuch des Oberösterreichischen Musealvereins 151 (2006), 7-36.
  • Gerhard Oelkers, Unsere Almen, 5 Bd., Oberaudorf 2011-2014.
  • Alfred Ringler, Alm- und Alpwirtschaft in Bayern, München 2010.
  • Erika Scherer/Franz Steinkogler, Halt´ aus Bauer. Die Entwicklung der Landwirtschaft in Salzburg, Bd. II, Goldegg 2014, 119-130.
  • Alois Schlögl, Bayerische Agrargeschichte. Die Entwicklung der Land- und Forstwirtschaft seit Beginn des 19. Jahrhundert, München 1954, 105-120.
  • Wilhelm Schneider: Die Markgenossenschaft im frühmittelalterlichen Alamannien (Arbeiten zur alamannischen Frühgeschichte 24), Tübingen 1997.

Externe Links

Weiterführende Recherche

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Empfohlene Zitierweise

Christoph Bachmann, Almwirtschaft, publiziert am 11.03.2024, in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Almwirtschaft> (26.04.2024)