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Uniformverbot, 1930-1932

Aus Historisches Lexikon Bayerns

Wortlaut der Anordnung vom 5. Juni 1930. (Bayerische Staatszeitung, 6. Juni 1930)

von Stefan Jelic

Anordnung, die es untersagte, einheitliche Kleidung als Zeichen der Zugehörigkeit zu einer politischen Gruppierung zu tragen. Bayern erließ vor dem Hintergrund nationalsozialistischer Provokationsmärsche als erstes Land der Republik am 5. Juni 1930 ein eingeschränktes Uniformverbot, das am 10. Juli 1931 ausgeweitet wurde. In der Auseinandersetzung mit dem Reich um die Gültigkeit eines solchen landesweiten Uniformverbots erließ Bayern am 17. Juni 1932 ein zweites allgemeines, zeitlich befristetes Verbot, das der Reichspräsident per Notverordnung vom 28. Juni 1932 aufhob.

Anlass und Inhalt des ersten Uniformverbots 1930

Unmittelbarer Anlass des Uniformverbotes war ein Provokationsmarsch nationalsozialistischer Formationen durch Münchner Arbeiterviertel am 1. Juni 1930. Am 5. Juni erließ das bayerische Innenministerium eine landesweit geltende, zeitlich nicht befristete Anordnung, die das Tragen von einheitlicher Kleidung, durch die die Zugehörigkeit zu einer politischen Vereinigung erkennbar wurde, für Kundgebungen unter freiem Himmel untersagte. Bayern war damit das erste Land des Deutschen Reiches, in dem das Tragen von Parteiuniformen behördlich eingeschränkt wurde.

Formuliert wurde der genaue Inhalt des Erlasses in einer Unterredung zwischen Innenminister Karl Stützel (1872–1944) und Ministerpräsident Heinrich Held (1868–1938), als treibende Kraft für ein solches Verbot darf aber v. a. Fritz Schäffer (1888–1967) gelten, der sich in einer Fraktionssitzung der Bayerischen Volkspartei am 3. Juni 1930 gegen den eher zögerlichen Innenminister dafür ausgesprochen hatte, gegen nationalsozialistische Propagandamethoden vorzugehen.

Umgehung des Verbots durch SA und NSDAP

Kundgebung des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes, bei der das Uniformverbot durch das Tragen weißer Hemden umgangen wird. Im Hintergrund das Armeemuseum in München. (aus: Studenten im Kampf. Beiträge zur Geschichte des NSD.-Studentenbundes, München 1938, 129)

Wohl, um sich nicht dem Vorwurf eines parteipolitisch motivierten Vorgehens auszusetzen, beschränkte sich das Verbot im Gegensatz zu den Uniformverboten Badens und Preußens, die Mitte Juni verhängt wurden, nicht auf nationalsozialistische Parteiformationen. Auch die amtliche Begründung vermied eine klare Bezugnahme auf das Verhalten der Nationalsozialisten.

Diese interpretierten den "Stützel-Erlass" gleichwohl als Sondermaßnahme der Staatsregierung gegen ihre Partei. In einem am 7. Juni 1930 im "Völkischen Beobachter" veröffentlichten Aufruf wurde den Parteimitgliedern der NSDAP - ganz im Sinne des Legalitätskurses - strengstens die Beachtung des Verbots eingeschärft und jede offene Auflehnung dagegen untersagt. Gleichzeitig aber suchte man nach Wegen, das Verbot entweder lächerlich zu machen oder zu unterlaufen: Ein beliebtes Mittel der Nationalsozialisten bestand darin, in geschlossenen Kolonnen mit nacktem Oberkörper zu marschieren oder einheitlich weiße Hemden zu tragen. Hierzu erging eigens eine Anordnung der obersten SA-Führung an die NS-"Reichszeugmeistereien", solche "Verbotshemden" herzustellen.

Verschärfung des Uniformverbots 1930/31

Wortlaut des allgemeinen Uniformverbots lt. Erlass des bayerischen Innenministeriums, 10. Juli 1931. (Bayerische Staatszeitung, 11. Juli 1931)
Auseinandersetzung zwischen SA und Polizei in der Münchner Amalienstraße, Juli 1931 nach dem Uniformverbot. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv hoff-7069)
Hochzeit von Joseph (1897-1945) und Magda Goebbels (1901-1945) am 19. Dezember 1931 in Severin; SA-Angehörige in weißen Hemden. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv hoff-7132)

Von diesen Maßnahmen und auch offenen Verstößen - bei dem Versuch, einen uniformierten Zug der Nationalsozialisten aufzulösen, kam es Ende Juni in Bamberg zu einer besonders schweren gewaltsamen Auseinandersetzung mit den Polizeikräften - blieb der Innenminister ebenso unbeeindruckt wie von der nicht minder aggressiv vorgetragenen Kritik des deutschnationalen Koalitionspartners DNVP und des "Stahlhelms". Ganz im Gegenteil verschärfte der Innenminister die ohnehin von den Landesbehörden eingeforderte konsequente und restriktive Auslegung des Verbots sogar noch: Am 27. August wurde im Vorfeld der Reichstagswahlen vom 14. September 1930 das Tragen von Parteikleidung sowohl bei allen öffentlichen Versammlungen in größeren Städten, als auch für Einzelpersonen während bestimmter Tageszeiten untersagt.

Am 10. Juli 1931 erließ das bayerische Innenministerium schließlich ein allgemeines Uniformverbot. Neben einer Einschränkung der Versammlungsfreiheit und dem Verbot von mit Hilfe von Lastkraftwagen durchgeführten Propagandafahrten war nun auch Einzelpersonen das Tragen von Kleidung untersagt, "die dazu bestimmt oder geeignet ist, abweichend von der sonst üblichen bürgerlichen Kleidung die Zugehörigkeit zu politischen Vereinigungen äußerlich zu kennzeichnen" (Zitat und Text der Verordnunung finden sich in: Bayerische Staatszeitung und Staatsanzeiger, 11. Juli 1931). Im Gegensatz zu dem eingeschränkten Uniformverbot vom 5. Juni 1930 war dieses nun verfügte, allgemeine Uniformverbot zeitlich befristet und wurde nach zweimaliger Verlängerung auf Betreiben der Reichsregierung durch einen eklatanten Eingriff in die Länderhoheit Ende Juni 1932 beseitigt.

Der Konflikt Bayerns mit dem Reich 1932

Ausgangspunkt des Konflikts Bayerns mit dem Reich war die Aufhebung des SA-Verbots durch die Notverordnung des Reichspräsidenten vom 14. Juni 1932. Damit nämlich war eine frühere Notverordnung vom 28. März 1931 aufgehoben, die wiederum als Rechtsgrundlage für das allgemeine Uniformverbot in Bayern vom 10. Juli 1931 fungiert hatte. Für Bayern war damit ein kaum erträglicher Zustand geschaffen - wie vor dem 5. Juni 1930 hätte es damit keinerlei Beschränkungen hinsichtlich des Tragens von Parteiuniformen gegeben. Auf einem Empfang der süddeutschen Ministerpräsidenten bei Reichspräsident Paul von Hindenburg (1847–1934) am 12. Juni wurde den Länderchefs Handlungsfreiheit zugesichert, falls sie nach Wiederzulassung von SA und SS mit eigenständigen Maßnahmen gegen die nationalsozialistische Gewalt vorgehen wollten. Auf der Sitzung des bayerischen Kabinetts musste Held am 15. Juni 1932 dann jedoch berichten, ihm sei soeben eine Note von Staatssekretär Otto Meissner (1880-1953) zugegangen, in der dieser mitteilte, hinsichtlich der Zusicherungen des Reichs handle es sich wohl um ein "Missverständnis" (Ministerratsprotokoll vom 15. Juni 1932, Bayerisches Hauptstaatsarchiv, MA 99524). Das Reich werde Verbotsmaßnahmen der Länder nicht akzeptieren, es sei deshalb durchaus "mit der Möglichkeit zu rechnen" (ebd.) dass die Reichsregierung ein landesweites Uniformverbot nicht zulassen werde und dessen Aufhebung verlange.

Das zweite Uniformverbot von 1932

SA-Kundgebung 1932; demonstratives Ausziehen des Braunhemdes nach dem Uniformverbot. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv hoff-7166)

Im direkten Anschluss an eine tumultartige Landtagssitzung - die nationalsozialistischen Abgeordneten waren in voller Parteikleidung erschienen, was schließlich zum Abbruch der Sitzung geführt hatte - entschloss sich das Kabinett am 17. Juni, sofort zu handeln: Durch eine auf Art. 64 der Bayerischen Verfassung beruhenden Notverordnung wurde der § 44 des bayerischen Polizeistrafgesetzbuchs ergänzt. Die staatlichen Polizeibehörden waren nun in der Lage, "zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder für die Sicherheit der Person und des Eigentums" (Ministerratsprotokoll vom 17. Juni 1932, Bayerisches Hauptstaatsarchiv, MA 99524) befristete Anordnungen zu erlassen, die nach Maßgabe des Innenministeriums verlängert werden konnten. In einer ersten oberpolizeilichen Vorschrift wurde allen politischen Parteien und Organisationen das Tragen von Uniformen und einheitlicher Kleidung in der Öffentlichkeit bis einschließlich 30. September 1932 verboten. Damit war für Bayern der Rechtszustand vom 10. Juli 1931 wiederhergestellt: SA und SS waren zwar legal, ihre politische Betätigung aber durch ein allgemeines, zeitlich befristetes Uniformverbot eingeschränkt.

Endgültige Aufhebung des Uniformverbots durch die Reichsregierung

Eine Innenministerkonferenz unter Beteiligung des Reichsinnenministers Wilhelm von Gayl (1879 - 1950), die am 22. Juni 1932 in Berlin stattfand und sich eingehend mit dem Thema innere Sicherheit beschäftigte und von Gayl mit dem bezeichnenden Hinweis eingeleitet wurde, dass "die bisherigen polizeilichen Maßnahmen doch in erster Linie der Unterdrückung der Nationalsozialisten gedient hätten, die sich als Staatsbürger 2. Klasse hätten fühlen können" (Bericht Karl Stützels über die Konferenz im bayerischen Kabinett, hierzu s. Ministerratsprotokoll vom 24. Juni 1932, Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, MA 99524), blieb - ebenso wie eine Zusammenkunft Stützels mit v. Gayl am darauffolgenden Tag - ohne Ergebnis. Am 28. Juni 1932 erließ der Reichspräsident eine Notverordnung, die für Bayerns Staatsregierung den casus belli darstellen musste: Sämtliche in den Ländern auf jeweils landesrechtlicher Grundlage bestehenden Uniformverbote wurden aufgehoben und deren künftiger Erlass durch Landesbehörden nur noch im Einzelfall erlaubt. Allgemeine Uniformverbote für das Reich oder einzelne Teile durfte fortan nur noch der Reichsinnenminister verfügen.

Die bayerische Staatsregierung reagierte auf diese Entwicklung - nach Ansicht Stützels erfüllte die Notverordnung seine "schlimmsten Befürchtungen" (Ministerratsprotokoll vom 30. Juni 1932, Bayerisches Hauptstaatsarchiv, MA 99524) - wie man es nach dem bisherigen Verlauf des Konflikts nicht vermuten konnte, nämlich hilflos und "windelweich" (Otto Altendorfer, Fritz Schäffer als Politiker der Bayerischen Volkspartei, 2 Bände, München 1993, 619). Eine eigenständige Klage Bayerns vor dem Staatsgerichtshof unterblieb, da "kaum mit einem Erfolg zu rechnen" sei (Ministerratssitzung vom 30. Juni 1932), wie Fritz Schäffer zu bedenken gab. Durch Fühlungnahme mit anderen Ländern solle "festgestellt werden, ob ein anderes Land vorzugehen beabsichtige; einem solchen Vorgehen solle sich Bayern anschließen." Auf dem Höhepunkt politisch motivierter Gewalttaten im Sommer 1932 war damit durch das Reich ein Zustand geschaffen worden, wie er in Bayern seit Erlass des eingeschränkten Uniformverbots vom 5. Juni 1930 nicht mehr bestanden hatte. Die Nationalsozialisten hatten ihre Uniformen wieder. In der Öffentlichkeit musste der noch von Schäffer am 15. Juni 1932 beschworene fatale Eindruck entstehen, dass das "Dritte Reich" bereits angebrochen sei.

Literatur

  • Martin Faatz, Vom Staatsschutz zum Gestapo-Terror: Politische Polizei in Bayern in der Endphase der Weimarer Republik und der Anfangsphase der nationalsozialistischen Diktatur (Studien zur Kirchengeschichte der neuesten Zeit 5), Würzburg 1995.
  • Thomas Fürst, Karl Stützel. Ein Lebensweg in Umbrüchen. Vom Königlichen Beamten zum Bayerischen Innenminister der Weimarer Zeit (1924-1933) (Mainzer Studien zur Neueren Geschichte 19), Frankfurt am Main 2007.

Weiterführende Recherche

Empfohlene Zitierweise

Stefan Jelic, Uniformverbot, 1930-1932, publiziert am 04.07.2006; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Uniformverbot,_1930-1932> (10.12.2024)