Bayerischer Bauernverband (BBV)
Aus Historisches Lexikon Bayerns
Der Bayerische Bauernverband wurde nach Vorgesprächen im Herbst 1945 gegründet. Er folgte als Einheitsverband auf die politischen Interessensverbände der Weimarer Republik, die während der NS-Zeit im NS-Reichsnährstand gleichgeschaltet waren. Die Entwicklung des Verbandes war durch Auseinandersetzungen über seine Rechtsform, den Vertretungsanspruch und Konflikte zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen aus den ehemaligen politischen Lagern geprägt. Im Laufe der Zeit glich sich seine Verwaltung der Ministerialbürokratie an. Bedingt durch den Strukturwandel verändert sich auch die Mitgliederstruktur.
Gründung
Die Gründung des Bayerischen Bauernverbands (BBV) lässt sich nicht auf ein Datum konkretisieren. Eine erste Besprechung zur Wiedererrichtung einer landwirtschaftlichen Interessenvertretung nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs fand am 17. August 1945 statt. Als Gründungsversammlung gilt die Zusammenkunft vom 7. September 1945 im Sitzungssaal des Amtes für Ernährung und Landwirtschaft in München. Die Anerkennung seitens der Regierung erfuhr der BBV mit einer auf den 29. November 1945 datierten Urkunde durch die Verleihung der Stellung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Die Lizenz der US-Militärregierung folgte am 21. Dezember 1945. Am 10. Dezember 1946 wählte der Landesausschuss des BBV die erste reguläre Vorstandschaft.
Die Gründungsinitiative ergriffen hauptamtliche Angestellte der 1933 aufgelösten landwirtschaftlichen Interessenvertretungen und Beamte der Ernährungsverwaltung. Ein engerer Gründungszirkel zeichnete sich im Sommer 1945 ab. Zu ihm gehörten Alois Schlögl (1893–1957, ehemals Direktor im Bayerischen Christlichen Bauernverein), Ernst Rattenhuber (1887–1951, Leiter des Amtes für Ernährung und Landwirtschaft), Wilhelm Niklas (1887–1957, Ministerialrat im Amt für Ernährung und Landwirtschaft), Michael Horlacher (1888–1957, ehemals Direktor der Bayerischen Landesbauernkammer), Anton Fehr (1881–1954, ehemals bayerischer und Reichsernährungsminister) und Joseph Baumgartner (1904–1964, ehemals stellvertretender Generalsekretär des Bayerischen Christlichen Bauernvereins, nun Mitarbeiter im Amt für Ernährung und Landwirtschaft).
Einheitsverband
Als Einheitsverband bedeutete der BBV eine Abkehr von dem bis 1933 existierenden, im BBV als Zersplitterung empfundenen parteipolitischen und konfessionellen Pluralismus im landwirtschaftlichen Interessenvertretungswesen (Bayerischer Christlicher Bauernverein als Organisation des politischen Katholizismus, deutschnationaler Bayerischer Landbund mit Schwerpunkt im protestantischen Franken, antiklerikaler Bayerischer Bauern- und Mittelstandsbund als eigenständige agrarische Protestpartei). Der Grund für diesen Bruch mit der Vergangenheit lag in den Erfahrungen, die die hauptamtlichen Apparate in der Weimarer Republik mit den sich andauernd radikalisierenden landwirtschaftlichen Protestbewegungen, die durch die Konkurrenz der etablierten Agrarverbände noch angeheizt worden waren, gemacht hatten. Den neuartigen organisatorischen Charakter verdeutlichte die von Horlacher stammende Bezeichnung, die in der Geschichte des landwirtschaftlichen Organisationswesens Bayerns ohne Vorbild war.
Die drei organisatorischen Dimensionen des Einheitsverbandes
Der Gründungsprozess des BBV erfolgte nach einem strikt zentralistischen Schema vom Generalsekretariat in München aus. Dabei wurden Landwirte für die ehrenamtlichen Positionen auf allen Ebenen erst hinzugezogen, nachdem die hauptamtlichen Funktionäre die Organisationsstruktur bereits festgelegt hatten. Während in den ehrenamtlichen Gremien ein genau beachteter Proporz zwischen den Angehörigen der bis 1933 existierenden Interessenvertretungen entsprechend deren damaliger Größe herrschte, dominierten im bürokratischen Apparat die ehemaligen Mitarbeiter des Bayerischen Christlichen Bauernvereins, denn dieser hatte eine umfangreiche Verwaltung besessen, während der Bayerische Bauern- und Mittelstandsbund kaum Personal gehabt hatte. Dabei waren die Bauernvereinsmitarbeiter aufgrund ihrer Zugehörigkeit zum politischen Katholizismus politisch unverdächtig, während dies für die ehemaligen Mitarbeiter des deutschnationalen Bayerischen Landbundes nur in geringerem Maße zutraf.
Die zentrale Rolle der ehemaligen Bauernvereinsfunktionäre bei der Gründung des BBV führte aber nicht zu einer schlichten Neuauflage des Bayerischen Christlichen Bauernvereins. Dessen dezentraler Charakter wurde aufgegeben und stattdessen sein hauptamtliches Organisationsprinzip zu einem bürokratischen Zentralismus übersteigert. Seit der ersten Satzung, beschlossen von der Gründungsversammlung am 7. September 1945, besaß der Begriff des Einheitsverbandes im BBV deshalb drei Dimensionen:
- die Überwindung des konfessionellen und parteipolitischen Pluralismus des landwirtschaftlichen Interessenvertretungswesens vor 1933
- eine starke Zentralisierung der Verbandsstrukturen; die Untergliederungen des BBV sollten keinerlei finanzielle Selbständigkeit und kaum personalpolitische Autonomie besitzen
- bevorzugte die Satzung das hauptamtliche Element (Geschäftsführer, Kreisdirektor, Generalsekretär) gegenüber dem ehrenamtlichen (Bezirks- bzw. Kreisobmann, Kreis- bzw. Bezirkspräsident, Präsident)
Nachfolgeorganisation des nationalsozialistischen Reichsnährstandes
Ausdrücklich betrachtete sich der BBV als Nachfolgeorganisation des nationalsozialistischen Reichsnährstandes (Vorstandsbeschluss vom 14. Oktober 1945). Dabei ging es um die Fortführung der Monopolstellung, die Zwangsangehörigkeit umlagepflichtiger Landwirte, die Ausübung obrigkeitlicher Aufgaben und die Übertragung von Besitz des Reichsnährstandes. Unterstützt wurde der BBV dabei vom Kabinett Hoegner, das angesichts der Nahrungsmittelnot auf dessen Unterstützung angewiesen zu sein glaubte. Widerstand kam dagegen von der staatlichen Landwirtschaftsverwaltung, die keine obrigkeitlichen Aufgaben abtreten wollte, und der US-Militärregierung, die die Prinzipien ihrer Demokratisierungspolitik durch die zentralistischen und autoritären Absichten des BBV verletzt sah – obschon ihre Lizenzierungspolitik diese Tendenzen im BBV begünstigt hatte.
Körperschaft des öffentlichen Rechts
Das Ergebnis der Auseinandersetzungen um die Rechtsstellung des BBV war die Verordnung Nr. 106 über dessen Aufgaben vom 29. Oktober 1947. Sie ist lediglich als Anerkennung der politischen Bedeutung des BBV durch die Staatsregierung zu werten. Denn ihr Inhalt rechtfertigte keine Verordnung, da der BBV keinerlei obrigkeitliche Befugnisse bekam. Abgesichert wurde dies in Artikel 179 der Bayerischen Verfassung, der als eine der wenigen Verfassungsbestimmungen auf direktes Eingreifen der Militärregierung eingefügt worden war und im Hinblick auf den BBV (sowie auf gleichlaufende Bestrebungen der Handwerks- sowie der Industrie- und Handelskammern) Wirtschaftsorganisationen die Übernahme obrigkeitlicher Funktionen und Zwangsmitgliedschaft verbot. Dementsprechend war die am 3. Juni 1947 eröffnete Bayerische Landesbauernkammer lediglich eine Abteilung innerhalb des BBV, die keine für Landwirtschaftskammern konstituierende Befugnisse besaß und nur dazu diente, den Anspruch des BBV auf obrigkeitliche Funktionen aufrechtzuerhalten. Diesen Zweck erkannte die Militärregierung. Um dem BBV jeden Hebel zur Ausdehnung seiner Kompetenzen auf staatliches Gebiet zu nehmen, entzog sie ihm am 14. November 1947 die Körperschaftsrechte.
Die deutlich begrenzten Kompetenzen des BBV blieben bestehen. Weder die Bekanntmachung des bayerischen Landwirtschaftsministeriums über das Aufgabengebiet des BBV vom 15. Februar 1949 noch die Rückgabe der Körperschaftsrechte durch Landwirtschaftsminister Dr. Alois Hundhammer (CSU, 1900–1974, im Amt 1957–1969) am 17. Februar 1960 noch die gesetzlich garantierte Finanzierung des BBV aus Steuergeldern durch das Gesetz zur Förderung der bayerischen Landwirtschaft (1971) bzw. das Bayerische Agrarwirtschaftsgesetz (2007) konnten dies verändern. Das Zusammenspiel mit der Politik sicherte dem BBV zwar eine privilegierte Stellung innerhalb des landwirtschaftlichen Organisationswesens in Bayern. Der Koalition aus Militärregierung und staatlicher Landwirtschaftsverwaltung war es allerdings gelungen, den Wunsch des BBV nach Ausübung obrigkeitlicher Befugnisse und Zwangsmitgliedschaft dauerhaft zu durchkreuzen.
Konflikt zwischen Haupt- und Ehrenamt
Obwohl der Proporz zwischen den Angehörigen der bis 1933 existierenden Interessenvertretungen in den ehrenamtlichen Gremien des BBV genau beachtet wurde, brach der Konflikt zwischen ihnen kurz nach dessen Gründung wieder auf. Dabei wandelte sich dieser in einen Streit zwischen Haupt- und Ehrenamt. Der Zusammenhang wird klar, wenn man bedenkt, dass die ehemaligen Landbündler ebenso wie die Bauernbündler vor allem auf ehrenamtlichen Positionen zu finden waren, während der hauptamtliche Apparat des BBV von ehemaligen Bauernvereinsfunktionären dominiert wurde. Der organisationspolitische Konflikt zwischen dem Bayerischen Bauern- und Mittelstandsbund (ein von der Verbandsideologie der Ehrenamtlichkeit geprägter Honoratiorenverband) und dem Bayerischen Christlichen Bauernverein (ein bürokratisch dominierter Funktionärsverband) fand nun innerhalb des BBV seine Fortsetzung. Sowohl Ehren- als auch Hauptamtliche erhoben den Anspruch auf die exklusive Führung des BBV. Dabei entzündete sich dieser Konflikt an der Stellung des Generalsekretärs. Er endete mit einer Niederlage der Hauptamtlichen, die ihr Stimmrecht in den Verbandsgremien verloren und aus der öffentlichen Verbandsrepräsentation verschwanden. Als Zeichen der Niederlage wurde dem Büroleiter Alois Egger (1899–1993) zwischen 1952 und 1962 der Titel des Generalsekretärs verweigert.
Die Bauernverbandsbürokratie unter Staatsaufsicht
Während sich die Ehrenamtlichen seither auf die öffentliche Repräsentation des BBV in den Parlamenten und Parteigremien konzentrierten, entwickelte sich die staatliche Landwirtschaftsverwaltung noch mehr als bisher zum hauptsächlichen Ansprechpartner der Bauernverbandsbürokratie. Um eine gemeinsame kommunikative Basis als Voraussetzung für eine erfolgreiche Interessenvertretung herzustellen, ordneten sich die Hauptamtlichen des BBV dem Vorbild der Agrarbürokratie unter, passten sich erstens den Einstellungsvoraussetzungen für den höheren staatlichen Landwirtschaftsdienst an und strebten zweitens selbst nach dem Status des Berufsbeamten.
Um dieses Ziel zu erreichen, wollte der hauptamtliche Apparat des BBV die Körperschaftsrechte zurückbekommen. Dafür nahm er die Staatsaufsicht durch das bayerische Landwirtschaftsministerium in Kauf, die vor allem im Landwirtschaftsförderungsgesetz und im Agrarwirtschaftsgesetz - nicht zuletzt auch als Gegenleistung für die darin kodifizierten umfangreichen Staatsleistungen an den BBV (15 % der Sach- und Verwaltungsaufgaben im Landwirtschaftsförderungsgesetz) - festgelegt wurde.
So beanspruchten die Abteilungsleiter im BBV mit dem Titel Direktor seit der Rückgabe der Körperschaftsrechte 1960 innerorganisatorisch die Stellung von Berufsbeamten, während die Verwaltungs- und Personalpolitik des BBV für die staatliche Agrarbürokratie seither absolut transparent ist. Für das Sozialgefüge innerhalb des agrarpolitischen Institutionengefüges Bayerns bedeutet dies, dass eine Scheidelinie mitten durch den BBV zwischen Landwirten und Bauernverbandshonoratioren einerseits, Landwirtschaftsbeamten und Angehörigen der Bauernverbandsbürokratie andererseits verläuft.
Als sichtbarster Ausdruck der Annäherung zwischen Bauernverbandsbürokratie und staatlicher Landwirtschaftsverwaltung kann die Tatsache gelten, dass 1962 ein amtierender Ministerialdirektor des bayerischen Landwirtschaftsministeriums (Ludwig Dürrwaechter, 1897-1964) für das Amt des Bauernverbandspräsidenten kandidierte und mit nur vier Stimmen seinem Kontrahenten Otto Freiherr von Feury (CSU, 1906–1998) unterlag.
Die Folgen des landwirtschaftlichen Strukturwandels
Der BBV profitierte zunächst von einem quantitativen landwirtschaftlichen Strukturwandel. Kleinbetriebe waren seit der Gründung unterrepräsentiert, da sie ihn als Interessenvertretung der hauptberuflichen und großbäuerlichen Landwirtschaft sahen. Deshalb erhöhte sich der Organisationsgrad des BBV bei etwa gleich bleibender Anzahl an Mitgliedsbetrieben (ca. 250.000) zwischen 1949/1950 und 1963/1964 von 52 auf 62 % in dem Maße, in dem die Kleinbetriebe verschwanden. Der BBV gewann dadurch an Legitimität, Homogenität und Stabilität.
Der zunehmende Strukturwandel stellte den BBV jedoch vor organisationspolitische Probleme. Einerseits sollte eine möglichst große Zahl von Landwirten als Macht-, Legitimations- und Finanzierungsbasis für den hauptamtlichen Verbandsapparat erhalten bleiben, andererseits wurde ein großer Anteil an Kleinlandwirten vor allem von den in den ehrenamtlichen Verbandsgremien dominierenden Großbauern als Hindernis für den eigenen Wachstumswillen betrachtet. Dieses Dilemma lähmte den BBV, so dass die drohende Gründung eines eigenen Verbandes für die wachsende Sondergruppe der Nebenerwerbslandwirte (1949: 21 %, 1971: 42 %, 1997: 58 %) in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre dank einer intensivierten Betreuung nur knapp verhindert werden konnte.
Auf den zunehmenden qualitativen Strukturwandel, der sich in der produktionstechnischen Spezialisierung der landwirtschaftlichen Betriebe äußerte, fand der BBV jedoch keine organisationspolitische Antwort, die seinem postulierten Charakter als Einheitsverband adäquat gewesen wäre. Die Integration der Interessen der Ökolandwirte gelang nicht mehr, während sich mit dem Bundesverband deutscher Milchviehhalter seit 1998 erstmals ein Spartenverband bildete, der sich dem Führungsanspruch des BBV nicht unterordnete und sich ausdrücklich als Konkurrenzorganisation verstand.
Auf die vom landwirtschaftlichen Strukturwandel hervorgerufenen wachsenden innerverbandlichen Interessengegensätze und die darin gründenden negativen Folgen auf die Mitgliederbindung reagierte der hauptamtliche Bauernverbandsapparat, indem er sich mit Hilfe eigener Tochterunternehmen, staatlicher Zuschüsse und Spenden der Agrarindustrie von der Finanzierung durch die Mitglieder zunehmend unabhängig machte. Der Anteil der Mitgliedsbeiträge zur Verbandsfinanzierung betrug im Jahr 2002 nur mehr knapp über 50 %. Darüber hinaus bot er sich den Mitgliedern mit einem umfangreichen Dienstleistungsangebot als Wegweiser durch das Behördendickicht an und versuchte sich dadurch für die Landwirte unentbehrlich zu machen. So umfasst das Dienstleistungsangebot des BBV ein flächendeckendes Netz von Geschäftsstellen, zahlreiche Tochterunternehmen (z. B. "bbv-Beratungsdienst" zur Steuerberatung, "BBV-Betriebsberatung- und Computerdienst GmbH" als Anbieter von Agrarsoftware oder das Reisebüro "BBV Touristik GmbH"), das Bayerische Landwirtschaftliche Wochenblatt, die Organisation des Zentrallandwirtschaftsfestes, seit 1974 ein Bildungswerk sowie die 1976 eröffnete Bildungsstätte in Herrsching als Nachfolgerin der 1948 gegründeten Bauernschule in Ottobeuren und der 1950 errichteten Bäuerinnenschule auf dem Hartschimmelhof am Ammersee.
Während es dem BBV auf diese Art und Weise gelang, von der zunehmenden Bürokratisierung der Agrarpolitik zu profitieren, indem er sie für die Mitgliederbindung und den Ausbau der eigenen Organisation nutzte, wandte er sich zunehmend nichtlandwirtschaftlichen Kreisen zu und versuchte sich als ländlicher Grundbesitzerverband zu etablieren. Dies zeigte sich darin, dass er 2009 über 161.445 Mitglieder verfügte, während es in Bayern nur 113.396 landwirtschaftliche Betriebe über zwei Hektar gab (wobei der landwirtschaftliche Organisationsgrad nach Angaben des BBV über 90 % betragen soll). Während die landwirtschaftlichen Interessen von den Ehrenamtlichen lautstark in der Öffentlichkeit vertreten wurden, nahm der Bauernverbandsapparat im Interesse der Aufrechterhaltung und des weiteren Ausbaus des eigenen Mitarbeiterstabes die entgegengesetzten Interessen von (pachtenden) Landwirten und (verpachtenden) Grundbesitzern innerhalb des BBV in Kauf.
Verhältnis zur Parteipolitik
Da neben den Kontakten zur Ministerialbürokratie die Parlamentsarbeit eine der wesentlichen Aufgaben der landwirtschaftlichen Interessenvertretung darstellt, ist das Verhältnis zwischen Agrarorganisationen und Parteien seit jeher eng. Solange der BBV als Organisation zur Zeit des Konfliktes zwischen Haupt- und Ehrenamt bis Mitte der 1950er Jahre weitgehend handlungsunfähig war, lief die Interessenvertretung nahezu ausschließlich über die parteipolitischen Kanäle der Führungspersonen. Dabei hing die erfolgreiche Umsetzung des Konzepts des BBV als Einheitsverband entscheidend vom Erfolg der Christlich-Sozialen Union (CSU) als konservativer Einheitspartei ab. Deshalb verwundert es nicht, dass der sog. Bauernverbandsflügel in der CSU für deren Interkonfessionalität kämpfte und gegen die Bestrebungen, die CSU mehr nach dem Vorbild der ehemaligen Parteien des politischen Katholizismus zu gestalten. Diesem symbiotischen Verhältnis zwischen CSU und BBV entsprechend wuchs die Angst vor der Gründung von Konkurrenzorganisationen regelmäßig nach dem Auftreten neuer konservativer Parteien (bis in die Mitte der 1950er Jahre die Bayernpartei als partikularistische Alternative zur CSU und die FDP als dezidiert ländlich-protestantische Alternative in den ehemaligen Landbundhochburgen in Franken). Entsprechend dazu stieg die Angst vor Wählerverlusten in der CSU angesichts der Entstehung von Konkurrenzorganisationen zum BBV. Deshalb akzeptierte die CSU den seit 1998 sich ausbreitenden Bundesverband deutscher Milchviehhalter als Gesprächspartner. Andererseits wurde die FDP für sich als modern verstehende wachstumsorientierte Großbetriebe attraktiv. Die Gruppe der Ökolandwirte bevorzugte ohnehin die ökologischen Parteien. So ist die ehemals eindeutige Verbindung zwischen BBV und CSU im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts in Auflösung begriffen.
Programmatik
Die agrarpolitische Programmatik des BBV ist protektionistisch. Sie ist wie diejenige aller seiner Vorläuferorganisationen vom Primat der Preispolitik geprägt, während demgegenüber strukturpolitische Maßnahmen zur Senkung der Produktionskosten deutlich im Hintergrund stehen. Dabei werden handelspolitische Maßnahmen marktordnerischen Eingriffen und diese wiederum direkten einkommenswirksamen Subventionen vorgezogen. Das programmatische Scharnier zu den Vorläuferorganisationen stellte das erste Agrarprogramm von 1948 dar, verfasst von dem Bauernverbandsmitarbeiter Heinz Haushofer (1906–1988). Er war ein ehemaliger Beamter des Reichsnährstandes, der seine verbandspolitische Lehrzeit in der Bayerischen Landesbauernkammer unter Direktor Michael Horlacher vom Bayerischen Christlichen Bauernverein absolviert hatte.
Verbandsideologie
Zur Begründung seiner stets gleichbleibenden agrarpolitischen Forderungen setzte der BBV auf wechselnde Verbandsideologien – die auch nicht zuletzt dem Ziel dienten, die innerverbandlichen Interessengegensätze zu überdecken. Zunächst bediente sich der Verband der im 19. Jahrhundert im Bürgertum als Reaktion auf die Herausforderungen der Industrialisierung entstandenen Bauerntumsideologie, die die besondere, im Vergleich zu anderen Bevölkerungsgruppen höhere sittliche Qualität der landwirtschaftlichen Bevölkerung postulierte und davon die Notwendigkeit des Schutzes der Landwirtschaft ableitete. Diese Strategie erschien angesichts der starken Minderheitenposition der landwirtschaftlichen Erwerbstätigen (1950: 30,6 %) angemessen. Deren zunehmender Rückgang in Richtung einer marginalisierten Minderheit (1970: 13,2 %, 2009: 2,9 %) bewirkte einen Ideologienwandel. Die neue Unternehmerideologie, die den technologisch rationell und betriebswirtschaftlich egoistisch handelnden Landwirt propagierte, postulierte nicht mehr die sittliche Höherwertigkeit der Landwirtschaft sondern deren volkswirtschaftliche Gleichwertigkeit. Die gleichen Maßnahmen, die bisher zum besonderen Schutz der Landwirtschaft gefordert worden waren, sollten nun zum Ausgleich naturbedingter Wettbewerbsnachteile der Landwirtschaft gegenüber der übrigen Volkswirtschaft dienen.
Quellenlage und Forschungsstand
Die Quellenlage zur Erforschung der Geschichte des BBV ist gut. Die Niederschriften der Sitzungen der Verbandsgremien finden sich bezüglich der Landesebene lückenlos im Generalsekretariat des BBV in München. Dagegen sind die Niederschriften der Verbandsgremien auf Bezirksebene in den Hauptgeschäftsstellen nur lückenhaft erhalten. Einzig der Bezirksverband Oberpfalz stellt hier eine Ausnahme dar. Eine wertvolle Ergänzung für die Geschichte der Gründungszeit des BBV stellen die Nachlässe des bayerischen Ministerpräsidenten Wilhelm Hoegner (SPD, 1887–1980) und des mehrmaligen bayerischen Landwirtschaftsministers Joseph Baumgartner im Institut für Zeitgeschichte sowie die Überlieferung der amerikanischen Militärregierungsinstanzen OMGB (für Bayern) und OMGUS (für die amerikanische Zone) im Bayerischen Hauptstaatsarchiv bzw. im Institut für Zeitgeschichte dar. Einschlägig sind auch die Akten des bayerischen Landwirtschaftsministeriums im Bayerischen Hauptstaatsarchiv, vor allem seit sich die Bauernverbandsbürokratie unter Staatsaufsicht gestellt hat. Sie enthalten u. a. Stellen- und Haushaltspläne des BBV. Verbandsgeschichtlich aufschlussreich sind neben den Akten und Protokollen der CSU-Gremien im Archiv für Christlich-Soziale Politik auch die veröffentlichten Bundestags-, Landtags- und Senatsreden von Bauernverbandspolitikern.
Der Stand der Forschung zur Geschichte des BBV ist disparat. Während die Geschichte des BBV zur bayerischen Parteienlandschaft intensiv erforscht wurde, fehlt eine organisationsgeschichtliche Gesamtwürdigung des BBV.
Amtszeit | Name | Lebensdaten |
---|---|---|
1945-1946 | Josef Sturm | 1888-1962 |
1946-1955 | Fridolin Rothermel | 1895-1955 |
1955-1977 | Otto Freiherr von Feury | 1906-1998 |
1977-1991 | Gustav Sühler | 1922-1998 |
1991-2012 | Gerd Sonnleitner | geb. 1948 |
2012-2022 | Walter Heidl | geb. 1959 |
seit 2022 | Günther Felßner | geb. 1966 |
Amtszeit | Name | Lebensdaten |
---|---|---|
1949-1963 | Maria Baur | 1914-2003 |
1963-1972 | Therese Wieser | 1898-1976 |
1972-1987 | Maria Wiederer | 1922-2006 |
1987-1995 | Ida Krinner | 1926-2001 |
1995-2002 | Hannelore Siegel | 1941-2016 |
2002-2012 | Annemarie Biechl | geb. 1949 |
2012-2022 | Anneliese Göller | geb. 1956 |
seit 2022 | Christine Singer | geb. 1965 |
Amtszeit | Name | Lebensdaten |
---|---|---|
1945-1948 | Alois Schlögl | 1893–1957 |
1949-1951 | Andreas Neppig | 1891–1954 |
1962-1968 | Alois Egger | 1899–1993 |
1968-1973 | Werner Schneider | 1921-1973 |
1973-1982 | Gebhard Quinger | 1919-2012 |
1982-1992 | Hartwig Schneider | geb. 1950 |
1993-1999 | Karl Steiger | 1941-1999 |
1999-2017 | Hans Müller | geb. 1954 |
2018-2024 | Georg Wimmer | geb. 1958 |
seit 2024 | Carl von Butler | geb. 1965 |
Literatur
- Hans Bürger, Die landwirtschaftliche Interessenvertretung in der Zeit von 1933 bis zur Gegenwart unter besonderer Berücksichtigung der westdeutschen Verhältnisse, Diss. masch. Erlangen 1966.
- Andreas Eichmüller, "I hab' nie viel verdient, weil i immer g'schaut hab, daß as Anwesen mitgeht." Arbeiterbauern in Bayern nach 1945, in: Thomas Schlemmer/Hans Woller (Hg.), Bayern im Bund. 2. Band: Gesellschaft im Wandel 1949 bis 1973 (Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte 53), München 2002, 179–268.
- Andreas Eichmüller, Landwirtschaft und bäuerliche Bevölkerung in Bayern. Ökonomischer und sozialer Wandel 1945–1970. Eine vergleichende Untersuchung der Landkreise Erding, Kötzting und Obernburg (Untersuchungen und Quellen zur Zeitgeschichte 4), München 1997.
- Heinz Haushofer, Der bayerische Bauer und sein Verband 1945-1970, München 1970.
- Hans Hinterberger, Die CSU als Gralshüterin landwirtschaftlicher Interessen? CSU und Landwirtschaft unter spezieller Beachtung des Bayerischen Bauernverbandes, in: Gerhard Hopp/Martin Sebaldt/Benjamin Zeitler (Hg.), Die CSU. Strukturwandel, Modernisierung und Herausforderungen einer Volkspartei, Wiesbaden 2010, 99–120.
- Johann Kirchinger, Der feine Unterschied. Die schiefe kommunikative Ebene zwischen Bauernverband und staatlicher Landwirtschaftsverwaltung in Bayern, in: Ders./Andreas Dornheim (Hg.), Bloß Verwaltung? Bürokratien im agrarpolitischen Willensbildungsprozeß (Zeitschrift für Agrargeschichte und Agrarsoziologie 66/1), Frankfurt am Main 2018, 43–64.
- Johann Kirchinger, Die Bauern, ihre Verbände und der Staat. Eine Untersuchung zum Verhältnis von Partizipation und Administration (Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien 186), Düsseldorf 2023.
- Elmar Rieger, Bauernverbände. Agrarische Interessenpolitik, institutionelle Ordnung und politischer Wettbewerb, in: Thomas von Winter/Ulrich Willems (Hg.), Interessenverbände in Deutschland, Wiesbaden 2007, 294–315.
- Alois Schlögl, Bayerischer Bauernverband. Entstehung und Geschichte, München 1947.
- Herbert Wüst/Jürgen Pelhak, Das Gesetz zur Förderung der bayerischen Landwirtschaft. Kommentar, München 1986.
Quellen
- Bayrischer Bauernkalender (seit 1947).
- Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt (seit 1946).
- Jahres- bzw. Tätigkeitsberichte des Bayerischen Bauernverbandes (seit 1954/1955).
Weiterführende Recherche
Externe Links
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Empfohlene Zitierweise
Johann Kirchinger, Bayerischer Bauernverband (BBV), publiziert am 13.02.2012; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Bayerischer_Bauernverband_(BBV)> (31.10.2024)