Landeskommandant, 1919-1933: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 4. Februar 2020, 15:09 Uhr
Als Relikt der Reservatrechte des Königreichs Bayern bis 1918 hatte der Befehlshaber der 7. (bayerischen) Division in der Reichswehr die Funktion eines Landeskommandanten inne. Anders als bei den übrigen Landeskommandanten war damit die landsmannschaftliche Geschlossenheit seiner ausschließlich in Bayern stationierten Verbände verbunden. Die Problematik dieser Form eines "versteckten Partikularismus" (Bernd Steger) zeigte sich im Krisenjahr 1923 bei der Indienstnahme der Division durch die Landesregierung.
Die militärischen Reservatrechte Bayerns im Kaiserreich (1871-1918)
Das Deutsche Reich von 1871 als Staatenbund gestand den Königreichen Bayern, Sachsen und Württemberg militärische Reservatrechte zu. Im Frieden übte danach der König von Bayern die Kommandogewalt über die bayerischen Armeekorps aus und stützte sich dazu auf ein eigenständiges Kriegsministerium einschließlich einer bayerischen Militärverwaltung.
Das Ende der bayerischen Militärhoheit 1919
In den Verhandlungen um die militärische Ausgestaltung der Weimarer Reichsverfassung suchten die bayerischen Verhandlungsführer von Februar bis April 1919 unter der Leitfrage "Zentral- oder Bundesstaat?" auch das Heeresreservat wieder aufleben zu lassen. Dem stand die Forderung des preußischen Kriegsministers gegenüber, der als Erfahrung aus dem Weltkrieg anstelle des bisherigen Kontingents- ein Einheitsheer anstrebte. Die Länder Baden, Sachsen und Württemberg gaben ihren Widerstand gegen eine zentral geführte neue Reichswehr frühzeitig auf.
Das Hilfsersuchen der Regierung Johannes Hoffmann (1867-1930) an das Reich, den Kampf gegen die Räterepubliken in München im April 1919 militärisch zu unterstützen, zwang schließlich auch Bayern zum Einlenken. Die zur Niederschlagung der bayerischen "Roten Armee" eingesetzten Verbände wurden bewusst unter preußisches Kommando gestellt, dem der "Bayerische Oberbefehlshaber", General Arnold Ritter von Möhl (1867-1944), untergeordnet wurde. Im Verfassungsausschuss der Nationalversammlung erklärte sich schließlich Ende April 1919 der bayerische Vertreter zum Verzicht auf die Militärhoheit seines Landes bereit. Im Rahmen einer neuen Einheitsarmee einigte man sich im Gegenzug auf den Kompromiss, den Wehrbezirk VII (München) zwar wie die übrigen Wehrbezirke dem Reichswehrministerium in Berlin zu unterstellen, seinen Befehlshaber aber mit der zusätzlichen Funktion eines bayerischen Landeskommandanten auszustatten. Im Unterschied zu den Landeskommandanten für Baden, Hessen, Sachsen und Württemberg sollten in Bayern die Verbände der 7. (bayerischen) Division landsmannschaftlich geschlossen und innerhalb der Landesgrenzen stationiert sein.
Das Krisenjahr 1923
In den unruhigen Übergangsjahren 1920-1922 gelang es dem ersten Landeskommandanten von Möhl, die aufgelösten Einwohnerwehren in Form von Wehrverbänden eng an die Reichswehr zu binden und sie damit zu kontrollieren. Da er einen stark partikularistischen Einfluss auf die bayerische Politik ausübte, wurde er 1922 aus München abberufen und als Oberbefehlshaber des Gruppenkommandos II nach Kassel versetzt.
Von seinem Nachfolger Otto von Lossow (1868-1938) erwartete die Reichswehrführung größere Loyalität ihrer bayerischen Division. Schon in der Ruhrkrise zeigte sich jedoch seit Januar 1923, dass der neue Kommandeur für den Fall eines deutsch-französischen Krieges die bisherige kontrollierte Zusammenarbeit mit den Wehrverbänden zugunsten ihrer rechtsradikalen Teile aufzuweichen begann. Die wahllose Bewaffnung und Ausbildung bis hin zu Adolf Hitlers (1889-1945) junger SA sollte die Bildung einer Reichswehrreserve ermöglichen, führte aber letztlich zu einer Radikalisierung im Lager der Wehrverbände. Im Herbst musste die bayerische Staatsregierung schließlich einen Putsch der zum "Deutschen Kampfbund" zusammengeschlossenen Radikalen befürchten. Um der inneren Sicherheit willen übertrug sie deshalb Gustav Ritter von Kahr (BVP, 1862-1934) am 26. September 1923 als Generalstaatskommissar die vollziehende Gewalt im Lande. Als die Reichsregierung dagegen den Ausnahmezustand verhängte, stellte sich der Landeskommandant auf die Seite Bayerns und ließ nach seiner formellen Amtsenthebung Ende Oktober seine Division auf den Freistaat verpflichten.
Der "Fall Lossow" belastete im Spätherbst 1923 nicht nur die Beziehungen zwischen Bayern und dem Reich, er zeichnete in letzter Konsequenz auch mitverantwortlich für die schwere Krise des Hitlerputsches am 8./9. November. Nach dessen Niederschlagung suchte Bayern die Verhandlungen mit Berlin nochmals dazu zu nutzen, Teile der früheren militärischen Reservatrechte zu reaktivieren. Mehr als die Mitbestimmung bei der Bestallung des Befehlshabers in München in seiner Doppelfunktion als Landeskommandant war jedoch auch jetzt nicht zu erreichen (Homburger Vereinbarung von 1924).
Ein letztes Mal suchte die bayerische Regierung den Landeskommandanten gegen die Einsetzung Heinrich Himmlers (1900-1945) als Reichskommissar in Bayern am 9. März 1933 ins Spiel zu bringen. Auf Anweisung des Reichswehrministeriums, sich aus allen innenpolitischen Angelegenheiten herauszuhalten, folgte Landeskommandant General Wilhelm Ritter von Leeb (1876-1956) dem Hilfsersuchen des bayerischen Ministerpräsidenten jedoch nicht. Mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Wehrgesetzes vom 20. Juli 1933 wurde die Funktion der Landeskommandanten gänzlich beseitigt.
Literatur
- Harold J. Gordon jr., Hitlerputsch 1923. Machtkampf in Bayern 1923-1924, Frankfurt am Main 1971.
- Bernd Steger, Berufssoldaten oder Prätorianer. Die Einflußnahme des bayerischen Offizierskorps auf die Innenpolitik in Bayern und im Reich 1918-1924, Frankfurt am Main 1980.
Weiterführende Recherche
Externe Links
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Empfohlene Zitierweise
Bruno Thoß, Landeskommandant, 1919-1933, publiziert am 11.05.2006; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Landeskommandant,_1919-1933> (1.11.2024)