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Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 6. Oktober 2025, 14:46 Uhr

von Alexander Wegmaier

1962 wurde erstmals ein Staatsminister für Bundesangelegenheiten in die Bayerische Staatsregierung berufen. 1987 kamen die Europaangelegenheiten hinzu. Als Politikbereiche, die stark mit den Aufgaben des Ministerpräsidenten zusammenhängen, waren sie bis auf die Jahre 1988 bis 1994 organisatorisch eng an die Staatskanzlei angebunden.

Bundes‑ und Europapolitik als Querschnittsaufgaben

Bundes- und Europaangelegenheiten sind politische Querschnittsaufgaben, die sowohl den Ministerpräsidenten als auch die einzelnen Staatsministerien betreffen: Der Ministerpräsident vertritt Bayern nach außen und nimmt die damit zusammenhängenden Geschäfte gegenüber dem Bund, den deutschen Ländern, auswärtigen Staaten, der Europäischen Union (EU) und internationalen Organisationen wahr. Die Vertretungen des Freistaats beim Bund und bei der EU sind daher Teil der Staatskanzlei als Unterstützungsbehörde des Ministerpräsidenten. Die Staatsministerien sind dagegen für Gesetzentwürfe und den Rechtsvollzug auch in den Fällen zuständig, in denen die Rechtsetzungskompetenz beim Bund oder der EU liegt.

Die Ministerpräsidenten haben daher seit 1962 jeweils einen oder zwei Staatsminister mit der Pflege der Beziehungen zum Bund sowie ab 1987 zur Europäischen Gemeinschaft (EG)/EU betraut. Die Staatsminister waren zumeist nach Artikel 50 der Bayerischen Verfassung mit der Bundes- und Europapolitik als "Sonderaufgabe" betraut und organisatorisch innerhalb der Staatskanzlei angesiedelt. Lediglich von 1988 bis 1994 bestand ein eigenständiges Staatsministerium.

Die übergeordnete Aufgabe, die Interessen des Freistaats zu wahren, konkretisiert sich u.a. darin, politische Vorgänge zu beobachten, Kontakte zu pflegen, die Prioritäten der Staatsregierung in den politischen Prozess einzubringen und Informationen an die relevanten Stellen in Bayern weiterzugeben. Innerhalb der Staatsregierung sollten die Staatsminister zur Koordination beitragen, verbindliche Weisungsmöglichkeiten kamen ihnen aber aufgrund der Selbständigkeit der Ressortminister nicht zu.

Auf Bundesebene waren die Staatsminister i.d.R. zugleich Bevollmächtigte beim Bund sowie Stimmführer im Bundesrat, auf europäischer Ebene nahmen sie den bayerischen Sitz im Ausschuss der Regionen ein.

Interessenvertretung vor 1962

Die Pflege der Außenbeziehungen wurde in Bayern traditionell vom Ministerpräsidenten wahrgenommen, der i.d.R. zugleich das Staatsministerium des Äußern führte. Zur Vertretung der bayerischen Interessen beim Deutschen Bund und beim Deutschen Reich wurden Gesandte beauftragt.

Nach Gründung der Bundesrepublik 1949 griff die Staatsregierung zunächst auf dieses Modell zurück und berief einen beamteten Bevollmächtigten im Range eines Ministerialdirektors an die Spitze der Bayerischen Vertretung beim Bund, der dort als 'verlängerter Arm' des Ministerpräsidenten fungieren sollte.

Benennung des ersten Staatsministers für Bundesangelegenheiten 1962

1962 entschied der neu gewählte Ministerpräsident Alfons Goppel (CSU, 1905-1991, Ministerpräsident 1962-1978), den Bevollmächtigten aufzuwerten und mit Franz Heubl (CSU, 1924-2001) erstmals einen Staatsminister für Bundesangelegenheiten in sein Kabinett zu berufen, um die Interessen Bayerns wirksamer beim Bund zu vertreten. Er begründete dies u.a. mit der zunehmenden Politikverflechtung zwischen Bund und Ländern und der damit einhergehenden Bedrohung des Föderalismus. Der Kabinettsrang sollte zudem innerhalb der Staatsregierung die Koordination der bundespolitischen Positionierungen verbessern. Die Ernennung wurde auch von der Opposition ausdrücklich begrüßt.

Dem Minister stand neben der Bayerischen Vertretung beim Bund auch in München ein kleiner Stab zur Verfügung, der seine Büros in den Räumen der Staatskanzlei hatte und zur Koordinierung mit den landespolitischen Akteuren diente. Ministerpräsident Franz Josef Strauß (CSU, 1915-1988, Ministerpräsident ab 1978) gliederte unmittelbar nach seinem Amtsantritt die Münchner Dienststelle als neue Grundsatzabteilung in die Staatskanzlei ein und beschränkte den Staatsminister damit wieder stärker auf die Botschafterfunktion.

Erweiterung um Europaangelegenheiten 1987

Dem Staatsminister für Bundesangelegenheiten wurde von Anfang an auch die "Mitwirkung bei zwischenstaatlichen Angelegenheiten und Einrichtungen" zugewiesen. Heubl baute in der Folge intensive Kontakte zu den Organen der Europäischen Gemeinschaften auf. Der Landtag ergänzte bereits 1978 seinen 'Ausschuss für Information über Bundesangelegenheiten' um den Zusatz 'und Europafragen'.

Als in den 1980er Jahren die Europäische Integration nach einer Phase der Stagnation wieder Fahrt aufnahm (Einheitliche Europäische Akte 1986, Einrichtung des Binnenmarkts bis 1992), trug Ministerpräsident Strauß dem auch in der Staatsregierung Rechnung: Am 8. Dezember 1987 erweiterte er die Amtsbezeichnung zum 'Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten'. Parallel wurde eine Bayerische Vertretung in Brüssel eingerichtet, die dem Staatsminister zugeordnet war.

Episode als eigenständiges Staatsministerium 1988-1994

Im Zuge einer größeren Kabinettsumbildung stimmte der Landtag am 14. Juni 1988 der Errichtung eines eigenständigen Staatsministeriums für Bundes- und Europaangelegenheiten zu.

Strauß begründete die Neuaufstellung damit, dass die Länder von der Kompetenzausweitung für die EG zunehmend betroffen seien. Die Ressourcen des bisherigen Sonderministers seien nicht mehr ausreichend, um künftig auf die Entscheidungsprozesse innerhalb der EG-Institutionen Einfluss zu nehmen und zugleich den Informationsfluss nach Bayern sicherzustellen. Die Opposition erkannte dies zwar grundsätzlich an, enthielt sich aber bei der Abstimmung, weil sie eine Vergrößerung des Kabinetts nicht mittragen wollte.

In der Folge zeigte sich, dass die Staatsminister Georg von Waldenfels (CSU, geb. 1944, 1987-90) und Thomas Goppel (CSU, geb. 1947, 1990-94) zwar die operativen Tätigkeiten in Bonn und Brüssel ausführten. Die politische Koordinierung der anderen Staatsministerien fand aber – ohne die Autorität der Staatskanzlei im Rücken – oft ihre Grenze am Ressortprinzip. Zudem behielten sich die Ministerpräsidenten Max Streibl (CSU, 1932-1998, Ministerpräsident 1988-1993) und Edmund Stoiber (CSU, geb. 1941, Ministerpräsident 1993-2007) die Formulierung der grundsätzlichen Bundes- und Europapolitik selbst vor.

Re-Zentralisierung in der Staatskanzlei seit 1994

Stoiber löste das Ressort nach seinem Amtsantritt in mehreren Schritten wieder auf: Zunächst übernahm er nach einer Kabinettsumbildung Anfang 1994 selbst die Ressortleitung zusätzlich zu seinem Amt als Ministerpräsident. Nach der Landtagswahl 1994 übertrug er alle Europaangelegenheiten zurück in die Staatskanzlei mit der Begründung, dass bei den anstehenden Reformen der EU so die Stimme Bayerns am besten eingebracht werden könne. Die verbleibende Staatsministerin für Bundesangelegenheiten (nun wieder als Sonderaufgabe statt als eigenständiger Geschäftsbereich) wurde nach der Landtagswahl 1998 ebenfalls zurück in die Staatskanzlei gegliedert, damit Bundes- und Europapolitik "als typische Querschnittsaufgaben, die alle Fachbereiche der Staatsregierung betreffen" (Stoiber), in einer Hand lägen.

Seither amtierten in der Regel zwei Staatsminister für Sonderaufgaben in der Staatskanzlei, die sich in zwei Hauptvarianten die Zuständigkeiten teilen: Entweder übernimmt ein Staatsminister die Leitung der Staatskanzlei und der andere die Bundes- und Europapolitik, womit die Interessenvertretung Bayerns auf den höheren Ebenen in einer Hand liegt. Als zweite Variante verantwortet der Leiter der Staatskanzlei zugleich die Bundesangelegenheiten, um eine reibungslose regierungsinterne Abstimmung von Landes- und Bundespolitik zu ermöglichen. Das Amt des Bevollmächtigten übernimmt in diesem Fall zur Entlastung des Staatsministers ein Beamter.

Während die Aufgaben des Staatsministers für Bundesangelegenheiten recht konstant geblieben sind, wurden dem Staatsminister für Europaangelegenheiten 2003 die "regionalen Beziehungen" zu den Partnerregionen Bayerns, 2014 die Entwicklungszusammenarbeit sowie immer expliziter die "auswärtigen Beziehungen Bayerns" (Bekanntmachung vom 12. Januar 2021) übertragen.

Vergleich mit anderen Ländern

Bevollmächtigte beim Bund gab es seit 1949 in allen Ländern, ihre Organisationsform passte sich aber an die jeweiligen politischen Bedürfnisse an: Zeitweise hatten sie Kabinettsrang, dann wieder waren sie hohe Ministerialbeamte. Die Minister standen teilweise eigenen Ressorts vor (z.B. Nordrhein-Westfalen 1949-1998), waren in die Staatskanzlei (z.B. Baden-Württemberg 1953-1984) oder in andere Ressorts (z.B. Hessen 1963-1969: Justiz und Bundesangelegenheiten) eingegliedert. Europaangelegenheiten wurden erstmals 1986 in Niedersachsen in die Ressortbezeichnung aufgenommen, in den meisten anderen Ländern dagegen erst in den 1990er Jahren. Auch hier war die Ressortzuordnung unterschiedlich (z.B. Schleswig-Holstein seit 2022: Landwirtschaft, ländliche Räume, Europa und Verbraucherschutz).

Forschungs- und Quellenlage

Die Bundes- und Europapolitik der Bayerischen Staatsregierung sind Gegenstand mehrerer Untersuchungen. Eine institutionengeschichtliche Studie zum zugehörigen Staatsminister und den Dienststellen in München, Bonn und Brüssel fehlt dagegen bislang. Neben den Quellenbeständen im Bayerischen Hauptstaatsarchiv zum Bayerischen Bevollmächtigten beim Bund und zum Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten dürften auch die bislang nicht ausgewerteten Akten des Landtags-Untersuchungsausschusses zum sog. Heubl-Dossier (Drs. 8/4378) Einblicke in die innere Organisation der Dienststelle geben.

Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten
Jahr Bundesangelegenheiten Europaangelegenheiten
1963–1978 Staatsminister Franz Heubl (1924-2001) (Teil der Aufgaben des Staatsministers für Bundesangelegenheiten)
1978–1987 Staatsminister Peter Schmidhuber (1931-2020) (Teil der Aufgaben des Staatsministers für Bundesangelegenheiten)
1987 Staatsminister Georg von Waldenfels (geb. 1944) (Teil der Aufgaben des Staatsministers für Bundesangelegenheiten)
1987–1990 Staatsminister Georg von Waldenfels, Staatssekretär Alfred Sauter (geb. 1950)
1990–1994 Staatsminister Thomas Goppel (geb. 1947), Staatssekretär Paul Wilhelm (1935-2008) (i.A. 1990-1993) und Johann Böhm (geb. 1937) (i.A. 1993-1994)
1994 Ministerpräsident Edmund Stoiber (geb. 1941), Staatssekretär Johann Böhm
1994–1998 Staatsministerin Ursula Männle (geb. 1944) Abteilung der Staatskanzlei
1998–2003 Staatsminister Reinhold Bocklet (geb. 1943)
2003–2005 Leiter der Staatskanzlei, Staatsminister für Bundesangelegenheiten und Verwaltungsreform Erwin Huber (geb. 1946) Staatsminister für Europaangelegenheiten und regionale Beziehungen Eberhard Sinner (geb. 1944)
2005–2007 Emilia Müller (geb. 1951)
2007–2008 Markus Söder (geb. 1967)
2008–2013 Emilia Müller
2013–2018 Leiter der Staatskanzlei, Staatsminister für Bundesangelegenheiten und Sonderaufgaben:

Christine Hadertauer (i.A. 2013–2014), Marcel Huber (geb. 1958) (i.A. 2014–2018)

Staatsminister für Europaangelegenheiten und regionale Beziehungen: Beate Merk (geb. 1957)
2018 Leiter der Staatskanzlei und Staatsminister für Bundesangelegenheiten Florian Herrmann (geb. 1971) Staatsminister für Digitales, Medien und Europa Georg Eisenreich (geb. 1970)
2018–2021 Leiter der Staatskanzlei, Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten und Medien Florian Herrmann
Seit 2021 Leiter der Staatskanzlei, Staatsminister für Bundesangelegenheiten und Medien Florian Herrmann Staatsministerin für Europaangelegenheiten und Internationales: Melanie Huml (geb. 1975) (i.A. 2021-2023), Eric Beißwenger (geb. 1972) (i.A. seit 2023)

Literatur

  • Helmut Fröchling, Der Bundesrat in der Koordinierungspraxis von Bund und Ländern. Zur Rolle des Bundesrates im kooperativen Föderalismus, Freiburg i.Br. 1972.
  • Martin Hübler, Die Europapolitik des Freistaats Bayern. Von der Einheitlichen Europäischen Akte bis zum Amsterdamer Vertrag, München 2003.
  • Thomas-Michael Kabierschke, Die Bevollmächtigten der Länder beim Bund als Element föderativer Verfassungsordnung, Saarbrücken 1970.
  • Gerd Michael Köhler, Der Sonderminister nach Art. 49 Abs. 2 der Bayerischen Verfassung, in: Bayerische Verwaltungsblätter 1982, 266-270.
  • Konrad Kruis, Regierungsorganisation in der Bayerischen Verfassung, in: Bayerische Verwaltungsblätter 1988, 423-429.
  • Ursula Münch: Freistaat im Bundesstaat. Bayerns Politik in 50 Jahren Bundesrepublik Deutschland, München 1999.
  • Christoph Schönberg, Europabeauftragte in den deutschen Bundesländern, in: Die öffentliche Verwaltung 16 (1998), 665-672.
  • Marie-Luise Schöne, Die Europaministerkonferenz der Länder. Europapolitische Willensbildung zwischen den Ländern und Wahrnehmung von Länderinteressen in Angelegenheiten der Europäischen Union (Schriftenreihe Europäisches Recht, Politik und Wirtschaft 389), Baden-Baden 2018.
  • Alexander Wegmaier, "Europäer sein und Bayern bleiben": die Idee Europa und die bayerische Europapolitik 1945-1979 (Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte, 171), München 2018.

Quellen

Verwandte Artikel

Weiterführende Recherche

Externe Links

bis 1987 Staatsministerium für Bundesangelegenheiten, bis 2003 Staatsministerium für Bundes- und Europaangelegenheiten, bis 2005 Staatsministerium für Bundesangelegenheiten und Verwaltungsreform, Staatsministerium für Europaangelegenheiten und regionale Beziehungen; Staatsministerium für Bundes- und Europaangelegenheiten in der Staatskanzlei

Empfohlene Zitierweise

Alexander Wegmaier, Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten; publiziert am 28.07.2025 in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Staatsminister_für_Bundes-_und_Europaangelegenheiten> (5.12.2025)